20.01.2014 Aufrufe

Stadtentwicklung - lamp

Stadtentwicklung - lamp

Stadtentwicklung - lamp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Stadtentwicklung</strong><br />

Vorlesung 3 - Leitbilder<br />

Grigor Doytchinov<br />

Institut für Städtebau


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

LEITBILDER UND MODELLVORSTELLUNGEN IN DER<br />

STADTPLANUNG<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Leitbilder<br />

Helmut Brackert:<br />

„Die Dimension der Ausbildung von Gruppenidentität und Lebensformen, in denen praktiziert<br />

wird, was den Menschen lebenswert erscheint und worin sie sich selbst als Sinn und Zweck ihrer<br />

Lebenstätigkeit fassen, können wir als kulturelle Dimension bezeichnen.“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Leitbilder<br />

Thomas Gil:<br />

„Die Kultur ist die konkrete historische Materialisierung von Vernunft, wobei die Vernunft<br />

als kulturerzeugendes, praktisches und reflexives Grundvermögen der menschlichen<br />

Gattung angesehen wird. Der Mensch verfährt nicht nur empirisch, sondern wird von einem<br />

„Vernunftinteresse“ animiert, dass sich normativ auswirkt.“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Modellvorstellungen<br />

• werden mit dem Etablieren des Flächennutzungsplans und mit dem Formulieren allgemeiner<br />

Grundsätze entwickelt<br />

• gelten als Leitbilder und Bewertungskriterien, einschl. für die tatsächliche Ausdehnung der<br />

Stadt und ihre Größenentwicklung<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Modellvorstellungen<br />

Theodor Fritsch (1896)<br />

• allmähliches sektorales Wachstum<br />

der Stadt<br />

• Modellvorstellungen als Abbild der<br />

Klassengesellschaft<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Modellvorstellungen<br />

Ebenezer Howard (1898) – die Gartenstadt-Idee<br />

• die planmäßige Entwicklung einer eigenständigen<br />

Stadt mit den für ein städtisches Leben erforderlichen<br />

Arbeitsplätzen und zentralen Einrichtungen<br />

• Modellvorstellung trägt egalitäre Züge<br />

• die Wachstumskräfte in den Ballungsräumen werden<br />

durch neue Städte begrenzter Größe aufgefangen<br />

• der erste Vorschlag einer über die Stadt auf die Region<br />

übergreifenden Planungsidee<br />

• Ziel – Vereinigung der Vorzüge von Stadt und Land (Idee<br />

der Renaissance und der utopischen Sozialisten)<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Weltstadt versus Gartenstadt<br />

Geistige Väter der Auffassung von der Großstadt<br />

Beispiel Erweiterungsplan Amsterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Raimond Unwin (1910)<br />

“Städtebau ist seit einigen Jahren bei uns zur Disziplin geworden.<br />

Sozialwissenschaftler, Architekten, Kunstästhetiker und Ingenieure tragen die Resultate ihrer<br />

Wissenschaft und praktischen Erfahrung zur gemeinsamen Lehre von Städtebau zusammen.“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Nach 1890<br />

• an der Stelle des gesamtstädtischen Bebauungsplans (Fluchtlinienplan) tritt die<br />

Zonenbauordnung (Bauzonenplan)<br />

• Festsetzung der Ausnutzungsmaße und Trennung der Nutzungsarten als Vorläufer des<br />

modernen Flächenwidmungsplans (Flächenaufteilungsplan)<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Wandel der Leitbilder um 1900<br />

• die Leitgedanken maßgeblich bestimmt durch die kritische Reaktion auf das explosive<br />

Stadtwachstum des späten 19. Jh.<br />

• Mietskasernen und Hinterhöfe, störende Funktionsmischung, Zurückdrängung der Natur<br />

formten das „Feindbild“, das es zu überwinden galt<br />

• trotz unterschiedlicher Strömungen - ein international gültiges „Leitbild“ der gegliederten und<br />

aufgelockerten Stadt<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die moderne Stadtplanung um 1900 verstand sich nicht nur als baulich-formale Revolution vor<br />

dem Hintergrund der industriellen Revolution, sondern als Bauen für neue Aufgaben, mit neuen<br />

Zielsetzungen und neuen Mitteln.<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Analogien<br />

• die industrielle Revolution 1780-1830 stellt einen Einbruch in die <strong>Stadtentwicklung</strong> dar<br />

