Evolution von Genomen am Beispiel pathogener Pilze - BIOspektrum
Evolution von Genomen am Beispiel pathogener Pilze - BIOspektrum
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635<br />
<strong>Evolution</strong>sgenomik<br />
<strong>Evolution</strong> <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong><br />
<strong>pathogener</strong> <strong>Pilze</strong><br />
RONNY KELLNER, EVA H. STUKENBROCK<br />
FUNGAL BIODIVERSITY, MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR TERRESTRISCHE<br />
MIKROBIOLOGIE, MARBURG<br />
The evolutionary interplay of fungal virulence and host resistance imposes<br />
strong selective constraints that shape fungal pathogens genome<br />
structure. Genomes of pathogenic fungi are highly diverse in architecture<br />
and gene content. Moreover, analyses of these genomes unveiled pivotal<br />
insights into structural diversity and evolutionary mechanisms of<br />
genomes as well as into functional repertoires and speciation processes<br />
of pathogens. Here, we highlight key features and evolutionary mechanisms<br />
of fungal pathogen genomes.<br />
DOI: 10.1007/s12268-013-0366-1<br />
© Springer-Verlag 2013<br />
ó Pathogene <strong>Pilze</strong> sind weltweit verbreitet<br />
und evolvierten mit Organismen aller Eukaryotenreiche<br />
unterschiedliche spezifische<br />
Interaktionen (Abb. 1). Durch Einflussnahme<br />
auf ihre Wirte können sie ganze Ökosysteme<br />
prägen. In einigen Fällen, wie dem<br />
Amphibienhautpilz Batrachochytrium dendrobatidis,<br />
führen sie sogar zum Aussterben<br />
mehrerer Wirtsarten [1]. In genetisch homogenen<br />
Monokulturen <strong>von</strong> Kulturpflanzen wie<br />
Reis, Weizen, Mais, Kartoffel und Soja können<br />
pathogene <strong>Pilze</strong> durch massenhafte Vermehrung<br />
Epidemien auslösen und zu empfindlichen<br />
Ernteeinbußen führen. Ein <strong>Beispiel</strong><br />
ist der Getreideschwarzrost Puccinia gr<strong>am</strong>inis,<br />
dessen Varietät Ug99 häufig zu hundertprozentigem<br />
Ernteverlust führt und sich, seit<br />
seinem Aufkommen 1999 in Uganda, ungehindert<br />
in Richtung Asien ausbreitet. Für ein<br />
fundiertes biologisches Verständnis <strong>von</strong><br />
Pathogenität sind pathogene <strong>Pilze</strong> eine wichtige<br />
Modellgruppe. Genomstudien zahlreicher<br />
Spezies lieferten wertvolle Einblicke in das<br />
genetische Repertoire biotropher, hemibiotropher<br />
und nekrotropher Interaktionen sowie<br />
in die strukturelle Diversität <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong>.<br />
Darüber hinaus haben populationsgenomische<br />
Studien unser Wissen über die <strong>Evolution</strong>sgeschichte<br />
einzelner Gruppen und die<br />
Plastizität <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong> maßgeblich er -<br />
weitert.<br />
Architektur, Plastizität und evolutive<br />
Trends <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong> <strong>pathogener</strong><br />
<strong>Pilze</strong><br />
In pathogenen <strong>Pilze</strong>n variieren die Genomgröße<br />
und die Ges<strong>am</strong>tzahl codierter Gene<br />
stark. Das reicht <strong>von</strong> ca. 2,3 Mb und weniger<br />
als 2.700 Genen in Microsporidia-Arten bis<br />
weit über 100 Mb in Golovinomyces orontii<br />
