Mitteilungen 2013 (.pdf) - ICOM Deutschland
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<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong><br />
ISSN 1865-6749 | Heft 35 (20. Jahrgang)<br />
Präventive Konservierung<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards<br />
Kulturgüterschutz<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> plädiert für Gesetzesänderung<br />
Sechzigjähriges Jubiläum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert Geburtstag
Vorstand<br />
Präsident:<br />
Dr. Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />
Vorstandsmitglieder:<br />
Dr. Matthias Henkel, mhenkel@metadesign.de<br />
Prof. Dr. Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />
Dr. Franziska Nentwig, gendir@stadtmuseum.de<br />
Dr. Gabriele Pieke, gabriele.pieke@mannheim.de<br />
Prof. Dr. Beate Reifenscheid,<br />
beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith, swi@wintzerith.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Dr. Klaus Weschenfelder, Johanna Westphal M. A.<br />
Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.:<br />
Johanna Westphal M.A.<br />
Beate von Törne M.A.<br />
Juliana Ullmann M.A.<br />
In der Halde 1, 14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 69504525<br />
Fax: +49 30 69504526<br />
icom@icom-deutschland.de<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Redaktion: Anke Ziemer<br />
Gestaltung: Claudia Bachmann, Berlin, www.besseresdesign.de<br />
Druck: FATA MORGANA Verlag<br />
Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />
Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />
bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.<br />
Großes Titelfoto: Ein sichergestelltes „Opfer“ einer Raubgrabung in<br />
Afghanistan, BKA Wiesbaden;<br />
Kleine Fotos v.l.o.n.r.u.: Halley Pacheco de Oliveira, wikimedia<br />
commons, CC 3.0; Jana Rowdo; Janos Stekovics; Deutsches Museum,<br />
München; Katrin Hieke; Stein Jøtul Simensen; Katrin Hieke; Marlen<br />
Mouliou, 2012; Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Hessen;<br />
Alutiiq-Museum, Sven Haakenson<br />
Heft 35 (20. Jahrgang)<br />
Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />
Auflage: 6 200<br />
Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien<br />
Berlin, Mai <strong>2013</strong><br />
ISSN 1865-6749
Editorial<br />
„In seiner Sitzung vom 3. Oktober letzten Jahres [1951]<br />
hat das Bureau von <strong>ICOM</strong>, in Fortführung der Beratungen<br />
des Exekutivrates beschlossen, dass ein Komitee von <strong>ICOM</strong><br />
in <strong>Deutschland</strong> gegründet werden sollte. […] In seiner endgültigen<br />
Form wird das Komitee fünfzehn Mitglieder haben.<br />
Wenn man den gegenwärtigen Verhältnissen Rechnung<br />
trägt, so würde man für den Augenblick mit der Ernennung<br />
von zehn Mitgliedern in Westdeutschland ausreichen.“<br />
Mit diesen Worten leitete Georges Salles, der Präsident<br />
des Exekutivrates von <strong>ICOM</strong> in seinem Schreiben vom<br />
4. Februar 1952 an Karl Bäßler, den Verwaltungsdirektor<br />
des Deutschen Museums in München, die Gründung von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ein. Wenige Monate zuvor, im Juli<br />
1951, war die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> Mitglied der<br />
UNESCO geworden. Bäßler wurde um Zusendung einer<br />
Liste von zehn geeigneten Persönlichkeiten für die Bildung<br />
des Nationalkomitees gebeten. Diese Liste enthielt auch<br />
den Namen von Kurt Martin (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe,<br />
später Bayerische Staatsgemäldesammlungen München),<br />
der im Jahr darauf Gründungspräsident von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> wurde. Die Begrenzung auf fünfzehn so genannte<br />
„aktive“ oder „ordentliche“ Mitglieder findet sich<br />
noch 1969 in der Satzung von <strong>ICOM</strong>, während die Zahl<br />
der „assoziierten“ oder „außerordentlichen“ Mitglieder<br />
nicht beschränkt war. Noch zehn Jahre nach der Gründung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> betrug die Zahl der ordentlichen<br />
Mitglieder vierzehn, die der außerordentlichen Mitglieder<br />
achtzig, neun Mitglieder wirkten in internationalen Komitees<br />
mit (der Verband hatte damals weltweit 1 850 Mitglieder).<br />
Frühe Sitzungsberichte lassen erkennen, wie interessiert<br />
der durch <strong>ICOM</strong> ermöglichte internationale Kontakt aufgenommen<br />
wurde, vor allem mit den Museen in der UdSSR<br />
und in Osteuropa. Ebenso geht aus diesen Aufzeichnungen<br />
die lebhafte Beteiligung des deutschen Nationalkomitees an<br />
der Arbeit des Weltverbandes hervor, so dass bereits siebzehn<br />
Jahre nach der Gründung zur Generalkonferenz nach<br />
<strong>Deutschland</strong> (Köln und München) eingeladen werden konnte.<br />
Auch der Internationale Museumstag hat eine Vorgeschichte<br />
bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Bereits 1967 und 1968<br />
wurde durch Mitglieder des deutschen Nationalkomitees<br />
an den Museen mehrerer deutscher Städte eine „Museumswoche“<br />
organisiert, bei der mit zahlreichen Sonderaktionen<br />
auf die Bedeutung der Museen in der Gesellschaft hingewiesen<br />
wurde.<br />
Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Ziele und Arbeitsschwerpunkte<br />
von <strong>ICOM</strong> erweitert und den Erfordernissen<br />
einer sich dynamisch entwickelnden Museumswelt<br />
angepasst. Verändert haben sich auch die Strategien des<br />
Verbandes, der heute weltweit etwa 30 000 Mitglieder hat,<br />
davon fast 5 000 in <strong>Deutschland</strong>. Der Internationale Museumstag<br />
entwickelt sich in <strong>Deutschland</strong> dank der Zusammenarbeit<br />
mit dem Deutschen Museumsbund und den Museumsverbänden<br />
der Länder zu einem Erfolgsmodell, an<br />
dem sich in diesem Jahr etwa 1 600 Einrichtungen beteiligt<br />
haben. Mit der für Ende des Jahres geplanten Herausgabe<br />
des Leitfadens zur präventiven Konservierung gibt das<br />
deutsche Nationalkomitee im Sinne des Strategischen Plans<br />
von <strong>ICOM</strong> eine Orientierung für museale Standards, und<br />
mit der Umwandlung des Verbandes in einen „eingetragenen<br />
Verein“ wird uns nicht zuletzt die Möglichkeit zur<br />
Eintragung in die Lobbyliste des Deutschen Bundestages<br />
ermöglicht, ein weiterer Schritt im Hinblick auf eine Stärkung<br />
der Präsenz des Verbandes in der kulturpolitischen<br />
Landschaft, der durch die aktive Einflussnahme in verschie<br />
de nen Feldern der die Museen betreffenden Entwicklung<br />
in <strong>Deutschland</strong> und Europa flankiert wird.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verdankt seine Lebendigkeit der<br />
Mitwirkung und dem Einsatz seiner Mitglieder, und ist<br />
auch darauf angewiesen. Die Mitwirkung in den inter natio<br />
nalen Komitees ist dabei von besonderem Belang. Die<br />
diesjährige Generalkonferenz in Rio de Janeiro bietet eine<br />
hervorragende Gelegenheit, der internationalen Museumsgemeinschaft<br />
ein Bild von der Aktivität des sechzig Jahre<br />
jungen deutschen Nationalkomitees zu vermitteln. In diesem<br />
Sinne freue ich mich auf zahlreiche Begegnungen in<br />
Rio und bei unserer Jahrestagung in Köln.<br />
Klaus Weschenfelder<br />
Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Bild: Klaus Weschenfelder<br />
Für den Empfang der Teilnehmer der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz am<br />
4. August 1968 zu einem Weißwurstfrühstück im Deutschen Museum<br />
in München hatte Dr. Rudolf von Miller als Vorsitzender des Beirates<br />
eine kleine Rede vorbereitet, die aber offensichtlich dem Bedürfnis<br />
der weltweiten Museumsgemeinschaft nach Geselligkeit zum Opfer<br />
fiel. Der Sohn des Museumsgründers Oskar von Miller notierte auf seinem<br />
Manuskript: „Wurde nicht gehalten wegen Fresslust!“
Inhalt<br />
Foto: Deutsches Museum München<br />
Foto: Brigitte Herrbach-Schmidt, COSTUME<br />
Aktuelles<br />
Das geht uns alle an<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards zur<br />
präventiven Konservierung ....................................4<br />
Das Foto als Zeuge<br />
Gastbeitrag von Bettina Paust ..................................6<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert 60. Geburtstag<br />
Gastbeitrag von Anne Wanner .................................8<br />
Schutz der Kulturgüter stärken<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> plädiert für Gesetzesänderung .............16<br />
Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />
Einladung zur <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz <strong>2013</strong><br />
in Rio de Janeiro .............................................17<br />
Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven<br />
Einladung zur Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />
<strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ..................................18<br />
Rückblick<br />
36. Internationaler Museumstag <strong>2013</strong><br />
In <strong>Deutschland</strong> unter dem Motto: Vergangenheit erinnern –<br />
Zukunft gestalten: Museen machen mit! .......................20<br />
Die Tücke des Objekts – Das Objekt und seine Wirkung<br />
auf die Besucher<br />
Internationales Bodensee-Symposium 2012 in Wolfurt ........22<br />
Tätigkeitsbericht 2011/2012 des Präsidenten<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> .......................................28<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung 2012 ....................30<br />
Internationale Komitees<br />
Kulturschätze zwischen den Fronten<br />
UNESCO und <strong>ICOM</strong> leisten Katastrophenhilfe in Mali ...........32<br />
Verbandstreffen 2012 in Paris<br />
Höhepunkte der Juni-Treffen von <strong>ICOM</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Zeitreise durch die Welt der<br />
europäi schen Musikinstrumente<br />
Datenbank wird ausgebaut ..................................36<br />
Tagungsberichte<br />
Stadtmuseen: Collisions | Connections<br />
CAMOC – International Committee for the Collections<br />
and Activities of Museums of Cities ............................39<br />
Museums and Written Communication.<br />
Tradition and Innovation<br />
CECA – International Committee for Education<br />
and Cultural Action ...........................................40<br />
Enriching Cultural Heritage<br />
CIDOC – International Committee for Documentation .........41<br />
Collections at Risk: New Challenges in New Environment<br />
CIPEG – International Committee for Egyptology ..............42<br />
Museums and the Idea of Historical Progress<br />
COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 43<br />
Lace, Fashion and Transparency<br />
Costume – International Committee for Museums<br />
and Collections of Costume ................................... 44<br />
Glass Collections in USA<br />
GLASS – International Committee for Museums<br />
and Collections of Glass ......................................45<br />
2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Foto: Dagmar Bittricher, ICR<br />
Foto: LKA Hessen<br />
Umschau<br />
Young Professionals: Their Future in an Ever Changing<br />
Museum Environment<br />
ICEE – International Committee for Exhibition Exchanges ......46<br />
Literary and Composer Museums and the Spirit<br />
of the Place<br />
ICLM – International Committee for Literary Museums .........47<br />
Commodifying Culture? Cultural Villages<br />
and Living Museums<br />
ICME – International Committee for Museums of Ethnology ....48<br />
The Memories of the Border, Exiles, Internments<br />
and Humanitarian Help<br />
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />
in Remembrance of the Victims of Public Crimes ...............50<br />
Museen als Bildungsorte: eine Bilanz<br />
Deutsch-belarussisches Projekt erfolgreich beendet. . . . . . . . . . . . 56<br />
Aktenzeichen illegaler Handel … ungelöst!<br />
Kriminalämter bitten um Mithilfe ..............................58<br />
Teilerfolg für Museen<br />
Novellierung der PSI-Richtlinie ................................59<br />
Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter Chinas<br />
Deutsche Fassung erschienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
Veranstaltungen ............................................60<br />
Threats for the Collections and the Evacuation<br />
of Collections in Case of Disasters or Threat<br />
ICMS – International Committee for Museum Security. . . . . . . . . . 51<br />
Military Heritage in Oman and the Middle East and<br />
the Relationship with the Outside World<br />
<strong>ICOM</strong>AM – International Committee for Museums<br />
of Arms and Military History ..................................52<br />
Conservation of Leather and Related Materials<br />
<strong>ICOM</strong> CC – International Committee for Conservation ......... 53<br />
Home and Hearth: Regional Museums and<br />
Gastronomic Heritage<br />
ICR – International Committee for Regional Museums ..........54<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 3
AKTuelles<br />
Das geht uns alle an<br />
Das Bewahren von Kunst und Kulturgut ist eine Kernaufgabe von Museen. Mit dem<br />
Ansatz, Originalsubstanz durch präventive Konservierung vor Verfall zu schützen,<br />
werden Ethik und Ökonomie miteinander verbunden. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet<br />
einen Leitfaden zur präventiven Konservierung, in dem Standards formuliert<br />
und Empfehlungen für die tägliche Museumsarbeit geboten werden.<br />
„Einige deutsche Universitätssammlungen [...] haben physisch<br />
aufgehört zu existieren“, hieß es 1993 in der Zeit<br />
angesichts verschimmelter Präparate und von Insekten zerfressener<br />
Objekte. 1 Carl von Linné wusste schon, warum<br />
er einer bestimmten Art aus der Familie der Speckkäfer<br />
den Namen „Museumskäfer“ gab. Der durch ihn und andere<br />
seiner Spezies verursachten Schädigung vorzubeugen,<br />
ist aber nur eine Facette präventiver Konservierung vor<br />
dem Hintergrund einer sich stets wandelnden Palette von<br />
Herausforderungen. So wurde erst in jüngerer Zeit die Kontaminierung<br />
von Holzobjekten durch Lindan und polychlorierte<br />
Biphenyle in Holzschutzmitteln als Problem erkannt,<br />
nachdem deren krebserregende Wirkung festgestellt<br />
worden war. Die bis in die 1970er Jahre durchgeführten<br />
Xylamon-Behandlungen gegen Holzwurm erweisen sich<br />
heute als besonders heikel, nicht nur wegen der davon ausgehen<br />
den gesundheitlichen Risiken für die im Museum Beschäftigten,<br />
sondern auch wegen der hohen Zahl an tangierten<br />
Objekten, die sich kaum isolieren und nur mit hohem<br />
finanziellen Aufwand dekontaminieren lassen. Ohne entsprechende<br />
Maßnahmen aber bleibt solches Kultur- und Naturerbe<br />
dem kuratorischen Zugriff und der wissenschaftlichen<br />
Bearbeitung entzogen.<br />
Präventive Konservierung als Metathema der Museumsarbeit<br />
und ethische Herausforderung<br />
Als „Schädling“ anderer Art erweist sich der Mensch. Aus<br />
dem Niederländischen Völkerkundemuseum in Leiden<br />
seien seit seiner Gründung im Jahre 1837 fast zehn Prozent<br />
des Sammlungsbestandes, etwa 19 000 Objekte, ge<br />
stohlen worden, berichtete die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung 1998. 2 Aber auch custodial neglect, die Vernachlässigung<br />
von Objekten durch fehlende oder falsche Beschriftung,<br />
das Nichtauffinden wegen mangelnder Depotorganisation,<br />
verursacht Schwund. Nicht zuletzt führt die<br />
unsachgemäße Präsentation von Kulturgut zu einem „Verbrauch“,<br />
den wir uns nicht leisten dürfen.<br />
Um kulturelles Erbe in den Museen nachhaltig vor Verfall<br />
zu schützen, bedarf es einer Strategie, die auf systematischer<br />
Risikoanalyse und Risikobewertung aufbauen muss. Aus<br />
soziologischer Sicht wird Prävention beschrieben als übergreifender<br />
Modus des Zukunftsmanagements zeitgenössischer<br />
Gesellschaften. Wer die Wahrscheinlichkeit des<br />
Ein tretens oder das Ausmaß von Schadensvorfällen minimieren<br />
will, muss die Bedingungen kennen, durch die sie<br />
hervorgebracht oder begüns tigt werden. Aber die Produktion<br />
von Wissen allein genügt nicht, es sind auch Bewertungen<br />
und Abwägungen erforderlich, die museumsethisch<br />
reflektiert und begründet sein müssen.<br />
Auch aus ökonomischer Sicht ist präventive Konservierung<br />
zwingend, hilft sie doch, aufwendige Behandlungen<br />
zu vermeiden. Durch vorbeugende Maßnahmen können<br />
schon mit geringem Aufwand ausgestellte oder deponierte<br />
Werke nachhaltig gesichert und kostspielige Restaurierungen<br />
vermieden werden.<br />
Die Einhaltung elementarer Regeln hinsichtlich Licht<br />
und Klima, die Vorbeugung gegen Verschmutzung oder<br />
mechanische Beschädigung, die Verwendung geeigneter,<br />
risikofreier Verpackungs- oder Konservierungsmaterialien,<br />
einfache Regeln beim Umgang mit Objekten bei Transporten,<br />
praktische Hinweise für eine ordnungsgemäße Lager<br />
1 Weymayr, Christian: Eingemachte Typen. In: Die Zeit (1993) Nr. 7 vom<br />
12. 2. 1993, S. 37.<br />
2 O. A: Selbstbedienung. Lücken im Völkerkundemuseum. In: Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung (1998), Nr. 163 vom 17. 7. 1998, S. 37.<br />
4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
Foto: Anke Ziemer<br />
Moderne Kunstwerke stellen Konservatoren vor enorme Herausforderungen.<br />
So bedeutet etwa die Bewegung der Maschinen-Skulpturen<br />
von Jean Tinguely immer auch Verschleiß. Seit 1987 arbeiten<br />
die Motoren der Großen Méta Maxi-Maxi Utopia, drehen sich die Eisenschrott-Räder,<br />
wedelt der Theatervorhang. Wie lange kann man die<br />
Originalsubstanz erhalten, und welche Intention hatte der Künstler?<br />
haltung und vieles andere mehr ist für alle Museen von<br />
Bedeutung. Insbesondere für solche Häuser, die keine Restauratoren<br />
beschäftigen, müssen die Aspekte präventiver<br />
Konservierung in einem verständlichen, gut handhabbaren<br />
Maßnahmenkatalog aufbereitet werden.<br />
Präventive Konservierung greift weit über die engere<br />
konservatorische Betreuung von Sammlungen hinaus. Sie<br />
muss in alle Planungshorizonte von Museen integriert werden,<br />
sollte bei Standortüberlegungen eine Rolle spielen und<br />
architektonische und bautechnische Entscheidungen beeinflussen<br />
können. Vor dem Hintergrund von Überlegungen<br />
zu einem „grünen Museum“ mit verantwortbarem<br />
Energieverbrauch müssen unter Umständen auch bisher gebräuchliche<br />
Maßstäbe hinterfragt werden. Insofern muss<br />
präventive Konservierung Bestandteil der Ausbildung für<br />
den Museumsberuf werden.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards<br />
Vieles hat sich in den vergangenen Jahren bereits getan. Insbesondere<br />
sind Initiativen hervorzuheben, die dem Schutz<br />
des Kulturgutes in Museen, besonders unter dem Eindruck<br />
von Brand- oder Hochwasserkatastrophen, besondere Aufmerksamkeit<br />
schenkten. Der SicherheitsLeitfaden Kulturgut<br />
(SiLK) der Konferenz nationaler Kultureinrichtungen<br />
ist ein vorzügliches Beispiel hierfür.<br />
Um in dem komplexen Beziehungsgefüge präventiver<br />
Konservierung Orientierung zu bieten, empfiehlt es sich,<br />
strategische Hinweise und museumspraktische Empfehlungen<br />
mit museumsethischen Leitlinien zu verbinden. Die<br />
Formulierung und Verbreitung solcher ethischen Richtlinien<br />
und Museumsstandards gehört zu den Kernaufgaben<br />
von <strong>ICOM</strong>. Deshalb hat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> die Initiative<br />
zur Herausgabe eines Leitfadens zur präventiven Konservierung<br />
ergriffen und dazu die Unterstützung des deutschsprachigen<br />
