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2012-20 Asteroid Mining

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Technik&Wissen<br />

Casting im Kosmos<br />

RAUMFAHRT | Bislang war es nur eine kühne Vision, die unermesslichen Rohstoffvorräte<br />

im Weltall zu erschließen. Neue Technik macht nun aber den Bergbau auf<br />

<strong>Asteroid</strong>en möglich. In zwei Jahren starten erste Erkundungsmissionen.<br />

Der <strong>Asteroid</strong> <strong>20</strong>08 HU4 führt ein<br />

geordnetes Dasein, und das<br />

wird ihm noch zum Verhängnis.<br />

Lange, womöglich Millionen<br />

Jahre schon, zieht<br />

der Steinbrocken die fast immer gleiche<br />

Bahn um die Sonne. Ein paar<br />

Runden noch, und er wird geschnappt,<br />

entführt, zerschreddert.<br />

<strong>Asteroid</strong>enjäger liegen auf der<br />

Lauer – und am 24. Januar <strong>20</strong><strong>20</strong><br />

braust <strong>20</strong>08 HU4 ihnen in die Falle.<br />

Ein Raumschiff wird von der Erde<br />

heranrasen und sich vor dem<br />

<strong>Asteroid</strong>en postieren. Mit Kameras,<br />

Radaren und Spektrometern wird es<br />

den Acht-Meter-Brocken akribisch observieren.<br />

Dann fängt es ihn ein und<br />

schleppt ihn davon.<br />

Hinter dem derzeit noch fiktiven kosmischen<br />

Kidnapping stecken keine spinnerten<br />

Perry-Rhodan-Fans, sondern angesehene<br />

Weltraumexperten der Nasa, der US-<br />

Eliteuni Caltech und anderer Forschungsinstitute<br />

aus den USA und Europa. In einer<br />

Studie, veröffentlicht vom kalifornischen<br />

Keck Institute for Space Studies, schlagen<br />

die Wissenschaftler die außergewöhnliche<br />

Mission vor: Ein Roboterraumschiff soll<br />

einen ganzen <strong>Asteroid</strong>en einfangen, ihn<br />

von seinem Orbit ablenken und ihn in die<br />

Umlaufbahn des Mondes umleiten.<br />

Es wäre nicht weniger als der Beginn eines<br />

neuen Zeitalters: „Der Abbau von <strong>Asteroid</strong>en<br />

wird den größten Wandel des<br />

menschlichen Wirtschaftens seit der industriellen<br />

Revolution auslösen“, sagt John<br />

Lewis, emeritierter Planetologie-Professor<br />

der Universität von Arizona und Verfasser<br />

des Werks „<strong>Mining</strong> the Sky“.<br />

<strong>Asteroid</strong>engürtel<br />

<strong>Asteroid</strong>engürtel<br />

Sonne<br />

Merkur<br />

Venus<br />

Erde<br />

Mars<br />

Goldrausch am Himmel<br />

585 100 <strong>Asteroid</strong>en haben Astronomen<br />

bisher entdeckt. Es sind Reste aus der<br />

Urzeit des Planetensystems. Die meisten<br />

kreisen im sogenannten <strong>Asteroid</strong>engürtel<br />

zwischen Mars und Jupiter um die Sonne.<br />

8900 erdnahe <strong>Asteroid</strong>en sind identifiziert,<br />

darunter <strong>20</strong>08 HU4. Maximal 45 Millionen<br />

Kilometer von der Erdbahn entfernt,<br />

sind sie recht leicht per Rakete erreichbar.<br />

40 000 Billionen Dollar sind Rohstoffe wie<br />

Gold in diesem erdnahen Schwarm wert,<br />

schätzt der US-Planetologe John Lewis.<br />

<strong>20</strong>08 HU4<br />

2,6 Milliarden Dollar soll es kosten, den<br />

acht Meter großen <strong>Asteroid</strong>en <strong>20</strong>08 HU4<br />

zu fangen und in den Mondorbit zu bringen.<br />

Wird Realität, was die Weltraumvisionäre<br />

erreichen wollen, wären heute noch seltenste<br />

Rohstoffe schlagartig im Überfluss<br />

und zu einem Bruchteil heutiger Preise<br />

verfügbar. Ein Innovationsschub ungeahnten<br />

Ausmaßes wäre die Folge.<br />

Denn <strong>Asteroid</strong>en, das haben Untersuchungen<br />

mit Teleskopen und<br />

Raumsonden ergeben, sind fliegende<br />

Schatztruhen. Sie bestehen<br />

mitunter zu 30 Prozent aus Metallen.<br />

„Auf der Erde knappe Stoffe<br />

wie Silber oder Seltene Erden sind<br />

in manchen von ihnen 1000-mal<br />

stärker konzentriert als in der Erdkruste“,<br />

sagt Eckkehard Kührt, <strong>Asteroid</strong>enfachmann<br />

vom Deutschen Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.<br />

Andere Experten schätzen zudem, dass<br />

ein einziger, 500 Meter großer Klumpen so<br />

viel Platin enthält, wie die Menschheit je<br />

geschürft hat. Allein Platin, ein wichtiger<br />

Industrierohstoff etwa für Katalysatoren<br />

oder Brennstoffzellen, bescherte Minenbetreibern<br />

weltweit im Jahr <strong>20</strong>09 Umsätze in<br />

Höhe von 7,2 Milliarden Dollar.<br />

STELLARE STEINBRÜCHE<br />

Erstmals trauen sich Menschen nun zu, einen<br />

<strong>Asteroid</strong>en auszubeuten: Ende April<br />

erklärte das US-Unternehmen Planetary<br />

Resources der verblüfften Öffentlichkeit, es<br />

bereite seit zwei Jahren den ersten stellaren<br />

Steinbruch vor. Dass dies kein verspäteter<br />

Aprilscherz war, verrät die illustre Liste der<br />

Gründer, Berater und Investoren des Startups,<br />

darunter Google-Chef Larry Page, Eric<br />

Anderson – der Chef des Weltraumtourismusanbieters<br />

Space Adventures – und<br />

Hollywoodregisseur James Cameron.<br />

ILLUSTRATION: JAVIER MARTINEZ ZARRACINA<br />

104 Nr. <strong>20</strong> 14.5.<strong><strong>20</strong>12</strong> WirtschaftsWoche<br />

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1 2<br />

3 4<br />

<strong>Asteroid</strong>en abschleppen So stellen sich Experten den Rohstoffabbau im All vor: 1 Raumsonden analysieren die Felsbrocken mit Kameras,<br />

Radaren und Spektrometern 2 Ein Transportschiff greift sich einen geeigneten <strong>Asteroid</strong>en mit Hilfe eines Kevlar-Kokons 3 In Mondnähe<br />

zerlegen Roboter den Fels, extrahieren Rohstoffe und laden sie in ein Raumschiff 4 Der Raumgleiter bringt die Edelmetalle zur Erde<br />