und über 22.500 Genen in Puccinia sp.<br />
(Tab. 1, [2]). Zusätzlich kann die Anzahl und<br />
Größe <strong>von</strong> Chromosomen zwischen nah verwandten,<br />
aber auch innerhalb <strong>von</strong> Arten,<br />
stark variieren. Häufige Ursache für die<br />
Expansion <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong> ist neben einer<br />
Anreicherung <strong>von</strong> Introns oder Genom-, Chromosom-<br />
und Genduplikationen vor allem die<br />
Invasion durch transposable Elemente (TE).<br />
Die Genome <strong>von</strong> Blumeria gr<strong>am</strong>inis f. sp. hordei<br />
und Leptosphaeria maculans bestehen zu<br />
64 Prozent und 30 Prozent aus TEs. Deren<br />
Vermehrung erfolgt über replikative Transposition.<br />
Neben dem Zuwachs nicht-codierender<br />
DNA führen die Integration und Replikation<br />
<strong>von</strong> TEs vor allem zu Mutationen. Das<br />
kann für die Funktion <strong>von</strong> Genen zum Problem<br />
werden. Dementsprechend ist der Selek-<br />
A B<br />
C D<br />
E F G<br />
˚ Abb. 1: Abb. 1: Pathogene <strong>Pilze</strong> und ihre Wirte. A, Puccinia gr<strong>am</strong>inis Ug99 auf Weizen (Bild: Zac Pretorius, Evans Lagudah). B, Ustilago maydis auf<br />
Mais. C, Leptosphaeria maculans auf Raps (Bilderkollektion der Pflanzenpathologie, ETH Zürich). D, Cryptokokkose menschlicher Lunge durch Cryptococcus<br />
gattii (Bild: Revista do Instituto de Medicina Tropical de Sao Paulo). E, Magnaporthe oryzae auf Reis (Bild: Marc-Henri Lebrun). F, Verticillium<br />
dahliae auf Tabak (Bild: Ronnie de Jonge, Bart Thomma). G, Alternaria alternata auf Tomate (Bild: Michelle Grabowski).<br />
<strong>BIOspektrum</strong> | 06.13 | 19. Jahrgang
636 WISSENSCHAFT · SPECIAL: GENOMICS<br />
Tab. 1: Diversität <strong>von</strong> <strong>Genomen</strong> pflanzen<strong>pathogener</strong> <strong>Pilze</strong> (nach [2]).<br />
obligat biotroph<br />
biotroph<br />
RIP, ZWDE-<br />
Transporter,<br />
SMB Enzyme<br />
SMB-Wege<br />
Transporter<br />
SSPs<br />
Genomvergleiche<br />
Basidiomyceten<br />
Ascomyceten<br />
Glucosyltransferase<br />
ZWDE<br />
obligat<br />
für Virulenz<br />
SMB-<br />
Gencluster<br />
hemibiotroph<br />
nekrotroph<br />
ZWDE<br />
ZWDE<br />
SPs in AT-reichen<br />
Regionen<br />
SMB-Gene<br />
YXC-Effektoren<br />
ZWDE, GPGR, PKS, NRPS<br />
NRPS-Effluxpumpen<br />
Reduktion/Verlust <strong>von</strong> Genf<strong>am</strong>ilien nicht-repetitiv<br />
Genzuwachs oder Expansion <strong>von</strong> Genf<strong>am</strong>ilien<br />
repetitiv<br />
Ustilago maydis 521<br />
Sporisorium reilianum SRZ2<br />
Puccinia striiformis f. sp. tritici race130<br />
Puccinia gr<strong>am</strong>inis f. sp. tritici CRL75-36-700<br />
Mel<strong>am</strong>psora larici-populina 98AG31<br />
Venturia inaequalis<br />
Zymoseptoria tritici<br />
Septoria passerinii P63<br />
Pyrenophora teres f. teres 0-1<br />
Leptosphaeria maculans v23.1.3<br />
Stagonospora nodorum SN15<br />
Sclerotinia sclerotiorum 1980UF-70<br />
Botrytis cinerea (2)<br />
Golovinomyces orontii<br />
Erysiphe piri<br />
Blumeria gr<strong>am</strong>inis f. sp. hordei DH14<br />
Magnaporthe oryzae (2)<br />
Verticillium albo-atrum VaMs102<br />
Verticillium dahliae VdLs17<br />
Fusarium oxysporum f. sp. lycopersici 4287<br />
Nectria haematococca mpVI77-13-4<br />