Nachbarkomitees <strong>ICOM</strong> Österreich erhalten.<br />
Als Autorin konnte eine herausragend qualifizierte Spezialistin,<br />
Frau Professor Friederike Waentig (Fachhochschule<br />
Köln), gewonnen werden.<br />
Der Leitfaden soll nicht nur Museumsfachleuten als Orientierung<br />
für ihr tägliches Handeln dienen, sondern auch<br />
eine Verbindlichkeit entfalten, wie sie der <strong>ICOM</strong> Code of<br />
Ethics for Museums bereits erreicht hat, der inzwischen<br />
auch in amtlichen Verfahren als Referenz herangezogen<br />
wird. Die Festlegung von Standards für die präventive Konservierung<br />
soll den Museumsverantwortlichen Argumente<br />
an die Hand geben, die zur Durchsetzung erforderlicher<br />
Maßnahmen bei den Museumsträgern hilfreich sein können.<br />
Der Leitfaden zur präventiven Konservierung soll in<br />
knapper Form informieren, appellieren und Verhaltens- und<br />
Handlungsempfehlungen geben. Er wird das Potential und<br />
die Notwendigkeit der Konservierungswissenschaften für<br />
den Erhalt des Kultur- und Naturerbes sichtbar machen<br />
und ein ergänzendes Instrument zur Qualifizierung der alltäglichen<br />
Museumspraxis sein. Der Leitfaden soll bis zum<br />
Ende des Jahres herausgegeben und allen Mitgliedern unseres<br />
Verbandes und allen Museen in <strong>Deutschland</strong> kostenlos<br />
an die Hand gegeben werden.<br />
Klaus Weschenfelder<br />
Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut:<br />
www.konferenz-kultur.de/SLF/index1.php<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 5
Aktuelles<br />
Das Foto als Zeuge<br />
Ausgelöst durch einen aktuellen Rechtsfall, wird in kunstwissenschaftlichen wie juristischen<br />
Fachkreisen die Frage nach Definition und Wirksamkeit von Fotografien ephemerer<br />
Aktionen und den daraus resultierenden Folgen diskutiert.<br />
Gastbeitrag von Bettina Paust<br />
Die Fotografie erlangte mit dem Entstehen ephemerer Kunstformen,<br />
wie dem Happening, der Aktion, Performance<br />
oder Body Art, seit Ende der 1950er Jahre neue, essentielle<br />
Bedeutung – nämlich die der „Zeugenschaft“ 1 .<br />
Durch die Entgrenzung traditioneller Kunstkategorien<br />
und deren Ineinanderwirken entwickelte sich ein erweitertes<br />
Verständnis von Kunst, das sich nicht auf ein materialisiertes,<br />
statisches, zwei- oder dreidimensionales Kunstwerk<br />
fixiert.<br />
Das performative Kunstwerk formt sich in den jeweils<br />
zeitlichen wie räumlichen Gegebenheiten. Jede Aufführung<br />
ist einzigartig, nicht identisch wiederholbar oder in ihrer<br />
aufgeführten Form konservierbar. Das Aktionsereignis existiert<br />
im Hier und Jetzt durch die Akteure, deren Handeln<br />
in der Regel nicht einer Regieanweisung vergleichbar festgeschrieben<br />
ist, sondern je nach Künstler, Intention und<br />
Interaktion – auch mit dem Publikum – variabel ist. Unterschiedlichste<br />
Faktoren, wie musikalische oder sprachliche<br />
Elemente, Geräusche oder Gerüche, Objekte, die in die<br />
Handlung eingebunden sind, sowie das inaktive oder aktive<br />
Verhalten von Mitakteuren, wie Mensch oder Tier, bestimmen<br />
ein performatives Kunstwerk. Wenn die künstlerische<br />
Handlung beendet ist, hat sich das Kunstwerk unwiderruflich<br />
verflüchtigt. Dass diese ephemeren künstlerischen Äußerungen<br />
die Entwicklung der Kunst seit der zweiten Hälfte<br />
des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben, ist nicht<br />
nur in der Kunstwissenschaft unzweifelhaft und Inhalt unzähliger<br />
Studien-, Forschungs- und Ausstellungsprojekte. 2<br />
Aber wie kann etwas Forschungs-, Ausstellungs- und Vermittlungsgegenstand<br />
sein, das im traditionellen Werkbegriff,<br />
auf den sich auch der urheberrechtliche stützt, nicht<br />
mehr existent ist? Hier sind bildliche wie schriftliche Aufzeichnungen<br />
als Erinnerungsleistung von Anwesenden eines<br />
Ereignisses seit Jahrtausenden die – durchaus subjektiv gefärbte<br />
– Grundlagen der Kenntnis über das Stattgefundene.<br />
Für die Künstler der Aktionskunst waren und sind es die<br />
modernen Medien der Bilderzeugung, wie Fotografie oder<br />
Film. Mit Blick auf die Fotografie gehört es „zum Allgemeinplatz<br />
der konstruktiven Phototheorie“, 3 dass eine Fotografie<br />
nicht die vermittelte Realpräsenz eines anderen<br />
Objektes, Körpers oder einer Handlung darstellt. Es ist<br />
vielmehr ein „Dokument“, das unabhängig des Anlasses<br />
der Aufnahme, seiner Funktion oder seines Verwendungszwecks<br />
immer auf etwas verweist – über etwas Zeugen<br />
schaft ablegt –, das gewesen ist. 4 Nur über die Medien<br />
Fotografie und Film haben wir heute Zeugnis von dieser<br />
vergänglichen Kunstform. Ohne sie wäre dieses Kapitel der<br />
Kunstgeschichte eine nebulöse Grauzone und deren Musealisierung<br />
gar nicht möglich. Als eines der beredten Beispiele<br />
für dieses Faktum ist das 2003 im Museum Kunstpalast<br />
in Düsseldorf gegründete Archiv künstlerischer<br />
Fotografie der rheinischen Kunst und dessen Ausstellung im<br />
Jahr 2007 „Fotos schreiben Kunstgeschichte“ 5 zu nennen.<br />
Anstatt also das Ereignis – die Aktion – und seine media<br />
le Spur – die Fotografie – einander entgegenzusetzen<br />
und der Fotografie einen urheberrechtlichen Eingriff in die<br />
Aktion zuzuweisen, sollte vielmehr „die Transformationsleistung<br />
der Aufzeichnung anerkannt und ihre Lückenhaftigkeit<br />
als strukturelle Verwandtschaft zum Ereignis begriffen<br />
werden“. 6<br />
Wie in den <strong>Mitteilungen</strong> 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
(S. 7) angeklungen, hat sich anlässlich einer Fotografie-<br />
Ausstellung im Museum Schloss Moyland im Mai 2009<br />
ein Rechtsstreit entwickelt. In dieser Ausstellung wurden<br />
19 Fotografien von Manfred Tischer, die er während einer<br />
Fluxus-Veranstaltung im ZDF-Landesstudio Düsseldorf<br />
im Dezember 1964 von der Aktion „Das Schweigen von<br />
Marcel Duchamp wird überbewertet“ von Jo seph Beuys<br />
aufgenommen hat, gezeigt. Zwei Jahre zuvor hatte die<br />
Stiftung Museum Schloss Moyland diese Fotoserie für ihr<br />
stiftungseigenes Joseph Beuys Archiv, das einen großen Bestand<br />
an Fotografien zu Joseph Beuys beinhaltet, direkt<br />
vom Fotografen erworben. Die bisher in ihrer Gesamtheit<br />
unbekannte Fotoserie sollte durch eine Ausstellung im eigenen<br />
Haus der Öffentlichkeit zugänglich und damit bekannt<br />
gemacht werden. Dies stelle jedoch einen Eingriff in<br />
das Urheberrecht von Joseph Beuys dar, weil die Serie der<br />
19 Fotografien „eine Umgestaltung des urheberrechtlich<br />
geschützten Beuysschen Werkes im Sinne des § 23 UrhG ist“<br />
und „nicht ohne Einwilligung des Urhebers dieses Werkes<br />
veröffentlicht oder verwertet werden dürfe“. 7 Diese aktuelle<br />
juristische Begründung stützt sich im Kern auf grundlegende<br />
Wesensmerkmale der Fotografie, die diesem Bildmedium<br />
seit seinem Entstehen im 19. Jahrhundert immanent<br />
sind: nämlich die Transformation eines Ereignisses in die<br />
statische Zweidimensionalität und die Zeugenschaft über<br />
den Bruchteil eines Augenblicks im Fluss des Geschehens.<br />
1 Amelunxen, Hubertus von: Der historische Trugschluss. In: Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung (2012) Nr. 69 vom 21.3.2012, S. N3.<br />
2 Z. B. in dem 12 Jahre von der DFG geförderten SFB „Kulturen des Performativen“.<br />
Hierzu auch: Kemp, Wolfgang: Wem gehört das Happening? In: Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung (2010) Nr. 154 vom 7. 7. 2010, S. N5.<br />
3 Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Berlin 2010, S. 190.<br />
4 Starl, Timm: Dokumentarische Fotografie. In: DuMonts Begriffslexikon zur<br />
zeitgenössischen Kunst. Hrsg. von Hubertus Butin. Köln 2002, S. 73.<br />
5 Wiese, Stephan von: Ein Fotografisches Netz. In: Fotos schreiben Kunstgeschichte.<br />
Hrsg. von Renate Buschmann und Stephan von Wiese, Köln 2007, S. 13–17.<br />
6 Gronau, Barbara: Theaterinstallationen. Performative Räume bei Beuys, Boltanski<br />
und Kabakov. München 2010, S. 60.<br />
7 Urteil des OLG Düsseldorf vom 31. 12. 2011, Az: I-20 U 171/10, nicht rechtskräftig<br />
(anhängig beim BGH zum Az I ZR 28/12).<br />
6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
Veranstaltung der „Fluxus-Gruppe“<br />
am 11. Dezember 1964 im<br />
Landes studio Nordrhein-Westfalen<br />
des Zweiten Deutschen Fernsehens,<br />
Düsseldorf<br />
Joseph Beuys (rechts) bei seiner<br />
Aktion „Das Schweigen von<br />
Marcel Duchamp wird über bewertet“,<br />
Wolf Vostell (Mitte) bei<br />
seinem Happening „Weisser als<br />
Weiss“<br />
Foto: VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2013</strong><br />
Genau darin aber liege eine Umgestaltung des Beuysschen<br />
Werkes, was die Genehmigung des Urhebers der Aktion für<br />
das Ausstellen der Fotografien erfordere. Zwar wird, einerseits<br />
juristisch neu wie andererseits kunsthistorisch seit<br />
Jahrzehnten praktiziert, dem fotografischen Bild einer ephemeren<br />
Aktion die Befähigung zur Zeugenschaft zugestanden.<br />
Nur die rechtlichen Schlussfolgerungen sind dia metral<br />
andere als die kunsthistorischen und haben mit diesem<br />
Präzedenzfall, dessen höchstrichterliche Entscheidung am<br />
Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 16. Mai <strong>2013</strong> getroffen<br />
wur de, weitreichende Folgen. 8<br />
In diesem Zusammenhang gilt es einen Trugschluss in<br />
dem Text von Gerhard Pfennig aufzuklären, der behauptet,<br />
dass Joseph Beuys selbst „ausdrücklich überhaupt<br />
keine Dokumentationen seiner Aktionen“ wünschte und<br />
generell „meist nur einzelne Fotos von Aktionen“ ausgestellt<br />
werden (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2012, S. 7).<br />
Es ist Ergebnis kunstwissenschaftlicher Forschung, dass<br />
das Fotografieren von Fluxus-Veranstaltungen zum Zwecke<br />
der Dokumentation ein wichtiger Bestandteil der Durchführung<br />
dieser Ereignisse war. 9 So bestellte Joseph Beuys<br />
selbst für jene Fluxus-Veranstaltung im ZDF-Landesstudio<br />
Düsseldorf im Dezember 1964 den Fotografen Manfred<br />
Tischer, der besagte Fotografien der Aktion „Das Schweigen<br />
von Marcel Duchamp wird überbewertet“ aufnahm<br />
und diese zehn Tage später Joseph Beuys zur Verfügung<br />
zusandte. 10 Eine dieser Fotografien integrierte Beuys kurz<br />
darauf in das der Aktion gleichnamige Plastische Bild, das<br />
sich im Museum Schloss Moyland befindet.<br />
Die große Bedeutung der Fotografie für und im Werk<br />
von Joseph Beuys ist unstrittig. Dass dabei die Vielzahl der<br />
8 Dazu z. B. Mercker, Florian: Bizarrer Rechtsstreit um Joseph Beuys. In: Monopol<br />
(2010) Nr. 11, o.S. Maaßen, Wolfgang: Fluxus, Fotografie und Urheberrecht.<br />
In: AfP 42 (2011) H. 1, S. 10-14. Blume Huttenlauch, Anna: Dabei sein<br />
ist alles? In: Artnet. 20.10.2010, www.artnet.de/magazine/urteil-zu-fotos-einer-fluxusaktion-von-joseph-beuys/<br />
[1. 3. <strong>2013</strong>].<br />
9 Dazu z. B. Interview mit Ute Eskildsen. In: Urteil mit Folgen. Beuys-Witwe<br />
darf Performance-Fotos zensieren. In: Spiegel-Online, 29. 9. 2010, www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/urteil-mit-folgen-beuys-witwe-darf-performancefotos-zensieren-a-720277.html<br />
[1.3.<strong>2013</strong>].<br />
10 Brief von Manfred Tischer an Joseph Beuys vom 21. 12. 1964 (Joseph Beuys<br />
Archiv der Stiftung Museum Schloss Moyland: JBA-B 024664).<br />
Aktions-Fotografien unterschiedlichster Fotografen und<br />
Fotografinnen einen besonderen Stellenwert einnehmen,<br />
hat Uwe M. Schneede mit seiner Monografie über die Aktionen<br />
von Joseph Beuys wissenschaftlich dargelegt. 11<br />
Doch hat Beuys selbst Fotografien seiner Aktionen immer<br />
wieder in seine eigenen Werke überführt, wie zum Beispiel<br />
in der Installation „Arena – wo wäre ich hingekommen,<br />
wenn ich intelligent gewesen wäre!“ 12 oder in einem frühen<br />
Multiple aus dem Jahr 1967 mit Aktions-Fotografien<br />
von Ute Klophaus. 13<br />
Vom Oberlandesgericht Düsseldorf wird die Zeugenschaft<br />
von Aktionsfotografien in ihrer überliefernden<br />
Funktion nicht in Frage gestellt. Ihnen jedoch im Zusammenspiel<br />
mit ihrer Transformationsleistung – der Überführung<br />
einer Handlung in eine Serie von statischen Bildern<br />
– eine verändernde Umgestaltung beizumessen, erfolgte<br />
mit dieser Rechtsprechung erstmalig. Die daraus resultierenden<br />
Schlussfolgerungen sind weitreichend. Denn eine<br />
dieser Konsequenzen greift auch ein in die Erfüllung der in<br />
den Ethischen Richt linien für Museen von <strong>ICOM</strong> formulierten<br />
Verantwortun gen und musealen Kernaufgaben: der<br />
Präsentation und damit öffentlichen Zugänglichkeit der<br />
eigenen Sammlungs bestände, seien sie objekthaft vorhanden,<br />
wie die Fotografie, oder als ephemeres Kunstwerk nur<br />
noch in überlieferter Form Sammlungsgegenstand, wie die<br />
Aktion.<br />
Nach Redaktionsschluss wurde der Urteilsspruch des<br />
Bundesgerichtshofes in Karlsruhe bekannt: Das Urteil<br />
des Oberlandesgerichts Düsseldorf wurde aufgehoben.<br />
Damit sind die Fotografien der Beuys-Aktion kein Eingriff<br />
in das Urheberrecht von Joseph Beuys.<br />
Dr. Bettina Paust ist seit 2009 Künstlerische Direktorin der Stiftung<br />
Museum Schloss Moyland; paust@moyland.de.<br />
11 Schneede, Uwe M.: Joseph Beuys – Die Aktionen. Ostfildern-Ruit 1994.<br />
12 Joseph Beuys. Arena – wo wäre ich hingekommen, wenn ich intelligent gewesen<br />
wäre! Hrsg. von Lynne Cooke und Karen Kelly. Ostfildern-Ruit 1994.<br />
13 Joseph Beuys – Die Multiples. Hrsg. von Jörg Schellmann. München/New York<br />
1992 (7. neu bearb. Aufl.), S. 43 und S. 429.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 7
Aktuelles<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert Geburtstag<br />
Vor sechzig Jahren, 1953, wurde die Bundesrepublik mit der Gründung eines eigenen<br />
Nationalkomitees Teil der internationalen <strong>ICOM</strong>-Gemeinschaft. Fünfzehn Jahre<br />
später, 1968, gelang dies auch dem Systemkonkurrenten und „zweiten deutschem<br />
Staat“, der DDR. 1990 fand die Vereinigung der beiden Nationalkomitees statt. Der<br />
Rückblick auf die deutsch-deutsche <strong>ICOM</strong>-Geschichte wird bereichert durch persönliche<br />
Erfahrungen aus Ost und West – zusammengetragen von Matthias Henkel.<br />
Gastbeitrag von Anne Wanner<br />
Als eine Gruppe westdeutscher Museumsfachleute Anfang<br />
der 1950er Jahre den Antrag stellte, Westdeutschland<br />
in den International Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) aufzunehmen,<br />
waren die Reaktionen darauf in Paris zunächst<br />
ver halten. Der damalige Präsident von <strong>ICOM</strong>, Chauncey<br />
J. Hamlin, sprach sich in der Sitzung des Exekutivkomitees<br />
1951 für die Gründung eines westdeutschen Nationalkomitees<br />
aus. Der Vorsitzende des Exekutivkomitees Georges<br />
Salles allerdings hielt die Zustimmung zur Aufnahme eines<br />
westdeutschen Nationalkomitees angesichts der unklaren<br />
deutschlandpolitischen Lage und der Existenz zweier deutscher<br />
Staaten für zu „delikat“. Er empfahl daher abzuwarten,<br />
bis sich die Situation geklärt habe, und bis dahin auch<br />
mit der Kontaktaufnahme zu deutschen Museen und der<br />
Aufnahme deutscher Museumsfachleute in internationale<br />
Komitees zu warten. Chauncey J. Hamlin zog seinen Vorschlag<br />
daraufhin zurück. 1<br />
Kurze Zeit später schienen aber sämtliche Zweifel ausgeräumt.<br />
Am 19. März 1953 erfolgte der Gründungsakt<br />
des bundesdeutschen Nationalkomitees von <strong>ICOM</strong>. Als<br />
ersten Präsidenten wählte das neue Nationalkomitee den<br />
Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Kurt Martin.<br />
Er hatte sich seit Kriegsende darum bemüht, den internationalen<br />
Austausch von Kulturgütern und auch von Ausstellungen<br />
wieder in Gang zu bringen. Seit Beginn seiner<br />
Amtseinsetzung nahm die Bedeutung des westdeutschen<br />
<strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees – ablesbar auch an steigenden<br />
Mitgliederzahlen – zu. Ende der 1950er Jahre zählte der<br />
1 Bericht aus den <strong>ICOM</strong> News, August 1951<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Hans-Jürgen Harras<br />
Mitglied seit 1997,<br />
2001–2002 Vorstand von ICMS,<br />
2002–2007 Sekretär von ICMS,<br />
2007–2010 Präsident von ICMS<br />
Ein wenig war es Zufall, dass ich zu <strong>ICOM</strong><br />
stieß. 1997 fand die Jahrestagung des International<br />
Committee for Museum Security<br />
(ICMS) in Berlin statt. Mein Kollege aus dem<br />
Vorbereitungskomitee erkrankte, so dass ich<br />
für ihn einsprang. Ich hielt dann einen Vortrag,<br />
organisierte Führungen für die Kolleginnen<br />
und Kollegen – und: ich „fing Feuer “.<br />
Anschließend wurde ich bei <strong>ICOM</strong> Mitglied<br />
und engagiere mich seither im ICMS-Komitee.<br />
An der Arbeit im Komitee schätze ich den<br />
Austausch mit Kollegen über das Know-how<br />
meines Fachgebietes. Im Bereich der Sicherheitstechnik<br />
und -organisation ist viel Dynamik<br />
drin. Zum Beispiel sind baurechtliche<br />
Vorschriften in den verschiedenen Ländern<br />
oft unterschiedlich und müssen berücksichtigt<br />
werden. Auf unseren ICMS-Jahrestagungen<br />
bieten wir den Museen am Tagungsort<br />
einen „Sicherheitscheck“ an, aus dem nach<br />
einer Analyse durch mehrere Teams Empfehlungen<br />
zur Verbesserung folgen. Dabei<br />
kann man sehr gut voneinander lernen.<br />
Auch schätze ich das gemeinsame Arbeiten<br />
an Projekten – etwa an dem im Internet veröffentlichten<br />
mehrsprachigen Vocabulary on<br />
Museum Security Terms. Auch die Mitarbeit<br />
im Museum Emergency Project und in der<br />
Disaster Relief Task Force finde ich spannend.<br />
Wichtig scheint mir, dass <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
bei neuen Mitgliedern künftig mehr<br />
Wert darauf legt, dass sie sich stärker in die<br />
Arbeit der internationalen Komitees einbringen.<br />
Hilfreich wäre es sicherlich auch, wenn<br />
über laufende Projekte auf internationaler<br />
Ebene umfangreicher berichtet würde. Meiner<br />
Erfahrung nach brauchen unsere Kolleginnen<br />
und Kollegen in den Entwicklungsund<br />
Schwellenländern noch stärker unsere<br />
Hilfe, um ihr kulturelles Erbe eigenständig<br />
bewahren und pflegen zu können.<br />
<strong>ICOM</strong> ist in seiner ganzen Struktur und<br />
Organisation in den letzten Jahren viel moderner<br />
geworden – die öffentliche Wahrnehmung<br />
des Verbandes ist uns aber noch<br />
nicht in gleichem Maße gelungen.<br />
8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
Sommer 1968: In Köln und München fand die 8. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> statt.<br />
Foto: Deutsches Museum München<br />
»<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Hans-Albert Treff<br />
Mitglied seit 1977,<br />
1987–1992 Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>,<br />
1993–1998 Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Als das Planungsteam für das 1990 eröffnete<br />
Museum Mensch und Natur in München<br />
1977 mit „Nerven und Gehirn“ eine erste<br />
sehr erfolgreiche Sonderausstellung im<br />
Deutschen Museum realisierte, bestand für<br />
mich natürlich der Wunsch nach Austausch<br />
mit Kollegen. Deshalb wurde ich Mitglied im<br />
DMB und im <strong>ICOM</strong>. Im gleichen Jahr lernte<br />
ich Hermann Auer, den damaligen Präsidenten<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, kennen, eine<br />
wirklich faszinierende Persönlichkeit!<br />
Die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 1980 in Mexiko<br />
City war die erste, an der ich teilnahm. 1986<br />
