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Abendprogramm Angélica Liddell - Berliner Festspiele

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IGN<br />

IRS<br />

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ulI 2013<br />

FORE<br />

AFFA<br />

27. J<br />

14. J<br />

www.berlinerfestspiele.de 030 254 89 100<br />

Schaperstraße 24 U3 / U9 Spichernstraße


Yo no soy bonita<br />

Angélica <strong>Liddell</strong><br />

Die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Angélica <strong>Liddell</strong> wurde 1966 im spanischen Figueres in der Provinz Girona geboren.<br />

1993 gründete sie das Atra Bilis Teatro, mit dem sie zweiundzwanzig Produktionen erarbeitete. Ihre Theaterstücke sind in<br />

diverse Sprachen übersetzt worden, darunter Französisch, Englisch, Russisch, Deutsch, Portugiesisch und Polnisch.<br />

„La falsa suicida“ (2000), „Once upon a time in West Asphixia“ (2002), „Y cómo no se pudrió Blancanieves“ (2005),<br />

„Perro muerto en tintorería: los Fuertes“ (2007) oder „Ping Pang Qiu“ (2012) sind nur einige der Titel. Ihre Produktionen<br />

„La casa de la fuerza“ (2009) und „Maldito sea el hombre que confía en el hombre“ (2011) wurden bei den Wiener Festwochen<br />

und im Théâtre de l’Odéon in Paris uraufgeführt. 2011 präsentierte Angélica <strong>Liddell</strong> beim <strong>Berliner</strong> Performing-Arts-Festival<br />

In Transit mit „El año de Ricardo“ ein furioses Solo über Richard III. 2012 wurde sie für „La casa de la fuerza“ mit dem Nationalpreis<br />

für Dramatische Literatur ausgezeichnet, der vom spanischen Ministerium für Bildung, Kultur und Sport verliehen wird,<br />

2013 für ihr Gesamtwerk mit dem Silbernen Löwen der Theaterbiennale von Venedig.<br />

IGN<br />

IRS<br />

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li 2013<br />

Theater<br />

Deutsche Erstaufführung<br />

Do 27. Juni, 22:30<br />

Fr 28. Juni, 19:00<br />

Haus der <strong>Berliner</strong> Festpiele, Seitenbühne<br />

In spanischer Sprache mit deutscher Übertitelung<br />

Dauer 1 h, keine Pause<br />

Regie / Performance: Angélica <strong>Liddell</strong><br />

Licht: Carlos Marquerie<br />

Tontechnik: Antonio Navarro<br />

Lichttechnik: Félix Garma<br />

Videokamera: Vicente Rubio<br />

Bühnenmeister: Gumersindo Puche<br />

Technische Leitung: Marc Bartoló<br />

Produktionsleitung: Gumersindo Puche<br />

Produktionsassistenz: Mamen Adeva<br />

Eine Produktion von Atra Bilis Teatro / Iaquinandi S.L.,<br />

in Koproduktion mit Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía (Madrid)<br />

Foto Angélica <strong>Liddell</strong>: © Angélica <strong>Liddell</strong><br />

