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Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

Szenario 2: <strong>Entkriminalisierung</strong> – Ende<br />

<strong>der</strong> Strafbarkeit<br />

Nach dem Beispiel Portugals könnte die Strafbarkeit konsumbezogener<br />

Delikte durch eine Vorladung zu einem<br />

Drogenberatungsgespräch ersetzt werden o<strong>der</strong> gänzlich<br />

wegfallen. Das Drogenberatungsgespräch hat zum Ziel,<br />

Hilfe für Menschen mit einem problematischen Konsum<br />

zu vermitteln, in Grenzfällen können geringe Strafen verhängt<br />

werden.<br />

Neben <strong>der</strong> portugiesischen Lösung wäre auch die Einschränkung<br />

<strong>der</strong> Strafbarkeit rechtswidriger Taten bzw. ein<br />

Verzicht auf Strafbarkeit jeweils mit bestimmten objektiven<br />

Bedingungen denkbar, z. B. mehr als zehn Gramm.<br />

O<strong>der</strong> man begrenzt das Verbot <strong>und</strong> die Strafbarkeit des<br />

Umgangs mit Cannabis auf nicht geringe Mengen, auf<br />

Erwerbsmäßigkeit o<strong>der</strong> lässt die Strafbarkeit erst bei bestimmten<br />

Grenzmengen beginnen, schränkt also den Tatbestand<br />

ein.<br />

»Der Besitz von Betäubungsmitteln lediglich zum Eigenverbrauch,<br />

in geringer Menge anbauen, herstellen, einführen,<br />

ausführen, durchführen, werben, sich in sonstiger<br />

Weise verschaffen o<strong>der</strong> besitzen, ist straffrei 157 .«<br />

Eine »geringe Menge« sollte für alle relevanten Drogen<br />

festgelegt werden, alle sonstigen Betäubungsmittel<br />

könnten über eine Definition von »10 Konsumeinheiten«<br />

zusammengefasst werden. Die Mengen könnten<br />

sich an den Verordnungen zum § 31a o<strong>der</strong> den Werten<br />

aus Portugal o<strong>der</strong> Tschechien orientieren, z. B. 30 g Cannabis<br />

(eine Grenze, die bis 2006 in Schleswig-Holstein<br />

existierte 158 ), 3 g Kokain 159 o<strong>der</strong> 1 g Heroin 160 .<br />

Es wäre zu klären, inwieweit <strong>der</strong> Anbau <strong>und</strong> die Herstellung<br />

Teil <strong>der</strong> <strong>Entkriminalisierung</strong> sein könnten, wodurch<br />

die Effekte von Szenario 3 <strong>und</strong> 4 hier ebenfalls zum Tragen<br />

kommen würden. Zudem wäre zu prüfen, welche<br />

weiteren Paragrafen, z. B. die kostenlose Weitergabe, das<br />

Überlassen an Erwachsene o<strong>der</strong> das Gewähren einer Gelegenheit,<br />

ebenfalls verän<strong>der</strong>t werden müssten. Drogenkonsumräume<br />

würden quasi überall möglich. Durch die<br />

157. http://www.encod.org/info/FREEDOM-TO-FARM-AND-CANNABIS.<br />

html.<br />

158. http://hanfverband.de/index.php/sitemap/1273-protestmailer-7-inhalt-<strong>und</strong>-feedback.<br />

159. http://www.drug-infopool.de/gesetz/schleswig-holstein.html.<br />

160. http://www.drug-infopool.de/gesetz/hessen.html.<br />

Verbindung solcher Räume für alle Drogen mit <strong>der</strong> Drogenhilfe<br />

würde eine neue Dimension <strong>der</strong> Erreichbarkeit<br />

von Konsumenten möglich werden.<br />

Elisabeth Pott, Direktorin <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Aufklärung, beklagt diesen Mangel an szenenahen<br />

Angeboten, etwa in Coffeeshops, im Kontext einer<br />

spezifischen Prävention <strong>und</strong> beneidet die Nie<strong>der</strong>lande<br />

(Gaßmann 2004 S. 110 f.). Gaßmann kommt zu dem<br />

Ergebnis, »dass es in Deutschland keine Cannabisprävention<br />

gibt« <strong>und</strong> verweist ebenfalls auf die Ansätze in<br />

den Nie<strong>der</strong>landen. »Dies gibt es in Deutschland nicht,<br />

weil wir diese Art von Prävention nicht machen können«<br />

(B<strong>und</strong>estag 2012a).<br />

Der Schwarzmarkt bliebe weitestgehend erhalten. Durch<br />

die Lockerung des Betäubungsmittelrechts würden harm<br />

reduction-Maßnahmen, wie drug checking, eher möglich.<br />

Hilfsangebote <strong>und</strong> Polizei würden klarer getrennt.<br />

Die Stigmatisierung <strong>der</strong> Konsumenten würde abnehmen.<br />

Mit den verordneten Drogenberatungsgesprächen würde<br />

<strong>der</strong> Staat klarstellen, dass Drogenkonsum nicht ohne Risiko<br />

ist <strong>und</strong> ein Heranführen von Konsumenten an Beratung<br />

<strong>und</strong> Therapie notwendig sein kann. Wer kein Problem<br />

hat, erhält keine Strafe.<br />

Wie bereits ausgeführt, würden bis zu drei Prozent aller<br />

durch die polizeiliche Kriminalstatistik erfassten Delikte<br />

wegfallen. Durch eine optimale Versorgung mit Substitutionsmitteln<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Hilfen könnte die Beschaffungskriminalität<br />

<strong>und</strong> damit die Kriminalität im Bereich<br />

Raub <strong>und</strong> Diebstahl mit einem Gesamtanteil von mindestens<br />

2,5 Prozent signifikant gemin<strong>der</strong>t werden. Bis zu 15<br />

Prozent weniger Personen würden inhaftiert. Die Kosten<br />

für die Polizei <strong>und</strong> Rechtspflege würden sinken, die Bereiche<br />

Beratung <strong>und</strong> Therapie müssten weiter ausgebaut<br />

werden. Einsparungen wären mittelfristig zu erwarten.<br />

Drogentourismus ist nicht zu erwarten.<br />

Szenario 3: Partielle Legalisierung<br />

Zusätzlich zu den vorigen Szenarien könnte <strong>der</strong> Verkauf<br />

von Cannabis an Erwachsene straffrei gestellt werden. Inwiefern<br />

eine Übertragung des nie<strong>der</strong>ländischen Modells<br />

in das deutsche Rechtssystem o<strong>der</strong> ein eigenes, noch im<br />

Detail zu entwickelndes Modell besser geeignet wäre,<br />

müsste in einem geson<strong>der</strong>ten Rechtsgutachten geklärt<br />

werden. Neben den rechtsstaatlichen Unterschieden (Le-<br />

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