fand die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Buenos<br />
Aires statt. Im gleichen Jahr kandidierte ich für<br />
den Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Damals<br />
bestand Stimmengleichheit zwischen Max<br />
Tauch und mir – ich hatte das Glück, dass das<br />
Los dann auf mich fiel. Es folgten zwei Amtsperioden<br />
im Vorstand.<br />
Die Arbeit war komplett auf Hermann Auer<br />
ausgerichtet. Ich versuchte, ihn zu unterstützen,<br />
was er auch gern annahm. Ich erinnere<br />
mich an viele Samstag nachmittage, an denen<br />
wir bei ihm zu Hause „icomanisch“ aktiv<br />
waren, oder auch an jene Nachmittage des<br />
gemeinsamen Eintütens von Aussendun gen<br />
in seinem Büro im Deutschen Museum.<br />
Die Vereinigung der beiden deutschen Nationalkomitees<br />
von <strong>ICOM</strong> ließ Hermann Auer<br />
zweifellos eher geschehen, als dass er sie aktiv<br />
betrieb. Man war sich damals unsicher, welchen<br />
Kollegen von <strong>ICOM</strong>-DDR man ohne<br />
Vorbehalte die Hand reichen konnte. Da sich<br />
das Kulturministerium der DDR schon auflöste,<br />
brach auch die DDR-Struktur von <strong>ICOM</strong><br />
zusammen: Am 2. Oktober 1990 beschloss<br />
das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR seine<br />
Auflösung und bat das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee<br />
der Bundesrepublik um die Übernahme<br />
seiner Mitglieder. Dies erfolgte und wir vereinbarten,<br />
dass vorübergehend der westdeutsche<br />
Verband die Beitragszahlun gen für die<br />
DDR-Kollegen zum größten Teil übernahm.<br />
1992 fragte mich Hermann Auer, ob ich<br />
die Vorstandsarbeit als Präsident fortführen<br />
würde. Das ginge aber nur mit meinem<br />
Mitarbeiter Tilman Haug als Sekretär, dachte<br />
ich sofort, der mir keineswegs nur wegen<br />
seiner IT-Kenntnisse unverzichtbar war.<br />
Am 18. November 1992 wurde ich zum Präsidenten<br />
des Deutschen Nationalkomitees von<br />
<strong>ICOM</strong> gewählt. Zu unseren ersten Neuerungen<br />
gehörten die Verkürzung des Namens zu<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die Einführung der <strong>Mitteilungen</strong><br />
und die Modernisierung der Organisation<br />
mittels computergestützter Mitgliederverwaltung.<br />
Ferner lag mir die Kooperation<br />
mit den <strong>ICOM</strong>-Komitees in den östlich angrenzenden<br />
Ländern sehr am Herzen. Schon<br />
zu Auers Zeit baten Russland und vor allem<br />
Ungarn um stärkere Zusammenarbeit. 1993<br />
starteten wir daher mit <strong>ICOM</strong> Österreich eine<br />
Initiative, aus der die informelle Gruppierung<br />
Central European <strong>ICOM</strong> (CE<strong>ICOM</strong>) hervorging,<br />
die eine engere Kooperation der <strong>ICOM</strong>-<br />
Komitees von <strong>Deutschland</strong>, Österreich, Polen,<br />
Tschechien, Ungarn, Slowenien, der Slowakei<br />
und Kroatien zum Ziel hatte. Wir orientierten<br />
uns an den skandinavischen Nationalkomitees<br />
mit ihren vorbildlichen Kooperationsprojekten.<br />
Und das war auch gut so, denn <strong>ICOM</strong>-<br />
Paris hatte immer gesagt: „<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
ihr müsst mehr tun! Ihr seid zwar das<br />
größte Nationalkomitee, aber das bildet sich<br />
in euren Aktivitäten nicht in gleicher Weise ab.“<br />
Ich denke, dass wir in der Nachwende-Zeit in<br />
diesem Kreis eine gute Arbeit geleistet haben.<br />
Gegen Ende unserer <strong>ICOM</strong>-Amtszeit gelangten<br />
wir zu der Überzeugung, dass <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> eine fest verortete Geschäftsstelle<br />
benötigt und dass Berlin der geeignete<br />
Ort zu sein schien. Hans-Martin Hinz war<br />
damals schon zu mei nem Nachfolger gewählt<br />
worden. Ich kann mich noch gut an<br />
jene Autofahrt erinnern, bei der Haug und<br />
ich alle <strong>ICOM</strong>-Unterlagen und Geräte nach<br />
Berlin, In der Halde 1, gebracht haben.<br />
Wenn man will, kann man von <strong>ICOM</strong> riesig<br />
profitieren! Ich habe z. B. die Persönlichkeiten<br />
Jane Goodall, Donald Johanson und<br />
Richard Leakey kennengelernt.<br />
Auch nach dem Ausscheiden aus dem eigentlichen<br />
Museumsamt Ende 2005 bin ich<br />
den Tieren natürlich treu geblieben – schauen<br />
Sie doch mal rein – www.treffdogs.de!<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 9
Aktuelles<br />
Verband 41 Mitglieder, Ende der 1960er Jahre waren es bereits<br />
mehr als zweihundert.<br />
Die 8. Generalkonferenz in Köln und München 1968<br />
Einen der Höhepunkte der jungen deutschen <strong>ICOM</strong>-Geschichte<br />
stellte die Ausrichtung der 8. Generalkonferenz<br />
in Köln und München vom 29. Juli bis 9. August 1968 dar.<br />
Alfred Hentzen, seit 1965 Präsident des westdeutschen Nationalkomitees<br />
und Direktor der Hamburger Kunsthalle,<br />
hatte sich sehr darum bemüht, diese Konferenz nach Westdeutschland<br />
zu holen. Mehr als sechshundert Teilnehmer<br />
aus 64 Ländern reisten nach Köln und München, um sich<br />
über verschiedene Bereiche der Museumsarbeit wie bei spielsweise<br />
die Entwicklung regionaler Museen auszutauschen.<br />
Selbstverständlich standen auch zahlreiche Museumsbesuche,<br />
u. a. im Deutschen Museum, auf dem Programm.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> konnte sich hier also erstmals als Gastgeber<br />
einer großen Konferenz auf internationalem Parkett<br />
präsentieren. Gleichzeitig war für den westdeutschen <strong>ICOM</strong><br />
Verband 1968 aber auch ein Wermutstropfen dabei: Am 31.<br />
Juli 1968 wurde auf Antrag von Johannes Jahn, Direktor des<br />
Museums für Bildende Künste in Leipzig, das DDR-Nationalkomitee<br />
von <strong>ICOM</strong> gegründet. Auf der 25. Sitzung des<br />
Exekutivkomitees hatte dieses seine Zustimmung zur Gründung<br />
eines DDR-Nationalkomitees gegeben. Die endgültige<br />
Bestätigung dieser Entscheidung sollte auf der Generalkonferenz<br />
in München gegeben werden.<br />
Zwischen Klassenkampf und kollegialem<br />
Austausch – zweimal <strong>Deutschland</strong> im Internationalen<br />
Museumsrat<br />
Unter den Konferenzteilnehmern befanden sich 1968 dann<br />
auch erstmals Museumsfachleute aus der DDR. Im „zweiten<br />
deutschen Staat“ war bereits 1964 in Leipzig der Museumsrat<br />
der DDR gebildet worden – mit einem klar formulierten<br />
Ziel: „… alle Voraussetzungen zu schaffen, dass<br />
für die Museen der DDR die Mitgliedschaft im <strong>ICOM</strong> erwirkt<br />
werden kann“. 2 Für die DDR war es von Bedeutung,<br />
auf nichtpolitischem Terrain internationale Anerkennung<br />
2 Hausmitteilung des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen zum Thema<br />
<strong>ICOM</strong> vom 9. 8. 1965, Hausarchiv des Deutschen Historischen Museums,<br />
MfDG, rot 1015, unpag.<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Cornelia Brüninghaus-Knubel<br />
Mitglied seit 1972,<br />
1983–1989 Präsidentin von CECA,<br />
1993–1995 Mitglied im Vorstand von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ich kann wirklich sagen, dass mein Engagement<br />
bei <strong>ICOM</strong> meinen Berufsweg ganz<br />
maßgeblich gestaltet hat. 1969 hatte ich in<br />
Berlin meinen Magister im Fach Kunstgeschichte<br />
abgelegt und ging zunächst an das<br />
Museum Folkwang in Essen. Dort traf ich auf<br />
Paul Vogt, den langjährigen Direktor des<br />
Hauses. Er riet mir: „Machen Sie bei <strong>ICOM</strong> mit!“<br />
Was aber zu damaliger Zeit leichter gesagt<br />
war als getan. Denn schließlich war <strong>ICOM</strong> seinerzeit<br />
noch eher ein Club von leitenden Direktoren<br />
– man wurde für eine Mitgliedschaft<br />
eher berufen. Aber durch die Unterstützung<br />
von Paul Vogt kam ich in Kontakt mit dem<br />
International Committee for Education and<br />
Cultural Action (CECA). So wurde aus mir – ich<br />
wechselte zwischenzeitlich nach Düsseldorf<br />
– wirklich die erste Museumspädagogin<br />
am damaligen Kunstmuseum Düsseldorf.<br />
Fachlich gesehen fühlte ich mich total allein<br />
auf weiter Flur und so nahm ich Kontakt<br />
mit Nürnberg und Wulf Schadendorf auf, der<br />
ja Gründer des Kunst- und Kulturpädagogischen<br />
Zentrums der Museen in Nürnberg gewesen<br />
war. Und schon 1973 konnte ich dann<br />
– mit zitternden Knien – meinen ersten Vortrag<br />
auf einer CECA-Konferenz in Budapest<br />
halten. Ich war weit und breit die einzige Teilnehmerin<br />
aus West-<strong>Deutschland</strong>. Getroffen<br />
habe ich dort dann Kolleginnen und Kollegen<br />
aus der damaligen DDR, aus Holland,<br />
Schweden und England. Diese Kontakte haben<br />
mich inhaltlich und konzeptionell unglaublich<br />
beflügelt. Später habe ich regelmäßig<br />
an den Konferenzen teilgenommen – das<br />
war mein fachliches Lebenselixier.<br />
Die Motivation der jungen westdeutschen<br />
Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls bei <strong>ICOM</strong><br />
mitzumachen, wurde dann so groß, dass wir<br />
1977 sogar eine Arbeitsgemeinschaft von<br />
CECA in <strong>Deutschland</strong> gegründet haben. Anfangs<br />
war das dem <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Präsidenten<br />
Hermann Auer durchaus nicht so<br />
recht. Udo Liebelt, der damals auch sehr aktive<br />
Kollege vom Sprengelmuseum Hannover,<br />
hat viele Tagungen an seinem Haus ermöglicht.<br />
Schließlich gelang es uns, den<br />
Bundesverband Museumspädagogik zu<br />
gründen, in dem dann auch die deutsche<br />
CECA-Sektion aufging. Aber das deutsche<br />
CECA-Komitee war letztlich eine der ent scheidenden<br />
Keimzellen für die institutionelle Entwicklung<br />
der Museumspädagogik in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Auf der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 1983 in<br />
London bin ich dann für zwei Amtsperioden<br />
zur Präsidentin von CECA gewählt worden. In<br />
dieser Zeit – inzwischen war ich am Wilhelm-<br />
Lehmbruck-Museum in Duisburg – habe ich<br />
gelegentlich auch den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-<br />
Präsidenten Hermann Auer auf den <strong>ICOM</strong>-<br />
Jahrestreffen in Paris vertreten dürfen. So<br />
kam es, dass 1986 Dorothee Dennert als erste<br />
Museumspädagogin in den Vorstand von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gewählt wurde, die ich ab<br />
1992 ablöste. Beim Blick zurück ist meine<br />
<strong>ICOM</strong>-Tätigkeit wirklich ein Staffellauf gewesen<br />
– und darin sehe ich auch den großen<br />
Gewinn dieses Verbandes: die Flamme der<br />
fachlichen Begeisterung mit den Kolleginnen<br />
und Kollegen zu teilen und an die nachwachsenden<br />
Generationen weiterzugeben.<br />
Auch heute noch nehme ich – zumindest<br />
rezipierend – am <strong>ICOM</strong>-Leben teil, selbst<br />
wenn ich nicht mehr häufig zu Tagungen<br />
fah ren kann. Die Museumspädagogik beschäftigt<br />
mich aber auch weiterhin. Inzwischen<br />
bin ich als Beraterin tätig und freue<br />
mich sehr, an dem BKM-Projekt „Vor-Ort-Beratung“<br />
mitwirken zu können.<br />
10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
zu erlangen. 1968 kam sie mit dem <strong>ICOM</strong>-Beitritt diesem<br />
Ziel ein Stück näher.<br />
Auf politischer Ebene in Westdeutschland sorgte dies<br />
für Unmut. Alfred Hentzen informierte eine Mitarbeiterin<br />
des Bundesinnenministeriums darüber, dass das <strong>ICOM</strong>-<br />
Exekutivkomitee dem DDR-Antrag – gegen westdeutschen<br />
Widerstand – zugestimmt hatte. Diese BMI-Mitarbeiterin<br />
ließ den Präsidenten daraufhin schriftlich wissen: „Ich<br />
fürchte, dass an der Willensbildung des Exekutivkomitees<br />
nichts mehr zu ändern ist und dass wir künftig mit zwei<br />
deutschen Vertretungen rechnen müssen. […] Sie werden<br />
verstehen, dass dies mit dem Rechtsstandpunkt der Bundesregierung<br />
in der <strong>Deutschland</strong>frage nicht vereinbar ist.“ 3 Sie<br />
formulierte außerdem den ausdrücklichen Wunsch, „darauf<br />
hinzuwirken, dass die Herkunftsbezeichnung der deutschen<br />
Teilnehmer in den Kongresspapieren, Teilnehmerlisten, auf<br />
den Schildern, Abzeichen etc. korrekt erfolgt, damit wir<br />
nicht ausgerechnet auf dem Boden der Bundesrepublik gegenüber<br />
der SBZ an Terrain verlieren.“ 4<br />
3 Schreiben von Oberregierungsrätin Lugge beim Bundesministerium des Inneren<br />
vom 5. 8. 1968 an Hentzen<br />
4 Ebenda.<br />
Dem Schreiben beigefügt waren vom Auswärtigen Amt<br />
erarbeitete Hinweise, wie sich westdeutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />
mit Blick auf die deutsch-deutsche Frage bei internationalen<br />
Kongressen zu verhalten haben. So sei zum Beispiel<br />
im Vorfeld die Kongressleitung rechtzeitig zu informieren,<br />
in den Kongressveröffentlichungen den Begriff „DDR“<br />
(und Übersetzungen) zu vermeiden und als Herkunftsbezeichnung<br />
der deutschen Teilnehmer zu wählen: „Herr –<br />
Frau – x (<strong>Deutschland</strong>, Herkunftsort)“. Politische Aktivitäten<br />
und Diskussionen gelte es in jedem Falle zu vermeiden.<br />
Der Kalte Krieg und die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz<br />
machten also vor <strong>ICOM</strong> nicht halt.<br />
Im Zuge der Neuen Ostpolitik der Regierung Brandt/<br />
Scheel zu Beginn der 1970er Jahre veränderte sich das Verhältnis<br />
zwischen den beiden deutschen Staaten jedoch merklich.<br />
Dies erleichterte auch die deutsch-deutschen <strong>ICOM</strong>-<br />
Kontakte. Sowohl auf Generalkonferenzen als auch in<br />
internationalen Komitees begegneten sich Museumsfachleute<br />
aus Ost und West zunehmend offener. Die offizielle<br />
Linie sah dabei jedoch nach wie vor anders aus. Auf der<br />
Jahrestagung des Internationalen Komitees für archäologische<br />
und historische Museen (ICMAH) 1975 hielt der<br />
»<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Friedemann Hellwig<br />
Mitglied seit 1973,<br />
1977–1983 Präsident von CIMCIM,<br />
1993–1998 Mitglied im Vorstand<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
In Nürnberg am Germanischen Nationalmuseum<br />
bin ich erwachsen geworden. John<br />
Henry van der Meer, der Chef der Musikinstrumenten-Abteilung,<br />
hat mich damals auf<br />
<strong>ICOM</strong> aufmerksam gemacht. Unter den Generaldirektoren<br />
Steingräber und schließlich<br />
Schönberger konnten wir wunderbare Arbeitsbedingungen<br />
schaffen, genossen auch<br />
die Freiheiten, die uns gelassen wurden.<br />
Meine erste <strong>ICOM</strong>-Tagung habe ich in Edinburgh<br />
erlebt; seit 1969 bin ich dann eigentlich<br />
immer dabei gewesen. Damals fand ich<br />
drei wunderbare Kollegen im Kreis von <strong>ICOM</strong>:<br />
einen Kollegen aus den USA, einen aus Kanada<br />
und einen Amerikaner, der in Schweden<br />
lebte – wir waren ein bissel die enfants terribles<br />
des International Committee for Museums<br />
and Collections of Musical Instruments<br />
(CIMCIM), die „vier Jungtürken“.<br />
Hermann Auer war ein echter Patriarch.<br />
Ich hatte das Glück, dass er mich mochte.<br />
Letztendlich hat Präsident Auer all unsere<br />
Kontakte „abgestützt“. Kein Wunder, er war ja<br />
auch über 22 Jahre hinweg quasi das personifizierte<br />
<strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Nationalkomitee.<br />
Zwischen 1977 und 1983 wurde ich Präsident<br />
von CIMCIM. Aus diesem Grund habe<br />
ich dann oft auch an den Sitzungen des Advisory<br />
Committee in Paris teilgenommen. In<br />
den 1960er und frühen 1970er Jahren war<br />
die Welt bei <strong>ICOM</strong> noch recht elitär, auch die<br />
Zahl der Mitglieder in den internationalen<br />
Komitees war reglementiert. Unter der späteren<br />
Präsidentschaft von Hans-Albert Treff<br />
habe ich dann mitwirken können, erstmalig<br />
die <strong>Mitteilungen</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, damals<br />
noch in schlichter Erscheinungsform,<br />
herauszugeben.<br />
An Ursula Ancke, die damalige Sekretärin<br />
von <strong>ICOM</strong>-DDR, habe ich wirklich sehr gute<br />
Erinnerungen. Sie hat Vieles möglich gemacht.<br />
Ich erinnere mich noch zu gut, als sie<br />
damals einem DDR-Kollegen die <strong>ICOM</strong>-Karte<br />
überreicht hat … – man hätte diesem Kollegen<br />
kein schöneres Geschenk machen können.<br />
Für die Kolleginnen und Kollegen aus<br />
dem Osten war es ja ungleich schwieriger, an<br />
der <strong>ICOM</strong>-Arbeit aktiv teilzunehmen. Schon<br />
allein der Mitgliedsbeitrag musste ja in „Westgeld“<br />
bezahlt werden. Über diese Schwierigkeiten<br />
hinweg, haben sich dennoch Freundschaften<br />
entwickeln können – zu Kollegen in<br />
der DDR, insbesondere zum dortigen Institut<br />
für Museumswesen, und auch nach Polen.<br />
Die CIMCIM-Tagung 1983 in Berlin ist mir<br />
besonders in Erinnerung. Wir haben damals<br />
den Kolleginnen und Kollegen aus der DDR<br />
die Getty-Literaturdatenbank zeigen können<br />
– das war natürlich wie eine Offenbarung!<br />
Nach meinem Weggang aus Nürnberg<br />
und meinem Start als Professor an der Fachhochschule<br />
Köln lockerten sich die Kontakte<br />
zu <strong>ICOM</strong> etwas. Aber als ich vor einigen Jahren<br />
nochmals an einer <strong>ICOM</strong>-Tagung teilnahm,<br />
um eine im Entstehen befindliche<br />
Publikation anzukündigen, da standen sofort<br />
wieder alle Türen offen. Überhaupt: die<br />
<strong>ICOM</strong>-Familie! Ich glaube, dass, insbesondere<br />
durch die US-Kollegen beeinflusst, ein<br />
sehr locke rer und kollegialer Umgang gepflegt<br />
wurde. Das you ist eben zugleich auch<br />
immer ein „Du“. Und dies gilt über alle eigentlich<br />
bestehenden Hierarchien hinweg – das<br />
empfand ich immer als besonders erfrischend.<br />
Natürlich bin ich immer noch <strong>ICOM</strong>-Mitglied<br />
… und genieße die Vorzüge unserer<br />
Karte.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 11
Aktuelles<br />
ostdeutsche Museumsmitarbeiter Gerhard Dießner einen<br />
Vortrag „Zu einigen Problemen der Museumspolitik in der<br />
BRD“. Darin präsentierte er die Museumspolitik der Bundesrepublik<br />
vor internationalem Fachpublikum als ideologisch<br />
gefärbt. Angesichts der aktuellen politischen Lage<br />
fänden „die herrschenden Kreise in der BRD günstige Bedingungen“<br />
vor, „um ihre politisch-ideologischen Ziele zu<br />
verfolgen und auch die Museen in ihre bildungspolitische<br />
Zielsetzung der Massenmanipulation zu integrieren.“ 5<br />
Jenseits solcher der offiziellen Linie entsprechenden Reden<br />
gab es jedoch zunehmenden Austausch zwischen den<br />
Museumsfachleuten. Konferenzteilnehmer aus der Bundesrepublik<br />
und der DDR berichten über kollegiale oder gar<br />
freundschaftliche Begegnungen und Gespräche abends an<br />
der Hotelbar abseits des offiziellen Tagungsprogramms.<br />
Hier entstanden fachliche Netzwerke und freundschaftliche<br />
Beziehungen, jenseits ideologischer Abgrenzung und –<br />
auch persönlicher – politischer Differenzen. Diese Netzwerke<br />
wirkten auch über die Tagungsrahmen hinaus: Nach<br />
5 Dießner, Gerhard: Zu einigen Problemen der Museumspolitik in der BRD. Referat<br />
auf der ICMAH-Jahrestagung vom 13. bis 21. 9. 1975 in der DDR, Hausarchiv<br />
Stiftung Deutsches Historisches Museum, MfDG, 310, Bl. 60.<br />
einem gemeinsamen Besuch des Stadtgeschichtlichen Museums<br />
Amsterdam im Rahmen einer <strong>ICOM</strong>-Tagung im<br />
Jahr 1976 schrieb beispielsweise der Direktor des Museums<br />
für Deutsche Geschichte in Ostberlin, Wolfgang<br />
Herbst, an den Direktor des Clemens-Sels-Museums in<br />
Neuss, Max Tauch: „Sie haben sicher Recht: Die Museumsbesuche<br />
[…] geben Stoff zum Nachdenken. Eindrücke<br />
und Unterhaltungen bleiben haften. […] In der Hoffnung,<br />
Sie in Leningrad/Moskau zu treffen, verbleibe ich mit<br />
