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Monatsbrief - Manufactum

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Editorial<br />

Die Kultur der Reparatur.<br />

Zunächst ein Gedankenspiel: Verschlüge<br />

es heute eine Gruppe Menschen<br />

auf eine einsame Insel, welche<br />

Fertigkeiten müßten sie wohl<br />

ganz neu erlernen? Das Feuermachen,<br />

natürlich – und vielleicht die<br />

Konstruktion einfacher mechanischer<br />

Werkzeuge. Kein Problem.<br />

Was aber, wenn das Schicksal es<br />

gut mit ihnen gemeint hat und es im<br />

Wrack des Flugzeugs, mit dem sie<br />

unterwegs waren, ein defektes<br />

Funkgerät gibt, mit dem man Hilfe<br />

herbeirufen könnte? Was klingt wie<br />

das Drehbuch für einen Hollywoodfilm<br />

(Tom Hanks spielte einmal einen<br />

solchen modernen Robinson),<br />

ist für Wolfgang M. Heckl, studierter<br />

Physiker und Generaldirektor<br />

des Deutschen Museums in München,<br />

Anlaß für die Frage, wieviel wir überhaupt noch von den Dingen<br />

verstehen, mit denen wir uns umgeben. Die Bilanz fällt ernüchternd aus.<br />

Unser Umgang mit Technik beschränkt sich weitgehend auf ein „verständnisloses“<br />

Konsumieren, und die Hersteller haben sich längst und wohl<br />

nicht ungern auf eine Kundschaft eingerichtet, die kaum willens, vor allem<br />

aber nicht mehr in der Lage ist, reparierend Hand anzulegen – schließlich<br />

lassen sich auf der Basis dieser Unmündigkeit umsatzstarke Geschäftsmodelle<br />

entwickeln.<br />

Nun leben wir nicht abgeschieden auf einer einsamen Insel (zumindest hat<br />

jeder, der diese Zeilen lesen kann, eine erreichbare Internet- oder Postadresse).<br />

Aber wir sind, um im maritimen Bild zu bleiben, von einem Meer<br />

technischer Gerätschaften umspült, die unser Technikverständnis im Normalfall<br />

weit überfordern – unsere Werkzeuge sind um ein Vielfaches komplizierter<br />

geworden als zu Robinsons Zeiten. Und gewiß muß man die<br />

Funktion eines Laptops oder eines MP3-Spielers nicht bis ins kleinste Detail<br />

verstehen, wenngleich man sie tagtäglich nutzt. Aber, so Heckl, wir sollten<br />

in der Lage sein, einfache Reparaturen selbst durchzuführen. Heckl fordert<br />

eine Rückkehr zu einer „Kultur der Reparatur“.<br />

Kreativer Rückgewinn von Autonomie.<br />

Eine solche „Kultur der Reparatur“ hat, das ist auch ihm klar, zwei Seiten.<br />

Sie erfordert nicht nur die Bereitschaft, den Schraubenzieher in die Hand<br />

zu nehmen, sie setzt auch das Vorhandensein von Schrauben – soll heißen:<br />

grundsätzliche Reparierbarkeit – voraus. Hier liegt jedoch einiges im<br />

argen: Hersteller, die die Reparatur und selbst das bloße Ersetzen eines<br />

Akkus unmöglich machen, das Problem der Obsoleszenz, gleichviel ob<br />

„geplant“ oder durch die schnelle Abfolge neuer Modelle psychologisch<br />

hervorgerufen, die ökologischen Folgen der Wegwerfmentalität … Diese<br />

Zusammenhänge faßt Heckl in seinem Buch klug und gut lesbar zusammen.<br />

Doch er beläßt es nicht bei der Klage. Sein Plädoyer betont, daß das<br />

Reparieren nicht nur eine technische Fertigkeit ist, sondern darüber hin-<br />

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