FORE<br />

AFFA<br />

27. Ju<br />

14. Ju<br />

Angélica <strong>Liddell</strong> im Gespräch<br />

Sie haben sich selbst als eine Mörderin<br />

bezeichnet, die nicht mordet,<br />

als eine Selbstmörderin, die sich<br />

nicht umbringt. Was hält Sie vom<br />

Töten ab? Feigheit oder Liebe?<br />

Vielleicht geht es bei mir nur um das<br />

Wünschen – seit ich klein bin, habe<br />

ich den Wunsch, zu sterben und den<br />

Wunsch, zu töten. Vielleicht muss<br />

ich einfach mit diesen verstörenden<br />

Wünschen leben, für mich ist das<br />

normal. Manchmal sind Wünsche<br />

stärker als Handlungen.<br />

Seit einigen Jahren haben Sie einen<br />

Blog, in dem Sie Ihren nackten Körper<br />

in verschiedenen Hotelzimmern<br />

zeigen. Was treibt Sie dazu an?<br />

Geht es um Entäußerung? Darum,<br />

Ihre Einsamkeit zu teilen?<br />

Nun, ich mache das aus demselben<br />

Grund, aus dem Sylvia Plath ihre<br />

Gedichte veröffentlicht hat. Oder<br />

Thomas Mann seine Romane. Oder<br />

aus dem Caravaggio seine Bilder<br />

gemalt hat.<br />

Sie haben in China gelebt und dort<br />

versucht, die Sprache zu lernen.<br />

Empfinden Sie masochistische Lust<br />

dabei, sich Disziplin aufzuerlegen?<br />

Sie sind ein sehr impulsiver Mensch.<br />

Oder ist Disziplin für Sie über -<br />

lebensnotwendig?<br />

Ich bin überhaupt nicht masochistisch.<br />

Ich empfinde an Schmerz<br />

keine Lust. Man muss frivol sein,<br />

um an Schmerz Lust zu empfinden.<br />

Schmerz ist etwas Unerträgliches.<br />

Ich bin einfach sehr diszipliniert,<br />

das ist ein Wesenszug von mir.<br />

Außerdem tut Disziplin gut, wenn<br />

man schwach ist. Es ist eine Art,<br />

Schwäche zu kompensieren. Ich<br />

glaube, Mishima hat das sehr gut<br />

erklärt.<br />

Sie machen keine Zugeständnisse.<br />

Sie sind eine sehr starke Persönlichkeit<br />

und wirken auf andere oft einschüchternd.<br />

Was muss jemand<br />

haben, damit er Sie interessiert?<br />

Ich habe das Interesse an den<br />

Menschen verloren. Mich interessiert<br />

nur das Beschreiben der Menschen.<br />

Wahrscheinlich ist das die Rache<br />

dafür, dass ich sie ertragen muss.<br />

Sie langweilen mich. Ich lerne einfach<br />

keine Menschen kennen, die<br />

dasselbe hassen wie ich. Man muss<br />

dieselben Dinge hassen und über<br />

dieselben Dinge lachen, um sich<br />

zu verstehen. Niemand ist außergewöhnlich<br />

oder herausragend. Mit<br />

Marina Abramović habe ich zum<br />

Beispiel viel gelacht; sie ist außergewöhnlich<br />

und herausragend.<br />

Sie haben einen vollen Terminkalender,<br />

schreiben permanent<br />

neue Stücke und bringen sie auf<br />

die Bühne. Gibt es in Ihrem Leben<br />

Zeit für etwas anderes?<br />

Wie sieht Ihre Freizeit aus?<br />

Ich arbeite nur. Ich habe keinen<br />

Sinn für Muße. Ich würde sie nicht<br />

ertragen. Manchmal schaue ich mir<br />

viele Filme hintereinander an. Aber<br />

ich mache mir Notizen oder studiere<br />

chinesische Schriftzeichen, während<br />

ich die Filme sehe. Ich kann das<br />

Arbeiten nicht lassen. Wozu soll ich<br />

mich ausruhen? In meinem Alter<br />

muss man verdammt noch mal<br />

arbeiten. Aus dem Alter der Liebe<br />

bin ich hinaus. Wozu soll ich mich<br />

ausruhen?<br />

Gemeinschaftsgefühl ist Ihnen<br />

fremd, sagen Sie. Wenn wir an den<br />

Weltuntergang denken, an den<br />

Meteoriteneinschlag in Russland,<br />

an den Asteroiden, der an uns vorbeigeschrammt<br />

ist, an den Film<br />

„Melancholia“ von Lars von Trier<br />

oder den Roman „Die Straße“ von<br />

Cormac McCarthy. Können Katastrophen<br />

Gemeinschaftsgefühle<br />

wieder erwecken?<br />

Natürlich. Eine Katastrophe ist eine<br />

Grenz erfahrung, man sieht das<br />

Ende des eigenen Lebens.<br />

So viele Enttäuschungen,<br />

so viel Anstrengung, wozu?<br />

Was gibt Ihnen die Kraft?<br />

Ich weiß es nicht.<br />

Warum erschreckt einen<br />

Seelenpornografie?<br />

Tut sie das? Ich fühle mich dabei<br />

sehr wohl. Bei Rainer Werner Fassbinder<br />

fühle ich mich wohl. Bei<br />

Charles Bukowski fühle ich mich<br />

wohl. Bei Michel Houllebecq. Bei<br />

Tennessee Williams. Die Seelenpornografie<br />

hilft mir zu leben.<br />

Bevor Sie mit „Haus der Gewalt“<br />

so großen Erfolg hatten, stand Ihre<br />

Kompagnie kurz vor der Auflösung.<br />