• die Moderne um 1900 bricht bewusst mit der Tradition historisch überlieferter Lösungen<br />

• der Ausgangspunkt der Moderne war die Kritik an den damaligen ungeordneten und<br />

unhygienischen Zuständen der Großstädte und die massive Wohnungsnot<br />

• mit dieser Kritik war die Frage nach der zukünftigen Siedlungsform verbunden –<br />

„Weltstadt“ oder „Gartenstadt“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Planungsziele<br />

• das Wachstum der Stadt kanalisieren<br />

• die Struktur der Stadt ordnen bzw. neu ordnen<br />

• die Stadt als Siedlungsform wieder funktionstüchtig machen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Differenzierung der Planungsinstrumentarien<br />

• strukturelle Konzepte – beziehen sich auf das Nutzungs- und Erschließungsgefüge<br />

• gestalterische Konzepte – beziehen sich auf die Disposition von Baumassen und Räumen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Verwissenschaftlichung der Stadtplanung<br />

• die konzeptionellen Auseinandersetzungen um Stadtstrukturen und Siedlungsformen<br />

waren gleichzeitig mit verschiedenen Bemühungen um wissenschaftliche Grundlagen der<br />

Stadtplanung verbunden<br />

• die Stadtplaner der Moderne waren auch Wissenschaftler<br />

• der Bruch mit der Geschichte war ein Bruch mit historischen Kunstauffassungen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Umweltdeterminismus und Sozialmontage in der ersten Hälfte<br />

des 20. Jh.<br />

• seit 1900 formte sich die Vorstellung, die Stadtplanung könnte von der Wissenschaft<br />

unterstützt, ein Bild der in der Stadt wirksamen Entwicklungskräfte gewinnen und sie in ihren<br />

räumlichen Auswirkungen so koordinieren, dass sie ohne Reibungen zu einer harmonischen<br />

und ausgewogenen <strong>Stadtentwicklung</strong> beitragen<br />

• charakteristisch für das Planungsverständnis der ersten Jahrhunderthälfte ist die Beterachtung<br />

der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft als „natürlich“ (nicht beeinflussbar)<br />

• der Planer hält Strukturen für die Wachstumskräfte bereit, um sie damit zu lenken – die<br />

Ordnung des baulichen Gefüges für das Leben der Bewohner ist ein „sozialer Organismus“<br />

• daraus spricht eine Erwartung – man könne auf dem Wege über die Umweltgestaltung die<br />

Gesellschaft verbessern<br />

• auch nach 1945 stand die Neuordnung der Kriegszerstörten Städte unter der Herrschaft des<br />

dargestellten Planungsverständnisses<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

20er Jahre<br />

Übereinstimmung der Auffassungen:<br />

• Gliederung und Auflockerung der kompakten Stadt<br />

• Licht, Luft und Grünflächen für alle Wohnungen<br />

• Absonderung störender Nutzungen und Begrenzung der Dichte<br />

• Antithese zum Städtebau des 19. Jh.<br />

• von den internationalen Kongressen für neues Bauen (seit 1928) hin zur Charta von Athen,<br />

1933<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

20er Jahre: Beispiel Siemensstadt in Berlin<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

20er Jahre: Beispiel Britz in Berlin<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

20er Jahre: Beispiel Ockenburgh in Den Haag<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

20er Jahre: Beispiel Slotermeer in Amsterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

30er Jahre<br />

Die Depression<br />

• verstärkt den Ruf nach Planung<br />

• Anfänge der Regionalplanung (Landesplanung)<br />

• fördert unmittelbar die Zentralisierung von Planungsentscheidungen<br />

• die Zentralisierungstendenzen bekommen in totalitären Systemen Rückenwind<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Nach 1945<br />

„Gliederung und Auflockerung“<br />

• Churchil über die Kriegszerstörungen: „ein großes Unglück, aber eine große Chance“<br />

• der Um- oder Neuaufbau der kriegszerstörten Städte<br />

• Gelegenheit zur strukturellen Umgestaltung der Stadt wird zur unbestrittenen Zielrichtung<br />

• das ungeliebte Erbe des 19. Jh. schien keiner Pflege zu bedürfen<br />

• Zielvorstellung – die gegliederte und aufgelockerte Stadt - dieses Leitbild hat nicht nur die<br />

Mängel, sondern auch die Qualitäten der Stadt des 19. Jh. beseitigt<br />

• das Planungsverhältnis ändert sich in der Nachkriegszeit kontinuierlich von der<br />