Noch vor Ende des Jahrzehnts, kündigte<br />

Mitgründer Anderson an, soll der erste <strong>Asteroid</strong><br />

zum Abbauen gefunden sein. Parallel<br />

dazu plant die Nasa, bis <strong>20</strong>25 erstmals<br />

Astronauten auf einem der Raumkörper<br />

abzusetzen, um ihn zu erforschen.<br />

Später würden Raumschiffe zu Loren,<br />

die die seltenen Metalle im Wert von vielen<br />

Milliarden Dollar auf die Erde transportierten.<br />

Und nicht nur das: Aus den Brocken<br />

lässt sich auch Wasser für Astronauten gewinnen<br />

und sogar Treibstoff für Weltraumzapfsäulen.<br />

Denkt man die Entwicklung weiter, kann<br />

der Goldrausch im All eines Tages Basis für<br />

schwebende Versorgungsstationen werden,<br />

von denen aus die Menschen den<br />

Mond besiedeln. Roboter montieren dort<br />

auch Raumschiffe für Flüge zum Mars und<br />

konstruieren aus den <strong>Asteroid</strong>enrohstoffen<br />

schwebende Solarkraftwerke. Die<br />

könnten dereinst Strom drahtlos zur Erde<br />

funken und damit alle Energieprobleme<br />

lösen.<br />

Bislang fanden diese Szenarien allenfalls<br />

ihren Weg in Comic-Hefte. Wissenschaftler<br />

glauben aber, dass dem Steinesammeln im<br />

Kosmos technisch schon heute nichts<br />

mehr im Wege steht. „<strong>Asteroid</strong>en abzuschleppen<br />

ist teuer, aber machbar“, sagt<br />

DLR-Experte Kührt. Radarteleskope sind<br />

scharf genug, um vorbeifliegende <strong>Asteroid</strong>en<br />

zu vermessen; Raketen stark genug,»<br />

WirtschaftsWoche 14.5.<strong><strong>20</strong>12</strong> Nr. <strong>20</strong> 105<br />

