21.01.2014 Aufrufe

Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

Jede Strafanzeige bedeutet für den Betroffenen einen<br />

Kontakt mit <strong>der</strong> Polizei als Beschuldigter – allein aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Tatsache, dass er sich z. B. für Cannabis anstelle von<br />

Alkohol entschieden hat. Neben <strong>der</strong> Strafanzeige kommt<br />

es zu Verhören, erkennungsdienstlichen Behandlungen,<br />

Hausdurchsuchungen, »körperlichen Untersuchungen«,<br />

Telekommunikationsüberwachungen <strong>und</strong> sozialer Stigmatisierung.<br />

Auch wenn viele Verfahren mit einer Einstellung enden,<br />

werden die Betroffenen ggf. über Auflagen bestraft <strong>und</strong><br />

erhalten keinen Freispruch. In südlichen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> bei Wie<strong>der</strong>holungstätern werden auch geringe<br />

Mengen regelmäßig bestraft. Wären Drogenkonsumenten<br />

wirklich entkriminalisiert, wie mitunter behauptet,<br />

würde <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Tat keine Rolle spielen <strong>und</strong> auch ein<br />

zweites »Erwischtwerden« wäre nicht krimineller als das<br />

erste Mal. Von einer <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>der</strong> Konsumenten<br />

illegalisierter Drogen in Deutschland kann deswegen<br />

nicht gesprochen werden (Schäfer 2006). 28<br />

Mag <strong>der</strong> vom Gesetzgeber formulierte Zweck des Betäubungsmittelrechts<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Drogenpolitik (Schutz <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

vor den Gefahren von Drogen) insgesamt auch<br />

legitim sein, die Verbotspolitik ist we<strong>der</strong> geeignet, um<br />

Angebot <strong>und</strong> Nachfrage einzudämmen, noch um die allgemeinen<br />

Probleme zu lösen, die mit o<strong>der</strong> wegen Drogen<br />

existieren. Vielmehr ist sie selbst Ursache für eine Vielzahl<br />

an Problemen, wie Schwarzmarkt, hohe Ausgaben o<strong>der</strong><br />

»unbeabsichtigte Nebenwirkungen«. Es ist nicht erfor<strong>der</strong>lich,<br />

Drogen mit Verboten zu begegnen, da an<strong>der</strong>e<br />

Handlungsoptionen verfügbar sind. Auch wenn empirische<br />

Daten über die Wirkung an<strong>der</strong>er Handlungsoptionen<br />

nur teilweise vorhanden sind, gibt es auch für konservative<br />

Geister viele sichere erste <strong>und</strong> zweite Schritte.<br />

Zuletzt sind angesichts <strong>der</strong> geringen Verletzungen von<br />

Rechtsgütern die staatlichen Reaktionen, u. a. in Form<br />

einer im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Fel<strong>der</strong>n des Strafrechts unverhältnismäßig<br />

harten Rechtspraxis, nicht angemessen<br />

(Krumdiek 2006).<br />

2.5 Kosten <strong>der</strong> Drogenpolitik <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Prohibition<br />

Die Ausgaben <strong>und</strong> Schäden durch <strong>und</strong> wegen Drogen<br />

sind mannigfaltig <strong>und</strong> werden nur teilweise erfasst. Eine<br />

Vielzahl von Kostenträgern ist betroffen <strong>und</strong> nicht alle<br />

Schäden lassen sich einfach <strong>und</strong> eindeutig Drogen zuschreiben.<br />

Die Ausgaben im Rahmen <strong>der</strong> vier Säulen <strong>der</strong> Drogenpolitik<br />

wurden durch die Studie »Schätzung <strong>der</strong> Ausgaben<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand durch den Konsum illegaler Drogen<br />

in Deutschland« untersucht (Mostardt et al. 2010).<br />

Das Ergebnis belegt: etwa zehn Prozent <strong>der</strong> gesamten<br />

öffentlichen Ausgaben für die öffentliche Sicherheit <strong>und</strong><br />

Ordnung weisen einen Bezug zu illegalen Drogen auf.<br />

Der Großteil des finanziellen Engagements des Staates<br />

fließt in repressive Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität<br />

im Zusammenhang mit illegalen Drogen (ca.<br />

70 %). Im Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen liegt <strong>der</strong> Anteil<br />

nur bei 0,3 Prozent, dieser Sektor ist allerdings auch<br />

um ein Vielfaches größer <strong>und</strong> die Datenlage ist relativ<br />

schlecht.<br />

Für die Repression im Bereich illegaler Drogen gibt <strong>der</strong><br />

Staat 3,4–4,4 Milliarden Euro aus. Dies sind ca. 65–70<br />

Prozent <strong>der</strong> für die Drogenpolitik ermittelten Staatsausgaben.<br />

Die Bereiche Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> soziale Sicherung<br />

haben mit 1,8 bis 1,9 Mrd. Euro einen Anteil<br />

von 30–35 Prozent an den Gesamtausgaben. Das Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Ausgaben für Repression im Vergleich zu Hilfe<br />

<strong>und</strong> Therapie liegt bei sieben zu drei. Die Ausgaben pro<br />

Einwohner belaufen sich im Bereich illegaler Drogen auf<br />

63–74 Euro pro Einwohner pro Jahr.<br />

Die Studie erfasst die Kosten für den Justizapparat wie<br />

Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte <strong>und</strong> Gefängnisse<br />

aufgr<strong>und</strong> von »Rauschgiftdelikten nach dem Betäubungsmittelgesetz<br />

(BtMG) als (…) durch Drogenkonsumenten<br />

begangenen Straftaten«.<br />

Hierzu kommen noch die oben erwähnten Schäden <strong>der</strong><br />

Straftaten durch Konsumenten harter Drogen. Nicht einberechnet<br />

sind die Folgekosten beispielsweise von Inhaftierungen,<br />

Arbeitslosigkeit, Infektionskrankheiten o<strong>der</strong><br />

Stigmatisierung.<br />

28. http://www.alternative-drogenpolitik.de/2013/04/09/von-geringenmengen-<strong>und</strong>-<strong>der</strong>-nichtentkriminalisierung-<strong>der</strong>-konsumenten/.<br />

Welche Kosten durch die Finanzierung organisierter Kriminalität<br />

<strong>und</strong> terroristischer Strukturen durch den Dro-<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!