22.01.2014 Aufrufe

149 KB - IFAB Institut für Angewandte Bodenbiologie GmbH

149 KB - IFAB Institut für Angewandte Bodenbiologie GmbH

149 KB - IFAB Institut für Angewandte Bodenbiologie GmbH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft 98: 39-40 (2002)<br />

Schwellenwerte der Bodenversauerung<br />

für die Bodenbiozönose<br />

Ulfert Graefe 1 , Dirk-Christian Elsner 2 ,<br />

Joachim Gehrmann 3 , und Ingrid Stempelmann 4<br />

Die Bodenreaktion ist ein bedeutender Umweltfaktor für<br />

viele Bodenorganismen. Insbesondere die feuchthäutigen<br />

Bodentiere, die in direktem Kontakt mit der Bodenlösung<br />

leben, werden stark vom Säure/Basen-Status im Boden<br />

beeinflusst. Dies gilt auch für Regenwürmer und Kleinringelwürmer<br />

(Enchyträen u. a.), die zu den umsatzstärksten<br />

tierischen Zersetzern gehören.<br />

Anhand der Daten von bodenzoologischen Untersuchungen<br />

auf Boden-Dauerbeobachtungsflächen, die in den Ländern<br />

Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit<br />

einem einheitlichen Satz an Indikatorgruppen und Methoden<br />

durchgeführt werden (Graefe et al., 1998), soll der Frage<br />

nachgegangen werden, wie sich die Artenzusammensetzung<br />

der Ringelwurmzönose in Abhängigkeit von der Bodenreaktion<br />

ändert. Durch die länderübergreifende Auswertung kann<br />

eine breite Palette verschiedener Standorte berücksichtigt<br />

werden. Mit den Daten nur eines Landes wäre das in diesem<br />

Umfang nicht möglich.<br />

Abb. 1 zeigt den Säure/Basen-Status im Oberboden der 54<br />

untersuchten Boden-Dauerbeobachtungsflächen. Die Bandbreite<br />

der pH-Werte (CaCl 2 ) reicht von 2,9 bis 7,4. Alle<br />

forstlich genutzten Standorte konzentrieren sich auf der stark<br />

sauren Seite. Bei den Ackerflächen liegt der Schwerpunkt im<br />

schwach sauren bis schwach alkalischen Bereich. Die<br />

Grünlandflächen nehmen eine Mittelstellung ein.<br />

Abb. 2 und 3 zeigen die Verteilung von zwei Arten entlang<br />

dem Gradienten der Bodenreaktion. Einige Daten von BZE-<br />

Rasterpunkten sind hier ebenfalls enthalten. Die Enchyträenart<br />

Cognettia sphagnetorum erreicht höchste Siedlungsdichten<br />

um pH 3 und tritt bei einem Wert über 4,8 nicht mehr auf.<br />

Auf der anderen Seite beschränkt sich die Regenwurmart<br />

Lumbricus terrestris im Wesentlichen auf den pH-Bereich<br />

über 4,2. Vereinzelte Restvorkommen bei pH 3,8 sind auf<br />

eine höhere Basensättigung im Unterboden zurückzuführen.<br />

Beide Arten treten sowohl im Wald als auch im Grünland und<br />

im Acker auf, woraus hervorgeht, dass die Bodennutzung<br />

kein primärer Faktor für das Vorkommen der Arten ist.<br />

Durch Übereinanderlegen der Verteilungskurven mehrerer<br />

Anzahl BDF<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

16 Acker-BDF<br />

18 Grünland-BDF<br />

20 Wald-BDF<br />

0<br />

2,8 3,0 3,2 3,4 3,6 3,8 4,0 4,2 4,4 4,6 4,8 5,0 5,2 5,4 5,6 5,8 6,0 6,2 6,4 6,6 6,8 7,0 7,2 7,4<br />

pH (CaCl 2 )<br />

Abbildung 1: Mittlerer Reaktionszustand in Auflage und Oberboden von 54 Boden-Dauerbeobachtungsflächen der Länder Schleswig-<br />

Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen.<br />

50.000 Ind./m²<br />

40.000<br />

Cognettia sphagnetorum<br />

160 g/m²<br />

120<br />

Lumbricus terrestris<br />

Wald<br />

Grünland<br />

Acker<br />

30.000<br />

20.000<br />

80<br />

10.000<br />

40<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

pH (CaCl 2 )<br />

Abbildung 2: Verteilung von Cognettia sphagnetorum über dem<br />

Gradienten der Bodenreaktion.<br />

1 <strong>IFAB</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>Angewandte</strong> <strong>Bodenbiologie</strong> <strong>GmbH</strong>, Sodenkamp 62,<br />

