Süß oder salzig? : die Bedeutung der Habitatwahl für die ... - Bund.de
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4 forschung<br />
Süß <strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> <strong>salzig</strong>?<br />
Die <strong>Be<strong>de</strong>utung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Habitatwahl</strong> für <strong>die</strong> Fitness von Aalen<br />
Ob offenes Meer <strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> Binnengewässer, ob klarer Bergsee <strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> schlammiger Hafen:<br />
Aale fin<strong>de</strong>t man fast überall – allerdings immer seltener. Trotz seiner Anpassungsfähigkeit<br />
steckt <strong>die</strong>ser in vielerlei Hinsicht einzigartige und rätselhafte Fisch in großen<br />
Schwierigkeiten. Sein Bestand ist stark rückläufig, noch immer sind grundlegen<strong>de</strong><br />
biologische Fragen ungeklärt und <strong>die</strong> Effektivität von Management-Maßnahmen ist<br />
oftmals fragwürdig. In einer Stu<strong>die</strong> wur<strong>de</strong> untersucht, inwieweit sich <strong>die</strong> <strong>Habitatwahl</strong><br />
von Aalen auf <strong>de</strong>n Fortpflanzungserfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> Fische auswirken kann.<br />
Der Europäische Aal ist in vielen Regionen Europas<br />
ökologisch und kulturell von großer <strong>Be<strong>de</strong>utung</strong> und<br />
galt nicht zuletzt wegen seines hohen Verkaufswertes<br />
lange als » Brotfisch « <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Binnenfischerei.<br />
Heute befin<strong>de</strong>t sich sein Bestand auf einem<br />
historisch niedrigen Niveau und wird als gefähr<strong>de</strong>t<br />
eingestuft. Die möglichen Ursachen für <strong>die</strong>sen massiven<br />
Bestandsrückgang sind vielfältig. Neben Sterblichkeiten<br />
durch Fischerei und Wasserkraftanlagen<br />
wer<strong>de</strong>n auch mögliche klimatische Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen,<br />
Schadstoffe und <strong><strong>de</strong>r</strong> Befall mit einem aus Asien eingeschleppten<br />
Parasiten, <strong>de</strong>m Schwimmblasenwurm<br />
Anguillicoloi<strong>de</strong>s crassus, diskutiert.<br />
Seit 2008 wer<strong>de</strong>n auf europäischer Ebene verstärkt<br />
Anstrengungen unternommen, <strong>die</strong>sem<br />
Bestandsrückgang entgegenzuwirken und eine<br />
nachhaltige Bewirtschaftung <strong>de</strong>s Aales sicherzustellen.<br />
Schutzbestrebungen über Lan<strong>de</strong>sgrenzen<br />
hinweg sind vor allem bei Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fischarten wie<br />
<strong>de</strong>m Europäischen Aal sinnvoll und notwendig. Die<br />
ergriffenen Maßnahmen haben zum Ziel, <strong>de</strong>n Aalen<br />
<strong>die</strong> Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in ihr Laichgebiet zu erleichtern<br />
und so <strong>de</strong>n möglichen Fortpflanzungserfolg zu<br />
erhöhen. Zum Laichen verlässt <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Aal<br />
<strong>die</strong> kontinentalen Gewässer und kehrt zurück an<br />
seinen Geburtsort, <strong>die</strong> Sargassosee im westlichen<br />
Atlantik.<br />
Die Schwimmstrecke von bis zu 7.000 km bewältigt<br />
er nach heutigen Erkenntnissen in einer mehrmonatigen,<br />
pausenlosen Reise, während <strong><strong>de</strong>r</strong> er keine<br />
Nahrung zu sich nimmt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausschließlich von<br />
<strong>de</strong>n Energiereserven zehrt, <strong>die</strong> er während <strong><strong>de</strong>r</strong> kontinentalen<br />
Wachstumsphase angelegt hat. In <strong>die</strong>ser<br />
gewöhnlich zwischen 5 und 20 Jahre dauern<strong>de</strong>n<br />
Wachstumsphase zeigt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aal eine ausgeprägte<br />
Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Lebensräume.<br />
Sein Verbreitungsgebiet reicht von Nordnorwegen<br />
bis Nordafrika und umfasst neben Süßwasser<br />
auch Salz- und Brackwasserhabitate. Welche <strong>Be<strong>de</strong>utung</strong><br />
<strong>de</strong>n unterschiedlichen Lebensräumen für <strong>die</strong><br />
Produktion von gesun<strong>de</strong>n Laichtieren zukommt,<br />
war bisher aber umstritten.<br />
Spurenelemente geben Aufschluss über <strong>de</strong>n<br />
Lebensraum<br />
In einem Projekt unter Leitung <strong>de</strong>s Thünen-Instituts<br />
für Fischereiökologie wur<strong>de</strong> untersucht, ob <strong>die</strong><br />
Besiedlung unterschiedlicher Lebensräume <strong>die</strong> Fitness<br />
von Aalen beeinflusst. Dazu wur<strong>de</strong> das individuelle<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>verhalten von Aalen aus Nord- und<br />
Ostsee sowie aus mehreren Binnengewässern mittels<br />
Otolithen-Spurenelementanalysen rekonstruiert.<br />
Otolithen <strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> Gehörsteine sind millimetergroße<br />
Kalkgebil<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Innenohr von Knochenfischen.<br />
Sie wachsen zeitlebens, wobei sie ähnlich wie Bäume<br />
Ringstrukturen ausbil<strong>de</strong>n. In Abhängigkeit von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammensetzung <strong>de</strong>s umgeben<strong>de</strong>n Wassers<br />
lagern sich Spurenelemente in <strong>die</strong> Kalkstrukturen<br />
ein. Eine Analyse <strong>die</strong>ser Spurenelemente ermöglicht<br />
