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Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

genhandel <strong>und</strong> die den Drogenhandel begleitenden<br />

Delikte (Korruption, Geldwäsche, Bandenkriege etc.)<br />

entstehen, ist kaum abschätzbar. Die Auswirkungen des<br />

US-Drogenkonsums auf die staatliche Integrität Mexikos<br />

zeigen deutlich, dass dies ein gewaltiger Faktor sein<br />

kann.<br />

Durch die Fehlallokation polizeilicher Ressourcen in Form<br />

einer unverhältnismäßigen Priorisierung <strong>der</strong> Verfolgung<br />

von Drogendelikten im Bereich des Eigenbedarfs werden<br />

gleichzeitig an<strong>der</strong>e, für das Gemeinwohl schädlichere<br />

Delikte, wie im Bereich <strong>der</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Umweltkriminalität,<br />

nicht aufgeklärt. 29<br />

Durch die Illegalisierung des Drogenmarktes wan<strong>der</strong>t das<br />

Geld hier nicht nur in die falschen Hände, son<strong>der</strong>n generiert<br />

– an<strong>der</strong>s als bei den legalen Drogen wie Alkohol <strong>und</strong><br />

Tabak – zusätzlich auch keine Einnahmen (Besteuerung<br />

<strong>der</strong> Drogen, Umsatzsteuer, sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsplätze, Einkommenssteuer).<br />

Das Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssystem wird durch die Schäden<br />

aufgr<strong>und</strong> von verunreinigten Drogen, Infektionskrankheiten,<br />

Verwahrlosung, Überdosierung <strong>und</strong> Beschaffungsprostitution<br />

etc. spürbar belastet.<br />

Diese Effekte wurden beispielsweise im Rahmen des Heroinmodellversuchs<br />

<strong>der</strong> Schweiz ermittelt. Im Schlussbericht<br />

heißt es dazu, dass Nutznießer <strong>der</strong> kontrollierten<br />

Drogenabgabe sowohl die Abhängigen als auch die Öffentlichkeit<br />

seien. So sank die Zahl <strong>der</strong> straffälligen Personen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Delikte bereits im ersten Behandlungsabschnitt<br />

um r<strong>und</strong> 60 Prozent. Das Zentrum für interdisziplinäre<br />

Suchtforschung (ZIS) in Hamburg 30 weist zudem<br />

darauf hin, dass eine ökonomische Analyse des Schweizer<br />

Modellversuchs ergeben hat, dass die Behandlung mit<br />

Diamorphin einen hohen volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen<br />

mit sich bringt. Vor allem durch einen Rückgang<br />

<strong>der</strong> Straftaten <strong>und</strong> eine Verbesserung des Ges<strong>und</strong>heitszustands<br />

<strong>der</strong> Abhängigen werden 96 Franken pro Patient<br />

<strong>und</strong> Tag eingespart – <strong>der</strong> Nettonutzen beläuft sich somit<br />

auf 45 Franken. Dies zeigt nicht nur, dass neue Therapieformen,<br />

wie die Abgabe von Heroin an Abhängige, keine<br />

teure Behandlungsform darstellt, son<strong>der</strong>n dass jede Ver-<br />

29. http://www.welt.de/regionales/berlin/article1921373/Tausende-Akten-bleiben-beim-LKA-liegen.html;<br />

http://www.alternative-drogenpolitik.de/2012/04/23/berlin-die-repressive-drogenpolitik-gefahrdet-ihre-sicherheit/.<br />

30. http://www.heroinstudie.de/.<br />

zögerung <strong>und</strong> Verhin<strong>der</strong>ung von neuen Therapie- <strong>und</strong><br />

Hilfeformen für die Gesellschaft milliardenschwere – vermeidbare<br />

– Schäden verursacht (vgl. Bühring 2006). 31<br />

Das restriktive Betäubungsmittelrecht schafft eine ineffektivere<br />

Drogenhilfe <strong>und</strong> Prävention, verteuert die<br />

Suchtmedizin <strong>und</strong> schränkt die Nutzung von Drogen <strong>und</strong><br />

Drogenpflanzen in <strong>der</strong> Medizin 32 <strong>und</strong> teilweise auch als<br />

Rohstoff ein. Zuletzt wären noch die negativen Auswirkungen<br />

von Beschaffungsprostitution 33 zu nennen.<br />

Es ist schwer zu bemessen, welche Ausgaben <strong>und</strong> Schäden<br />

durch eine an<strong>der</strong>e Drogenpolitik vermeidbar wären.<br />

Dennoch sollten die mit Sicherheit hohen Summen Motivation<br />

genug sein, sich intensiv mit diesen Fragen zu<br />

beschäftigen. Ökonomen wie Hartwig / Pies (1992, 1995)<br />

<strong>und</strong> Sell (2012) gehen von volkswirtschaftlichen Kosten<br />

<strong>der</strong> Prohibition im zweistelligen Milliardenbereich aus.<br />

Die Gesamtausgaben zur Bekämpfung <strong>der</strong> Rauschgiftkriminalität<br />

in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> BRD liegen in <strong>der</strong> Größenordnung<br />

von 200 Mrd. Euro, was dem wirtschaftlichen<br />

Schaden durch die Katastrophe von Tschernobyl o<strong>der</strong><br />

den notwendigen Investitionen für die Energiewende in<br />

Deutschland entspricht. 34<br />

Gleichwohl sollten Reformen nicht als Maßnahme zur<br />

Haushaltssanierung gesehen werden, son<strong>der</strong>n als eine<br />

Verschwendung <strong>und</strong> Fehlallokation von staatlichen Ressourcen,<br />

die es umzulenken gilt, beispielsweise in den<br />

völlig unterfinanzierten Bereich <strong>der</strong> Prävention (siehe<br />

auch vorletztes Kapitel).<br />

Mehr Investitionen im Bereich <strong>der</strong> Suchtprävention anstelle<br />

von Repressionen würden sich gleich zweifach<br />

lohnen. Zum einen entfalten Gel<strong>der</strong>, die <strong>der</strong>zeit in die<br />

Repression fließen, dort keinerlei positive Effekte, zum<br />

an<strong>der</strong>en haben sie in <strong>der</strong> Regel sogar schädliche Auswirkungen.<br />

Zudem würde je<strong>der</strong> Euro, <strong>der</strong> in die Prävention<br />

fließt, mehr als einen Euro Einsparungen an an<strong>der</strong>er<br />

Stelle bringen. Somit ist es deutlich teurer, bereits ent-<br />

31. http://www.cannabislegal.de/diverses/hartedrogen.htm.<br />

32. http://www.hanfjournal.de/webEdition/we_cmd.php?we_<br />

cmd%5B0%5D=show&we_cmd%5B1%5D=18285&we_<br />

cmd%5B4%5D=369.<br />

33. http://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/article/2012/10/17/1350454618-drogenabhaengigkeitbeschaffungsprostitution-findet-meist-auf-<strong>der</strong>-strasse-selten-im-borde.<br />

html.<br />

34. http://www.alternative-drogenpolitik.de/2012/01/12/ausgaben-zurbekampfung-<strong>der</strong>-rauschgiftkriminalitat-in-<strong>der</strong>-brd/.<br />

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