Fusarium verticillioides 7600<br />
Fusarium gr<strong>am</strong>ineum (2)<br />
Wirtspflanzen<br />
Größe<br />
in Mb<br />
liche Auswirkungen auf die Virulenz beider<br />
Arten [5]. Ein weiteres <strong>Beispiel</strong> sind repetitive,<br />
subtelomere Regionen, die in Mag -<br />
naporthe oryzae sowie in Fusarium- und<br />
Aspergillus-Arten Virulenz-relevante Gene<br />
tragen [2, 6].<br />
In Größe und Anzahl einzelner Chromosomen<br />
zeigen die Genome mancher <strong>pathogener</strong><br />
<strong>Pilze</strong> außergewöhnliche zwischen- und innerartliche<br />
Variabilität. Genomvergleiche zeugen<br />
<strong>von</strong> massiven Umstrukturierungen des<br />
Genoms durch Insertionen, Deletionen, Duplikationen<br />
und Translokationen [4, 7]. Die Ascomycetengruppe<br />
Pezizomycotina charakterisiert<br />
eine besondere Form genomischer Synthenie,<br />
die „Mesosynthenie“. Hier bleiben die<br />
meisten Gene homologer Chromosomen erhalten,<br />
werden jedoch durch intrachromosomale<br />
Umlagerungen stark durchmischt [7]. Variieren<br />
Genome verschiedener Individuen einer<br />
Art spricht man <strong>von</strong> genomischer Plastizität.<br />
Sie kann kleinere Bereiche, wie die lineagespezifischen<br />
Regionen <strong>von</strong> V. dahliae oder<br />
ganze Chromosomen, betreffen. Bei Polymorphismen<br />
kompletter Chromosomen werden<br />
zwei Chromosomentypen unterschieden.<br />
Das sind zum Einen essenzielle Chromosomen,<br />
die in allen Individuen einer Art vorkommen<br />
und zum Anderen akzessorische<br />
Chromosomen, die nur in einzelnen Individuen<br />
vertreten sind. Letztere unterscheiden<br />
sich durch die Anreicherung repetitiver Ele-<br />
Proteinkodierende<br />
repetetiver<br />
Anteil<br />
Gene DNA in %<br />
Mais<br />
21 43 Divergenzcluster<br />
6 786<br />
39<br />
Mais 19<br />
6 648<br />
34<br />
Weizen 68<br />
22 815 18<br />
Mikrosyntenie<br />
Weizen 89 schwache Syntenie 17 773 45<br />
Pappel 101<br />
26% LS Genf<strong>am</strong>ilien<br />
16 339 45<br />
Apfel<br />
38<br />
ND ND<br />
8 ACs<br />
Weizen 32-40<br />
9521–10933 18<br />
pos. sel. SPs<br />
Gerste<br />
40 Regionen mit ND ND<br />
hoher Rekomb.-<br />
Gerste<br />
42 rate<br />
11 799 ND<br />
Brassicaceae<br />
Weizen<br />
45<br />
37<br />
Mesosynthenie 12 469<br />
10 762<br />
66<br />
5<br />
multipel 38 TEs unterbrechen 14 522 8<br />
Synthenie<br />
multipel 39 in S.sclerotiorum 16 448 4<br />
Arabidopsis<br />
Erbse<br />
160<br />
151<br />
ND<br />
ND<br />
ND<br />
ND<br />
Poaceae 120<br />
5 854<br />
64<br />
Reis, Poaceae 40 1.7Mb LS Regionen 11 109 52<br />
mit 316 Effektoren<br />
multipel 30<br />
10 221 ND<br />
4 LS Regionen<br />
multipel 35<br />
10 533 ND<br />
multipel 60<br />
17 735 28<br />
multipel 54 Chr. Fusionen, TE-rich 15 707 5<br />
3 ACs LS chr., Chr. Transfer<br />
Getreide 42<br />
14 179 8<br />
Weizen, Gerste<br />
10495 SNPs<br />
36 Telomerische Inseln 13 332 44<br />
AC - Akzessorische Chromosomen; Chr - Chromosom; GPCR - G-Protein gekoppelter Rezeptor; LS - lineage-specific; ND - nicht dokumentiert; NRPS - nicht ribosomale<br />
Peptidsynthase; PKS - Polyketidsynthase, RIP - repeat induced point mutation; SMB - Sekundärmetabolitbiosynthese; SNPs - single nucleotide polymorphism; SP - sekretiertes<br />