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Technik&Wissen<br />

» zu ihnen zu fliegen; Roboter schlau<br />

genug, sie einzufangen und zu zerlegen.<br />

Den Beweis haben Wissenschaftler der<br />

japanischen Raumfahrtagentur Jaxa bereits<br />

erbracht – im kleinen Maßstab: Im<br />

Jahr <strong>20</strong>05 schickten sie die kühlschrankgroße<br />

Raumsonde Hayabusa zum 535 Meter<br />

langen, mit Felsbrocken übersäten <strong>Asteroid</strong>en<br />

Itokawa. Fünf Jahre später, nach<br />

einer insgesamt vier Milliarden Kilometer<br />

weiten Reise, brachte sie ein paar Körnchen<br />

außerirdischen Staubs zurück.<br />

Schon seit Jahrtausenden treibt die Aussicht<br />

auf neue Ressourcen Menschen zu<br />

den aberwitzigsten Abenteuern, auf lebensgefährliche<br />

Schiffsreisen und in die<br />

tiefsten Stollen der Gebirge. Investoren, die<br />

nun das erste kosmische Bergwerk finanzieren,<br />

setzen zwar nicht wie einst James<br />

Cook ihr Leben aufs Spiel – aber womöglich<br />

ein immenses Vermögen.<br />

„Was wir vorhaben, ist extrem kompliziert“,<br />

sagt Peter Diamandis, Mitgründer<br />

von Planetary Resources. „Aber der mögliche<br />

Gewinn ist riesig.“ Ein einziger erfolgreich<br />

ausgebeuteter <strong>Asteroid</strong> reichte, um<br />

die Weltraumunternehmer zu Rockefellers<br />

zu machen: Als etwa Astronomen den Felsblock<br />

1986 DA mit Radarwellen sondierten,<br />

stießen sie auf Eisen, Nickel, Platin, ja<br />

sogar Gold. Nach heutigen Rohstoffpreisen<br />

bewertet, müsste, wer allein die Platinmetalle<br />

aus dem 2,3 Kilometer großen <strong>Asteroid</strong>en<br />

kaufen wollte, 60 Billionen Dollar hinlegen,<br />

rechnet Planetenforscher Lewis vor.<br />

Das ist in etwa so viel, wie alle Volkswirtschaften<br />

der Erde zusammen in einem Jahr<br />

erwirtschaften.<br />

Schatzsucher im All<br />

Per Anhalter durch die Galaxis Eine <strong>Asteroid</strong>enmine<br />

tourt durch das Sonnensystem<br />

RASENDE TRÜMMERSTÜCKE<br />

Und im Vergleich zu den gesamten Rohstoffvorkommen<br />

im weiten Raum zwischen<br />

Merkur und Neptun ist das nur ein<br />

Taschengeld. Denn 1986 DA, benannt<br />

nach dem Zeitpunkt seiner Entdeckung, ist<br />

nur ein winziger Geselle in einem riesigen<br />

Schwarm. Viele Millionen Gesteinsbrocken,<br />

Bauschutt aus der Gründungsphase<br />

des Sonnensystems, kreisen zwischen den<br />

Planeten um die Sonne. Die meisten bewegen<br />

sich im sogenannten <strong>Asteroid</strong>engürtel,<br />

einem Geröllring zwischen Mars und Jupiter,<br />

der an seinem inneren Rand mit 150<br />

Millionen Kilometern genauso weit von<br />

der Erde entfernt ist wie die Sonne.<br />

Für menschliche Bergbaumissionen ist<br />

der Gürtel noch zu weit abgelegen. Aber<br />

die Himmelsmechanik kommt irdischen<br />

Schatzsuchern entgegen: Immer wieder<br />

flitscht der Riesenplanet Jupiter mit seiner<br />