22337 Hamburg, Germany, ifab.hamburg@t-online.de<br />

2 Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein, Hamburger<br />

Chaussee 25, 24220 Flintbek, Germany, delsner@lanu.landsh.de<br />

3 Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten Nordrhein-<br />

Westfalen, Leibnizstr. 10, 45659 Recklinghausen, Germany,<br />

joachim.gehrmann@loebf.nrw.de<br />

4 Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Wallneyer Str. 6, 45133 Essen,<br />

Germany, ingrid.stempelmann@lua.nrw.de<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

pH (CaCl 2 )<br />

Abbildung 3: Verteilung von Lumbricus terrestris über dem<br />

Gradienten der Bodenreaktion.<br />

Arten lassen sich Bereiche ähnlicher bzw. unterschiedlicher<br />

Artenzusammensetzung identifizieren (Abb. 4). Die Bereiche<br />

von Lumbricus terrestris, Aporrectodea caliginosa, Allolobophora<br />

chlorotica und der Enchyträenart Fridericia bulboides<br />

auf dem Gradienten der Bodenreaktion decken sich<br />

weitgehend. Diese Arten gehören zum gleichen Zersetzergesellschaftstyp.<br />

Auch Aporrectodea longa, die eine engere<br />

Amplitude zwischen pH 5 und 7 aufweist, ist hier


– 40 –<br />

Cognettietalia<br />

Co. sphagnetorum<br />

Ma. clavata<br />

Ac. camerani<br />

Arten des Übergangs<br />

En. norvegicus<br />

Hr. periglandulata<br />

Ma.c.<br />

Co.s.<br />

Ac.c.<br />

En.n.<br />

Hr.p.<br />

Al.c.<br />

Lu.t.<br />

Ap.c.<br />

Fr.b.<br />

Ap.l.<br />

Lumbricetalia<br />

Lu. terrestris<br />

Ap. caliginosa<br />

Ap. longa<br />

Al. chlorotica<br />

Fr. bulboides<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

pH (CaCl 2)<br />

Abbildung 4: Verteilungskurven von 4 Regenwurmarten und 6 Kleinringelwurmarten über dem Gradienten der Bodenreaktion. Die<br />

beiden Bereiche mit ähnlicher Artenzusammensetzung entsprechen den Zersetzergesellschaftstypen Lumbricetalia und Cognettietalia.<br />

einzuordnen. Dagegen repräsentieren die Enchyträenarten<br />

Cognettia sphagnetorum, Mariona clavata und Achaeta<br />

camerani einen anderen Gesellschaftstyp. Enchytraeus<br />

norvegicus und der terrestrische Polychaet Hrabeiella<br />

periglandulata vermitteln zwischen den beiden Typen, die hier<br />

als Cognettietalia und Lumbricetalia bezeichnet werden (vgl.<br />

Graefe, 1993).<br />

Das Gesamtbild verändert sich auch nicht wesentlich, wenn<br />

man weitere Artverteilungskurven darüber legt. Der<br />

100 % Starksäure- und Säurezeiger (R 1-3)<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