Protein; TE - transposable element; ZWDE - Zellwand degradierende Enzyme.<br />
tionsdruck zur Reduktion bzw. Inaktivierung<br />
mobiler genetischer Elemente groß und<br />
begünstigte die <strong>Evolution</strong> verschiedener<br />
Abwehrmechanismen. Ein Pilz-spezifischer<br />
Abwehrmechanismus ist RIP (repeat induced<br />
point mutation). Er wirkt zu Beginn der<br />
Meiose und generiert in repetitiven Sequenzen<br />
des Genoms gezielt Transitionen <strong>von</strong><br />
Cytosin (C) zu Thymin (T) und Guanin (G) zu<br />
Adenin (A). Die Effektivität <strong>von</strong> RIP zeigt sich<br />
im Besonderen bei dem apathogenen Pilz Neurospora<br />
crassa, dessen repetitive Sequenzen<br />
durch RIP nahezu vollständig degeneriert<br />
wurden [2]. Ähnliche Effekte, wenngleich<br />
schwächer ausgeprägt, wurden in pathogenen<br />
<strong>Pilze</strong>n, wie z. B. Fusarium gr<strong>am</strong>ineum<br />
oder L. maculans, dokumentiert [2,3]. Neben<br />
RIP existieren weitere Abwehrmechanismen<br />
wie die spezifische 5’-Methylierung <strong>von</strong> Cytosinen<br />
repetitiver Sequenzen und RNA-Interferenz<br />
(RNAi).<br />
Die Aktivität mobiler genetischer Elemente<br />
und deren Abwehrmechanismen generieren<br />
zusätzliche Mutationen. Für pathogene<br />
<strong>Pilze</strong> könnten sie daher eine wichtige Rolle<br />
spielen, um im evolutiven Wettstreit <strong>von</strong> Virulenz<br />
und Resistenz durch schnellere Adaption<br />
Schritt zu halten. Hinweise dafür wurden<br />
z. B. in L. maculans gefunden. Hier führte die<br />
Aktivität <strong>von</strong> TEs in Kombination mit RIP zur<br />
Bildung <strong>von</strong> 413 AT-reichen Regionen mit<br />
einer Größe <strong>von</strong> 1–325 kb. In diesen Regionen<br />
liegen die Effektorgene, deren Proteine<br />
sekretiert werden und einen Einfluss auf die<br />
Pathogenität haben. Experimentelle <strong>Evolution</strong><br />
zeigte, dass TEs und RIP maßgeblich zur<br />
funktionellen Diversifizierung und Deaktivierung<br />
dieser Effektorgene beitrugen [3].<br />
Eine weitere wichtige Quelle genetischer<br />
Variabilität ist sexuelle Rekombination. Sie<br />
generiert durch die Neuverteilung genetischen<br />
Materials genetische Neuerungen, die<br />
asexuellen Pathogenen in adaptiven Prozessen<br />
nicht zur Verfügung stehen. Der asexuelle,<br />
pathogene Ascomyzet Verticillium dahliae<br />
scheint diese Defizite jedoch zu umgehen.<br />
Der innerartliche Vergleich zeigte, dass<br />
entlang TE-vermittelter Bruchstellen zahlreiche<br />
Genomregionen zwischen und innerhalb<br />
<strong>von</strong> Chromosomen verlagert wurden.<br />
Darunter fand man die lineage-spezifischen<br />
Regionen, die mehrere Effektorgene tragen<br />
und unterschiedliche Virulenzen vermitteln<br />
[4]. Die Konzentration Virulenz-relevanter<br />
Gene in Genombereichen erhöhter genetischer<br />
Variabilität ist jedoch nicht immer mit<br />
TEs assoziiert. So enthalten Sporisorium reilianum<br />
und Ustilago maydis mehrere Gencluster<br />
mit 3–26 ko-regulierten Genen. Im<br />
Vergleich beider hochgradig synthenischer<br />
Genome fallen sie durch stark reduzierte<br />
Sequenz homologien auf. Diese „Inseln“ genetischer<br />
Divergenz sind angereichert mit<br />
