Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />
dächtige (2010: 284.128) ihre Tat unter Alkoholeinfluss<br />
begangen (-2,2 Prozent). Das sind 13,2 Prozent aller Tatverdächtigen.<br />
Bei den Gewaltdelikten beträgt <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> alkoholisierten Tatverdächtigen 31,8 Prozent <strong>und</strong><br />
liegt damit deutlich höher (BKA 2011).<br />
2.3 Auswirkungen <strong>der</strong> Prohibition: <br />
Drogenabhängige im Justizvollzug<br />
Verurteilte Drogenabhängige belegen zu einem großen<br />
Teil die Gefängnisse in Deutschland: Drogenabhängige<br />
Gefangene machen einen Anteil von etwa 30–40 Prozent<br />
an <strong>der</strong> Gesamtpopulation <strong>der</strong> Gefangenen in Deutschland<br />
aus. Auch an<strong>der</strong>e substanzbezogene Störungen sind<br />
in Haft stark überrepräsentiert (v. a. in Bezug auf Alkohol<br />
<strong>und</strong> Tabak; vgl. insgesamt: Stöver 2012).<br />
Erfahrungen mit <strong>der</strong> Polizei, den Gerichten o<strong>der</strong> Hafteinrichtungen<br />
liegen bei einem Großteil <strong>der</strong> Konsumenten<br />
illegaler Drogen vor. Die Basisdokumentation, bspw. für<br />
Hamburg (Oechsler et al. 2009), weist aus, dass 38 Prozent<br />
<strong>der</strong> betreuten Klienten im Jahr 2009 Probleme mit<br />
<strong>der</strong> Justiz hatten, zwölf Prozent befanden sich in Haft.<br />
Die Gruppe <strong>der</strong> Opiat- <strong>und</strong> Kokainkonsumenten weist<br />
einen höheren Anteil auf – je<strong>der</strong> fünfte Konsument dieser<br />
Substanzen befindet sich in Hafteinrichtungen. Im<br />
Längsschnitt betrachtet zeigen sich jedoch weit höhere<br />
justizielle Belastungen: Mehr als die Hälfte (52 %) <strong>der</strong><br />
betreuten Drogenkonsumenten in Hamburg ist schon<br />
einmal im Leben verurteilt worden, wobei Konsumenten<br />
von Opiaten mit durchschnittlichen 50 Monaten Haft den<br />
größten Anteil mit Hafterfahrungen stellen (70 %). In <strong>der</strong><br />
Frankfurter Szenebefragung liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen<br />
mit Hafterfahrung gar bei 78 Prozent (durchschnittlich<br />
51,9 Monate; vgl. Müller et al. 2010).<br />
Studien zur Lebenssituation älterer Drogenabhängiger<br />
zeigen, dass Hafterfahrungen mit zunehmendem Alter<br />
noch häufiger festzustellen sind: Hößelbarth/Stöver/Vogt<br />
(2011) berichten, dass 87,8 Prozent <strong>der</strong> 74 qualitativ befragten<br />
älteren Drogenabhängigen bereits in Gewahrsam<br />
o<strong>der</strong> in einer Strafanstalt inhaftiert waren. Sie verbrachten<br />
durchschnittlich vier Jahre in Haft (48,8 Monate;<br />
Frauen 31,6, Männer 55,6 Prozent), wobei die Inhaftierung<br />
zwischen wenigen Tagen als kürzestem <strong>und</strong> 20 Jahren<br />
als längstem Zeitraum variierte. Hafterfahrungen von<br />
Drogenabhängigen variieren jedoch nicht nur alters- <strong>und</strong><br />
geschlechtsspezifisch, son<strong>der</strong>n auch zwischen Stadt <strong>und</strong><br />
Land, Ost <strong>und</strong> West.<br />
Laut Statistischem B<strong>und</strong>esamt verbüßten insgesamt<br />
60.100 Personen zum 31. März 2011 eine Freiheitsbzw.<br />
Jugendstrafe in einer deutschen JVA o<strong>der</strong> befanden<br />
sich in Sicherungsverwahrung (Rate: 84 pro 100.000<br />
Personen <strong>der</strong> strafmündigen Bevölkerung ab 14 Jahren).<br />
Wegen eines Drogendeliktes saßen zum genannten Zeitpunkt<br />
15 Prozent aller Gefangenen ein. Diese Zahl bildet<br />
jedoch nur die untere Grenze <strong>der</strong> Drogenabhängigen<br />
in Haft. Experten gehen davon aus, dass etwa 30–40<br />
Prozent aller männlichen <strong>und</strong> mehr als 50 Prozent aller<br />
weiblichen Gefangenen intravenös konsumierende Drogenabhängige<br />
sind (EMCDDA 2012a). Dass diese Schätzungen<br />
eher konservativ sind, zeigen in einzelnen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />
durchgeführte Untersuchungen, nach denen<br />
etwa je<strong>der</strong> zweite Gefangene als »drogengefährdet«,<br />
je<strong>der</strong> Dritte als »therapiebedürftig« angesehen werden<br />
muss (Dolde 2002).<br />
Diese Bef<strong>und</strong>e decken sich mit den Ergebnissen zweier<br />
multizentrischer epidemiologischer Studien zur suchtmedizinischen<br />
<strong>und</strong> infektiologischen Situation <strong>und</strong> Versorgung<br />
von Opiatabhängigen im deutschen Justizvollzug.<br />
Sie geben erstmals einen genauen Überblick über die Zahl<br />
aktueller/ehemaliger intravenöser Drogenkonsumenten<br />
<strong>und</strong> drogenassoziiert Infizierter in deutschen Haftanstalten.<br />
Radun et al. fanden in ihrer Querschnittstudie unter<br />
1.497 Inhaftierten in sechs deutschen Gefängnissen<br />
eine Lebenszeitprävalenz für intravenösen Drogenkonsum<br />
von 29,6 Prozent (n=464). 17,6 Prozent aller untersuchten<br />
Gefangenen waren mit dem Hepatitis-C-Virus<br />
(HCV), 0,8 Prozent mit dem humanen Imm<strong>und</strong>efizienz-<br />
Virus (HIV) infiziert. Je<strong>der</strong> zweite Gefangene (50,6 %),<br />
<strong>der</strong> jemals Drogen injiziert hatte, war HCV-positiv, 1,6<br />
Prozent waren HIV-positiv (vgl. Übersicht: Stöver 2012).<br />
In ihrer Befragung von Anstaltsärzten in 31 deutschen<br />
Haftanstalten mit insgesamt mehr als 14.000 Strafgefangenen<br />
konnten Schulte et al. diese Ergebnisse bestätigen:<br />
Der Anteil an aktuellen/ehemaligen intravenösen<br />
Drogenkonsumenten unter den Inhaftierten lag hier bei<br />
durchschnittlich 21,9 Prozent, die HCV/HIV-Prävalenzraten<br />
bei 14,3 bzw. 1,2 Prozent.<br />
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