herzlichen Grüßen, Ihr Wolfgang Herbst.“<br />
Auch mit Rudolf Förster, dem Direktor des Stadtgeschichtlichen<br />
Museums Dresden, korrespondierte Tauch rege. „Ich<br />
würde es begrüßen, wenn wir in absehbarer Zeit ein gemeinsames<br />
Gespräch über Fragen führen könnten, die mit<br />
dem Thema Stadtmuseen in Zusammenhang stehen. Nehmen<br />
Sie daher meine Bereitschaft entgegen, Sie im neuen<br />
Jahr in Dresden zu besuchen“, schrieb Tauch im November<br />
1978 an Förster. Beide arbeiteten damals in einer internationalen<br />
<strong>ICOM</strong>-Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung<br />
von Stadtmuseen. In solchen Gremien kam es jedoch<br />
nicht nur zu deutsch-deutschem Austausch, sondern auch<br />
zu einem generellen blockübergreifenden Wissenstransfer.<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ursula Ancke<br />
Mitglied seit 1968,<br />
1968–1989 Leiterin des Sekretariats<br />
des Nationalen Museumsrates der DDR<br />
und des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees der DDR<br />
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern,<br />
dass anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz,<br />
die 1968 in München und Köln stattgefunden<br />
hat, am 31. Juli auf Antrag des Kunsthis<br />
torikers Professor Johannes Jahn das<br />
<strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR gegründet<br />
worden ist. Im Rahmen der Exkursion, die<br />
sich an die Generalkonferenz anschloss und<br />
die über Berlin (West und Ost) nach Prag<br />
führte, haben wir auch zu einem Besuch<br />
der Museumsinsel, verbunden mit einem<br />
festlichen Empfang quasi vor den Stufen<br />
des Pergamon-Altars, eingeladen. Das war<br />
für viele der Gäste sicher ein bleibendes Erlebnis!<br />
Allein wegen der Devisenknappheit war<br />
die Anzahl der zu benennenden <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />
für die internationalen Komitees begrenzt.<br />
Eine meiner Aufgaben als Leiterin des<br />
Sekretariats bestand darin, unseren <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitgliedern die Teilnahme an internationalen<br />
Konferenzen zu ermöglichen und zudem<br />
noch auf eine ausgewogene Vertretung der<br />
einzelnen Fachgebiete zu achten.<br />
Wir haben auch zahlreiche Fachpublikationen<br />
angeregt, ihre Herausgabe organisatorisch<br />
begleitet und letztlich ermöglicht. Als<br />
der <strong>ICOM</strong> Code of Professional Ethics erstmals<br />
erschien, haben wir sogleich eine Übersetzung<br />
ins Deutsche anfertigen lassen und in<br />
der Fachzeitschrift Neue Museumskunde veröffentlicht.<br />
Es war auch unsere Aufgabe, die Museumskollegen<br />
bei der Vorbereitung von <strong>ICOM</strong>-<br />
Tagungen, die wir in Berlin, Dresden, Neubrandenburg,<br />
Rostock, Weimar und vielen<br />
anderen Städten durchführten, zu unterstützen.<br />
Viele internationale Komitees kamen zu<br />
ihrer Jahrestagung in die DDR. Durch die Zentralisierung<br />
– bei uns lief ja die Arbeit des Nationalkomitees<br />
von <strong>ICOM</strong> und die Arbeit des<br />
Nationalen Museumsrates zusammen – war<br />
es möglich, besondere inhaltliche Schwerpunkte<br />
zu setzen.<br />
Es gab viele Kollegen aus der BRD, mit denen<br />
ich einen über die Jahre intensiven Austausch<br />
gepflegt habe. Dazu gehörten Max<br />
Tauch oder auch Friedemann Hellwig. Wir<br />
haben immer freundlich und äußerst sachbezogen<br />
mit den Kolleginnen und Kollegen<br />
aus Westdeutschland zusammengearbeitet<br />
– aber wir waren auch immer zwei eigenständige<br />
Nationalkomitees.<br />
Der erste Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR war<br />
Johannes Jahn, damals Direktor des Museums<br />
für Bildende Künste in Leipzig. Mit ihm<br />
gestaltete sich die Arbeit sehr lebendig. Zwischen<br />
1975 und 1977 war dann der Archäologe<br />
Gerhard Rudolf Meyer, Generaldirektor<br />
der Staatlichen Museen zu Berlin – eine besonders<br />
beeindruckende Persönlichkeit –,<br />
unser Präsident. Ihm folgte von 1978 bis<br />
1989 Wolfgang Herbst, Generaldirektor des<br />
Museums für Deutsche Geschichte. Seine<br />
Nachfolge übernahm dann als international<br />
anerkannter Experte für Glas und Möbelkunst<br />
der Generaldirektor der Staatlichen<br />
Museen zu Berlin, Günter Schade. Durch die<br />
Dynamik des politischen Vereinigungsprozesses<br />
währte seine Präsidentschaft nur<br />
kurze Zeit.<br />
Auf Initiative des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />
der DDR wurde im Herbst 1990 der Zusammenschluss<br />
der beiden deutschen Gremien<br />
vollzogen und in einem offiziellen Schreiben<br />
vom 16. Dezember 1990 dem <strong>ICOM</strong>-<br />
Sekretariat in Paris mitgeteilt.<br />
12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
So schrieb beispielsweise Wolfgang Herbst nach der in der<br />
DDR ausgerichteten ICMAH-Jahrestagung 1975 an den<br />
Direktor des Stadtmuseums Metz (Frankreich), Gérald<br />
Collot: „Es ist erfreulich zu lesen, dass der Aufenthalt in<br />
der DDR Ihnen nicht nur nützlich, sondern auch angenehm<br />
war. Es war unser Bestreben, die Kollegen aus dem Ausland<br />
mit dem Stand unseres Museumswesens vertraut zu<br />
machen und damit zur Diskussion über die Museologie beizutragen.<br />
Sie können versichert sein, dass wir uns in keiner<br />
Phase der Tagung nur als die Gebenden empfunden haben.<br />
Die Unterhaltungen mit unseren Kollegen waren für uns<br />
wertvoll. Sie helfen uns bei der weiteren Arbeit im Museum<br />
und waren daher außerordentlich nützlich.“<br />
Derartige auf den Konferenzen hergestellte Kontakte<br />
wurden häufig auch noch intensiviert. Der Direktor des<br />
Archäologischen Museums Warschau war 1979 zu einem<br />
privaten Besuch nach Neuss gereist und schrieb nach seiner<br />
Rückkehr an Max Tauch: „In danke noch einmal für<br />
den sehr freundlichen Empfang in Neuß und die Möglichkeit<br />
dein interessantes Museum zu besuchen.“ Er hoffte<br />
außerdem, Tauch werde ihn bald einmal seinerseits in Warschau<br />
besuchen. Ganz im Gegensatz zur politischen Trennung<br />
zwischen Ost und West gelang es durch <strong>ICOM</strong>, so<br />
zeigen diese Briefe, über die Jahre einen transnationalen<br />
Wissensaustausch und eine blockübergreifende Zusammenarbeit<br />
anzustoßen.<br />
Einen weiteren Schritt hin zu mehr internationaler Zusammenarbeit<br />
und der Entwicklung von Museologie als<br />
eigener wissenschaftlicher Disziplin ging Professor Hermann<br />
Auer. Der Physiker war nach der Generalkonferenz 1968<br />
in München zum Präsidenten des westdeutschen Nationalkomitees<br />
gewählt worden. Er richtete 1973 das bis heute<br />
existierende Internationale Bodensee-Symposium ein, eine<br />
dreijährlich stattfindende Konferenz für Museums wis senschaftler<br />
und -mitarbeiter aus <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />
und der Schweiz.<br />
Auer, bis 1971 wissenschaftlicher Direktor des Deutschen<br />
Museums in München, blieb für mehr als zwanzig Jahre<br />
Präsident des deutschen Nationalkomitees. Während seiner<br />
Amtszeit befand sich der Sitz des Nationalkomitees ebenfalls<br />
in München, da bis zur Einrichtung einer zentralen<br />
Geschäftsstelle in Berlin 1999 die Zentrale von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> mit dem jeweiligen Präsidenten „wanderte“.<br />
Von 1974 bis 1977 war Auer zudem Schatzmeister des<br />
»<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Günter Schade<br />
Mitglied von <strong>ICOM</strong>-DDR 1985–1990,<br />
1989–1990 Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR<br />
Neben dem Rat für Museumswesen gab es<br />
den Nationalen Museumsrat der DDR, der die<br />
DDR-Museen im <strong>ICOM</strong> vertrat. Das war ein<br />
sehr exklusiver Club, dem nur wenige Museumsdirektoren<br />
angehörten, weil die Mitgliedschaft<br />
mit einem Jahresbeitrag in Valuta-Währung<br />
verbunden war und weil die<br />
DDR-Behörden kein Interesse daran hatten,<br />
dass ihre Bürger in die westliche Welt reisten,<br />
mit kritischen Fragen zurückkamen oder<br />
gar ihrem Staat den Rücken kehrten. Die Aufnahme<br />
der DDR in den <strong>ICOM</strong> erfolgte 1968.<br />
Ich erinnere mich an den Empfang, den<br />
Johannes Jahn, Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR, aus<br />
diesem Anlass vor dem Pergamon-Altar gegeben<br />
hat. Als Präsidenten folgten ihm dann<br />
Gerhard Rudolf Meyer und Wolfgang Herbst,<br />
der diese Funktion bis zur politischen Wende<br />
innehatte. Als im Herbst 1989 ein neuer Präsident<br />
in geheimer Abstimmung gewählt<br />
wurde, erhielt ich von den zur Auswahl stehenden<br />
Kandidaten die meisten Stimmen.<br />
Viel zu tun blieb mir allerdings nicht mehr.<br />
1990 fand die Jahrestagung des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />
der Bundesrepublik in Duisburg<br />
statt und als Präsident des DDR-Nationalkomitees<br />
war ich eingeladen, um über die<br />
Situation der DDR-Museen nach der Wende<br />
zu referieren. Die Lage war sehr angespannt,<br />
denn die meisten DDR-Museumsdirektoren<br />
hatten ihre Stellung schon verloren und<br />
Kollegen aus den alten Bundesländern waren<br />
auf diese Positionen berufen worden.<br />
Ihre Aufgabe bestand zunächst darin, die<br />
historischen Ausstellungen von ihrem politischen<br />
Inhalt zu „säubern“ und die DDR-<br />
Kunst in die Ma gazi ne zu verbannen. Es bot<br />
sich also genügend Material für einen interessanten<br />
Vortrag.<br />
Für diese Tagung hatte ich mir auch eine<br />
zweite Aufgabe gestellt: Am Tag vor der<br />
Hauptversammlung unterbreitete ich dem<br />
<strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Vorstand den Vorschlag,<br />
angesichts der sich abzeichnenden Wiedervereinigung<br />
der beiden deutschen Staaten,<br />
das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR mit dem<br />
bundesdeutschen zu vereinigen, und ging<br />
davon aus, dass ich und ein weiterer Vertreter<br />
des DDR-Nationalkomitees bis zu den<br />
nächs ten Wahlen in den Vorstand kooptiert<br />
würden. Die bei uns in Berlin zwischen den<br />
gro ßen Museen in Ost und West ganz selbstverständlich<br />
voranschreitende Wiedervereinigung<br />
schien hier – „tief im Westen“ – keinen<br />
Widerhall gefunden zu haben. Nach<br />
intensiver Beratung des <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-<br />
Vorstandes hieß es, dass das auf gar keinen<br />
Fall ginge. Die Begründung war, dass sie<br />
geheim und demokratisch gewählt worden<br />
seien, und eine außerplanmäßige Aufnahme<br />
neuer Kollegen in den Vorstand nicht<br />
vorgesehen sei. Dass ich auch in einer gehei<br />
men Wahl gewählt worden war, spielte<br />
offensichtlich keine Rolle. Mir war das dann<br />
auch egal, was sollte ich mit diesen Kollegen<br />
nach einem solchen für mich frustrierenden<br />
Entschluss noch diskutieren. Ich<br />
musste unwillkürlich an den bekannten Ausspruch<br />
denken: „Wenn der Deutsche eine<br />
Revolution machen oder einen Bahnsteig<br />
erobern will, kauft er sich zuvor noch eine<br />
Bahnsteigkarte“. Das Sekretariat des DDR-<br />
Nationalkomitees unter der Leitung von Ursula<br />
Ancke löste sich im Trubel des Vereinigungsprozesses<br />
auf und damit war das<br />
DDR-Nationalkomitee still und heimlich von<br />
der Bildfläche verschwunden. Positiv muss<br />
ich jedoch erwähnen, dass der bundesdeutsche<br />
Vorstand immerhin bereit war, für die<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder der DDR den Jahresbeitrag,<br />
der in westlicher Währung zu entrichten war,<br />
zu übernehmen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 13
Aktuelles<br />
<strong>ICOM</strong>-Exekutivkomitees. Eine seiner größten Herausforderungen<br />
aber dürfte die Vereinigung der beiden deutschen<br />
Nationalkomitees im Zuge der deutschen Wiedervereinigung<br />
1990 gewesen ein.<br />
Die Vereinigung der beiden deutschen<br />
Nationalkomitees<br />
Trotz guter Beziehungen zwischen den beiden deutschen<br />
Nationalkomitees bis Ende der 1980er Jahre verlief dieser<br />
Prozess keineswegs reibungslos. Professor Wolfgang Klausewitz,<br />
1990 Mitglied des noch westdeutschen <strong>ICOM</strong>-<br />
Nationalkomitees, berichtet von einer Sitzung des Exekutivkomitees<br />
im April 1990, auf der heftig über den Umgang<br />
mit der neuen Situation im Ostblock und auch in <strong>Deutschland</strong><br />
gestritten wurde. Es kam zu „harten politischen Auseinandersetzungen“.<br />
Auch im Juli 1990 war die Lage noch<br />
nicht endgültig geklärt. Auf einer Sitzung des Advisory<br />
Committee stand das Thema erneut zur Diskussion. Tschechien<br />
und Ungarn, so ist im Sitzungsprotokoll zu lesen, hätten<br />
bereits neue Nationalkomitees gewählt, für die DDR<br />
bestünden aber nach wie vor „ungeklärte Verhältnisse“.<br />
Zwar hatte das ostdeutsche Nationalkomitee im Frühjahr<br />
1990 mit Professor Günther Schade einen neuen Präsidenten<br />
gewählt. Ob sich dieser jedoch angesichts der Wiedervereinigungsproblematik<br />
halten könne, sei äußerst ungewiss.<br />
Die <strong>ICOM</strong>-Fachleute standen angesichts der deutschen<br />
Wiedervereinigung vor folgendem Problem: In den <strong>ICOM</strong>-<br />
Statuten gab es keine Regelung dafür, was mit einem Nationalkomitee<br />
passieren sollte, wenn sein Land als unabhängiges<br />
Land aufhört zu existieren. Am 2. Oktober 1990,<br />
einen Tag vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik,<br />
löste sich schließlich das ostdeutsche <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee<br />
auf eigenen Beschluss auf. Sämtliche Mitglieder<br />
wurden dann in das nunmehr gesamtdeutsche Nationalkomitee<br />
integriert, basierend auf einem entsprechenden<br />
Beschluss des westdeutschen <strong>ICOM</strong>-Komitees, der auf der<br />
Jahrestagung am 20. Oktober 1990 in Duisburg gefällt<br />
worden war.<br />
Einer der wichtigsten Schritte für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in<br />
der Folgezeit war die Errichtung einer zentralen Geschäftsstelle<br />
in Berlin im Jahre 1999. Dort laufen seitdem die verschiedenen<br />
Fäden der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu<br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Hans-Martin Hinz<br />
Mitglied seit 1993,<br />
1999–2004 Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
2002–2005 Präsident von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />
2004–2010 Mitglied des Executive Council,<br />
Seit 2010 Präsident von <strong>ICOM</strong><br />
Seit 1985 war ich in den Gründungsprozess<br />
des Deutschen Historischen Museums (DHM)<br />
involviert und ab 1991 mit dessen internationaler<br />
Vernetzung betraut. 1992 nahm ich<br />
daher an der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Quebec<br />
teil.<br />
1995 fragte mich Hans-Albert Treff, ob ich<br />
mir vorstellen könnte, für den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Vorstand<br />
zu kandidieren. 1996 holten<br />
wir die Jahrestagung der Geschichtsmuseen<br />
nach Berlin, ihre Ergebnisse bewogen Hans-<br />
Albert Treff, mich als seinen Nachfolger für<br />
die Position des <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Präsidenten<br />
vorzuschlagen. 1998 wurde ich dann tatsächlich<br />
gewählt. Glücklicherweise konnte ich<br />
im Vorstand erfahrene Kolleginnen und Kollegen<br />
um mich versammeln.<br />
Zum einen wollten wir die Verbandsstruktur<br />
erneuern, zum anderen starke inhaltliche<br />
Impulse setzen. Daher setzten wir uns beim<br />
Bundesinnenministerium für eine langfristi ge<br />
Förderung ein. Denn wenn eine stärkere internationale<br />
Präsenz des deutschen Mu seumswesens<br />
politisch gewünscht sei, dann sollte<br />
auch eine bessere finanzielle Ausstattung<br />
möglich sein. Seither wird <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
angemessen aus Bundesmitteln unterstützt.<br />
So konnten wir eine professionelle Geschäftsführung<br />
installieren und recht schnell wuchs<br />
die Anzahl der Mitglieder. Der DMB verhandelte<br />
zu dieser Zeit mit dem Institut für Museumsforschung<br />
über ein Büro in Berlin-<br />
Dah lem und wir ergriffen die Chance, dort<br />
ebenfalls „unsere Zelte aufzuschlagen“.<br />
Damals war <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> noch eine<br />
Art Juniorpartner des DMB, z. B. fanden die<br />
<strong>ICOM</strong>-Sitzungen am Rande der DMB-Tagungen<br />
statt. Dies schien mir für unseren Verband<br />
jedoch nicht zukunftsträchtig. Schließlich<br />
ging es darum, das deutsche Museumswesen<br />
international zu vernetzen. So entstand<br />
die Idee, unsere Jahrestagungen in Kooperation<br />
mit anderen <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />
zu veranstalten. Begonnen haben wir 1999<br />
mit <strong>ICOM</strong> Frankreich in Paris, es folgten die<br />
Jahrestagungen in Brüssel, Warschau und<br />
Washington. Dieses internationale Konzept<br />
ist von meinen Amtsnachfolgern fortgeführt<br />
worden und fand Nachahmung in anderen<br />
Ländern.<br />
Ich habe das DHM immer als Dreh- und<br />
Angelpunkt meiner <strong>ICOM</strong>-Arbeit verstanden.<br />
Natürlich ist es für eine intensive Verbandstätigkeit<br />
von Vorteil, Mitarbeiter einer großen<br />
Institution zu sein, denn es ergeben sich<br />
Synergien. Die DHM-Generaldirektoren bestärkten<br />
mich in meiner internationalen Ausrichtung,<br />
gleichzeitig konnten wir die <strong>ICOM</strong>-<br />
Kontakte für die eigene Museumsarbeit<br />
nutzen.<br />
Meine feste Überzeugung ist, dass – neben<br />
der Arbeit der Nationalkomitees – der<br />
Kern der <strong>ICOM</strong>-Arbeit in den internationalen<br />
Komitees geleistet wird, selbst wenn nur vierzig<br />
Prozent aller Mitglieder in Komitees organisiert<br />
sind. Ich sehe die Qualität von <strong>ICOM</strong> in<br />
der dezentralen Arbeit und verstehe die<br />
<strong>ICOM</strong>-Zentrale in Paris als ein Dienstleistungszentrum<br />
für die Vernetzung der internationalen<br />
Museumsarbeit.<br />
Rückblickend auf meine Arbeit als <strong>ICOM</strong>-<br />
<strong>Deutschland</strong>-Präsident darf ich sagen, dass<br />
uns ein Quantensprung hinsichtlich Professionalisierung<br />
und Internationalisierung der<br />
Verbandsarbeit gelungen ist. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
muss eine treibende Kraft im internationalen<br />
Museumswesen bleiben, gern will<br />
ich dafür meine Position als amtierender<br />
Welt-Präsident von <strong>ICOM</strong> nutzen.<br />
14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
sammen. Deutsche Museumsfachleute engagieren sich nach<br />
wie vor in zahlreichen internationalen Gremien, Komitees<br />
und Arbeitsgruppen. Sie arbeiten gemeinsam mit Kollegen<br />
aus aller Welt am Ausbau der <strong>ICOM</strong>munity, der Integration<br />
von Entwicklungsländern in den Weltverband oder<br />
der Ausarbeitung neuer Richtlinien für das Sammeln und<br />
Bewahren von Kulturgütern.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war vor sechzig Jahren zunächst<br />
nicht mehr als eine kleine Gruppe engagierter Museumsfachleute,<br />
inzwischen hat sich das deutsche Nationalkomitee<br />
jedoch zum größten innerhalb des <strong>ICOM</strong>-Verbands<br />
entwickelt und zählt etwa 5 000 Mitglieder. Sie schreiben<br />
(nicht nur) die deutsche <strong>ICOM</strong>-Geschichte weiter.<br />
Anne Wanner befasst sich in ihrer Dissertation zur deutsch-deutschen<br />
Museumsgeschichte auch mit den blockübergreifenden Begegnungen<br />
und Resonanzen, die durch <strong>ICOM</strong> entstanden. Hierüber forschte<br />
sie u. a. im Hausarchiv von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Berlin. 2010 schloss<br />