Effektor genen und haben teils unterschied-<br />
<strong>BIOspektrum</strong> | 06.13 | 19. Jahrgang
mente, niedrigere GC-Gehalte und<br />
Unterschiede in der Codonverwendung<br />
deutlich vom Kerngenom. Des<br />
Weiteren kommt es in der Meiose<br />
regelmäßig zu deren Verlust oder<br />
Disomie [8]. Obwohl akzessorische<br />
Chromosomen „entbehrlich“ zu sein<br />
scheinen, codieren sie teils für wichtige<br />
Effektorgene. Dazu gehören das<br />
für das Phytoalexin-entgiftende<br />
Enzym Pisatindemethylase codierende<br />
Gen pda <strong>von</strong> Haematonectria<br />
haematococca und die zur Synthese<br />
des wirtsspezifischen AAL-Toxins<br />
benötigten Gene <strong>von</strong> Alternaria alternata<br />
[2, 9]. Im Artkomplex <strong>von</strong> Fusarium<br />
oxysporum vermitteln die lineage-spezifischen<br />
Chromosomen<br />
unterschiedliche Wirtsspezifitäten<br />
[2]. In Zymoseptoria tritici zeigten<br />
akzessorische Chromosomen hingegen<br />
keinen Einfluss auf Pathogenität,<br />
Wachstum oder Paarung [8].<br />
Dennoch scheint genomische Plastizität<br />
eine Art Plattform für genetische<br />
Neuerungen zu sein, die adaptive<br />
Prozesse einiger <strong>pathogener</strong><br />
Pilzspezies beschleunigt haben<br />
könnte. Darüber hinaus scheinen<br />
Bereiche genomischer Variabilität<br />
und Plastizität auf Teilbereiche, wie<br />
etwa Gencluster, AT-reiche Regionen<br />
oder einzelne Chromosomen<br />
beschränkt zu sein. So könnte der<br />
essenzielle Teil des Ge noms vor<br />
übermäßiger Mutagenese ge schützt<br />
bleiben, während ein kleiner Teil des<br />
Genoms einen Freifahrtschein für<br />
die <strong>Evolution</strong> bereithält. Da <strong>Evolution</strong><br />
aber nicht im Voraus plant,<br />
bleibt abzuwarten, was künftige Studien<br />
über die Zu s<strong>am</strong>menhänge <strong>von</strong><br />
genomischer Plastizität und Adaptivität<br />
<strong>von</strong> Pathogenen enthüllen werden.<br />
Genomik <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong><br />
Zymoseptoria<br />
Ein gutes <strong>Beispiel</strong> für den vielseitigen<br />
Nutzen genomischer Da ten ist<br />
die Pilzgattung Zymoseptoria. Sie<br />
umfasst nah verwandte, hemibiotrophe<br />
Ascomyceten <strong>von</strong> Süßgräsern,<br />
wie den landwirtschaftlich relevanten<br />
Weizenparasit Z. tritici (Abb. 2)<br />
und die an Wildgräser angepassten<br />
Arten Z. pseudotritici und Z. ardabiliae.<br />
Über Genomvergleiche konnten<br />
wertvolle Kenntnisse zur Artbildung<br />
in Zymoseptoria gewonnen werden<br />
[10]. Demnach korreliert die Abspaltung<br />
der Z. tritici-Linie zeitlich mit<br />
den ersten Domestizierungen seiner<br />
heutigen Wirtspflanze Weizen vor<br />
ca. 11.500 Jahren. Darüber hinaus<br />
erwies sich Z. pseudotritici als junge<br />
Hybridart [8]. Des Weiteren identifizierten<br />
Genomvergleiche mehrere<br />
Gene, die unter natürlicher Selektion<br />
stehen. Deren Untersuchung in<br />
Z. tritici zeigte, dass drei Gene in<br />
Zus<strong>am</strong>menhang mit Pathogenität<br />
stehen (Stephan Poppe et al., in Vorbereitung).<br />
Ein weiterer, interessanter<br />
Aspekt <strong>von</strong> Z. tritici ist die Existenz<br />
<strong>von</strong> bis zu acht akzessorischen<br />
Chromosomen [11]. Über deren<br />
