Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />
sätzlichen Autoverkehr etc. Deshalb sind an<strong>der</strong>e Lösungen,<br />
wie Coffeeshops außerhalb <strong>der</strong> Stadt, eingerichtet<br />
worden. Doch <strong>der</strong> aufkommende Straßenhandel 116 <strong>und</strong><br />
die damit verb<strong>und</strong>enen negativen Effekte zeigten schnell,<br />
dass <strong>der</strong> »wietpass« eine Scheinlösung darstellt. 117 Der<br />
Anbau von Cannabis ist nach wie vor illegal <strong>und</strong> wird<br />
strafrechtlich verfolgt.<br />
Fazit: Das nie<strong>der</strong>ländische Modell zeigt trotz aller Schwächen<br />
seit Jahrzehnten, dass ein (geduldeter) Einzelhandel<br />
mit Cannabis möglich <strong>und</strong> nicht mit gravierenden Folgen<br />
zu rechnen ist. In Bezug auf die Konsumprävalenz<br />
existieren keine wesentlichen Unterschiede zwischen den<br />
Nie<strong>der</strong>landen <strong>und</strong> den Nachbarlän<strong>der</strong>n (vgl. Hibell et al.<br />
2012), beim Cannabiskonsum liegen die Nie<strong>der</strong>lande sogar<br />
unter dem europäischen Durchschnitt beim Konsum<br />
in den letzten 30 Tagen:<br />
Tabelle 6: Prävalenz des Cannabiskonsums in <strong>der</strong><br />
Allgemeinbevölkerung 118<br />
Altersgruppe<br />
15–24 Jahre<br />
Zeitlicher Rahmen des Konsums<br />
Lebenszeit<br />
Letzten<br />
zwölf<br />
Monate<br />
Letzten<br />
30 Tage<br />
Nie<strong>der</strong>lande 28,3 % 11,4 % 5,3 %<br />
Europäischer<br />
Durchschnitt<br />
30 % 15,2 % 8,0 %<br />
Das Einstiegsalter, gemessen über den Anteil <strong>der</strong>er, die<br />
mit 14 Jahren o<strong>der</strong> jünger zum ersten Mal Cannabis<br />
konsumierten, liegt im ESPAD-weiten Vergleich gering<br />
über dem Durchschnitt, die Konsumprävalenz liegt deutlich<br />
darüber. Vergleicht man die Werte <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande<br />
mit dem gewichteten Mittelwert <strong>der</strong> Nachbarstaaten,<br />
schrumpft <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> Prävalenz zu diesem Durchschnitt;<br />
beim Einstiegsalter liegen die nie<strong>der</strong>ländischen<br />
Jugendliche dann über dem Durchschnitt. 119<br />
116. http://www.<strong>der</strong>westen.de/panorama/seit-coffeeshops-kein-haschmehr-an-auslaen<strong>der</strong>-verkaufen-brummt-<strong>der</strong>-strassenhandel-id7114852.<br />
html.<br />
117. http://hanfverband.de/index.php/nachrichten/aktuelles/1913-nie<strong>der</strong>lande-verwirrung-nach-jahreswechsel.<br />
118. http://www.alternative-drogenpolitik.de/2012/04/06/pravalenzdes-cannabiskonsums-in-<strong>der</strong>-allgemeinbevolkerung-in-deutschlandfrankreich-den-nie<strong>der</strong>landen-<strong>und</strong>-im-europaischen-durchschnitt/<br />
119. http://www.alternative-drogenpolitik.de/2012/04/07/nie<strong>der</strong>landische-jugendliche-im-vergleich-zum-europaische-durchschnitt-im-espadreport-2007/.<br />
4.2 Portugal<br />
Im Jahr 2001 erfolgte in Portugal ein Paradigmenwechsel<br />
in <strong>der</strong> Drogenpolitik. Portugal entschied sich dafür, die<br />
Kriminalisierung von Drogenkonsumenten zu beenden<br />
<strong>und</strong> dem Drogenproblem mit einem public health-Ansatz<br />
zu begegnen.<br />
Neben dem Ausbau von Substitutionsbehandlungen <strong>und</strong><br />
Spritzentausch ist das Spezifische am portugiesischen<br />
Modell, dass die Strafgerichte nicht länger für Konsumenten<br />
zuständig sind, wobei die Illegalität aller Handlungen<br />
im Umgang mit Drogen weiterhin gegeben ist.<br />
Das Gesetz sieht explizit vor, dass Menschen, die von <strong>der</strong><br />
Polizei mit Drogen angetroffen werden, vor ein Komitee<br />
aus einem Juristen, einem Sozialarbeiter <strong>und</strong> einem<br />
Psychologen geladen werden. Dieses kann bestimme<br />
Strafen (Geldstrafe, Platzverbote, Einschränkung von<br />
Waffenbesitzrechten) verhängen <strong>und</strong> Auflagen wie eine<br />
Therapie aussprechen. Die Tatsache, dass die Polizei weiterhin<br />
Drogen beschlagnahmt, wird von den Vertretern<br />
<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsbehörden eher bedauert. Im Gegensatz<br />
zu an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, in denen bestimmte Delikte nicht<br />
länger verfolgt o<strong>der</strong> bestraft werden, hat in Portugal<br />
das Parlament explizit das Gesetz angepasst, während<br />
die Cannabis Social Clubs in Belgien o<strong>der</strong> Spanien beispielsweise<br />
ihre Duldung o<strong>der</strong> faktische Legalität aus <strong>der</strong><br />
Rechtspraxis <strong>und</strong> Gerichtsurteilen ziehen.<br />
Die Grenze zwischen Konsument <strong>und</strong> Händler liegt bei<br />
zehn Tagesrationen, z. B. 25 g Marihuana, 2 g Kokain<br />
o<strong>der</strong> 1 g Heroin. Berücksichtigt wurden die Drogen Marihuana,<br />
Haschisch, Cannabisöl, reines THC, LSD, MDMA,<br />
Kokain, Heroin, Methadon, Morphin, Opium, Amphetamin<br />
<strong>und</strong> PCP.<br />
Zwölf Jahre nach <strong>der</strong> <strong>Entkriminalisierung</strong> in Portugal liegen<br />
inzwischen auch einige aussagekräftige Bewertungen<br />
dieser Politik vor. Die Politik in Portugal, sowohl ihre<br />
Ursprünge <strong>und</strong> Voraussetzungen als auch ihre Ergebnisse<br />
sind teilweise spezifisch für Portugal, aber auch übertragbar<br />
auf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>. Der hohe Anteil von intravenösem<br />
Drogenkonsum <strong>und</strong> die stark zunehmenden HIV-Übertragungsraten<br />
waren sowohl Motivation für die Drogenkontrollreformgesetzgebung<br />
als auch die Messlatte für<br />
ihren Erfolg. Der Erfolg <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> <strong>Entkriminalisierung</strong><br />
<strong>und</strong> Schadensmin<strong>der</strong>ung in Portugal hat gezeigt, dass<br />
diese Maßnahmen nicht nur in reichen <strong>und</strong> o<strong>der</strong> liberalen<br />
Län<strong>der</strong>n wie Deutschland o<strong>der</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />
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