sie ihr Studium der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität<br />
Tübingen ab, derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin<br />
im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig;<br />
anne.wanner@gmx.de.<br />
Sommer 2010: Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Leipzig<br />
Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Katrin Hieke<br />
Mitglied seit 2002<br />
Ich habe Ur- und Frühgeschichte in Tübingen<br />
studiert, das Institut hat seit jeher eine<br />
enge Museumsanbindung. So habe ich schon<br />
während meines Studiums den Weg zu<br />
<strong>ICOM</strong> gefunden. Damals hat mich vor allem<br />
das Thema Barrierefreiheit interessiert. Am<br />
Anfang war ich eher ein passives Mitglied,<br />
konnte auch gar nicht den richtigen Anpack<br />
finden, um <strong>ICOM</strong>, seine Struktur und das eigentlich<br />
ja irrsinnige Leistungsspektrum zu<br />
knacken. Meine Aktivität beschränkte sich<br />
zunächst auf die Lektüre der <strong>Mitteilungen</strong>,<br />
den Besuch der Homepage und der Tagung<br />
2007. Aber auf der Jahrestagung 2011 in Budapest<br />
konnte ich mich erstmals mit einem<br />
Vortrag einbringen – von da an ging es<br />
Schlag auf Schlag. Im Jahr 2012 erweiterte<br />
sich dann mein <strong>ICOM</strong>-Netzwerk erheblich.<br />
Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass<br />
ich schon einige <strong>ICOM</strong>-Aktive kannte.<br />
Dann folgte die Einladung nach Minsk zu<br />
einer Seminarreihe, die Kristiane Janeke in<br />
Kooperation mit <strong>ICOM</strong> Belarus und <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> organisiert hatte. Dort konnte<br />
ich einen Workshop zum Thema Museen und<br />
Markt leiten. Das bot mir die Chance, schnell<br />
mit den Kollegen in Kontakt zu kommen. Anschließend<br />
fand das internationale Museumsfestival<br />
„Intermuseum 2012“ in Moskau<br />
statt, dort hatten die Kollegen von <strong>ICOM</strong> Russia<br />
eine ebenso internationale Tagung zum<br />
Thema Museen und Tourismus organisiert.<br />
Bei einer solchen Gelegenheit wurde mir klar,<br />
dass die einzelnen Nationalkomitees völlig<br />
unterschiedliche Voraussetzungen haben. So<br />
müssen die Kollegen in Weißrussland heute<br />
noch intensiv dafür kämp fen, von der Öffentlichkeit<br />
überhaupt wahrgenommen zu werden<br />
und in einen fachlichen Austausch treten<br />
zu können, während <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
als das größte Natio nalkomitee weltweit,<br />
eher daran arbeitet, noch mehr Mitglieder zu<br />
einer aktiven Teilnahme an der Facharbeit<br />
der einzelnen Komitees zu motivieren.<br />
2012 bekam ich auf einer Tagung in Toronto<br />
erstmals Einblick in die Struktur eines<br />
internationalen Komitees. Anknüpfend an die<br />
Tagung in Budapest wurde ich von den Kollegen<br />
des International Committee for Exhibition<br />
Exchange eingeladen, um über die<br />
Herausforderungen und Chancen einer sich<br />
zunehmend vor allem auch außerhalb des<br />
Museums ausdifferenzierenden Berufswelt<br />
zu berichten. All diese Erfahrungen – klasse!<br />
Nachdem ich in den letzten Jahren einen<br />
besseren Eindruck davon bekommen habe,<br />
was <strong>ICOM</strong> alles leistet, würde ich mir wünschen,<br />
dass <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Kommunikation<br />
ausweitet. Natürlich weiß ich, dass<br />
das zusätzliche Ressourcen erfordert. Dass<br />
sich Investitionen in Kommunikation jedoch<br />
auszahlen, habe ich am eigenen Leib erfahren:<br />
Während ich mich auf das Seminar in<br />
Minsk vorbereitete, setzte ich dazu eine Twitter-Nachricht<br />
ab. Prompt erhielt ich hilfreiche<br />
Hinweise von einer Museumskollegin aus<br />
den USA. So entstanden neue Kontakte in<br />
die USA, nach Minsk und bis in die Ukraine,<br />
die sich auf die gesamte Programmgestaltung<br />
positiv auswirkten. Auch wäre es schön,<br />
wenn auf den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Tagungen<br />
künftig noch mehr auswärtige Experten eingeladen<br />
würden. Der Blick über den Tellerrand<br />
ist verlockend und lohnend – und ich<br />
glaube, dass genau darin die Kompetenz<br />
und Chance von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> liegt.<br />
Die Langfassungen der persönlichen Erfahrungen<br />
und Erinnerungen sowie weitere von<br />
Tobias Bader, Kirsten Fast, Werner Hilgers,<br />
Martina Krug, York Langenstein, Udo Liebelt,<br />
Hartwig Lüdtke und Markus Walz:<br />
www.icom-deutschland.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 15
Aktuelles<br />
Schutz von Kulturgütern stärken<br />
<strong>Deutschland</strong> hatte aus wirtschaftlichen Gründen den Beitritt zum UNESCO-Kulturgut-<br />
Abkommen jahrzehntelang hinausgezögert. Doch die Umsetzung 2007 in natio na les<br />
Recht war richtig und politisch nötig, bestätigt nun ein Bericht und empfiehlt sogar<br />
Nachbesserungen. Zu denen möchte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> inhaltlich beitragen.<br />
Ein vom Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien<br />
erarbeiteter Bericht zum Kulturgutschutz kommt nun zu<br />
dem Ergebnis, dass Nachbesserungen bei den bestehenden<br />
Gesetzen aus rechtlichen, aber auch aus politischen Gründen<br />
angebracht seien. So habe etwa in den vergangenen<br />
Jahren trotz mehrerer Ersuchen verschiedener Staaten das<br />
Kulturgüterrückgabegesetz in keinem Fall zur Rückgabe<br />
von Kulturgut geführt. Die Voraussetzung, dass nur für<br />
jene Kulturgüter ein Rückgabeanspruch besteht, die in<br />
einem öffentlichen, in <strong>Deutschland</strong> einsehbaren Verzeichnis<br />
des Herkunftsstaates eingetragen sind, habe sich als nicht<br />
praktikabel erwiesen. Zudem gebe es hierzulande keine<br />
effektiven Einfuhrkontrollen, wohingegen viele unserer<br />
westlichen Nachbarn hunderte von illegal gehandelten Kulturgütern<br />
an der Grenze konfiszierten und an die Herkunftsstaaten<br />
zurückgäben.<br />
Handlungsbedarf bestehe aber auch beim Kulturgutschutzgesetz<br />
von 1955 (Novellierung 2007), das Kulturgut<br />
in <strong>Deutschland</strong> vor Abwanderung ins Ausland schützen<br />
soll. Zum einen stelle die einschlägige Gesetzgebung nach<br />
dem Wegfall der Grenzkontrollen im Schengenraum keinen<br />
effektiven Schutz mehr dar, zum anderen werde es immer<br />
schwieriger, die Mittel für den Rückkauf von national<br />
wertvollem Kulturgut zu organisieren, das ins Ausland<br />
verbracht wurde und dort zur Auktion kommt.<br />
Über Schäden und politische Folgen des illegalen Handels mit Kulturgut<br />
informierte 2012 anhand aktueller Fälle eine Ausstellung des Römisch-Germanischen<br />
Zentralmuseums auf dem Flughafen München.<br />
„Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet?“,<br />
fragte Günther Schauerte 2007 in den <strong>Mitteilungen</strong>, als der<br />
Deutsche Bundestag im Jahre 2007 mit der Verabschiedung<br />
des Kulturgüterrückgabegesetzes das Gesetzgebungsverfahren<br />
für den Beitritt <strong>Deutschland</strong>s zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen<br />
von 1970 abgeschlossen hatte. Die<br />
Kritik formulierte die Vermutung, das Gesetz sei stärker an<br />
wirtschaftlichen Interessen (des Kunst- und Antiquitätenhandels)<br />
als an Maßstäben des Kulturgüterschutzes orientiert.<br />
Dabei kommt dem Kampf gegen den illegalen Handel<br />
mit Kulturgütern steigende Bedeutung zu. Dessen finanzielles<br />
Volumen beträgt einer UNESCO-Studie zufolge rund<br />
sechs Milliarden Euro bei einem geschätzten weltweiten Gesamtumsatz<br />
im Kunst- und Antiquitätenhandel von rund<br />
43 Milliarden Euro.<br />
Bestandsaufnahme: Gesetze laufen ins Leere<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterstützt Novellierung<br />
Die Bundesregierung hat erkannt, dass Kulturgüterrückgabe<br />
und Schutz vor Abwanderung von Kulturgut zwei Seiten<br />
einer Medaille sind. Eine Novellierung und Zusammenführung<br />
beider Gesetze in der nächsten Legislaturperiode<br />
biete daher die Chance, eine Gesetzgebung aus einem Guss<br />
zu schaffen.<br />
Diese Chance will <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ergreifen und beabsichtigt,<br />
eine Stellungnahme zu dem Evaluationsbericht<br />
abzugeben. Wir empfehlen unseren einschlägig interessierten<br />
Mitgliedern die Lektüre. An Ihrer Meinung sind wir<br />
sehr interessiert, schreiben Sie uns bitte an die Geschäftsstelle!<br />
Die beabsichtigte Novellierung ist nicht unumstritten.<br />
Der Kunsthandel kritisierte etwa die Verordnung 116 / 2009<br />
der EU über die Ausfuhr von Kulturgütern bereits als „Produkt<br />
europarechtlicher Regelungswut“ (Kunst und Auktionen,<br />
18. März <strong>2013</strong>, S. 42). Dabei hatte 2011 eine Studie<br />
des Statistischen Bundesamtes ergeben, dass die vom Kunsthandel<br />
2007 befürchtete Mehrbelastung durch die Aufzeichnungspflicht<br />
ausgeblieben sei. Erfahrungen aus der<br />
Schweiz zeigen überdies, dass strikte Kontrollen sogar einen<br />
Kunsthandelsplatz stärken, da Sammler die damit verbundene<br />
Rechtssicherheit schätzen.<br />
Klaus Weschenfelder<br />
Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen<br />
Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in <strong>Deutschland</strong>:<br />
www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/<strong>2013</strong>/04/<strong>2013</strong>-<br />
04-24-kulturgutschutz.html<br />
16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz <strong>2013</strong><br />
Die Weltgemeinde der Museumsexperten trifft sich in diesem Jahr in Rio de Janeiro. Sie<br />
darf mit einem Event der Superlative rechnen, denn die brasilianischen Organisatoren<br />
erwarten bis zu viertausend Teilnehmer aus rund 120 Ländern. Neben der Plattform für<br />
den fachlichen Austausch soll ihnen ein innovatives Programm geboten werden.<br />
Die 23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz und<br />
die 28. <strong>ICOM</strong>-Generalversammlung<br />
in Brasilien stehen unter dem Titel:<br />
Museums (Memory + Creativity) =<br />
Social Change. Nach 1986 in Argentinien<br />
findet die Generalkonferenz<br />
<strong>2013</strong> damit wieder in einem lateinamerikanischen<br />
Land statt. Vom 10. bis<br />
17. August werden bis zu viertausend<br />
Museumsexperten aus aller Welt in<br />
Rio de Janeiro erwartet. Tagungsort<br />
ist der von Christian de Portzamparc<br />
entworfene Kulturkomplex Cidade<br />
das Artes. Als keynote speakers sind<br />
eingeladen die Generaldirektorin der<br />
UNESCO, Irina Bokova aus Bulgarien,<br />
der Schriftsteller Mia Couto aus<br />
Mosambik, der Museologe Ulpiano B.<br />
Menezes aus Brasilien und Jorge Wagensberg<br />
Lubinski, Wissenschaftler<br />
und Museumsdirektor aus Spanien.<br />
<strong>ICOM</strong> Brasilien lockt mit zahlreichen<br />
Angeboten<br />
Die alle drei Jahre stattfindenden<br />
<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenzen bieten der<br />
internationalen Museumswelt die besten<br />
Möglichkeiten des Austausches<br />
und der Netzwerkbildung. Jedes Gastgeberland<br />
ist daher um ein besonderes<br />
Gepräge dieser Veranstaltung bemüht,<br />
so auch das Organisationsteam aus<br />
<strong>ICOM</strong> Brasilien und <strong>ICOM</strong> Rio <strong>2013</strong>.<br />
Die Generalkonferenz ist erstmals<br />
auch Nicht-<strong>ICOM</strong>-Mitgliedern zugänglich<br />
und erstmals werden Veranstaltungen<br />
mit dem Fokus auf Afrika<br />
sowie auf Lateinamerika angeboten.<br />
Parallel dazu tagen Executive Council,<br />
Advisory Committee sowie die internationalen<br />
Komitees und es findet die<br />
Museumsmesse statt – diesmal wesentlich<br />
größer geplant. Darüber hinaus<br />
locken zahlreiche Netzwerk-Möglichkeiten<br />
und eine Museumslandschaft,<br />
die Zeugnis von der enorm gestiegenen<br />
Bedeutung des kulturellen Erbes in der<br />
brasilianischen Gesellschaft ablegt.<br />
<strong>ICOM</strong>-Gremienwahlen:<br />
Deutsche Vertreter kandidieren<br />
Die Generalversammlung wählt das<br />
zehn bis sechzehn Personen umfassende<br />
Executive Council, das aus Mitgliedern,<br />
einem Schatzmeister, zwei<br />
Vizepräsidenten, einem Präsidenten<br />
und dem Vorsitzenden des Advisory<br />
Committee (von Amtes wegen) besteht.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat Hans-<br />
Martin Hinz, den derzeitigen Präsidenten<br />
von <strong>ICOM</strong> und ehemaligen<br />
Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und <strong>ICOM</strong> Europe, erneut als Kan didaten<br />
für das Präsidentenamt des Weltverbandes<br />
vorgeschlagen. Ferner kandidiert<br />
Regine Schulz, derzeit Mitglied<br />
im Executive Council und ehemals Präsidentin<br />
von CIPEG, auf Vorschlag<br />
des deutschen Nationalkomitees erneut<br />
für das Executive Council.<br />
Reisekostenzuschüsse<br />
Wir können unseren Mitgliedern Reisebeihilfen<br />
in Höhe von bis zu 500<br />
Euro gewähren. Interessenten melden<br />
sich bitte! Ferner melden sich bitte<br />
alle deutschen <strong>ICOM</strong>-Mitglieder vor<br />
Antritt ihrer Reise bei uns! Wir planen<br />
ein Treffen der deutschen Teilnehmer<br />
in Rio de Janeiro und möchten<br />
Sie rechtzeitig dazu einladen.<br />
Johanna Westphal<br />
Geschäftsführerin von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
Hinweise zu Programm, Anmeldung, Gebühren<br />
etc: http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum<br />
Reise-, Pass- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen<br />
Amtes: www.auswaertiges-amt.de/<br />
DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Brasilien-<br />
Sicherheit.html<br />
Anfragen zu Reisekostenzuschuss und Treffen<br />
der deutschen Teilnehmer in Rio:<br />
icom@icom-deutschland.de<br />
<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2016: 2. bis 9. Juli<br />
2016 in Mailand, Italien, Titel: Museums and<br />
Cultural Landscapes<br />
„If we consider museums as global embassies<br />
of culture, the International Council of Museums<br />
provides a high density of ambassadors<br />
and sources that never run out of inspiration<br />
due to their different kinds of collections.“<br />
Johannes Kyrle<br />
Secretary General of the Federal Ministry of<br />
Foreign Affairs of Austria<br />
„Huge range of knowledge and expertise<br />
brought together in one place for a few days.“<br />
Michael Houlihan<br />
Chief Executive of the Museum of New Zealand<br />
Te Papa Tongarewa<br />
„I think that the real asset of <strong>ICOM</strong> is debate;<br />
it is the possibility to exchange different opinions<br />
and to put them together in one place.“<br />
Carlos Roberto F. Brandão<br />
Professor of Museu de Zoologia da Universidade<br />
de São Paulo, President of <strong>ICOM</strong> Rio<br />
<strong>2013</strong><br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 17
Aktuelles<br />
Zur Ethik des Bewahrens<br />
Rund zweihundert Museumsexperten werden vom 17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong> zur Jahrestagung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln zusammentreffen,<br />
um Konzepte, Praxis und Perspektiven des Bewahrens zu erörtern.<br />
Als 1992 in Rio de Janeiro die UN-Konferenz zur nachhaltigen<br />
Entwicklung stattfand, standen wirtschaftliche,<br />
ökologische und finanzielle Aspekte im Mittelpunkt. An<br />
die Nachhaltigkeit im Umgang mit dem kulturellen Erbe<br />
ist damals nicht gedacht worden, was rückblickend als<br />
Versäumnis gewertet werden mag. Mittlerweile ist sie in<br />
den Fokus gerückt und es gibt Initiativen wie die der Forschungsallianz<br />
Kulturerbe (FALKE), den Umgang mit dem<br />
Kultur- und Naturerbe in die Nachhaltigkeitsstrategie der<br />
Bundesregierung aufnehmen zu lassen.<br />
Museale Sammlungen, Archive, Bibliotheken und Baudenkmäler,<br />
das gesamte materielle sowie das immaterielle<br />
Erbe dokumentieren nicht nur die Vergangenheit, sie bilden<br />
auch eine wesentliche Ressource für weiteren Fortschritt<br />
in Kultur und Wissenschaft. Der Schutz des Kultur- und<br />
Naturerbes und der Umgang damit sind zur kulturellen<br />
Praxis geworden. Sein Erhalt ist überlebensnotwendig für<br />
unsere Zivilisation.<br />
Die Substanz des Kulturerbes ist aber vom steten Verfall<br />
bedroht, der in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität<br />
verlaufen kann. Diese Bedrohung kann mit dem<br />
Maß der Nutzung des kulturellen Erbes steigen, ein Risiko,<br />
das sich beispielsweise im Kulturtourismus manifestiert.<br />
Die archäologische Denkmalpflege hat längst erkannt,<br />
dass nicht unbedingt die Ausgrabung und Bergung archäologischer<br />
Fundstätten die größte Chance auf dauerhaften<br />
Erhalt birgt, sondern mitunter ein sicherer, geschützter<br />
Verbleib im Boden.<br />
Dieser Aspekt verdeutlicht, dass die Diskussion um das<br />
Bewahren des Erbes in hohem Maße von ethischen Maßstäben<br />
bestimmt wird. Die gesellschaftliche Bedingtheit der<br />
kulturellen Praxis des Bewahrens muss offengelegt werden.<br />
Wir müssen uns vergewissern, ob das im 19. Jahrhundert,<br />
mit der Entstehung der Nationalstaaten geformte Bild von<br />
der Sinnstiftung durch kulturelles Erbe und Gedächtnis<br />
noch passt und gegebenenfalls die Beziehungen von Kulturerbe<br />
und Identität neu beschreiben und bestimmen.<br />
Wertkonflikte<br />
Die Jahrestagung wird die Fragen unter verschiedenen Aspekten<br />
behandeln. Eine erste Sektion soll sich Wertkonflikten<br />
zuwenden, die sowohl interkulturell begründet sein<br />
können, als auch aus unterschiedlichen Vorstellungen und<br />
Erwartungen von der Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes<br />
resultieren. Im weiteren Sinn gehört auch die nationale<br />
Gesetzgebung zum Kulturerbeschutz dazu. So wie <strong>Deutschland</strong>s<br />
Sicherheit von der Situation am Hindukusch berührt<br />
ist, wird das Kulturerbe vom Hindukusch von Kulturgutgesetzen<br />
in <strong>Deutschland</strong> tangiert, könnte man mit Blick<br />
auf die Gesetzgebung zur Eindämmung des illegalen Handels<br />
mit Kulturgut aus besonders bedrohten Regionen sagen.<br />
Und selbst gute Gesetze reichen nicht aus, wenn sie nicht<br />
von einem breiten gesellschaftlichen Bewusstsein getragen<br />
werden. Sammler, Händler und Museen, aber auch Politik<br />
und Rechtsprechung müssen deutlich machen, dass die<br />
Überlieferung des Kulturerbes erheblichen Schaden nimmt,<br />
wenn der illegale Handel nicht schon im Ansatz unterbunden<br />
wird.<br />
Nutzung und Abnutzung<br />
In einer weiteren Sektion geht es um Probleme von Nutzung<br />
und Abnutzung. Wo endet die Forderung nach der öffentlichen<br />
Nutzung des kulturellen Erbes, die in Einklang zu<br />
bringen ist mit konservatorischen Maßnahmen (E.C.C.O.-<br />
Richtlinien 1993), in der Dauerausstellung, im Zusammenhang<br />
mit Leihverkehr, für museumspädagogische Vermittlungsansätze?<br />
Wie kann die Museumsaufgabe des Bewahrens<br />
stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden?<br />
Welche Maßstäbe sind an die Ziele der Restaurierungstätigkeit<br />
anzulegen, welche Leitlinien werden aktuell debattiert?<br />
Neue Herausforderungen<br />
Schließlich sollen in einer dritten Sektion neue Herausforderungen<br />
erörtert werden, die beispielsweise mit Begriffen<br />
wie „präventive Konservierung“, „grünes Museum“ oder<br />
„digitales Gedächtnis“ in Verbindung stehen. Im Rahmen<br />
der Open Box, dem Forum für Kurzbeiträge aus den Reihen<br />
der Mitglieder, sollen möglichst viele Beispiele aus der<br />
Museumspraxis vorgestellt werden.<br />
Allem voran steht die Aufgabe, den Erhalt des kulturellen<br />
Erbes als unabdingbare Voraussetzung für das intellektuelle<br />
und emotionale Überleben einer Kulturgesellschaft zu<br />