Ursprung und biologische Funktion<br />
ist wenig bekannt. In Kreuzungsexperimenten<br />
gelang es kürzlich die<br />
Neubildung eines akzessorischen<br />
Chromosoms in Z. tritici zu dokumentieren<br />
und erste Hinweise auf<br />
deren <strong>Evolution</strong> abzuleiten [12].<br />
Perpektiven<br />
Die Genomstudien der letzten Jahre<br />
an verschiedensten Arten <strong>pathogener</strong><br />
<strong>Pilze</strong> haben unser Wissen über<br />
die Architektur und <strong>Evolution</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Genomen</strong> entscheidend erweitert.<br />
Aktuelle Initiativen, wie das 1000<br />
Fungal Genomes Project (www. 1000.<br />
fungalgenomes.org) oder die fungal<br />
genome initiative des Broad Institute,<br />
C<strong>am</strong>bridge, USA, sind wichtige<br />
Schritte zum Diversität-orientierten<br />
Ausbau dieses Wissens. Gleichzeitig<br />
besteht angesichts stetig wachsender<br />
Datenmengen die dringende<br />
Aufgabe der (Weiter-)Entwicklung<br />
<strong>von</strong> Analysesoftware zur Verarbeitung<br />
und detaillierten Charakterisierung<br />
genomischer Daten. Darüber<br />
hinaus ist es für die Entschlüsselung<br />
<strong>von</strong> Pathogenität und die<br />
Abwendung <strong>von</strong> Gefahren für unser<br />
Ökosystem entscheidend, die gewonnenen<br />
Erkenntnisse einzelner Modelorganismen<br />
auf Populationsebene<br />
zu evaluieren. Denn intensivere<br />
populationsgenomische Studien<br />
unterschiedlicher Arten werden den<br />
Ursprung neuer Virulenzen und das<br />
Potenzial <strong>von</strong> Pathogenen stärker<br />
beleuchten können.<br />
ó<br />
<strong>BIOspektrum</strong> | 06.13 | 19. Jahrgang
638 WISSENSCHAFT · SPECIAL: GENOMICS<br />
A<br />
¯ Abb. 2: Genomik in Zymoseptoria. A, Z. tritici in Flüssigkultur,<br />
auf Nährmedium (Bilder: Janine Haueisen) und als Parasit auf<br />
Weizen. B, Artbildung in Zymoseptoria (nach [8]). C, Genomweite<br />
Sequenzhomologie (blau) zwischen Z. tritici und Z. pseudotritici<br />
(Stukenbrock et al. 2010, PLoS Gen).<br />
B<br />
C<br />
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PLoS Gen 9:e1003567<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Dr. Eva H. Stukenbrock<br />
Max-Planck-Institut für terrestrische<br />
Mikrobiologie<br />
Fungal Biodiversity<br />
Karl-<strong>von</strong>-Frisch-Straße 10<br />
D-35043 Marburg<br />
Tel.: 06421-178-630<br />
eva.stukenbrock@mpi-marburg.mpg.de<br />
AUTOREN<br />
Ronny Kellner<br />
Jahrgang 1979. 2000–2006 Biologiestudium an der Universität<br />
Tübingen. 2007–2011 Promotion an der Ruhr-Universität<br />
Bochum. Seit 2012 Postdoc <strong>am</strong> Max-Planck-Institut für<br />
terrestrische Mikrobiologie, Marburg.<br />
Eva H. Stukenbrock<br />
Jahrgang 1976. 2002–2004 Biologiestudium an der Universität<br />
<strong>von</strong> Kopenhagen, Dänemark. 2004–2007 PhD an<br />
der ETH Zürich, Schweiz. 2008–2010 Postdoc <strong>am</strong> Bioinformatics<br />
Research Center, Aarhus, Dänemark, 2010–2012<br />
Projektgruppenleiterin <strong>am</strong> Max-Planck-Institut für terrestrische<br />
Mikrobiologie, Marburg. Seit 2012 Leiterin der<br />
Max-Planck-Forschergruppe „Fungal Biodiversity“ <strong>am</strong> MPI<br />
Marburg.<br />
<strong>BIOspektrum</strong> | 06.13 | 19. Jahrgang