Anziehungskraft Trümmerstücke wie Flipperkugeln<br />

aus der Bahn. So schlüpfen sie<br />

in das Innere des Sonnensystems – und in<br />

die Nähe der Erde. Dort kreisen sie mehrere<br />

Millionen Jahre, bis sie erneut aus der<br />

Bahn geschleudert werden oder mit einem<br />

der Planeten kollidieren.<br />

Fast 9000 solcher sogenannten erdnahen<br />

<strong>Asteroid</strong>en, die maximal 45 Millionen Kilometer<br />

von uns entfernt sind, haben Astronomen<br />

bisher entdeckt, darunter auch<br />

1986 DA. „Allein der erdnahe Schwarm ist<br />

etwa 40 000 Billionen Dollar wert“, kalkuliert<br />

Planetenforscher Lewis. Rund 1500<br />

davon ließen sich Planetary Resources zufolge<br />

mit weniger Antriebsenergie anfliegen<br />

als der Mond: Ihre Flugbahn und<br />

Bahnneigung ähneln der Erde und ihre<br />

Gravitation ist kaum spürbar, sodass ein<br />

Raumschiff keine treibstoffzehrenden Landemanöver<br />

fliegen muss.<br />

Künftig könnte sich ein ganzer Bergbaukonvoi<br />

mit Haken und Seilen an einem vorbeifliegenden<br />

Koloss verankern und ihn<br />

computergesteuert kolonisieren: Roboter<br />

bohren sich in den Fels oder sammeln lose<br />

Brocken und Steinstaub auf, der auch Regolith<br />

genannt wird, und füllen die Ernte in<br />

eine Gesteinsmühle. Solaröfen erhitzen<br />

das Material, Reaktoren extrahieren Wasser,<br />

Gold oder Seltene Erden. Die Rohstoffe<br />

lagern in Tanks, die von Sonden abgeholt<br />

werden, wenn der <strong>Asteroid</strong> nach mehreren<br />

Jahren wieder der Erde begegnet. Galaktische<br />

Steinbrüche.<br />

Doch das wäre schon, salopp gesprochen,<br />

<strong>Asteroid</strong>enbergbau für Fortgeschrittene.<br />

So paradox es klingt: Experten halten<br />

es zunächst für einfacher, <strong>Asteroid</strong>en einzufangen<br />

und sie in das Erd-Mond-System<br />

zu bringen. Dabei kommen laut der Keck-<br />

Studie anfangs Findlinge wie <strong>20</strong>08 HU4 mit<br />

ein paar Metern Durchmesser und bis zu<br />

ILLUSTRATION: JAVIER MARTINEZ ZARRACINA; FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/DPA, GETTY IMAGES, DDP IMAGES, PR<br />

Eric Anderson (Gründer)<br />

Mit 23 Jahren gründete der<br />

Luftfahrtingenieur 1998<br />

das Weltraumunternehmen<br />

Space Adventures. Nun will<br />

er <strong>Asteroid</strong>en jagen.<br />

Peter Diamandis (Gründer)<br />

Der 50-jährige Unternehmer<br />

gründete die X-Prize-<br />

Foundation, Space Adventures<br />

und die kalifornische<br />

Singularity-Universität.<br />

John Lewis (Berater)<br />

Der 70-jährige Ex-Planetologie-Professor<br />

an der<br />

University of Arizona gilt als<br />

wissenschaftlicher Vordenker<br />

des <strong>Asteroid</strong>enbergbaus.<br />

106 Nr. <strong>20</strong> 14.5.<strong><strong>20</strong>12</strong> WirtschaftsWoche<br />

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1000 Tonnen Gewicht infrage. Das entspricht<br />