Anpassungsplanung, über die Auffangsplanung zur Entwicklungsplanung<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

50er Jahre: Beispiel Sennestadt in Deutschland<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

50er Jahre: Beispiel aus Holland<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

50er Jahre<br />

• Neubebauung der Trümmerflächen um die Wirtschaft auf die Beine zu verhelfen und die<br />

Wohnungsnot zu tilgen<br />

• der Schwerpunkt verlegte sich auf den Neuaufbau und in manchen Fällen der damit<br />

verbundenen Neuordnung<br />

• es zeigte sich, dass damit der Wohnungsnot nicht wirksam abzuhelfen war - der Schwerpunkt<br />

verlagerte sich bald auf die großflächige Neubaugebiete am Stadtrand<br />

• zugleich wuchsen die Raumansprüche des tertiären Sektors und drängten das Wohnen weiter<br />

nach Außen („City-Bildung“)<br />

• Zunahme der Arbeitsplätze im Stadtkern und die verlängerte Wege für den Berufsverkehr<br />

• die partielle Neuordnung der bestehenden Strukturen kann als Resultat marktorientierter<br />

Planungen betrachtet werden<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre<br />

Der Pendelschlag der Leitbilder<br />

• Kritik an den bisher gültigen Leitbildern und dem durch sie geprägten Neuaufbau<br />

• die Kritiker sahen die Urbanität als wesentliche Qualität des städtischen Lebens durch die<br />

Auflockerung der Stadt gefährdet<br />

• anstelle von Gliederung und Auflockerung beherrschten nun „Verdichtung und Verflechtung“<br />

die Diskussion<br />

• die Faszination war kurzlebig<br />

o schnell überholte Erwartungen und zwangsläufige Enttäuschungen<br />

o mit dem Verlangsamen des wirtschaftlichen Aufschwungs wurde die Grundlage<br />

entzogen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre<br />

Die ambitionierte Vision des „großen Strukturwandels“<br />

• Genese des Gedankens der Entwicklungsplanung, in der soziale, ökonomische und räumliche<br />

Ziele aufeinander abgestimmt und gemeinsam verfolgt werden<br />

• hohe Erwartungen an die Gestaltbarkeit der Zukunft<br />

• der „Strukturwandel“ – geboten waren tief greifende Veränderungen, die durch einen<br />

umfassenden, systemorientierten Planungsansatz auch erreichbar sind<br />

• diese Vorstellungen wurden charakterisiert durch großmaßstäbliche Bauten und neuartige<br />

Verkehrssysteme<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre: Beispiel Toulouse<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre: Beispiel Toulouse<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre: Beispiel Tokio<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

60er Jahre: Beispiel Skopje<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

70er Jahre<br />

Der „Ölschock“<br />

• Erkennen der Grenzen des Wachstums<br />

• Stimmungsschlag: vom Gedanken, die Stadt im Blick auf die zukünftigen Bedürfnisse<br />

umzustellen, zum Wunsch nach möglichst weitgehender Bewahrung von Struktur und Gestalt<br />

• An die Stelle von Abbruch und Neubau („Kahlschlag“), trat das Ziel der „erhaltenden<br />

Erneuerung“ durch Modernisierung und allenfalls punktuelle Sanierung<br />

• damit verbunden eine Neubewertung der Vergangenheit, für die nach der Parole des<br />

Denkmalschutzjahres 1975 eine „Zukunft“ geschaffen werden sollte<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

70er Jahre<br />

Die Ernüchterung – „<strong>Stadtentwicklung</strong> in kleinen Schritten“<br />

• Erkenntnis: die Rationalität der politischen Entscheidungsprozesse, sowie die Verlässlichkeit<br />

von Prognosen künftiger Entwicklungen sind deutlich überschätzt worden<br />

• Skepsis hinsichtlich der integrierten Gesamtplanung und ihrer Leistungsfähigkeit<br />

• die Ansprüche an eine Steuerbarkeit der Entwicklung wurden deutlich zurück geschraubt<br />

• Wandel der Rahmenbedingungen: Schrumpfung des Haushaltsvolumens der Gemeinden<br />

• anstelle großer Konzepte treten Schlagworte wie „<strong>Stadtentwicklung</strong> in kleinen Schritten“ oder<br />