stark saure Waldstandorte<br />

ungekalkt<br />

gekalkt<br />

schwach saurer Waldstandort<br />

BZE 475<br />

0 20 40 60 80 100 %<br />

Schwachsäure- und Basenzeiger (R 7-9)<br />

Abbildung 5: Reaktionszeiger-Diagramm der Kleinringelwürmer.<br />

Tiefenstufe (cm)<br />

L/Of<br />

Oh<br />

0 - 2<br />

2 - 5<br />

5 - 10<br />

10 - 30<br />

30 - 60<br />

60 - 90<br />

90 - 140<br />

140 - 200<br />

Kleve-Rehsol<br />

Duisburg-Stadtwald<br />

gekalkt<br />

Schwaney<br />

Fe Al-Fe Al Aust. Silik. Carb.<br />

2,6 3,0 3,4 3,8 4,2 4,6 5,0 5,4 5,8 6,2 6,6 7,0<br />

pH-Wert<br />

Abbildung 6: Tiefenverlauf der pH-Werte (CaCl 2 ) auf drei Boden-<br />

Dauerbeobachtungsflächen in Nordrhein-Westfalen. Schattierter<br />

Bereich (Al- und Al-Fe-Pufferbereich) bedeutet potentieller Stress<br />

durch Al-Toxizität für mineralbodenbewohnende Anneliden.<br />

Umschlagpunkt zwischen beiden Zersetzergesellschaftstypen<br />

liegt bei pH 4,2 (CaCl 2 ), also am Übergang vom Austauscher-<br />

Pufferbereich zum Aluminium-Pufferbereich. Dabei handelt<br />

es sich offenbar um eine Toxizitätsschwelle. Die Toxizität<br />

bestimmter Bodenlösungen kann im Labortest an Enchyträen<br />

nachgewiesen werden (Graefe, 1991).<br />

Aluminiumtoxizität ist vor allem eine Erscheinung der<br />

humusarmen Mineralbodenhorizonte. In der organischen<br />

Auflage spielt sie keine Rolle. Davon betroffen sind<br />

Mineralbodenbewohner und Tiefgräber, wie Lumbricus<br />

terrestris, also Arten, die durch ihre bioturbative Tätigkeit die<br />

Humusform Mull erzeugen. Die Grenze zwischen Lumbricetalia<br />

und Cognettietalia entspricht deshalb auch der Grenze<br />

zwischen Mull und Moder (Graefe, 2001).<br />

Bei der Ableitung von Schutzkategorien für Bodenorganismen<br />

im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes (vgl. Kues et<br />

al., 2000) ist die Toxizitätsschwelle zu beachten, die im Wald<br />

schwer zu durchbrechen ist. Bodenschutzkalkungen stark<br />

versauerter Waldstandorte führen in den von uns untersuchten<br />

Fällen noch nicht zu einer pH-Anhebung über den Wert 4,2<br />

(CaCl 2 ) im Mineralboden (vgl. Abb. 6: Duisburg-Stadtwald).<br />

Die Artenzusammensetzung verschiebt sich unter diesen<br />

Bedingungen lediglich zu Gunsten der Mäßigsäurezeiger (=<br />

Arten des Übergangs). Dagegen bleibt die Artengruppe der<br />

Lumbricetalia (= Schwachsäure- bis Schwachbasenzeiger)<br />

meist vollkommen unbeteiligt (Abb. 5).<br />

Aus bodenbiologischer Sicht ist eine Schutzkalkung dort<br />

angebracht, wo noch ein Restbestand an Mineralbodenbewohnern<br />

vorhanden ist, der zu verschwinden droht. An<br />

solchen Standorten, die einen steilen pH-Gradienten nahe der<br />

Oberfläche aufweisen (vgl. Abb. 6: Schwaney), kann die<br />

Regenerierung einer mulltypischen Bodenbiozönose gelingen.<br />

Literatur<br />

Graefe, U. (1991): Ein Enchyträentest zur Bestimmung der Säure- und<br />

Metalltoxizität im Boden. Mitt. Dtsch. Bodenk. Ges. 66: 487-490.<br />

Graefe, U. (1993): Die Gliederung von Zersetzergesellschaften für die<br />

standortsökologische Ansprache. Mitt. Dtsch. Bodenk. Ges. 69: 95-98.<br />

Graefe, U. (2001): Metabiotische Steuerung der Diversität im System<br />

Bodenbiozönose/Humusform. Mitt. Dtsch. Bodenk. Ges. 95: 47-50.<br />

Graefe, U., D.-C. Elsner, und U. Necker (1998): Monitoring auf Boden-<br />

Dauerbeobachtungsflächen: Bodenzoologische Parameter zur Kennzeichnung<br />

des biologischen Bodenzustandes. Mitt. Dtsch. Bodenk. Ges.<br />

87: 343-346.<br />

Kues, J. et al. (2000): Ökochemische Charakterisierung von Waldböden<br />

als Pflanzenstandort und als Bestandteil des Wasserkreislaufes.<br />

Vorschläge des Bundesverbandes Boden für die Ableitung von<br />

Schutzkategorien und Schutzmaßnahmen im Sinne des Bundes-<br />

Bodenschutzgesetzes. In Rosenkranz, D. et al. (Hrsg.): Bodenschutz.<br />

Kennziffer 3650, E. Schmidt Verlag, Berlin.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!