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Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...

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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />

wirtschaftliche Kosten. Neben den direkten Ausgaben<br />

durch den Staat entstehen Schäden <strong>und</strong> finanzielle Verluste,<br />

die vom Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssystem getragen<br />

werden müssen. Neben diesen direkten monetären Effekten<br />

entstehen <strong>der</strong> Gesellschaft Nachteile durch die mit<br />

Drogen verb<strong>und</strong>ene Kriminalität. Für die Konsumenten<br />

von Drogen <strong>und</strong> ihr Umfeld bringen die Illegalität, <strong>der</strong><br />

Schwarzmarkt, die Strafverfolgung sowie die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Stigmatisierung erhebliche Nachteile mit sich.<br />

Eine gute Drogenpolitik sollte versuchen, diese Kosten zu<br />

min<strong>der</strong>n, ohne dabei selbst neue zu schaffen.<br />

Die Bilanz <strong>der</strong> aktuellen Drogenpolitik in Deutschland<br />

ist ambivalent. Während Deutschland in den Bereichen<br />

Drogenhilfe <strong>und</strong> -therapie, Schadensmin<strong>der</strong>ung mit Diamorphinabgabe,<br />

Substitutionsprogrammen, Konsumräumen,<br />

Spritzentausch <strong>und</strong> einem gut ausgebautem<br />

Hilfesystem insgesamt weltweit führend ist, 23 bleibt die<br />

Politik <strong>der</strong> kriminalrechtlichen Prohibition von einem notorischen<br />

Scheitern geprägt. Ihre Wirkung beschränkt<br />

sich auf eine kontinuierliche Zunahme von Verfolgung<br />

<strong>und</strong> Verurteilungen, ohne dass Nachfrage o<strong>der</strong> Angebot<br />

messbar über die Jahre gesunken wären (vgl. Holzer<br />

2012; Flöter/Pfeiffer-Gerschel 2012; Reuband 2004;<br />

Kommission für soziale Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

1999 24 ). Die Erfahrungen an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zeigen, dass<br />

die Zahl <strong>der</strong> Konsumenten ohne die Repression nicht höher<br />

wäre, was jedoch oft befürchtet wird (vgl. auf dem<br />

Hövel 2012; Polak 2012; Kistmacher 2012; Radimecky<br />

2012). Allerdings reagierte die Politik auf den ausbleibenden<br />

Erfolg mit einem kriminalpolitischen Suchtverhalten<br />

(»immer-mehr-desselben«), was jedoch lediglich zu mehr<br />

Opferproduktion statt Opferschutz <strong>und</strong> zu mehr »harm<br />

production« statt »harm reduction« führte.<br />

Die zentrale Säule <strong>der</strong> Drogenpolitik stellt das selektive<br />

Verbot bestimmter Substanzen dar, wodurch Repression,<br />

Schwarzmarkt <strong>und</strong> das Abstinenzdogma die größte<br />

Rolle spielen. Alternativen zu dieser repressiv-prohibitiven<br />

Kontrollpolitik bilden nicht nur Politikoptionen <strong>der</strong> Drogenkontrolle<br />

mit Blick auf Handel <strong>und</strong> Konsum, son<strong>der</strong>n<br />

ebenso die mannigfaltigen Wechsel- <strong>und</strong> Gegenwirkungen<br />

mit den an<strong>der</strong>en Säulen <strong>der</strong> Drogenpolitik Präven-<br />

23. http://www.eurohrn.eu/index.php?option=com_content&view=articl<br />

e&id=8&Itemid=11.<br />

24. Kommentar <strong>der</strong> Kommission für soziale Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

vom 30.04.1999<br />

http://www.cannabislegal.de/international/ch-sgk.htm.<br />

tion, Therapie <strong>und</strong> Schadensmin<strong>der</strong>ung, die in einem<br />

späteren Kapitel diskutiert werden.<br />

Das vorliegende Gutachten kann nur einen Ausschnitt<br />

des Gesamtphänomens beleuchten. Daher wird versucht,<br />

zwischen den Folgen, die in einem hohen Maß von <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>zeitigen Ausgestaltung unserer Drogenpolitik verursacht<br />

werden, <strong>und</strong> solchen, die individuell auftreten <strong>und</strong><br />

nicht immer beeinflussbar sind, zu unterscheiden. Den<br />

Schwerpunkt <strong>der</strong> Betrachtung bilden die Drogen Cannabis<br />

<strong>und</strong> Heroin – zunächst in Deutschland, anschließend<br />

mit globaler Perspektive.<br />

Neben <strong>der</strong> Betrachtung einzelner Phänomene kann ein<br />

geeigneter Maßstab für das Schadenspotenzial von Drogen<br />

für das Individuum <strong>und</strong> die Gesellschaft eine gewisse<br />

Orientierung geben. Einen solchen Maßstab, zusammen<br />

mit einer ersten Messung durch Experteninterviews, liefert<br />

David Nutt (Nutt 2007, 2010, 2012) unter an<strong>der</strong>em<br />

mit seinen Evaluationskriterien <strong>und</strong> ihren Definitionen.<br />

Die 16 Parameter, die zur Bewertung <strong>der</strong> einzelnen Substanzen<br />

herangezogen wurden, teilt Nutt in zwei Gruppen<br />

ein:<br />

1. mögliche Schäden für den Konsumenten selbst;<br />

2. mögliche Schäden für die Gesellschaft insgesamt.<br />

Die neun Kategorien <strong>der</strong> Risiken für den Konsumenten<br />

umfassen die drogenspezifische <strong>und</strong> die drogenbezogene<br />

Sterblichkeit, drogenspezifische Schäden, drogenbezogene<br />

Schäden, Abhängigkeit, drogenspezifische Beeinträchtigung<br />

psychischer Funktionen, drogenbezogene<br />

Beeinträchtigung psychischer Funktionen sowie den Verlust<br />

von materiellen Werten <strong>und</strong> Beziehungen.<br />

Die sieben Kategorien <strong>der</strong> Gefährdung an<strong>der</strong>er umfassen<br />

Fremdschädigungen, Kriminalität, soziale <strong>und</strong> ökologische<br />

Schäden an <strong>der</strong> Umwelt, familiäre Konflikte, internationale<br />

Beeinträchtigungen, ökonomische Kosten <strong>und</strong><br />

Rückgang des Zusammenhalts <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />

Nutt (2012) spricht sowohl über die Einschränkungen<br />

seiner Methode <strong>und</strong> seiner Befragung als auch über den<br />

ausdrücklichen Wunsch, die einzelnen Werte an neue Erkenntnisse<br />

anzupassen <strong>und</strong> sie auch von weiteren Gruppen<br />

– z. B. von Drogenpolitikern – bewerten zu lassen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e schlägt er vor, die beiden Schadensgruppen<br />

einmal separat zu betrachten.<br />

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