„flexible Planung“<br />

• die Vorstellungen von der Effektivität einer integrierenden Betrachtung sozialer,<br />

wirtschaftlicher und räumlicher Aspekte wurden deutlich bescheidener<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die Reaktion auf die voraussetzungslose Zukunftseuphorie der 60er<br />

• Tendenz zur Betonung städtischer Individualität und Unverwechselbarkeit, die sich an<br />

historischen Bauten gut demonstrieren lässt<br />

• Geschichte wurde nicht nur bewahrt, sondern auch inszeniert<br />

• verschwundene Zeugnisse wurden als Kopien wiederhergestellt<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

70er Jahre: Beispiel Amsterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

70er Jahre: Beispiel St. Martin in Köln<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

70er Jahre: Beispiel Amsterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Kritik an die 70er<br />

Thomas Sieverts:<br />

Gegenwärtig werden viele Ansätze propagiert, die traditionelle und dicht gepackte europäische<br />

Stadt mit ihrer traditionellen Nutzungsmischung, ihrer Parzellenstruktur und ihrem von<br />

Gebäudewänden gebildeten öffentlichem Raum zum unmittelbaren und alleinigen Vorbild für den<br />

heutigen Städtebau zu machen.<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Kritik an die 70er<br />

„Urbanität“<br />

• Gegenbegriff zu Provinzialität<br />

• Atmosphäre der Weltoffenheit und Toleranz, der geistigen Beweglichkeit und Neugier<br />

• verbunden mit dem Bild des geschäftigen Treibens im öffentlichen Raum – ein historisch<br />

vorgeprägter Begriff, dem das Idealbild der europäischen Stadt des 19. Jh. zugrunde liegt<br />

• Urbanität als Kehrseite beengter Wohn- und Arbeitsverhältnisse - im idealisierten 19. Jh. war<br />

die Wohn- und Arbeitsdichte vier bis fünfmal so hoch wie heute<br />

• Verlust an Urbanität geht einher mit größeren individuellen Freiheits- und<br />

Entfaltungsspielräumen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Kritik an die 70er<br />

„Dichte“<br />

• Bauliche Dichte (Masse des umbauten Raums pro Flächeneinheit)<br />

• Räumlich-visuelle Dichte (Grad der erlebbaren baulich-räumlichen Geschlossenheit)<br />

• Soziale Dichte (Menge und Qualität der möglichen Sozialkontakte pro Siedlungseinheit)<br />

• Bauliche Dichte dient der ökologisch-schonenden Einfügung der Stadt in die Landschaft,<br />

jedoch nur bis zu einem gewissen Grad<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Kritik an die 70er<br />

„Mischung“<br />

• für eine Mischung im Grundstück in Sinne des 19. Jh. fehlen heute die sozio-ökonomischen<br />

Voraussetzungen<br />

• anstatt des historischen „Übereinander“, heute das Nebeneinander“ von Funktionen<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

An der Schwelle zum postindustriellen Zeitalter<br />

Planungsmethoden im Wandel<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die Planungsmethoden im Rückblick<br />

• erste Überlegungen über Planungsmethoden gehen auf die Zeit um 1900 zurück<br />

• Anerkennung der „Bestandsaufnahme“ als wichtiger vorbereitender Schritt jeder Stadtplanung<br />

• bis zu den 30er Jahren galt dann die Dreistufigkeit – Bestandsaufnahme, Planung, Umsetzung<br />

– als Schlüssel der Methodik<br />

• die Planung (die Synthese der zahlreichen aus der Bestandsaufnahme abgeleiteten<br />

Maßnahmen zu einem Modell des künftigen Zustands) wurde als ein künstlerischer<br />

Schaffensvorgang („Voluntarismus“) gewertet<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die Grenzen des künstlerischen Schaffensvorgangs<br />

• der künstlerische Vorgang setzt die Vorstellung voraus, dass allen erkannten<br />

Entwicklungstendenzen durch „Koordinierung“ Raum geschaffen werden könnte und sollte<br />

• in der Wirklichkeit geht es um politische Ziele, um Prioritäten, die anstelle einer Koordinierung<br />

eher die Subordinierung im Blick auf ein Ziel erfordern<br />

• so wurde die Modellvorstellung des Planungsprozesses durch den Aspekt der „Zielsetzung“<br />

ergänzt<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Denken in „Alternativen“<br />

• Erkenntnis: ein Ziel kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden<br />

• damit tauchte der Begriff der „Alternativen“ auf<br />

o unterschiedliche Möglichkeiten ein übergeordnetes Ziel zu interpretieren<br />

o sich dem übergeordneten Ziel durch bestimmte Strategien und Maßnahmen nähern<br />

