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Ein-Wandererland - Haus der Geschichte Baden-Württemberg

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2. ARBEITSPHASE<br />

Interview über diese schicksalsschweren Ereignisse spricht, ohne das Leid zu verdrängen,<br />

das die Erinnerung in ihm wachruft. In <strong>der</strong> nächsten Filmsequenz<br />

beschreibt Froehlich die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Vorbereitung seiner Auswan<strong>der</strong>ung<br />

in die USA. Aufgrund <strong>der</strong> zahlreichen Ausreiseanträge gab es eine<br />

beträchtliche Wartezeit, bis <strong>der</strong> Betreffende seine Vorladung auf das Konsulat<br />

erhielt. Außerdem verlangte das amerikanische Konsulat die Erfüllung bestimmter<br />

Formalitäten, die die Auswan<strong>der</strong>ung erheblich erschwerten: Neben einem gültigen<br />

Reisepass und einer Bescheinigung des Finanzamts hatte <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>er ein<br />

"Affidavit of Support" vorzulegen, mit dem ein vermögen<strong>der</strong> Amerikaner dafür<br />

bürgte, dass <strong>der</strong> Immigrant dem amerikanischen Staat künftig nicht zur Last fallen<br />

werde. <strong>Ein</strong>e große Schwierigkeit stellte auch die Finanzierung <strong>der</strong> Reise dar, da das<br />

Schiffsticket in Dollar bezahlt werden musste. Anfang 1940 erhielt Hans Froehlich<br />

endlich das begehrte Visum und das Versprechen, dass seiner Mutter innerhalb von<br />

vier Wochen ebenfalls ein Visum ausgestellt werde. Dass <strong>der</strong> körperlich behin<strong>der</strong>te<br />

Bru<strong>der</strong> Albert in einem katholischen Heim in Deutschland zurückbleiben musste,<br />

weil man unter den genannten Bedingungen ein Visum für ihn nicht bekommen<br />

konnte, wird im Interview nicht erwähnt. Im Dezember 1940 wurde Albert im Zuge<br />

des nationalsozialistischen "Euthanasieprogramms" ermordet. Die Wochen nach<br />

seiner Ankunft in den USA hat Froehlich als "sehr dunkel" in Erinnerung. Zuallererst<br />

bemühte er sich, von an<strong>der</strong>en Auswan<strong>der</strong>ern, die er aus seiner Stuttgarter<br />

Arbeit beim jüdischen Oberrat kannte, Geld für das Schiffsticket seiner Mutter zu<br />

leihen, das er später zurückzahlte. Durch alles, was er in den vergangenen Jahren<br />

erlebt hatte, war Froehlich ernst und bedrückt geworden. Im Lebensmittelgeschäft<br />

in New Hampshire, wo er bald nach seiner Ankunft in den USA eine Stelle angenommen<br />

hatte, hätten ihn die Menschen ermuntert, zu lächeln und nicht so ein trauriges<br />

Gesicht zu machen. Warum er damals nicht lachen konnte, hätten sie nicht<br />

verstanden. Schließlich kommt Froehlich auf die Verantwortung <strong>der</strong> Deutschen für<br />

die antisemitische Verfolgung zu sprechen. Die Menschen hätten damals zugeschaut,<br />

wie die Juden abgeholt wurden; sie hätten sich gefreut, dass die ökonomische<br />

Konkurrenz ausgeschaltet wurde. Der in <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung latent<br />

vorhandene Antisemitismus sei immer stärker auch offen zutage getreten und habe<br />

die Verfolgung möglich gemacht.<br />

Ob die Schüler und Schülerinnen konkrete Leitfragen erhalten o<strong>der</strong> lediglich einzelne<br />

Themenbereiche benannt werden, mit denen sich die Arbeitsgruppe befassen<br />

soll, bleibt dem Lehrer überlassen (als Themen sind beispielsweise denkbar:<br />

Erfahrungen und Berufstätigkeit Froehlichs in den USA, Antisemitische<br />

Ausgrenzung und Verfolgung im Dritten Reich, Schwierigkeiten <strong>der</strong> Auswan-<br />

Das Notizbuch von Henry Froehlich,<br />

in dem seine abbezahlten Schulden<br />

notiert sind<br />

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