gerade einmal zwei Flugzeugen<br />

vom Typ Airbus A380.<br />

Die Autoren der Studie haben den Ablauf<br />

bereits detailliert choreografiert: Ein<br />

rund <strong>20</strong> Meter langes Raumschiff soll einen<br />

<strong>Asteroid</strong>en selbstständig anfliegen. Kommt<br />

es zum Rendezvous, breitet es einen 15<br />

Meter breiten Kokon aus reißfestem Stoff<br />

aus, stülpt ihn über den <strong>Asteroid</strong>en und<br />

rafft das offene Ende zu. Mit dem Stein im<br />

Gepäck schießt das interplanetare Minenfahrzeug<br />

weiter mit etwa <strong>20</strong> Kilometern pro<br />

Sekunde um die Sonne. Erst wenn es sich<br />

der Erde nähert, startet es seine Raketendüsen<br />

und biegt zum Mond ab.<br />

Acht Jahre dauert das Fangmanöver insgesamt,<br />

geschätzte Kosten: 2,6 Milliarden<br />

Dollar. Das sei gar nicht so teuer, findet <strong>Asteroid</strong>enfachmann<br />

Lewis: „Die Nasa hat<br />

viele Projekte in dieser Preisklasse finanziert.“<br />

Im laufenden Jahr hat die amerikanische<br />

Weltraumbehörde immerhin 17,8<br />

Milliarden Dollar zu verteilen.<br />

Was aber, wenn eines fernen Tages Terroristen<br />

die Technik nutzen, um <strong>Asteroid</strong>en<br />

als Waffe auf die Erde zu lenken? Experten<br />

beruhigen: Auf absehbare Zeit bestehe<br />

kein Grund zur Sorge. Findlinge von<br />

wenigen Metern Größe verglühen beim<br />

Eintritt in die Erdatmosphäre – und Riesenfelsen<br />

lassen sich mit heutiger Technik<br />

allenfalls sachte von ihrer Bahn ablenken,<br />

nicht aber einsammeln oder gar wie mit einer<br />

Steinschleuder auf Ziele feuern.<br />

Gelänge es dagegen Wissenschaftlern,<br />

einen Findling wie <strong>20</strong>08 HU4 in eine Umlaufbahn<br />

um den Mond zu stupsen, dann<br />

erhielten sie ein einmaliges fliegendes Forschungslabor.<br />

In Sichtweite der Erde könnten<br />

sie mit Sonden den Aufbau des <strong>Asteroid</strong>en<br />

studieren. Astronauten könnten Maschinen<br />

testen, die den Fels in seine begehrten<br />

Bestandteile zerlegen.<br />

Physiker und Chemiker aus aller Welt haben<br />

in den vergangenen Jahrzehnten an<br />

Meteoriten und an Mondgestein Verfahren<br />

entwickelt, die sich für den <strong>Asteroid</strong>enbergbau<br />

eignen. Zermahlen, erhitzen,<br />

magnetisieren, chemisch behandeln – die<br />

Arbeitsschritte für eine interplanetare Industrie<br />

sind wohlerprobt. Doch ein Versuchsaufbau<br />

im Labor ist das<br />

eine – der kommerzielle Einsatz<br />

im Weltraum etwas ganzes<br />

anderes.<br />

Zumal <strong>Asteroid</strong>en bizarre<br />

Eigenschaften haben: Die<br />

Schwerkraft auf dem 900-Meter-Brocken<br />

1999 JU3 etwa ist<br />

so gering, dass sich ein Bohrhammer<br />

ohne Verankerung<br />

mit dem ersten Schlag ins All katapultierte.<br />

Auch die Reifen eines Fahrzeugs würden<br />

auf der Stelle durchdrehen. „Sonden könnten<br />

darum nicht auf dem <strong>Asteroid</strong>en rollen,<br />

sondern müssten in meterweiten Bögen<br />

hüpfen“, sagt Florian Herrmann, Robotikexperte<br />

beim DLR in Oberpfaffenhofen. Eine<br />

solche Flohsonde entwickelt er für die<br />

nächste Jaxa-Mission, Hayabusa-II.<br />

