Deutschland und Frankreich – Hegemonie in Europa - Das ...
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weiter. Vielleicht ist daher der Zeitpunkt gekommen, daß <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Frankreich</strong> nicht mehr an je eigenen Rädern drehen, sondern geme<strong>in</strong>sam<br />
<strong>in</strong> die Speichen des europäischen Rades greifen, um es zu geme<strong>in</strong>samem<br />
Nutzen vorwärts zu rollen.<br />
*<br />
30<br />
Goethe <strong>und</strong> das Vaterland<br />
Die Me<strong>in</strong>ung ist weit verbreitet, daß Goethe mit Volk <strong>und</strong> Vaterland<br />
nicht viel im S<strong>in</strong>ne hatte. Was Goethe wirklich dachte, ist aber schwer<br />
zu ergründen; vielleicht war es ihm selber nicht klar. Se<strong>in</strong>e Ambivalenz<br />
zeigt sich <strong>in</strong> dem Gespräch am 13. Dezember 1813 mit dem Jenenser<br />
Geschichtsprofessor Luden (Biedermann Nr. 1529):<br />
Glauben Sie ja nicht, daß ich gleichgültig wäre gegen die großen Ideen<br />
Freiheit, Volk, Vaterland. Ne<strong>in</strong>; diese Ideen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> uns; sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Teil<br />
unseres Wesens <strong>und</strong> niemand vermag sie von sich zu werfen. Auch liegt<br />
mir <strong>Deutschland</strong> warm am Herzen. Ich habe oft e<strong>in</strong>en bitteren Schmerz<br />
empf<strong>und</strong>en bei dem Gedanken an das deutsche Volk, das so achtbar im<br />
e<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong> so miserabel im ganzen ist. E<strong>in</strong>e Vergleichung des deutschen<br />
Volkes mit anderen Völkern erregt uns pe<strong>in</strong>liche Gefühle, über welche ich<br />
auf jegliche Weise h<strong>in</strong>wegzukommen suche: <strong>in</strong> der Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>in</strong> der<br />
Kunst habe ich die Schw<strong>in</strong>gen gef<strong>und</strong>en, durch welche man sich darüber<br />
h<strong>in</strong>weg zu heben vermag: <strong>in</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> Kunst gehören der Welt an,<br />
<strong>und</strong> vor ihnen verschw<strong>in</strong>den die Schranken der Nationalität; aber der Trost,<br />
den sie gewähren, ist doch nur e<strong>in</strong> leidiger Trost <strong>und</strong> ersetzt das stolze<br />
Bewußtse<strong>in</strong> nicht, e<strong>in</strong>em großen, starken, geachteten <strong>und</strong> gefürchteten<br />
Volk anzugehören.<br />
In derselben Weise tröstet auch nur der Glaube an <strong>Deutschland</strong>s Zukunft.<br />
Ich halte ihn so fest als Sie, diesen Glauben. Ja, das deutsche Volk verspricht<br />
e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>und</strong> hat e<strong>in</strong>e Zukunft. <strong>Das</strong> Schicksal der Deutschen ist,<br />
mit Napoleon zu reden, noch nicht erfüllt. Hätten sie ke<strong>in</strong>e andere Aufgabe<br />
zu erfüllen gehabt, als das Römische Reich zu zerbrechen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e neue<br />
Welt zu schaffen <strong>und</strong> zu ordnen, sie würden längst zu Gr<strong>und</strong>e gegangen<br />
se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> <strong>in</strong> solcher Kraft <strong>und</strong> Tüchtigkeit, so müssen sie nach me<strong>in</strong>em<br />
Glauben noch e<strong>in</strong>e große Bestimmung haben, e<strong>in</strong>e Bestimmung, welche<br />
um soviel größer se<strong>in</strong> wird, denn jenes gewaltige Werk der Zerstörung des<br />
römischen Reiches <strong>und</strong> der Gestaltung des Mittelalters, als ihre Bildung<br />
jetzt höher steht. Aber die Zeit, die Gelegenheit, vermag e<strong>in</strong> menschliches<br />
Auge nicht vorauszusehen <strong>und</strong> menschliche Kraft nicht zu beschleunigen