verdeutlichen. Mit Spannung kann der Festvortrag erwartet<br />
werden, der am Anfang der Tagung steht und der zugleich<br />
einen Festakt zum 60jährigen Bestehen von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> einleitet.<br />
Für die Einladung, in dem 2010 neu eröffneten und mit<br />
dem Museumspreis des Europarates 2012 ausgezeichneten<br />
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt zu tagen,<br />
danken wir der Direktion und den Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern des Hauses.<br />
Mitgliederversammlung und Wahl des Vorstandes<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine diesjährige Mitgliederversammlung<br />
im Rahmen der Jahrestagung am Freitag,<br />
18. Oktober <strong>2013</strong>, um 17 Uhr, im Rautenstrauch-Joest-<br />
Museum durchführen.<br />
Dem dreijährigen Turnus von <strong>ICOM</strong> entsprechend stehen<br />
in der Mitgliederversammlung Wahlen für das Amt der Prä<br />
18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Aktuelles<br />
Foto: Martin Claßen und Arno Jansen, Köln<br />
Foto: Atelier Brückner /Michael Jungblut<br />
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt: Ansichten des Themenparcours „Der Mensch in seinen Welten“<br />
sidentin / des Präsidenten und des Vorstandes für die Jahre<br />
2014 bis 2016 an. Für die Mitarbeit im Vorstand sind insgesamt<br />
sechs Sitze zu vergeben. Des Weiteren werden gemäß<br />
der neuen Satzung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> der Kassen prüfer/die<br />
Kassenprüferin sowie dessen/deren Stellvertreter(in)<br />
gewählt, die nicht dem Vorstand angehören dürfen. <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitglieder, die bereit sind, Verantwortung und Aufgaben<br />
zu übernehmen, sind herzlich eingeladen, sich um ein Amt<br />
zu bewerben. Es ist wünschenswert, dass sich im Vorstand<br />
des Verbandes die Verschiedenartigkeit der Museumslandschaft<br />
in <strong>Deutschland</strong> ebenso spiegelt wie Alter und Geschlecht<br />
der dort tätigen Museumsfachleute.<br />
Wir bitten alle Bewerberinnen und Bewerber, ihre Kandidatur<br />
bis spätestens zum 31. August <strong>2013</strong> der Geschäftsstelle<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> schriftlich mitzuteilen. Wir<br />
stützen uns dabei auf den bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bisher<br />
beachteten Wahlmodus, aber auch auf die Wahlregularien<br />
des Internationalen Museumsrats <strong>ICOM</strong>. Im August werden<br />
die Kandidatinnen und Kandidaten auf unserer Webseite<br />
bekannt gegeben.<br />
Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei Nichtanwesenheit<br />
auf der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht auf andere<br />
stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen können,<br />
wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei<br />
abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine<br />
Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in<br />
der Geschäftsstelle.<br />
Nachwuchsförderung durch Reisestipendien<br />
Um dem Museumsnachwuchs möglichst zahlreich eine<br />
Teilnahme an unserer Jahrestagung zu ermöglichen, können<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder mit dem Status „Student“ einen Antrag<br />
auf Reisekostenzuschuss stellen. Insgesamt werden von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fünfzehn Reisebeihilfen in Höhe von<br />
bis zu 100 Euro gewährt. Interessierte wenden sich bitte<br />
bis spätestens 30. September <strong>2013</strong> per Mail an die Geschäftsstelle.<br />
Für die Bewilligung der Reisebeihilfen ist der<br />
Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend.<br />
Wir laden Sie herzlich zur Jahrestagung und zur Mitgliederversammlung<br />
<strong>2013</strong> nach Köln ein und freuen uns auf<br />
die Begegnung und den gemeinsamen Austausch mit Ihnen.<br />
Jahrestagung 2014: Save the date!<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Russland und <strong>ICOM</strong> USA<br />
werden vom 9. bis 12. September 2014 in St. Petersburg eine<br />
gemeinsame Tagung zum Motto „Museum and Politics“<br />
durchführen.<br />
Das Tagungsmotto „Museen und Politik“ bietet bei einem<br />
Zusammentreffen von Museumsfachleuten aus drei Ländern<br />
mit bedeutenden Museumstraditionen und durchaus<br />
unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und<br />
unterschiedlichen Trägermodellen Stoff für Debatten und<br />
Meinungsaustausch. Die Tagung wird in der Eremitage<br />
stattfinden, die Konferenzsprache ist Englisch. Im Rahmen<br />
der Tagung in St. Petersburg wird auch die Mitgliederversammlung<br />
2014 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranstaltet.<br />
An die Tagung schließt sich eine zweitägige Veranstaltung<br />
in Jekaterinburg am 13. und 14. September 2014 unter<br />
dem Titel „Industrial Heritage and Regional Aspects of<br />
Museum Development“ an.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> führt seit über zehn Jahren regelmäßig<br />
Fachtagungen zusammen mit den jeweiligen Nationalkomitees<br />
im Ausland durch, um die Kommunikation und<br />
den Gedankenaustausch mit Museumsprofis auf interna tio <br />
naler Ebene zu intensivieren. Partner waren bisher Frankreich,<br />
Großbritannien, Belgien, Niederlande, Österreich,<br />
die Schweiz, Polen, Ungarn und die Vereinigten Staaten von<br />
Amerika.<br />
Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
Jahrestagung <strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: 17. bis 19. Oktober im<br />
Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, Titel: Zur Ethik des Bewahrens:<br />
Konzepte, Praxis, Perspektiven.<br />
Programm, Anmeldung, Reisebeihilfen: www.icom-deutschland.de<br />
Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: icom@icom-deutschland.de<br />
Jahrestagung 2014 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: 9. bis 12. September in<br />
der Eremitage in St. Petersburg, Titel: Museum and Politics, Fortsetzung<br />
am 13. und 14. September in Jekaterinburg, Titel: Industrial<br />
Heritage and Regional Aspects of Museum Development<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 19
Rückblick<br />
36. Internationaler Museumstag<br />
Unter dem Motto „Museums (Memory + Creativity) = Social Change“ begingen im<br />
Mai <strong>2013</strong> die Museen weltweit den diesjährigen Internationalen Museumstag.<br />
Der Internationale Museumstag erfreut sich wachsender<br />
Beliebtheit und zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher in die<br />
Museen. Weltweit bieten Museen besondere Aktionen an,<br />
gewähren freien Eintritt oder veranstalten ein Fest für ihre<br />
Besucher. An diesem Tag zeigen sie, welche Schätze sich in<br />
ihren Sammlungen befinden und wofür sie sich engagieren:<br />
das ihnen anvertraute Kulturgut zu bewahren und zu<br />
vermitteln.<br />
Der vom Internationalen Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) seit 1978<br />
jährlich um den 18. Mai ausgerufene Internationale Museumstag<br />
ist die einzige Gelegenheit, bei der alle Museen,<br />
ob groß oder klein, in ländlicher Region oder in der Großstadt,<br />
gemeinsam und konzertiert auf ihr Angebot aufmerksam<br />
machen und einen Einblick in ihre Arbeit geben<br />
können.<br />
Internationale Höhepunkte<br />
Der diesjährige Internationale Museumstag<br />
stand unter dem Motto „Museums<br />
(Memory + Creativity) = Social Change“.<br />
Mehr als 32 000 Museen in 129 Ländern<br />
auf fünf Kontinenten beteiligten<br />
sich mit Sonderführungen, Workshops,<br />
Aktionen, Vorträgen, einem<br />
Blick hinter die Kulissen, mit Museumsfesten<br />
und langen Museumsnächten.<br />
Zum ersten Mal dabei<br />
war der Staat Suriname, der auf<br />
seine Museen aufmerksam machen und<br />
die Gründung eines eigenen Nationalmuseums befördern<br />
möchte. Brasilien hat den Internationalen Museumstag im<br />
Rahmen seiner 11. Museumswoche vom 13. bis 19. Mai<br />
gefeiert und Rekordzahlen bei den beteiligten Museen, den<br />
Angeboten und den Besuchern erzielt. In Tongeren (Belgien)<br />
zelebrierte das European Museum Forum die Verleihung<br />
des Museum of the Year Award. Diesjähriger Preisträger<br />
ist das Riverside Museum in Glasgow.<br />
Auf der von <strong>ICOM</strong> zum Internationalen Museumstag<br />
erstellten Webseite können Sie die Fülle der diesjährigen Aktivitäten<br />
einsehen. Die Plattformen Facebook und Twitter<br />
geben mit unzähligen Fotos und Kommentaren einen zusätzlichen<br />
Einblick in die internationalen Angebote.<br />
Nationale Höhepunkte<br />
In <strong>Deutschland</strong> begingen die<br />
Mu seen den Internationalen<br />
Museumstag am 12. Mai <strong>2013</strong><br />
unter dem Jahresmotto in seiner<br />
deutschen Fassung „Vergangenheit<br />
erinnern – Zukunft gestalten:<br />
Museen machen mit!“ Dass das<br />
Motto ernst genommen wird, sieht man an der starken<br />
Beteiligung der Museen. In <strong>Deutschland</strong> haben sich über<br />
1 600 Museen mit mehr als 10 000 Angeboten beteiligt.<br />
Die Zahl der teilnehmenden Häuser – vom großen staatlichen<br />
Museum bis zum kleinen Heimatmuseum – konnte<br />
sich von 850 im Jahr 2000 bis heute verdoppeln.<br />
Die beteiligten Museen sind in einer bundesweiten Datenbank<br />
zu recherchieren. Erstmals ist der Internationale<br />
Museumstag in <strong>Deutschland</strong> in den sozialen Netzwerken<br />
Facebook, Twitter und Pinterest vertreten. Am 27. März<br />
startete eine Blogparade, an der 39 Museen teilnahmen –<br />
von der Staatsgalerie in Stuttgart über das Technoseum in<br />
Mannheim, den Historischen Museen in Wolfsburg bis hin<br />
zum Strickmühlenmuseum in Reichenbach. Museumsmitarbeiter<br />
berichteten über den Stand ihrer Veranstaltungsvorbereitungen<br />
und über das eine oder andere Kuriosum.<br />
Für den 12. Mai wurde dann zum ersten bundesweiten<br />
Tweetup mit dem Slogan „Hier und Jetzt“ aufgerufen.<br />
Die Schirmherrschaft des Internationalen Museumstages<br />
übernimmt alljährlich der Präsident des Bundesrates,<br />
in diesem Jahr war es Winfried Kretschmann, Minis terpräsident<br />
von Baden-Württemberg. Die Pressekonferenz<br />
fand daher in Stuttgart statt, die bundesweite Auftaktver<br />
20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
anstaltung am 12. Mai mit einem symbolischen Startschuss<br />
in Ludwigsburg. Diese Auftaktveranstaltung stellte eine<br />
Besonderheit dar, denn zeitgleich eröffnete die Stadt Ludwigsburg<br />
den Um- und Erweiterungsbau „MIK Museum<br />
Information Kunst“.<br />
Die diesjährige Medienresonanz war erfreulicherweise<br />
stärker als zuvor, so berichtete am 12. Mai erstmals auch<br />
die Tagesschau über den Internationalen Museumstag.<br />
Museen machen mit!<br />
Um die Gegenwart zu begreifen und die Zukunft zu gestalten,<br />
bedarf es der Erinnerung an die Vergangenheit. Nirgendwo<br />
wird dieses Zusammenspiel deutlicher als in den<br />
Museen. Als Horte der Erinnerung, die das kulturelle Erbe<br />
bewahren, ausstellen und vermitteln, sind sie zugleich Orte<br />
der Begegnung sowie der Auseinandersetzung mit Fragen<br />
der Gegenwart und Zukunft.<br />
Globalisierung, demografischer Wandel und kulturelle<br />
Vielfalt sind nur einige Beispiele für aktuelle Themen, die<br />
sich in vielen Museumsprogrammen manifestieren. Der<br />
Blick auf die Vergangenheit oder auch auf andere Kulturen<br />
hilft, das Heute zu verstehen.<br />
Auch auf anderen Ebenen bewegen sich die Museen am<br />
Puls der Zeit. Mit innovativen Ideen arbeiten sie daran,<br />
Menschen jeder Bildungs- und Altersklasse an kultureller<br />
Bildung teilhaben zu lassen und damit die Zukunftsfähigkeit<br />
der Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Technische<br />
Errungenschaften haben den Weg in die Sammlungen, Ausstellungen<br />
und die Vermittlungsarbeit gefunden und werden<br />
weiterentwickelt und zielgruppengenau angepasst.<br />
Museen sind nicht nur dabei, sondern mittendrin, wenn<br />
es darum geht, aus dem Blick in die Vergangenheit Impulse<br />
für die Zukunft zu gewinnen. Das Motto „Vergangenheit<br />
erinnern – Zukunft gestalten: Museen machen mit!“ bot<br />
zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten, so dass jedes Museum<br />
mit seiner spezifischen Sammlung an diesem besonderen<br />
Tag teilnehmen konnte.<br />
<strong>ICOM</strong> setzt auf Kooperation<br />
Um den Internationalen Museumstag weltweit möglichst<br />
wirkungsvoll zu gestalten, arbeitet <strong>ICOM</strong> mit zahlreichen<br />
Partnern zusammen, etwa mit der Initiative The European<br />
Night of Museums, dem UNESCO-Programm Memory of<br />
the World oder dem European Museum Forum. In <strong>Deutschland</strong><br />
wird die Kommunikation des Internationalen Museumstages<br />
durch den Deutschen Museumsbund in partnerschaftlicher<br />
Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, den<br />
regionalen Museumsorganisationen und den Stiftungen und<br />
Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe koordiniert.<br />
Gemeinsam möchten wir Sie einladen, auch im nächsten<br />
Jahr wieder dabei zu sein und Ihre Aktionen zum Internationalen<br />
Museumstag auf der <strong>ICOM</strong>-Seite sowie in der<br />
bundesweiten Datenbank einzustellen, damit die Aktivitäten<br />
Ihrer Museen in der nationalen und internationalen<br />
Museumsgemeinschaft noch stärker sichtbar werden.<br />
Johanna Westphal<br />
Geschäftsführerin von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
International: icom.museum/activities/international-museum-day<br />
National: www.museumstag.de<br />
Tagesschau 12. 5. <strong>2013</strong>:<br />
www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts42052.html<br />
Nächste Termine des Internationalen Museumstags in <strong>Deutschland</strong>:<br />
18. Mai 2014, 17. Mai 2015, 22. Mai 2016<br />
Foto: Adriana Lubenova, ate-Lie “Iconography” at the Holly Metropolitan Church of Plovdiv<br />
Foto: MSAJB-Puruchuco<br />
Bulgarien: Teilnehmer eines Ikonographie-Workshops in Plowdiw<br />
Peru: Präsentation von Tanz und Volksmusik in Puruchuco<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 21
Rückblick<br />
Foto: Katrin Hieke<br />
Die Tücke des Objekts – Das Objekt und<br />
seine Wirkung auf die Besucher<br />
Erworben, gesammelt, betrachtet, gepflegt, studiert, interpretiert: Objekte bilden<br />
den Kern des Museums und stellen es zugleich vor viele Aufgaben und Herausforderungen.<br />
Das Internationale Bodensee-Symposium 2012 tastete sich mithilfe von<br />
Innen- wie Außensichten an ihre vielschichtigen Bedeutungs- und Wahrnehmungsebenen<br />
heran. Das Thema wurde gewählt, um den in der letzten Zeit über andere<br />
aktuelle Themen hinweg vernachlässigten Diskurs über die Museumsdinge wieder<br />
verstärkt in das Zentrum zu rücken.<br />
Katrin Hieke<br />
22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
1878 lieh sich der damals noch junge Scharfrichter Julius Krautz in Ermangelung<br />
eines eigenen Richtbeils eine ursprünglich für museale Zwecke angefertigte<br />
Kopie aus dem Märkischen Provinzialmuseum. Der Klempnergeselle Max<br />
Hödel war wegen eines missglückten Attentats auf Kaiser Wilhelm I. zum<br />
Tode verurteilt worden und wurde dann schließlich mit eben jener Richtbeil-<br />
Kopie enthauptet.<br />
Ist dieses Objekt, so fragte Franziska Nentwig, Generaldirektorin der Stiftung<br />
Stadtmuseum Berlin, in ihrem Vortrag, dadurch nun zu einem Original<br />
geworden, gar zu einem authentischen Objekt? Und nehmen es die Besucher<br />
dadurch nun anders war?<br />
Die „Tücken“ der Museumsobjekte und ihre Wahrnehmung durch die Besucher<br />
waren Thema des Internationalen Bodensee-Symposiums 2012. Die gemeinsame<br />
Tagung der <strong>ICOM</strong>-Nationalkommittees von Österreich, Schweiz<br />
und <strong>Deutschland</strong> fand vom 21. bis 23. Juni (leider ein wenig abseits des Bodensees)<br />
in Wolfurt statt und wurde von den österreichischen Kollegen organisiert.<br />
Die Kunst findet im Gehirn statt<br />
BERLINmacher – Zwischen Objekt<br />
und Subjekt. Ein Erfahrungsbericht<br />
Franziska Nentwig<br />
Foto: Oana Popa<br />
Sie begann nach erfrischend kurzen Grußworten mit einem Vortrag des Kognitionswissenschaftlers<br />
John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational<br />
Neuroscience Berlin zu der Frage, wie das menschliche Gehirn<br />
Kunst wahrnimmt und welches Verständnisgerüst und welche Deutungsangebote<br />
die Wahrnehmungsforschung dafür liefere. Die Wahrnehmung von<br />
Kunst, so war zu hören, spiele sich nicht im Bauch oder gar im Herzen ab,<br />
sondern allein im Gehirn; die althergebrachte Trennung von Geist und Körper<br />
kann die Wissenschaft hier also nicht aufrechterhalten. Die neuronale Repräsentation<br />
der Kunsterlebnisse, ihre Bedeutungen als auch Gedanken bei der<br />
Kunstbetrachtung sorgen für spezifische Aktivitätsmuster im Gehirn. Diese<br />
sind inzwischen erstaunlich gut messbar und darstellbar, in Form von Linien,<br />
Kurven oder Farbclustern. Forscher am Bernstein Center und an ähnlichen<br />
Einrichtungen lernen, diese zu lesen und zu interpretieren. Die verschiedenen<br />
Bedeutungen jedoch, die wir Dingen geben, und unsere unterschiedlichen Assoziationen<br />
führen zu individuellen ästhetischen Urteilen und Präferenzen,<br />
und die Darstellungen, die die Wissenschaftler auszuwerten versuchen, sind<br />
damit höchst verschieden – was die Zuhörer erleichtert aufnahmen. Nur<br />
wenige grundlegende ästhetische Prinzipien gäbe es, so John-Dylan Haynes,<br />
die wir alle teilen. Unsere Urteile aber seien häufig intuitiv, das Gehirn dabei<br />
schneller als das Bewusstsein und damit die Einflussfaktoren, warum beispielsweise<br />
etwas als schön empfunden wird oder nicht, häufig nicht bekannt.<br />
Mehr noch: unser Gehirn brauche nur partielle Informationen, die es auf<br />
Basis seiner bisherigen Erfahrungen selbst zu einem subjektiven, vollständigen<br />
Bild ergänzt bzw. interpretiert. Wer dies nicht so recht glauben konnte, dem<br />
demonstrierte John-Dylan Haynes mit kleinen, effektiven Beispielen der Bildmanipulation<br />
das Gegenteil und führte überhaupt die Zuhörer auf den schmalen<br />
Grat zwischen der Faszination, wahrnehmungsbedingtes Besucherverhalten<br />
besser zu verstehen und möglicherweise beeinflussen zu können, und der<br />
Angst, das schöne Erlebnis der Kunstbetrachtung durch Zahlen, Grafiken und<br />
naturwissenschaftliche Erklärmuster zu entzaubern.<br />
Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund folgte dem Vortrag eine engagierte Diskussion,<br />
die an den kommenden beiden Tagen immer wieder aufgegriffen wurde.<br />
Sie kreiste vor allem um die Frage der (noch nicht endgültig belegten) freien<br />
Willensentscheidung versus einer rein neuronalen Steuerung des Verhaltens;<br />
dem Wahrnehmungsunterschied zwischen dem originalen Objekt, seiner Abbildung<br />
bzw. Nachbildung und den Grenzen und Möglichkeiten objektiver<br />
Beschreibungen und Bewertungen. Sollten die Museen nun auf radikale Individualität<br />
oder eben auf die Übereinstimmungen in der ästhetischen Wahrnehmung<br />
der Besucher setzen? Neurowissenschaftliche Forschung, so lernten wir<br />
auch, findet vor allem aus technischen Gründen bislang in virtuellen Realitäten<br />
statt. Der reale Museumsbesuch mit all seinen (weiteren) sinnlichen Facetten<br />
ist bislang noch nicht abbildbar – ein Fakt, der großen Interpretationsspielraum<br />
der bereits vorhandenen wissenschaftlichen Ergebnisse liefert.<br />
Wie begeht man das Jubiläum einer Stadt,<br />
die sich in konstantem Wandel befindet?<br />
Wie wird Beweglichkeit und Wandel<br />
dargestellt? Wie verbindet man Subjekte<br />