Jeder Verarbeitungsschritt in <strong>Asteroid</strong>enbergwerken<br />

müsste automatisch ablaufen,<br />

weil bemannte Missionen zumindest zu Beginn<br />

viel zu teuer wären. Nicht einmal auf<br />

Japans Raumsonde<br />

Hayabusa hat<br />

bewiesen: <strong>Asteroid</strong>enmissionen<br />

sind machbar<br />

der Erde gibt es bisher ein solches<br />

Roboterbergwerk. Doch folgt man Visionären<br />

wie <strong>Asteroid</strong>enfachmann Lewis,<br />

dann lassen sich die technischen Herausforderungen<br />

lösen. In der Folge entsteht<br />

zwischen Erde und Mond sogar ein kleiner<br />

interplanetarer Bergbau- und Industriepark<br />

– ein Eldorado des Sonnensystems.<br />

Dort liefern künftig Sonden <strong>Asteroid</strong>en<br />

an und übergeben sie an Roboter, die sie in<br />

Stücke brechen. Fliegende Öfen und Reaktoren,<br />

versorgt mit Energie aus Solaranlagen,<br />

gewinnen aus den Steinen Metalle<br />

oder Sauerstoff. Shuttles schweben heran<br />

und holen tonnenweise Platin und Palladi-<br />

ONLINE<br />

Zusatzinfos sowie ein<br />

Interview mit Planetenforscher<br />

John Lewis unter<br />

wiwo.de/asteroiden<br />

um ab. Bei Preisen von knapp<br />

50 000 Dollar je Kilogramm<br />

verlieren dann auch die immensen<br />

Transportkosten ihren<br />

Schrecken.<br />

Die begehrteste Ressource<br />

sind aber weder Platinmetall<br />

noch Gold – sondern schlicht<br />

Wasser. <strong>20</strong> 000 Dollar kostet es,<br />

einen Liter davon zur Internationalen<br />

Raumstation (ISS) zu bringen. Damit<br />

ist Wasser dort <strong>20</strong>-mal teurer als Silber<br />

auf der Erde. Allein die Europäische Weltraumagentur<br />

(Esa) sendet ihren Astronauten<br />

jährlich 300 Liter frisches Nass hinauf.<br />

ZAPFSÄULE IM ORBIT<br />

Obwohl es wie Alchemie klingt, ist es längst<br />

erprobt, Weltraumgestein Wasser zu entziehen.<br />

Edwin Ethridge, Materialwissenschaftler<br />

am Nasa Marshall Space Flight<br />

Center in Huntsville im US-Staat Alabama,<br />

wärmt zermahlene Meteoriten mit Mikrowellen<br />

auf, bis das enthaltene Wasser verdampft.<br />

Auf einer gekühlten Platte setzt<br />

sich der Dampf wieder ab, und zwar in seinem<br />

transportfreundlichen Format Eis.<br />

„Wasser ist wahrscheinlich das nützlichste<br />

Material im All“, sagt Ethridge. „Es<br />

ist zum Beispiel sehr einfach, daraus Treibstoff<br />

für Raumschiffe herzustellen.“ Setzt<br />

man Wasser mithilfe zweier Elektroden<br />

unter Strom, spaltet es sich in Wasserstoff<br />

und Sauerstoff. In einem Raketentriebwerk<br />

verbrennen beide<br />

Stoffe und erzeugen einen Rückstoß.<br />

Heute heben Raketen noch mit<br />

riesigen Tanks von der Erde ab. Einer<br />

Faustformel zufolge sind 90 Prozent ihres<br />

Startgewichts Treibstoff. Ein einziges Kilogramm<br />

Material auf den Mond zu bringen<br />

kostet darum <strong>20</strong>0 000 Dollar. Könnten<br />

Raumschiffe dagegen im All nachtanken,<br />

würden Missionen erheblich preiswerter.<br />

Kommerziell interessant sind vor allem<br />

kohlenstoffhaltige Himmelskörper, kurz<br />

C-<strong>Asteroid</strong>en. Sie bestehen oft zu <strong>20</strong> Prozent<br />