• das Konzept der wertenden Auswahl von Alternativen bestimmte maßgeblich alle weiteren<br />

theoretischen Auseinandersetzungen mit dem Planungsprozess<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die „Nutz-Wert-Analyse“<br />

• betrachtet man den Planungsprozess als einen Auswahlvorgang aus alternativen<br />

Handlungskonzepten, so ist deren vergleichende Beurteilung eine unerlässliche Voraussetzung<br />

für eine rationale Entscheidung zwischen ihnen<br />

• das Kriterium ist das Verhältnis von Aufwand und Erfolg<br />

• im größeren Zusammenhang gesehen steigern sich die Schwierigkeiten eines solchen<br />

Vergleichs und werden bei komplexeren Planungsproblemen unüberwindlich<br />

• eine Hilfe bietet die „Nutzwertanalyse“, bei der auch die nichtberechenbaren Faktoren in eine<br />

Punktwertung einbezogen werden<br />

• eher eine bessere „Transparenz“ der Entscheidungskriterien als eine „Objektivierung“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Das „Szenario“ als Planungsmethode<br />

eine durch Hypothesen gestützte Darstellung möglicher künftiger Zustände, die der Planung gewisse<br />

Orientierungshilfen bieten könnte<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Die „Demokratisierung“ der Stadtplanung seit den späten<br />

60ern und frühen 70ern<br />

• Einbeziehung der Planungsbetroffenen in den Entscheidungsprozess.<br />

• die dabei vertretenen Auffassungen reichten<br />

o von der besseren Information der Planungsinstanz über die vom Plan betroffenen<br />

Interessen<br />

o bis hin zur Etablierung von Gegenmacht gegen die „Herrschenden“<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Langfristige Tendenzen der Industrieperiode<br />

• die Einflussnahme zunächst der Gemeinden, dann des Staates auf die räumliche Entwicklung<br />

– und damit die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Grundeigentümer über Art und<br />

Ausmaß der Bodennutzung – hat kontinuierlich zugenommen<br />

• die Motivation dieser Eingriffe hat in wachsendem Ausmaß politischen Charakter erhalten - von<br />

reiner Gefahrenabwehr über das Konzept der Daseinsvorsorge zum gesellschaftspolitischen<br />

Anliegen – eine sozialgerechte Bodennutzung, die dem Wohl der Allgemeinheit entspricht<br />

• das Blickfeld der Stadtplanung hat sich – ausgehend von den technischen Disziplinen über<br />

Fragen der Hygiene und der Wirtschaft bis zu soziologischen und psychologischen Aspekten<br />

– zunehmend erweitert und bezieht heute ein interdisziplinäres Spektrum mit einer Fülle<br />

verschiedenartiger Betrachtungsweisen der Stadt und der Region ein<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Der Grund lag in der Erkenntnis, dass eine allein vom freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte<br />

bestimmte <strong>Stadtentwicklung</strong> zu erheblichen Nachteilen führen musste, die nur durch behördliches<br />

Eingreifen gemildert oder behoben werden konnte.<br />

Ein besonderes Augenmerk lag auf die Sicherung von Flächen für Grünräume durch die öffentliche<br />

Hand.<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

• verbreitete Veränderungsfeindlichkeit als Reaktion auf die Umweltgefährdung<br />

• die Kritik an einer zu großen Regulierungsdichte löste Tendenzen zur Deregulierung aus<br />

• Verlagerung auf die Steuerung von Teilprogrammen und Einzelmaßnahmen<br />

• das informelle Zusammenwirken mit den privaten Investoren spielt größere Rolle als ihre<br />

Bindung durch rechtsförmliche Pläne<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

Innere Widersprüchlichkeit der Stadtplanung<br />

• die schrumpfende Wirtschaftskraft führt zur Konkurrenz der Städte und damit zu einer<br />

Angebotsplanung an die Wirtschaft, die den Zielen langfristiger Dispositionen und sparsamen<br />

Umgangs mit Grund und Boden zuwiderläuft<br />

• Unsicherheit der Planung bzw. der politischen Entscheidungen<br />

• das Verständnis von Planung verschiebt sich von der Vorstellung eines hochheitlichen<br />

