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Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

• gravierende ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Probleme<br />

durch Prostitution, die oft unter ungeschützten <strong>und</strong> erniedrigenden<br />

Bedingungen verläuft;<br />

• Obdachlosigkeit bzw. wechselnde, kurzfristige Unterkünfte<br />

bei Bekannten aus <strong>der</strong> Drogenszene o<strong>der</strong> Freiern<br />

(verb<strong>und</strong>en mit den Schwierigkeiten, eine Wohnung zu<br />

bekommen o<strong>der</strong> zu halten);<br />

• soziale Isolation <strong>und</strong> Vereinsamung, da aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> sozialen Ausgrenzung Kontakte zu Familie, Fre<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Bekannten außerhalb <strong>der</strong> Drogenszene ausdünnen<br />

<strong>und</strong> schließlich abreißen; die sozialen Bezüge in <strong>der</strong><br />

Szene sind stark durch Zwänge <strong>und</strong> Bedingungen <strong>der</strong><br />

Drogenbeschaffung bestimmt;<br />

• fehlende berufliche <strong>und</strong> soziale Perspektiven sowie<br />

berufliche Schwierigkeiten; niedriger Bildungsstand –<br />

Folge des frühen Herausfallens aus Schule <strong>und</strong> Ausbildung<br />

– führt zur Verschlechterung <strong>der</strong> Chancen auf dem<br />

Arbeitsmarkt; dauerhafte Arbeitslosigkeit führt oft zu sozialem<br />

Abstieg <strong>und</strong> Verarmung (z. B. dauerhaftem Hartz-<br />

IV-Status), <strong>und</strong> damit wie<strong>der</strong>um zu verstärktem Drogenkonsum;<br />

• mangelndes Selbstvertrauen aufgr<strong>und</strong> sozialer Ausgrenzung<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlicher Verelendung; geringe<br />

Selbstwirksamkeitserfahrungen, d. h. <strong>der</strong> Verlust des<br />

Vertrauens in die Möglichkeit, die Lebenssituation selbst<br />

gr<strong>und</strong>legend verbessern zu können, nachdem Entzüge<br />

o<strong>der</strong> Therapieversuche wie<strong>der</strong>holt keine Erfolge zeigten;<br />

• beson<strong>der</strong>er rassistischer Verfolgungsdruck von Menschen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, vor allem mit schwarzer<br />

Hautfarbe.<br />

Die sozialen Folgewirkungen lassen sich aber auch an<br />

rechtsstaatlichen Einrichtungen ablesen, wo immer wie<strong>der</strong><br />

Fälle von Korruption bei Polizei <strong>und</strong> Zoll auftreten.<br />

Der Verheißung des schnellen Geldes erliegen eben auch<br />

völlig rechtschaffende Menschen. Darüber hinaus führt<br />

die hohe Kriminalisierung von Konsumenten einerseits<br />

auch zu Arbeitsüberlastungen bei Richtern, Staatsanwälten<br />

<strong>und</strong> Bewährungshelfern; an<strong>der</strong>erseits führt sie zu<br />

Hehlerei <strong>und</strong> Bandenwesen <strong>und</strong> liefert häufig den Startschuss<br />

für Familientragödien. Globale Folgen des Verbots<br />

äußern sich in Drogenkriegen, wie etwa in Mexiko<br />

(siehe Justice in Mexico Project 2010), o<strong>der</strong> gar massiven<br />

geopolitischen Verän<strong>der</strong>ungen. Mit diesen Entwicklung<br />

geht eine Erosion <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit einher: fehlende<br />

Pressefreiheit, weil Journalisten von Drogenhändlern bedroht<br />

werden; Bedrohung von Gerichten, Polizei <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

gesamten Justiz; Verschleppungen, Verletzungen <strong>und</strong><br />

Morde (allein im mexikanischen Drogenkrieg starben<br />

zwischen 2006 <strong>und</strong> 2012 ca. 70.000 Menschen, weitere<br />

26.000 Menschen werden vermisst) – in hohem Maße<br />

Unbeteiligte, eine humanitäre Katastrophe (Belaunzáran<br />

2013).<br />

2.7 Exkurs: Drogentote o<strong>der</strong> <br />

Drogenpolitiktote?<br />

Jedes Jahr sterben in Deutschland ca. 1.000 Menschen<br />

an den Folgen des Konsums illegaler Drogen (Drogen<br />

<strong>und</strong> Suchtbericht 2011 46 ). Unabhängig von <strong>der</strong> Definition<br />

auf Gr<strong>und</strong>lage einer polizeilichen Dienstvorschrift sowie<br />

<strong>der</strong> gewaltigen blinden Flecken aufgr<strong>und</strong> von nicht<br />

obligatorischen Obduktionen wird diese schwankende<br />

Zahl – je nach Ausschlag nach oben o<strong>der</strong> nach unten – als<br />

Indikator für eine erfolglose bzw. erfolgreiche Drogenpolitik<br />

benutzt. Gleichzeitig wird keine systematische Ursachenforschung<br />

betrieben <strong>und</strong> gesicherte Erkenntnisse<br />

über die Möglichkeiten, Todesfälle zu verhin<strong>der</strong>n, werden<br />

ignoriert (z. B. mithilfe von Naloxon; vgl. Dettmar/<br />

Sa<strong>und</strong>ers/Strang 2001) 47 .<br />

Beispielsweise sind die Effekte von Drogenkonsumräumen<br />

klar <strong>und</strong> gut erforscht (Poschadel 2003) 48 . Gleichzeit<br />

existiert nur in 6 von 16 B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n (Berlin, NRW,<br />

Hamburg, Hessen, Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>und</strong> dem Saarland)<br />

eine entsprechende Landesverordnung, die es Kommunen<br />

ermöglicht, einen Konsumraum einzurichten. (Deutsche<br />

AIDS-Hilfe / akzept e.V. 2011: Drogenkonsumräume<br />

in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme des AK Konsumraum).<br />

In Bayern, Baden-Württemberg, Bremen,<br />

Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein <strong>und</strong> dem gesamte<br />

Osten Deutschlands existiert kein einziger dieser lebensrettenden<br />

Einrichtungen 49 , obwohl <strong>der</strong>en Einführung z.B.<br />

in Bayern (v.a. München <strong>und</strong> Nürnberg) vehement von<br />

46. http://drogenbeauftragte.de/presse/pressemitteilungen/2011-02/drogen-<strong>und</strong>-suchtbericht-2011.html.<br />

47. http://naloxoneinfo.org/.<br />

48. http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/konsumraeume-retten-leben.<br />

49. Vgl. http://konsumraum.de/dta/rechtsverordnung.html.<br />

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