Womit haben Sie sich in dieser Zeit<br />

über Wasser gehalten?<br />

Ich habe unterrichtet, Workshops<br />

geleitet – was man so macht, wenn<br />

man nichts Besseres zu tun hat.<br />

Mir begegnen immer wieder Leute,<br />

die sachlicher oder weniger sensibel<br />

sind und die für alles Exzessive nur<br />

Verachtung haben. Sie setzen das<br />

gleich mit Unreife. Ich könnte mir<br />

vorstellen, Ihnen geht es ähnlich.<br />

Was würden Sie diesen Leuten<br />

antworten?<br />

Dass sie Recht haben. Ich finde<br />

mich ziemlich unreif, dumm, naiv ...<br />

Sie haben Recht. Mein Cousin ist<br />

Klempner, er fährt zu den Leuten<br />

und repariert Leitungen und Rohre,<br />

er hat ein Haus mit Swimmingpool<br />

und zwei Kinder, und einen künstlichen<br />

Kamin. Er denkt das auch<br />

von mir, dass ich unreif bin, dumm<br />

und naiv.<br />

Welches Bild haben Sie vor Augen,<br />

wenn Sie ans Alter denken?<br />

Schrecken. Ich kann das nicht<br />

ertragen. Ich ertrage es nicht,<br />

meine Eltern alt werden zu sehen.<br />

Ich kann es nicht ertragen. Ich<br />

denke ans Altwerden und fühle<br />

mich beklommen. Ich ertrage es<br />

nicht. Es ist das, was mir derzeit am<br />

meisten Angst macht. Ich kriege<br />

Panik, wenn ich ans Alter denke.<br />

Mit dem Nationalpreis für dramatische<br />

Dichtung haben Sie es allen<br />

gezeigt, die auf Sie herabgesehen<br />

haben, als Sie noch keiner kannte.<br />

Sind Sie jetzt quitt?<br />

Nein!!! Sergio Leones Film geht<br />

weiter. Ich liebe Western.<br />

Wenn Sie in zwanzig Jahren feststellen,<br />

dass Sie allein sind, würden<br />

Sie sich als gescheitert betrachten?<br />

Ich bin schon jetzt allein. Allein<br />

sein heißt, nicht geliebt werden.<br />

Um diese Erfahrung zu machen,<br />

brauche ich keine zwanzig Jahre<br />

zu warten. Und wie Michel Houellebecq<br />

sagt, ab einem bestimmten<br />

Alter können Frauen ihre Fotze an<br />

einem Schwanz reiben, aber sie<br />

werden nicht mehr geliebt. Das ist<br />

die Einsamkeit, was willst du mit<br />

den ganzen Menschen um dich<br />

herum, wenn du nicht geliebt wirst.<br />

In den Korinther briefen ist das<br />

schon sehr gut ausgedrückt.<br />

Das Interview mit Angélica <strong>Liddell</strong><br />

führte Ana Vidal Egea für die<br />

spanische Literaturzeitschrift<br />

„Quimera“. Nr. 355. Juni 2013.<br />

Aus dem Spanischen<br />

von Stefanie Gerhold<br />

Veranstalter: <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> · Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes GmbH · Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien · Intendant: Dr. Thomas Oberender · Kaufmännische<br />

Geschäftsführerin: Charlotte Sieben · Foreign Affairs · Künstlerische Leitung: Matthias von Hartz · Künstlerische Mitarbeit: Cornelius Puschke · Dramaturgie: Carolin Hochleichter · Musikkurator: Martin Hossbach · Produktionsleitung:<br />

Caroline Farke · Technische Leitung: Matthias Schäfer · Produktion: Ann-Christin Görtz · Mitarbeit Technische Leitung: Lotte Grenz · Student Affairs: Katja Herlemann · Architektur: realities:united · Ausstattung Festival und Focus:Wette:<br />

Frieda Schneider · Mitarbeit Ausstattung: Agnes Fabich, Jasmin Wiesli · Praktikum: Milena Kowalski, Alexandra Keiner, Johanna Colmsee · Künstlerbetreuung: Loredana Cimino, Nuria Gimeno · Redaktion: Anne Phillips-Krug,<br />

Christina Tilmann · Übersetzung: Karen Witthuhn / Transfiction, Stefanie Gerhold, Nico Laubisch, Valerie Schneider · Graphik: Ta-Trung, Berlin · Technische Leitung: Andreas Weidmann · Leiter Beleuchtung: Carsten Meyer · Leiter Tontechnik:<br />

Manfred Tiesler, Axel Kriegel · Bühneninspektor: Thomas Pix · Bühnenmeister: Benjamin Brandt, Claudia Stauß · Beleuchtungmeister: Jürgen Koß, Hans Fründt · Tonmeister: Martin Trümper · Bühne: Birte Dördelmann, Stephan<br />

Fischer, Sybille Casper, Pierre Joel Becker, Manuel Solms, Mirco Neugart, Karin Hornemann, Maria Deiana, Thomas Pix, Fred Langkau · Licht: Lydia Schönfeld, Robert Wolf, Arndt Rhiemeier, Bastian Heide, Ruprecht, Lademann, Mathilda<br />

Kruschel, Frank Szardenings · Ton: Axel Kriegel, Stefan Höhne, Tilo Lips, Klaus Tabert, Falco Ewald, Sebastian Pieper, Simon Franzkowiak, Felix Podzwadkowski, Hardy Hartenberger · Azubis: Malte Gottschalk, Otis Weihrauch

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