Lenkungsprozesses auf eine Art „städtischen Managements“<br />

• dieser orientiert sich dem Vorbild des Unternehmens als einer öffentlichen Körperschaft mit<br />

sozialer Verpflichtung<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

Neue Schlagworte<br />

• der Wunsch nach Begrenzung des Stadtwachstums prägt Begriffe wie „Stadtumbau“, „Planen<br />

im Bestand“, „Innenentwicklung“<br />

• der Grundgedanke liegt darin, die auf die Stadt einwirkenden Veränderungskräfte im bebauten<br />

Stadtgebiet aufzufangen, anstatt neue Baugebiete zu erschließen<br />

• dieser Gedanke liegt besonders nahe in den alten industriellen Gebieten, in denen die<br />

Schwerindustrien Flächen freigeben<br />

• Widersprüche:<br />

o die Wirtschaft sucht nach unbelasteten Standorten<br />

o die Stadt bemüht sich um Erhaltung des überkommenen Baubestandes<br />

o die Stadt strebt nach Begrünung und Entsiegelung freiwerdender Flächen anstelle<br />

ihrer Neubebauung<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

Die „weichen Standortfaktoren“<br />

in der gegenwärtigen Konkurrenz der Städte um Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze gewinnen<br />

kulturelles Angebot, Freizeitangebot, Umweltqualitäten, Stadtgestalt (das „Image“) an Gewicht<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er: Beispiel Amsterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er: Beispiel Hafen Rotterdam<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

Das Ende der Stadtmodell-Vorstellungen<br />

• das Interesse an allgemein anwendbaren Modellvorstellungen deutlich zurückgegangen<br />

• das frühere sozialorientierte Planungsziel einer gleichmäßigen Versorgung aller Stadtbewohner<br />

mit Infrastruktureinrichtungen hat in der Wohlstandsgesellschaft an Gewicht verloren<br />

• alle Bemühungen um unmittelbare Zuordnung von Wohnungen, Arbeitsstätten und zentralen<br />

Einrichtungen sind gescheitert an die Wahlfreiheit ist, die die Anziehungskraft der Großstadt<br />

ausmacht<br />

• Freiheit in der Wahl der Arbeitsstätte und Wohnumgebung, von Einkaufsangelegenheiten und<br />

Freizeitverbringung ist zu einem so wesentlichen Bestandteil der städtischen Lebensform<br />

geworden, dass jede realistische Planung mit ihr rechnen muss<br />

• die Zeit für allgemeingültige und allgemeinverbindliche Leitbilder ist vorbei,<br />

• die Vorstellungen über die künftige <strong>Stadtentwicklung</strong> werden eng am bestehenden formuliert<br />

• eine Vielzahl von Vorstellungen hat gleichzeitig und konkurrierend ihre Gültigkeit<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

80er und 90er<br />

Deregulierung durch einen stärkeren Einfluss des Marktes<br />

die Antwort kann nicht heißen „weniger Planung“, sondern allenfalls eine Art von Planung –<br />

differenzierter, flexibler, sensibler, auf den Dialog zwischen allen Beteiligten gestützt<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Folgen und die Einführung des Begriffs „Zwischenstadt“<br />

• statt abschätzig von „Zersiedelung“ zu sprechen - eine engmaschige Durchdringung von<br />

Freiraum und Siedlung sehen<br />

• statt einen Mangel an Urbanität zu kritisieren - eine dezentrale kulturelle Vielfalt wahrnehmen<br />

• statt einen Verlust der Mitte zu beklagen - eine moderne Netzstruktur erkennen.<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Nüchternheit in der Bewertung<br />

• unsere Städte sind im wesentlichen gebaut und vorhanden; die Veränderungsraten im Bestand<br />

sind selbst in dynamisch wachsenden Stadtregionen gering<br />

• die sozioökonomischen und kulturellen Triebkräfte, die zur Auflösung der kompakten Stadt<br />

geführt haben und noch weiter führen, können von der Raumplanung fast nicht beeinflusst<br />

werden<br />

Grigor Doytchinov *ss10


<strong>Stadtentwicklung</strong> VO 3 - Leitbilder<br />

Am Ende können keine „harten Fakten“ und „Daten“ aufgelistet werden, die zweifelsfrei vermutete<br />

Zusammenhänge „beweisen“.<br />

Dies bedeutet, die Realität von Widersprüchen zugeben und jede Hoffnung auf<br />

ein für allemal unumstößliche Feststellungen fahren lassen.<br />

(Richard Sennet)<br />

Grigor Doytchinov *ss10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!