es daher, <strong>die</strong> erlebten Umweltbedingungen chrono-
Wissenschaft erleben 2013 / 1 forschung 5<br />
Links:<br />
Gehörstein (Otolith) eines Aals.<br />
Rechts:<br />
Strontium-Konzentrationen in <strong>de</strong>n<br />
Gehörsteinen von Aalen.<br />
Oben: entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> Wachstumsachse<br />
vom Kern zum Rand.<br />
Unten: auf <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten präparierten<br />
Fläche (<strong>die</strong> schwarzen Linien zeigen<br />
vorhergegangene Laser-Spurenelement-<br />
Analysen).<br />
logisch entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> Wachstumsachse eines solchen<br />
Gehörsteins nachzuzeichnen. Strontium spielt dabei<br />
eine herausragen<strong>de</strong> Rolle, da es in Abhängigkeit<br />
vom umgeben<strong>de</strong>n Salzgehalt eingelagert wird.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> durchgeführten Stu<strong>die</strong> ließ sich anhand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Strontium-Konzentration für je<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> 287<br />
untersuchten Aale feststellen, wie lange er in Küsten<strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong><br />
Binnengewässern zubrachte und wie oft er im<br />
Laufe seines Lebens zwischen bei<strong>de</strong>n Habitat-Typen<br />
wechselte. Zusätzlich wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Fettgehalt und <strong>die</strong><br />
Parasitierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aale mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>mustern<br />
verglichen. Diese bei<strong>de</strong>n Parameter<br />
<strong>die</strong>nen als Indikatoren für <strong>de</strong>n Gesundheitszustand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Aale. Sie geben Aufschluss darüber, ob ein Individuum<br />
ausreichend Energiereserven hat und ob <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Befall mit <strong>de</strong>m Schwimmblasenwurm und <strong>die</strong> damit<br />
einhergehen<strong>de</strong> Schädigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwimmblase<br />
bereits zu hoch sind, um <strong>die</strong> lange Laichwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
erfolgreich bewältigen zu können.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass <strong>die</strong> Wahl <strong>de</strong>s<br />
Lebensraumes in unseren Breiten durchaus darüber<br />
entschei<strong>de</strong>n kann, ob ein Aal in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage ist, sich<br />
erfolgreich fortzupflanzen. Aale, <strong>die</strong> ihre Wachstumsphase<br />
ausschließlich in Flüssen und Seen verbringen,<br />
hatten <strong>de</strong>utlich geringere Energiereserven<br />
gespeichert als Aale, <strong>die</strong> zeitlebens in Küstengewässern<br />
lebten <strong>o<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> einmalig vom Süßwasser ins<br />
Brackwasser wechselten, um dort zu bleiben. Gleichzeitig<br />
zeigte sich bei <strong>de</strong>n Süßwasser-Aalen ein stark<br />
erhöhter Befall mit <strong>de</strong>m Schwimmblasenwurm. Demnach<br />
haben Aale, <strong>die</strong> ausschließlich in Binnengewässern<br />
leben, <strong>de</strong>utlich schlechtere Voraussetzungen,<br />
<strong>die</strong> lange Schwimmstrecke in ihr Laichgebiet zu<br />
bewältigen und sich erfolgreich fortzupflanzen als<br />
ihre Artgenossen aus Küstengewässern.<br />
Zweifelhafte Hilfe<br />
Die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen Union vorgesehenen<br />
Maßnahmen zur Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aal-Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
sehen unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em vor, dass Binnengewässer<br />
mit Jungaalen besetzt wer<strong>de</strong>n. Da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische<br />
Aal aber nach wie vor in Gefangenschaft nicht<br />
vermehren lässt, beruht <strong>die</strong>ser als bestandserhalten<strong>de</strong><br />
Maßnahme <strong>de</strong>klarierte Besatz ausschließlich<br />
auf Wildfängen. Dazu wer<strong>de</strong>n gewöhnlich noch<br />
unpigmentierte Jungaale, sogenannte Glasaale, aus<br />
<strong>de</strong>n Küstengewässern entnommen und nach einer<br />
kurzen Vorstreckphase in Aquakultur-Betrieben in<br />
oft weit entfernte Binnengewässer überführt. Nach<br />
<strong>de</strong>n hier vorgestellten Ergebnissen wür<strong>de</strong> ein solcher<br />
Transfer <strong>die</strong> Überführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere aus einem<br />
potenziell besseren Habitat in ein schlechteres<br />
be<strong>de</strong>uten. Zusammen mit <strong>de</strong>n hohen Sterblichkeiten<br />
beim Glasaalfang, <strong><strong>de</strong>r</strong> Ungewissheit über <strong>de</strong>n<br />
Grad <strong><strong>de</strong>r</strong> Schädigung durch Transport und Vorstreckphase<br />
sowie <strong>de</strong>n vergleichsweise hohen anthropogen<br />
bedingten Sterblichkeiten in Binnengewässern,<br />
mehren <strong>die</strong> Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Zweifel daran, dass <strong>die</strong>se Besatzmaßnahmen einen<br />
positiven Netto-Effekt auf <strong>de</strong>n Gesamtbestand <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Aals haben.<br />
UK •<br />
Kontakt: lasse.marohn@ti.bund.<strong>de</strong>,<br />
reinhold.hanel@ti.bund.<strong>de</strong>