aus Wasser. Und sie sind sehr porös,<br />

lassen sich also recht leicht auseinanderbrechen.<br />

Allein der Sieben-Meter-<strong>Asteroid</strong><br />

<strong>20</strong>08 HU4 enthält vermutlich 100 Tonnen<br />

der wertvollen Substanz. Ein 50-»<br />

Chris Lewicki (Technikchef)<br />

Der 38-Jährige leitete für die<br />

Nasa die Spirit- und Opportunity-Missionen<br />

zum Mars<br />

und ist Namensgeber des<br />

<strong>Asteroid</strong>en 13609 Lewicki.<br />

Larry Page (Investor)<br />

Der 39-jährige Google-Gründer,<br />

laut Forbes auf Platz 24<br />

der reichsten Menschen der<br />

Welt, besitzt 18,7 Milliarden<br />

Dollar Privatvermögen.<br />

Eric Schmidt (Investor)<br />

Googles Verwaltungsratschef<br />

soll 6,9 Milliarden Dollar<br />

besitzen. Der 57-Jährige<br />

berät US-Präsident Barack<br />

Obama in Technikfragen.<br />

WirtschaftsWoche 14.5.<strong><strong>20</strong>12</strong> Nr. <strong>20</strong> 107<br />

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Technik&Wissen<br />

<strong>Asteroid</strong>enbergwerk – glaubt man den<br />

Wissenschaftlern, ist die entscheidende<br />

Hürde weniger die Technik als die Finanzierung:<br />

„Über Jahrzehnte hinweg wird es<br />

möglich sein, die nötige Infrastruktur im<br />

All zu entwickeln“, sagt DLR-Fachmann<br />

Kührt. „Die Frage ist nur, ob die vielen Milliarden<br />

Euro, die man dafür braucht, auch<br />

zusammenkommen.“<br />

» Meter-Brocken lieferte sogar mehr<br />

Treibstoff, als das komplette Space-<br />

Shuttle-Programm der USA verfeuert hat,<br />

rechnet Planetary Resources vor.<br />

Dieses Reservoir will das Startup nun anzapfen:<br />

Die Amerikaner planen die erste<br />

Tankstelle im Weltraum. Raumschiffe sollen<br />

künftig bei halbem Füllstand von der<br />

Erde starten und erst an der schwebenden<br />

Raststätte volltanken, bevor sie die Ausfahrt<br />

zum Mond oder zum Mars nehmen.<br />

„Treibstoffdepots im All sind derzeit die<br />

einzig realistische Variante für kommerziellen<br />

Rohstoffhandel im All“, sagt Markus<br />

Landgraf, Missionsplaner bei der Esa.<br />

Ein geeigneter Standort für die interplanetare<br />

Zapfsäule wäre einer der fünf sogenannten<br />

Lagrange-Punkte: Objekte, die<br />

sich an diesen Stellen befinden, halten sehr<br />

lange die gleiche Position relativ zu Erde<br />

und Mond. Der Grund: Die Anziehungskräfte<br />

beider Himmelskörper und die Zentrifugalkraft<br />

des Satelliten gleichen sich<br />

dort nahezu vollständig aus. Nur hin und<br />

wieder müsste die Weltraumtankstelle ihre<br />

Position mit Düsenkraft korrigieren.<br />

Ab dem US-Raumfahrtbahnhof Cape<br />

Canaveral bräuchten Astronauten bis zum<br />

nächsten Gleichgewichtspunkt, der sich<br />

kurz vor dem Mond befindet, keine drei<br />

Tage Flugzeit. In dort stationierten Weltraumfabriken<br />

könnten in ferner Zukunft Roboter<br />

und 3-D-Drucker Teile für Raumstationen,<br />

Space Shuttles oder eben für Fotovoltaikmodule<br />

schmieden. Solarzellen werden<br />

auch auf der Erde im Vakuum erzeugt.<br />

Sonnensegler Ein Roboter baut ein Solarkraftwerk<br />

36 000 Kilometer über der Erde<br />

Ein erstes Sonnenkraftwerk im geostationären<br />

Orbit könnte schon in zehn bis<br />

zwölf Jahren rund um die Uhr Strom erzeugen,<br />