und Objekte auf sinnfällige Weise miteinander?<br />
Wie kann die Konstruktion einer<br />
vermeintlich klassischen kulturgeschichtlichen<br />
Ausstellung durchbrochen werden?<br />
Wie die Auswahlkriterien transparent<br />
gemacht werden? Wie ermöglicht man<br />
dem Besucher Neuentdeckungen und<br />
Überraschungen im Rahmen des vermeintlich<br />
Bekannten und regt rationale und<br />
emotionale Teilhabe an? Wie gelangt man<br />
vom Subjekt zum Objekt und wie wird<br />
das Subjekt zum Objekt?<br />
Diese und weitere Fragen sollen im<br />
Rahmen des Vortrags „Berlinmacher –<br />
Zwischen Objekt und Subjekt – Ein<br />
Erfahrungsbericht“ erörtert werden.<br />
Der Vortrag nimmt die Sonderausstellung<br />
„Berlinmacher. 775 Porträts – ein Netz -<br />
werk“ des Stadtmuseums Berlin zum<br />
775. Jubi läum der Stadt in den Blickpunkt.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 23
Rückblick<br />
Die schöne Kunst im Museum<br />
Foto: Koeksch un Qualm, CC BY-NC-ND 2.0<br />
Technische Objekte – zwischen Nutzung<br />
und Bewahrung<br />
Wolfgang Meighörner<br />
Technikorientierte Museen erfreuen sich<br />
großer Beliebtheit, nicht zuletzt aufgrund<br />
der technischen Exponate, die sie<br />
notwendigerweise sammeln, erforschen<br />
und präsentieren. Nun ist die Technik ja als<br />
sogenannte „exakte Wissenschaft“ geneigt,<br />
Emotionen eher zu negieren. Im Museum<br />
aber lösen gerade diese Exponate zahlreiche<br />
Emotionen aus, so dass sich die<br />
Frage stellt: Wodurch gelingt ihnen das? Ist<br />
es ihr blitzender Chrom, sind es ihre Geräusche<br />
oder Gerüche? Ist es schlicht die<br />
Form? Oder vielmehr doch die Funktion?<br />
Das lässt sich häufig nicht so genau<br />
feststellen – eben wegen der unterschiedlichen<br />
emotionalen Qualität der Exponate<br />
und der individuellen Emotionalität der<br />
Betrachter. Sicher aber scheint, dass vor<br />
allem die Inbetriebnahme des Exponats<br />
eine Gefahr für dessen Erhalt darstellt – und<br />
damit auf den ersten Blick dem Bewahrungsauftrag<br />
des Museums zuwiderläuft.<br />
Aber ist das wirklich so?<br />
Wilfried Seipel, Präsident des österreichischen <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees, lieferte<br />
am nächsten Morgen den zweiten Auftaktvortrag, nun aus Museumsperspektive.<br />
Er nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch die Museumsgeschichte,<br />
indem er die sich wandelnde Wahrnehmung musealer, vor allem künstlerischer,<br />
Objekte im Laufe der Zeit beschrieb: von Reiz und Rührung war die Rede,<br />
von Staunen und Emotion ebenso wie von der objektiven Darstellung subjektiver<br />
Wirkung durch die Neurowissenschaft. Er warb für eine Verbindung der<br />
neurobiologischen Erkenntnisse, von denen am Vortag die Rede war, mit geisteswissenschaftlichen<br />
Fragestellungen. Diese Neuroästhetik solle helfen, zu<br />
einer besseren Kenntnis der Wahrnehmungsprozesse zu gelangen; das Plädoyer<br />
schloss jedoch auch die Wiederkehr zum Erhabenen, der Ruhe im Museum,<br />
der Befreiung vom „Info-Balast“ durch Audio-Guides oder Museumslabels ein.<br />
Kurzum, das (Kunst-)Museum solle wieder mehr ein stiller Erbauungsort sein<br />
denn ein „soziales Event“. Wären mehr junge Museumswissenschaftler anwesend<br />
gewesen, hätte es an dieser Stelle vielleicht deutlicheren Protest gegeben.<br />
Die Diskussion stieß sich vor allem daran, dass die geforderte Neuroästhetik<br />
die Wahrnehmung von Objekten auf die Kategorie „Schönheit“ reduzieren<br />
würde. Da jedoch auch nicht ästhetisch schöne Dinge fesseln können, ergab<br />
sich die Frage, welche Bedeutung und welche möglichen Konsequenzen all diese<br />
Überlegungen für Museen anderer Sparten haben.<br />
Objekt, Reproduktion und Aura<br />
Werner Schweibenz von der Universität Konstanz beleuchtete „Das Museumsobjekt<br />
im Zeitalter seiner digitalen Repräsentierbarkeit“. Wie verändert die<br />
virtuelle und digitale Welt das Objekt und die Wahrnehmung von Originalen<br />
und ihren Reproduktionen? Galt früher ein alter „Sicherheitsabstand“ zwischen<br />
dem Original und den davon deutlich unterscheidbaren Objektfotografien,<br />
so bergen die neuen technischen Möglichkeiten viele Chancen, beispielsweise<br />
die wesentlich bessere Erfassung der Informationsdimension des Objekts und<br />
seines Kontextes, aber auch neue Herausforderungen.<br />
Wie nehmen Ausstellungsbesucher<br />
au then tische Objekte wahr?<br />
Stephan Schwan<br />
Welche Rolle spielen Objekte für die Aus -<br />
einandersetzung der Besucher mit den<br />
Inhalten einer Ausstellung? Museen zeichnen<br />
sich generell durch die vielfältige<br />
Verwendung von Gegenständen aus, sei es<br />
in Form authentischer Originale, sei es als<br />
Demonstrationsmodelle oder als interaktiv<br />
zu erkundende Hands-on-Exponate. Vor<br />
diesem Hintergrund gibt der Vortrag einen<br />
Überblick über aktuelle Befunde der<br />
Besucherforschung und der Kognitionswissenschaften<br />
zur psychologischen Wirkung<br />
authentischer Objekte auf die Besucher<br />
und diskutiert mögliche Implikationen für<br />
die Praxis.<br />
Foto: Katrin Hieke<br />
24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
Werner Schweibenz wies darauf hin, dass die Debatte um den Verlust der<br />
Aura im digitalen Zeitalter übersieht, dass Walter Benjamin auch drei wesentliche<br />
Vorteile der Reproduktion gegenüber dem Original beschreibt: Sie erlaube<br />
neue Sichtweisen, die sonst nicht möglich sind; sie könne das Abbild in<br />
Situationen bringen, die für das Original selbst nicht erreichbar sind; und die<br />
Reproduktion könne dem Betrachter entgegenkommen. Aura, so führte er<br />
weiter aus, könne sich unter bestimmten Umständen auch auf Reproduktionen<br />
übertragen oder ausstrahlen; mithin könne es auch eine „virtuelle“ oder „mediale“<br />
Aura geben. Die neuen Medien werden von den Besuchern zunehmend<br />
als eigenwertig angesehen, was zu interessanten Phänomenen in der Rezeption<br />
von Museumsobjekten führen kann. So geschehen mit einer gelbstichigen digitalen<br />
Reproduktion des „Milchmädchens“ von Johannes Vermeer aus dem<br />
Rijksmuseum in Amsterdam, die im Internet kursierte und zur Folge hatte,<br />
dass die Besucher beim Anblick des Originals dessen Authentizität anzweifelten.<br />
Der oftmals polarisierenden Debatte rund um die neuen Medien hatte Werner<br />
Schweibenz schlussendlich klug entgegenzusetzen, dass sowohl das Original<br />
als auch seine digitale Repräsentation Erfahrungen vermitteln würden und<br />
schon allein deshalb beide nicht in Konkurrenz stünden, noch die Repräsentation<br />
sekundär sei.<br />
Museale Praxis<br />
Die folgenden Vorträge gaben konkretere Einblicke in die museale Praxis. Einen<br />
sehr erfrischenden Ansatz präsentierte Barbara Keller vom Alpinen Museum<br />
der Schweiz in Bern. Die momentane Neuein- und -ausrichtung schließt<br />
ein radikales Überdenken der bisherigen musealen Arbeit mit ein. So entstand<br />
die Ausstellung „Berge versetzen. Eine Auslegeordnung“, der es gelingt, nicht<br />
nur neue Ausstellungsweisen zu erproben, sondern auch die eigene kuratorische<br />
Arbeit und den spezifischen Auftrag des Berner Museums zu hinter- und beim<br />
(zwischen Begeisterung und Verstörung schwankenden) Publikum zu erfragen.<br />
Wolfgang Meighörner von den Tiroler Landesmuseen, Innsbruck, legte den<br />
Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die technischen Objekte im Museum.<br />
An Beispielen zeigte er, dass deren Betrieb oft weiteren wichtigen Kontext und<br />
Foto: Alpines Museum der Schweiz, Bern<br />
Objekte versetzen Berge – Die Neueröffnung<br />
des Alpinen Museums der Schweiz<br />
Barbara Keller<br />
1 200 Objekte stehen im Zentrum der<br />
Neueröffnung des Alpinen Museums:<br />
Bergschuhe, Rettungsschlitten, Bergreliefs,<br />
kartographische Messgeräte, Thermoskannen,<br />
Skihelme, Berggemälde, Hüttenbücher<br />
etc. Die 1 200 Exponate – ausgelegt<br />
auf dem Fußboden und begehbar über<br />
einen Holzsteg – ermöglichen eine neue<br />
Perspektive auf die Themenvielfalt des<br />
Alpinen Museums. Die Ausstellung „Berge<br />
versetzen“ thematisiert das Alpine Museum<br />
mit seinem wertvollen, teilweise auch<br />
skurrilen Sammlungsbestand und stellt die<br />
Gretchenfrage: Wozu ein Alpines Museum?<br />
Was sammelt ein Alpines Museum? Welche<br />
Themen sollen in diesem Haus verhandelt<br />
werden?<br />
Die spielerische Auseinandersetzung<br />
geschieht unter direktem Einbezug des Publikums.<br />
Die Besucherinnen und Besucher<br />
nehmen zu Sammlungsschwerpunkten<br />
und Ausstellungsthemen Stellung. Für<br />
das Alpine Museum ist „Berge versetzen“<br />
der Ausgangspunkt zur Erarbeitung eines<br />
Sammlungskonzepts für die Zukunft.<br />
Foto: Katrin Hieke<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 25
Rückblick<br />
Foto: Deutsches Museum<br />
Wahrscheinlich würde man etwas mehr<br />
erschauern – Eine empirische Untersuchung<br />
zur Wirkung von Originalen und<br />
Nachbildungen auf Museumsbesucher<br />
Constanze Hampp<br />
Authentische Objekte aus vergangenen<br />
Zeiten, von fernen Orten oder aus dem<br />
Besitz berühmter Persönlichkeiten bilden<br />
nach wie vor das Herzstück vieler Museen.<br />
Die meisten dieser Objekte erhalten ihre<br />
Bedeutung durch das Bekanntwerden ihrer<br />
Geschichte. Erst wenn der Besucher weiß,<br />
dass es sich in der Vitrine um echtes Mondgestein<br />
handelt, wird der profane Kiesel<br />
hinter Glas zum faszinierenden Objekt. Was<br />
allerdings verändert sich beim Besucher,<br />
wenn es sich beim Exponat tatsächlich um<br />
einen profanen Kiesel handelt, der sich nur<br />
nicht sichtbar von echtem Mondgestein<br />
unterscheidet? Was passiert, wenn anstatt<br />
des Originals eine identische Nachbildung<br />
ausgestellt ist?<br />
Im Rahmen eines Dissertationsprojektes<br />
wird die Wirkung von Originalen und<br />
Nachbildungen auf Museumsbesucher<br />
in mehreren Experimenten sowohl mit<br />
quantitativen als auch mit qualitativen Methoden<br />
untersucht. Im Mittelpunkt stehen<br />
ausgewählte Objekte in unterschiedlichen<br />
Ausstellungen des Deutschen Museums,<br />
die den Besuchern abwechselnd entweder<br />
als Originale oder als Nachbildungen<br />
präsentiert werden.<br />
Das Vorarlberg-Museum in Bregenz<br />
(1857 gegründet) ist das kunst- und<br />
kulturgeschichtliche Landesmuseum des<br />
Bundeslandes Vorarlberg. Für Juni <strong>2013</strong> ist<br />
nach vierjähriger Bauzeit die Eröffnung des<br />
Neubaus geplant.<br />
damit verbunden besondere Wahrnehmungsmöglichkeiten biete, was allerdings<br />
konträr zur Bewahrungsaufgabe auch technischer Objekte stünde.<br />
Die Wahrnehmung von Objekten und Möglichkeiten der Beeinflussung<br />
von Besuchern durch bestimmte Rahmenbedingungen ist Forschungsthema<br />
am Leibnitz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Stephan Schwan erläuterte<br />
sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Studien zu<br />
Wahrnehmung und Wirkung von authentischen Objekten aus der Sicht der<br />
Kognitionswissenschaftler und griff damit sowohl den Eröffnungsvortrag<br />
als auch einen Kurzvortrag von Constanze Hampp auf. Im Rahmen ihrer<br />
Doktorarbeit studiert sie die Wirkung von Originalen versus Nachbildungen<br />
anhand kleiner Versuche, die sie im Deutschen Museum in München durchführt.<br />
Beeindruckend offen und kritisch hinterfragend berichtete Franziska<br />
Nentwig über die Konzeption und Umsetzung der Ausstellung „Berlinmacher.<br />
775 Portraits – ein Netzwerk“. An vielen Beispielen wie dem eingangs<br />
zitierten Richtbeil illustrierte sie die „Tücken der Objekte“, die sich sowohl<br />
in Wahrnehmungsfragen wie auch in Darstellungsproblemen zeigen. Trotz allem<br />
zieht sie jedoch ein überaus optimistisches und motivierendes Fazit, nach<br />
dem Museen trotz aller Hürden die große Chance haben, sich immer wieder neu<br />
zu erfinden, zu experimentieren und – vielleicht zu unserem letztendlichen<br />
Glück – doch nie ganz tiefenpsychologisch greifbar zu werden. Das Beil jedenfalls,<br />
das 1878 für die Hinrichtung des Attentäters ausgeliehen wurde, ging<br />
nach Vollstreckung des Todesurteils zurück in die Sammlungen des Museums<br />
und war – im Kontext seiner ungewöhnlichen Geschichte – ebenfalls in der beschriebe<br />
nen Ausstellung zu sehen.<br />
Schlussendlich kamen noch die naturwissenschaftlichen Objekte zum Zug.<br />
Das Naturhistorische Museum Wien wählte aufgrund wiederholter Nachfragen<br />
von Besuchern einhundert „Top-Objekte“ aus seinem stolze dreißig Millionen<br />
Objekte zählenden Bestand aus. Brigitta Schmid berichtete über diesen Prozess,<br />
der vor allem einen Marketingzweck verfolgte. Ein gewollter Nebeneffekt<br />
war aber auch, das Verständnis der Museumsarbeit intern wie extern zu erhöhen.<br />
Die Tücken der Arbeit mit den vielfältigen Bedeutungsebenen der Objekte,<br />
die – für ein naturwissenschaftliches Museum nicht eben typisch – auch<br />
böhringer friedrich via Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0-at<br />
26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
die kulturhistorische Relevanz stark betonte, wurde in mehreren Beispielen<br />
eindrücklich belegt.<br />
Den rätselhaften, teils gar mysteriösen, aber auf alle Fälle vielschichtigen Eigenheiten<br />
der Objekte im Museum ist die Tagung mit ihren spannenden Einblicken<br />
sowohl in aktuelle Forschungen als auch in die tägliche Museumspraxis<br />
ein kleines Stück nähergekommen.<br />
Exkursionsprogramm<br />
Traditionell enden die Bodensee-Symposien mit Exkursionen in nahe gelegene<br />
Museen. In diesem Jahr führten sie uns nach Bregenz. Fachkundige Führungen<br />
genossen wir zum einen in der aktuellen Ausstellung des Künstlers Danh Vö<br />
im Kunsthaus Bregenz und auf der Baustelle des Neubaus des Vorarlberg-Museums.<br />
Bregenz erhält mit ihm in prominentester Lage zwischen Stadtraum und<br />
Bodensee ein architektonisch wie inhaltlich hochmodernes Museum, das gemeinsam<br />
mit Kunsthaus und Theater das neue Kunstzentrum der Stadt bilden<br />
und prägen wird. Die Eröffnung ist für Juni <strong>2013</strong> geplant, ein Wiederkommen<br />
nach Bregenz wird sich spätestens dann lohnen.<br />
Katrin Hieke ist als freiberufliche Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin tätig, u. a. für<br />
projekt2508 Gruppe. Darüber hinaus verfasst sie gegenwärtig am Ludwig-Uhland-Institut<br />
für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen ihre Dissertation;<br />
kontakt@katrinhieke.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
<strong>ICOM</strong> Österreich plant die Herausgabe eines Tagungsbandes.<br />
www.icom-oesterreich.at<br />
Das Internationale Bodensee-Symposium 2015 wird in der Schweiz stattfinden.<br />
100 Top-Objekte im NHM – Akzeptanz<br />
und Rezeption<br />
Brigitta Schmid<br />
Foto: NHM Wien<br />
Die Bedeutung zahlreicher Objekte in der<br />
Schausammlung des Naturhistorischen Museums<br />
Wien reicht aufgrund ihres Alters oft<br />
weit über den vordergründigen, naturwissenschaftlichen<br />
Informationsgehalt hinaus.<br />
Bei näherer Betrachtung erschließen sich<br />
vielfältige zusätzliche Bedeutungsebenen,<br />
die sich nicht auf historische Gesichtspunkte<br />
wie die Geschichte der Sammlungen,<br />
die Geschichte des Hauses und<br />
verschiedenste Aspekte der Wissenschaftsgeschichte<br />
beschränken, sondern auch<br />
gesellschaftliche und politische Entwicklungen<br />
widerspiegeln, ja sogar literarische<br />
Bezüge erkennen lassen.<br />
Diese kulturhistorische Relevanz, die eine<br />
intensivere, von herkömmlichen Kriterien in<br />
naturhistorischen Museen teilweise abweichende<br />
Rezeption der Objekte begünstigt,<br />
war unter anderem ausschlaggebend für<br />
die Auswahl der Top 100 aus den ca. dreißig<br />
Millionen Objekten des Naturhistorischen<br />
Museums Wien. Da die oft komplexen<br />
Zusammenhänge durch herkömmliche Beschriftungen<br />
nicht in befriedigender Weise<br />
erläutert werden können, wurde eine Kombination<br />
alternativer Vermittlungsschienen<br />
gewählt, die von den Besucherinnen und<br />
Besuchern sehr positiv aufgenommen<br />
wurden und unzweifelhaft nicht nur einen<br />
anderen Blick auf einzelne Objekte zur Folge<br />
haben, sondern auch zu einem besseren<br />
Verständnis für die vielfältigen Aufgaben<br />
naturwissenschaftlicher Sammlungen<br />
und naturhistorischer Museen insgesamt<br />
beitragen.<br />
Foto: Katrin Hieke<br />
Die Teilnehmer hatten im Juni 2012 die<br />
Gelegenheit, die Baustelle des Neubaus des<br />
Vorarlberg-Museums in Bregenz zu<br />
besuchen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 27
Rückblick<br />
Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
für den Zeitraum von September 2011 bis Juni 2012<br />
gehalten vor der Mitgliederversammlung am 22. Juni 2012 in Wolfurt, Österreich<br />
Im Mittelpunkt der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> stehen die Förderung<br />
internationaler Kontakte der Mitglieder, die Unterstützung<br />
der Projekte des Weltverbandes, die Kommunikation mit den Mitgliedern,<br />
die Verbreitung von museumsethischen Richtlinien und die<br />
Bereitstellung von Angeboten zur Qualifikation und Weiterbildung.<br />
Bei der Aufnahme von Mitgliedern wird besonderer Wert auf Professionalität<br />
im Museumsbereich gemäß den Statuten von <strong>ICOM</strong> gelegt,<br />
zugleich wird der veränderten Ausbildungs- und Laufbahnsituation<br />
in der Museumsarbeit Rechnung getragen.<br />
Mitglieder<br />
Der Verband hat derzeit 4 693 Mitglieder (Stand 1. Juni 2012). Durch<br />
Tod hat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Berichtszeitraum folgende Mitglieder<br />
verloren: Prof. Dr. Winfried Baer, Dr. Alexandra Dern, Dr. Richard<br />
W. Gassen, Dr. Ekkart Klinge, Dr. Rolf Kultzen, Dr. Sabine Leutheußer,<br />
Dr. Annik Pietsch, Ingeborg Preuß, Dr. Eckhard Schaar, Prof. Dr. Ulrich<br />
Schießl, Dr. Johann Eckart von Borries, Hubert Vogl und Renate Wald.<br />
Haushalt 2012<br />
Im Gesamthaushalt des Jahres 2012 in Höhe von 577.700 Euro ist<br />
auf der Einnahmen- und Ausgabenseite ein Betrag von 381.700 Euro<br />
enthalten, der aufgrund der Gebührenfestlegung des Weltverbandes<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erhoben und an das Generalsekretariat<br />
nach Paris weitergereicht wird. Weitere Einnahmen entstehen durch<br />
einen Aufschlag von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den Mitgliedsbeitrag<br />
(103.500 Euro), durch die Zuwendung des Beauftragten der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien (92.000 Euro) sowie durch den Verkauf<br />
von eigenen Publikationen.<br />
Bei den Ausgaben addieren sich zu den nach Paris weitergeleiteten<br />
Beiträgen die Aufwendungen für Personal in der Geschäftsstelle<br />
und für Honorare für freie Mitarbeit (110.000 Euro), die Ausgaben für<br />
Geschäftsbedarf und Kommunikation (34.000 Euro), die Reisekosten<br />
des Vorstands und der Geschäftsstelle (13.000 Euro), die projekt bezogenen<br />
Ausgaben wie Reisebeihilfen für deutsche Mitglieder in internationalen<br />
Komitees, die finanzielle Unterstützung von Tagun gen<br />
internationaler Komitees in <strong>Deutschland</strong>, die Durchführung der Jahrestagung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sowie die Ausgaben für Kooperationsprogramme<br />
und für Publikationen (39.000 Euro).<br />
Die Beitragssätze bleiben für <strong>2013</strong> unverändert. Wegen des erhöhten<br />
Verwaltungs- und Betreuungsaufwandes für die stetig anwachsende<br />
Zahl von Mitgliedern wird auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in<br />
der Mitgliederversammlung <strong>2013</strong> über eine maßvolle Erhöhung seines<br />