ohne dass sich ein Wölkchen vor die<br />

Sonne schiebt, glaubt John Mankins, Chef<br />

der kalifornischen Technologieberatung<br />

Artemis. Per Mikrowellenstrahl ließe sich<br />

die Energie mit heute im Labor verfügbarer<br />

Technik zu Empfangsantennen auf dem<br />

Erdboden beamen.<br />

Das jedenfalls ergab eine Studie der internationalen<br />

Weltraumorganisation International<br />

Academy of Astronautics unter<br />

Mankins’ Leitung. Gefertigt aus außerirdischem<br />

Material, könnte Satellitenstrom eines<br />

Tages weniger als zehn US-Cent pro Kilowattstunde<br />

kosten, hofft Mankins. Fast so<br />

billig wie Kohlestrom.<br />

Doch ob stellarer Sonnenstrom, Weltraumwerft,<br />

fliegende Zapfsäule oder<br />

Roboter<br />

bauen in<br />

fliegenden Werften<br />

Raumschiffe aus<br />

<strong>Asteroid</strong>enstahl<br />

SUCHE IN DER FINSTERNIS<br />

Immerhin: Unter den Investoren von Planetary<br />

Resources sind mehrere Multimilliardäre.<br />

Zudem besitzen die Co-Gründer<br />

Anderson und Diamandis mit Space Adventures<br />

ein eigenes Weltraumunternehmen.<br />

Seit <strong>20</strong>01 chauffieren sie Touristen<br />

zur ISS, im Jahr <strong>20</strong>15 wollen sie sogar eine<br />

neuntägige Reise rund um den Mond ins<br />

Programm nehmen. Unter der Leitung<br />

von Chris Lewicki, zuvor Chef der Nasa-<br />

Marsmissionen Spirit und Opportunity,<br />

wollen die Gründer nun vielfach preiswertere<br />

Techniken entwickeln, um den <strong>Asteroid</strong>enabbau<br />

lukrativ zu machen.<br />

Zunächst muss das Team aber Ausschau<br />

nach weiteren geeigneten Himmelskörpern<br />

halten. Und das ist in der Finsternis<br />

des Kosmos gar nicht so leicht. DLR-Experte<br />

Kührt hat berechnet, dass ein sieben<br />

Meter großer Block wie <strong>20</strong>08 HU4 in nur<br />

einer Millionen Kilometer Entfernung gerade<br />

mal so viel Sonnenlicht reflektiert,<br />

dass Astronomen mit ihren Teleskopen genauso<br />

von Dresden aus eine Kerze im 1000<br />

Kilometer entfernten Rom suchen könnten.<br />

Zu entdecken sind die Winzlinge nur,<br />

wenn das Sonnenlicht sie frontal trifft wie<br />

den Mond bei Vollmond – und gerade keine<br />

Wolken am Himmel stehen.<br />

Aber das soll sich bessern. Um mit klarerem<br />

Blick ins All zu spähen, wollen die<br />

Weltraumunternehmer von Planetary Resources<br />

in spätestens zwei Jahren Teleskope<br />

in den Erdorbit schicken: Das nötige<br />

Gerät für ein einzigartiges kosmisches<br />

Casting, bei dem vorbeifliegende Himmelskörper<br />

ihre Flugbahn, Größe und ihr<br />

Gewicht zur Schau stellen. Für die Suche<br />

nach dem Superasteroiden zählen aber<br />

auch Form, Zusammensetzung und Drehung<br />

– und die lassen sich nur aus der<br />

Nähe begutachten. Darum wollen Anderson<br />

und Diamandis die besten Kandidaten<br />

danach mithilfe von Raumsonden<br />

mustern.<br />

Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der<br />

Sieger feststehen. Dann beginnt das Lassospiel<br />

im All.<br />

n<br />

andreas.menn@wiwo.de<br />

ILLUSTRATION: JAVIER MARTINEZ ZARRACINA<br />

108 Nr. <strong>20</strong> 14.5.<strong><strong>20</strong>12</strong> WirtschaftsWoche<br />

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