Beitragsaufschlages zur finanziellen Absicherung der Geschäftsstelle<br />
ab 2014 zu entscheiden haben.<br />
Projekte<br />
Jahrestagung 2011<br />
Die gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn in Budapest ausgerichtete Jahrestagung<br />
vom 22. bis 25. September 2011 widmete sich der Frage, in<br />
welcher Weise die Aus- und Weiterbildung für Museumsberufe auf<br />
die neuen Herausforderungen einer sich verändernden Museumsarbeit<br />
reagiert. Im Vergleich zwischen Ungarn und <strong>Deutschland</strong> ergaben<br />
sich interessante Erkenntnisse und fruchtbare Diskussionen. Der<br />
internationale Fachdialog wurde durch die Gastfreundlichkeit und<br />
das kollegiale Engagement der ungarischen Partner besonders gefördert.<br />
Die politische Umbruchsituation in Ungarn und ihre Auswirkung<br />
auf die Kultur- und Museumslandschaft war Gegenstand vieler<br />
persönlicher Gespräche unter Kollegen. Durch gezielte Ansprache<br />
von jüngeren Referenten und Referentinnen und durch die Vergabe<br />
von 14 Reisestipendien an Mitglieder mit dem Status „Student“ ist es<br />
gelungen, die Teilnehmerzahl unter den Nachwuchskräften zu steigern.<br />
Jahrestagung 2012<br />
Unter dem Titel „Die Tücke des Objekts“ findet vom 21. bis 23. Juni<br />
in Wolfurt bei Bregenz das Internationale Bodensee-Symposium 2012<br />
von <strong>ICOM</strong> Österreich, <strong>ICOM</strong> Schweiz und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> statt.<br />
<strong>ICOM</strong> Österreich ist für die Organisation der inspirierenden Tagung<br />
herzlich zu danken. Von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurden erneut Reisestipendien<br />
an Mitglieder mit Studenten-Status vergeben, bei Interesse<br />
können Stipendien auch noch nachträglich beantragt werden.<br />
Internationaler Museumstag 2012: Welt im Wandel – Museen im<br />
Wandel<br />
Der Internationale Museumstag 2012 wurde in bewährter Zusammenarbeit<br />
mit dem Deutschen Museumsbund, den regionalen Museumsämtern<br />
und den Museumsverbänden sowie mit finanzieller<br />
Unterstützung der Sparkassen-Finanzgruppe geplant und durchgeführt.<br />
<strong>Deutschland</strong>weit beteiligten sich über 1 600 Museen mit<br />
einem vielfältigen und anspruchsvollen Programm. Am 15. Mai 2012<br />
fand in der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern in<br />
München eine Pressekonferenz im Beisein von Staatsminister Dr. Wolfgang<br />
Heubisch statt. Der Museumstag wurde am 20. Mai 2012 bei<br />
einer Auftaktveranstaltung im Neuen Museum in Nürnberg eröffnet.<br />
Der Präsident vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bei der Pressekonferenz<br />
und hielt eine Ansprache bei der Auftaktveranstaltung.<br />
Leitfaden zur vorbeugenden Konservierung<br />
Für die Erarbeitung des auf Initiative von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gemeinsam<br />
mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz herauszugebenden<br />
Leitfadens „Vorbeugende Konservierung“ konnte der Direktor des<br />
Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin, Professor<br />
Dr. Stefan Simon, gewonnen werden. Der Leitfaden, der auf die<br />
Notwendigkeit ganzheitlichen Denkens und Handelns bei dem Bemühen<br />
um den Erhalt des kulturellen Erbes hinweisen soll, wird den<br />
Mitgliedern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Er soll auch als<br />
Argumentationshilfe im Gespräch mit Museumsträgern bei der Planung<br />
von Maßnahmen dienen.<br />
Strategischer Plan von <strong>ICOM</strong><br />
Der Strategische Plan 2011–<strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> wurde ins Deutsche<br />
übersetzt und in den <strong>Mitteilungen</strong> 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veröffentlicht.<br />
Er steht auch auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zur Einsicht bereit.<br />
Kooperationen<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war 2011/12 ideeller Partner eines deutsch-polnischen<br />
Workshops „Das offene Museum“, der nach Vermittlung der<br />
polnischen Anfrage an die Bundesakademie für kulturelle Bildung<br />
Wolfenbüttel von dort aus zu einem bilateralen Projekt zur Entwicklung<br />
kreativer Museumspädagogik und partizipativer Ansätze der<br />
Alltagsanthropologie für Museen entwickelt wurde. Die Abschluss-<br />
28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
veranstaltung fand am 11. Mai 2012 in Genshagen unter Beteiligung<br />
von Vorstandsmitglied Dr. Matthias Henkel (Vortrag) und Geschäftsführerin<br />
Johanna Westphal M.A. statt.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterstützt gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Belarus das<br />
Goethe-Institut Minsk und Tradicia History Service (Dr. Kristiane<br />
Janeke) bei der Durchführung der Seminarreihe „Museen als Bildungsorte<br />
im 21. Jahrhundert“ zu Fragen des Ausstellungs- und<br />
Museumsmanagements. <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Mitglied Katrin Hieke<br />
M. A. führte am 13. April 2012 in Minsk das ganztägige Seminar „Museum<br />
Marketing as an Instrument of a Systematic Management<br />
Process“ durch. Frau Hieke vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> am 2. Juni 2012<br />
beim Internationalen Museumsfestival Intermuseum 2012 in Moskau<br />
auch mit einem Vortrag unter dem Titel „Building Sus tainable Cultural<br />
Tourism in a Regional Community“.<br />
Förderungen<br />
Es sind Reisekostenzuschüsse vorgesehen für die Teilnahme deutscher<br />
Mitglieder an den Tagungen der internationalen Komitees von<br />
<strong>ICOM</strong> im Ausland und Zuschüsse für Tagungen von internationalen<br />
Komitees von <strong>ICOM</strong> in <strong>Deutschland</strong>. Da 2012 voraussichtlich keine<br />
Tagungen in <strong>Deutschland</strong> stattfinden werden, sind noch Reisebeihilfen<br />
zu vergeben.<br />
In Jahr 2011 unterstützte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> finanziell und logistisch<br />
die Jahrestagungen von<br />
· ICME (International Committee for Museums and Collections of<br />
Ethnography), 2. bis 5. Oktober 2011, Bad Staffelstein, Kloster Banz:<br />
„Dissolving Boundaries. Museological Approaches to National,<br />
Social and Cultural Issues“, unter persönlicher Beteiligung von<br />
Vorstandsmitglied Dr. Matthias Henkel,<br />
· ICEE (International Committee for Exhibition and Exchange), 24.<br />
bis 26. Oktober 2011, Berlin, Deutsches Historisches Museum: „Go<br />
Interna tional! The Challenge of Creating International Exhibitions“,<br />
unter persönlicher Beteiligung von Vorstandsmitglied Dr. Gabriele<br />
Pieke,<br />
· und die gemeinsame Tagung von COMCOL (International Committee<br />
for Collecting), CAMOC (International Committee for the<br />
Collections and Activities of Museums of Cities) und <strong>ICOM</strong> Europe<br />
(International Council of Museums Europe Alliance), 31. Oktober bis<br />
3. November 2011, Berlin, Museen Dahlem (Staatliche Museen<br />
zu Berlin): „Participative Strategies in Documenting the Present“,<br />
unter persönlicher Beteiligung von Vorstandsmitglied Dr. Franziska<br />
Nentwig.<br />
Publikationen<br />
<strong>Mitteilungen</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Als zentrales Mitteilungsorgan des Verbandes sind die <strong>Mitteilungen</strong><br />
im Juni 2012 vorgelegt worden. Sie geben einen umfassenden Überblick<br />
über die Aktivitäten in den internationalen Komitees und über<br />
die Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />
Newsletter<br />
Die Kommunikation mit den Mitgliedern soll durch die regelmäßige<br />
Versendung (zweimonatlich) eines Newsletters intensiviert werden.<br />
Er wird elektronisch versendet, bei Interesse kann die E-Mail-Adresse<br />
in der Geschäftsstelle hinterlegt werden.<br />
Checklist on Ethics of Cultural Property Ownership<br />
In Kooperation von <strong>ICOM</strong> und der Koordinierungsstelle Magdeburg<br />
wurde die Checklist on Ethics of Cultural Property Ownership (Checklis<br />
te zu ethischen Aspekten beim Eigentum an Kulturgütern) herausgegeben.<br />
Diese Checkliste informiert in knapper Form über die hohe<br />
nationale und internationale Bedeutung und Notwendigkeit ethisch<br />
verantwortungsvollen Handelns im Museumsbereich und fasst die<br />
Kernaussagen der acht Prinzipien des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums<br />
zusammen. Die Checkliste ist in englischer Fassung sowie in deutscher<br />
Übersetzung auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verfügbar.<br />
Die deutschsprachige Übersetzung der Checkliste wurde von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranlasst und ist auch von <strong>ICOM</strong> Österreich autorisiert<br />
worden.<br />
Stellungnahmen<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nahm in einer Pressemitteilung vom 8. Februar<br />
2012 differenziert Stellung zur Debatte um die Ausleihe des Dürer-<br />
Portraits aus München für die Ausstellung „Der frühe Dürer“ im<br />
Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.<br />
Vorstandsmitglied Dr. Franziska Nentwig erarbeitete für <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> eine kritische Stellungnahme zum Änderungsentwurf<br />
der PSI-Richtlinie (Private Sector Information) der Europäischen<br />
Kommission, die dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />
und Medien zugeleitet wurde (verfügbar auf der Webseite von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>). Die Novelle der Richtlinie sieht vor, Museen in den<br />
Kreis derjenigen öffentlichen Einrichtungen aufzunehmen, die Informationen<br />
(Daten, Bilder) zur kostenlosen, auch kommerziellen,<br />
Weiternutzung bereitstellen sollen.<br />
Weitere Aktivitäten des Vorstandes<br />
Im Berichtszeitraum wurden bisher drei Vorstandssitzungen abgehalten<br />
(23. September 2011, 6. Februar 2012 und 21. Juni 2012).<br />
Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den<br />
Sitzungen des Deutschen Kunstrats. Der Präsident nimmt als stellvertretender<br />
Vorsitzender regelmäßig an den Sitzungen des Fachbeirates<br />
der Koordinierungsstelle Magdeburg teil. Er ist Mitglied des<br />
Standing Committee of Finances & Ressources und nahm an der<br />
Sitzung des Komitees am 21. November 2011 in Paris teil. Auf Einladung<br />
der Museen der Stadt Nürnberg hielt er am 21. Oktober 2011<br />
einen Festvortrag auf der Tagung „Bewahrt die Kunst“. Im Rahmen<br />
des Treffens von „Best in Heritage“ am 16. November 2011 während<br />
der Exponatec in Köln vertrat der Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit<br />
einem Grußwort. Geschäftsführerin und Präsident nahmen an der<br />
Sitzung des Advisory Committee und an der General Assembly von<br />
<strong>ICOM</strong> vom 4. bis 6. Juni 2012 in Paris teil.<br />
Geschäftsstelle<br />
Die Arbeit der Geschäftsstelle ist über die genannten Projekte hinaus<br />
in hohem Maße durch die Erfordernisse der Mitgliederbetreuung<br />
(Neuaufnahme, Datenbankpflege, Gebühreneinzug und Abrechnung<br />
mit dem Generalsekretariat in Paris, Beantwortung von Anfragen,<br />
Vermittlung von Kontakten etc.) geprägt.<br />
Die Geschäftsführerin, unterstützt durch Vorstandsmitglied Dr. Stéphanie<br />
Wintzerith, vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit einem Informa tionsstand<br />
auf der Exponatec, Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung<br />
und Kulturerbe, in Köln vom 16. bis 18. November 2011.<br />
In kontinuierlicher Zusammenarbeit mit dem <strong>ICOM</strong>-Generalsekretariat<br />
in Paris wirkte die Geschäftsstelle bei der deutschen Übersetzung<br />
der Roten Liste der gefährdeten Kulturgüter Ägyptens mit,<br />
die am 9. Mai 2012 im Beisein von Dr. Hans-Martin Hinz (Präsident<br />
von <strong>ICOM</strong>), Prof. Dr. Mamdhouh Eldamat (Kulturrat der Arabischen<br />
Republik Ägypten), Kurt Machens (Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim)<br />
und der Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Prof.<br />
Dr. Regine Schulz, vorgestellt wurde. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war durch<br />
die Geschäftsführerin Johanna Westphal M. A. vertreten.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 29
Rückblick<br />
Eine enge Kooperation pflegt die Geschäftsstelle ferner mit dem<br />
Deutschen Museumsbund und den Museumsverbänden in <strong>Deutschland</strong>,<br />
insbesondere bei der Durchführung des Internationalen Museumstages.<br />
Beträchtlichen Verwaltungs- und Organisationsaufwand bedeutete<br />
die Umsetzung von Hinweisen aus dem Prüfbericht des Bundesverwaltungsamtes<br />
(Ausschreibungen, Abschluss von Rahmenverträgen,<br />
Büroorganisation, Buchungssoftware, Arbeitsplatzbeschreibun gen).<br />
Schließlich wurde von der Geschäftsstelle in den vergangenen Monaten<br />
die neue Satzung für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in eine beschlussreife<br />
Form gebracht. Die juristische Prüfung übernahm RA Burghard von<br />
Bargen (Kanzlei), ferner wurden das Finanzamt Berlin und der Beauftragte<br />
der Bundesregierung für Kultur und Medien um Stellungnahme<br />
gebeten. Für seine aktive Mitwirkung sei Herrn Dr. Werner Hilgers<br />
ganz herzlich gedankt.<br />
Ausblick<br />
Vom 22. bis 24. November 2012 findet die Mutec 2012 gemeinsam<br />
mit der denkmal 2012, der europäischen Messe für Denkmalpflege,<br />
Restaurierung und Altbausanierung, in Leipzig statt. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
wird dort mit einem Stand vertreten sein.<br />
Im Mai <strong>2013</strong> begehen die Museen weltweit den 36. Internationalen<br />
Museumstag. Das von <strong>ICOM</strong> festgelegte Motto für <strong>2013</strong> lautet<br />
„Museums (Memory + Creativity) = Social Change“. In <strong>Deutschland</strong><br />
feiern die Museen das Ereignis am 12. Mai <strong>2013</strong>.<br />
Vom 10. bis 17. August <strong>2013</strong> findet die 23. <strong>ICOM</strong> Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro, Brasilien, statt.<br />
Vom 17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong> findet im Rautenstrauch-Joest Museum<br />
– Kulturen der Welt, Köln, die Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
unter dem Titel „Die Ethik des Bewahrens“ statt. Auf der Mitgliederversammlung<br />
wird der Vorstand neu gewählt. Interessenten an<br />
einem Vorstandsamt sind herzlich eingeladen, sich zu bewerben.<br />
Die Modalitäten werden rechtzeitig auf der Webseite von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> bekanntgegeben.<br />
Vom 20. bis 22. November <strong>2013</strong> findet die nächste Exponatec Cologne<br />
statt. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird dort mit einem Stand vertreten<br />
sein.<br />
Weitere Informationen sind zu finden unter<br />
www.icom-deutschland.de.<br />
Dank<br />
Der Rückblick legt wiederum eine beachtliche Bilanz offen. Dies zu<br />
erreichen war nur möglich durch die Mitwirkung zahlreicher engagierter<br />
Mitglieder von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, durch die lebhafte und<br />
kompetente Beteiligung aller Mitglieder des Vorstandes und in besonderer<br />
Weise durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen<br />
der Geschäftsstelle unter der umsichtigen Leitung von Johanna<br />
Westphal M.A.<br />
Dr. Klaus Weschenfelder<br />
Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Protokoll der Mitgliederversammlung 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
22. Juni 2012<br />
CUBUS, Wälderstr. 5<br />
6922 Wolfurt (Österreich)<br />
Zahl der erschienenen, stimmberechtigten Mitglieder: 35<br />
Anzahl der Stimmen: 39<br />
Leiter der Versammlung:<br />
Dr. Klaus Weschenfelder, Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Protokoll:<br />
Dr. Franziska Nentwig, Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Begrüßung<br />
Der Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> eröffnet um 17.00 Uhr die Mitgliederversammlung<br />
und begrüßt die Teilnehmenden. Er stellt fest,<br />
dass die Ladungsfrist und notwendigen Formalien zur Sitzung eingehalten<br />
worden sind.<br />
Der Präsident stellt anschließend fest, dass die notwendige Mitgliederzahl<br />
zur Beschlussfassung gemäß Punkt 4, Absatz 3 der Geschäftsordnung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht gegeben ist. Auf Mitglieder-Antrag<br />
schließt der Präsident die Sitzung um 17.05 Uhr und<br />
beruft zeitgleich eine neue Sitzung ein.<br />
Um 17.06 Uhr eröffnet er die neue Mitgliederversammlung, die<br />
nunmehr beschlussfähig ist.<br />
TOP 1: Billigung der Tagesordnung<br />
Die Tagesordnung wird gebilligt.<br />
TOP 2: Benennung der Protokollführung<br />
Der Präsident beauftragt Frau Dr. Franziska Nentwig mit der Protokollführung.<br />
TOP 3: Bericht des Präsidenten und Vorstellung des Haushaltes<br />
Der Präsident legt seinen Bericht über die Aktivitäten von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> in der Zeit von September 2011 bis Juni 2012 schriftlich<br />
vor und trägt diesen in Auszügen vor (vgl. Anlage 1 zu TOP 3).<br />
Die Namen der verstorbenen Mitglieder werden verlesen, ihrer wird<br />
durch die Mitgliederversammlung mit einer Schweigeminute gedacht:<br />
Prof. Dr. Winfried Baer, Dr. Alexandra Dern, Dr. Richard W. Gassen,<br />
Dr. Ekkart Klinge, Dr. Rolf Kultzen, Dr. Sabine Leutheußer, Dr.<br />
Annik Pietsch, Ingeborg Preuß, Dr. Eckhard Schaar, Prof. Dr. Ulrich<br />
Schießl, Dr. Johann Eckart von Borries, Hubert Vogl und Renate<br />
Wald.<br />
TOP 4: Aussprache zum Bericht<br />
Mitglieder fragen nach den Gründen für die niedrige Teilnehmerzahl<br />
des diesjährigen Internationalen Bodensee-Symposiums in Wolfurt.<br />
Herr Dr. Weschenfelder führt aus, dass die jüngsten Tagungsbesuche<br />
in Budapest und Leipzig sehr zufriedenstellend gewesen seien, jedoch<br />
nicht die in Wolfurt. Möglichweise liege es an der aufwändigen<br />
Anfahrt nach Wolfurt oder einer verspäteten Kommunikation des<br />
Tagungsprogramms.<br />
Fazit der Diskussion (Wortmeldungen u. a. Herr Henker, Frau Lernbecher,<br />
Frau Krug, Frau Beier-de Haan) zu Ort und Inhalt des Boden-<br />
30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Rückblick<br />
see-Symposiums: Die Ursachenforschung soll im Zusammenwirken<br />
mit den Mitgliedern geschehen (z. B. Befragung in Newsletter etc.).<br />
Einige Mitglieder plädieren für eine Tagung mit direktem Ortsbezug<br />
zum Bodensee. Das Format „Arbeitsgruppen“ erfüllt nicht optimal<br />
damit verknüpfte Erwartungen, Überlegungen zu einer Adaption<br />
des Leipziger Formates „Open Box“ sollen angestellt werden.<br />
TOP 5: Genehmigung des Jahresberichtes und Entlastung des<br />
Vorstandes<br />
Das Mitglied Herr Hilgers beantragt die Entlastung des Vorstandes<br />
für die zurückliegende Arbeitsperiode. Die Entlastung in Bezug auf<br />
Jahresbericht und Finanzplanung wird mit 33 Ja-Stimmen, 6 Enthaltungen<br />
(Präsident und Vorstand) und keiner Gegenstimme beschlossen.<br />
TOP 6: Satzungsänderung/-neufassung: Vorstellung und Beschlüsse<br />
Der Präsident berichtet über den aktuellen Stand der Diskussion<br />
zur Satzung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Aus drei Gründen sind Anpassungen<br />
dringlich notwendig: Die Satzung ist veraltet und muss an<br />
die Erfordernisse der Gegenwart angepasst werden. Die Gemeinnützigkeit<br />
soll angestrebt werden, um u. a. attraktiv für Spender zu<br />
werden. Eine Eintragung ins Vereinsregister ist unerlässlich, um die<br />
persönliche Haftung des Vorstands auszuschließen.<br />
Zwei Beschlussvorlagen werden schriftlich vorgelegt. In der Folge<br />
arbeiten die Mitglieder und der Vorstand die Satzung in reger Diskussion<br />
detailliert durch (Wortmeldungen aus dem Plenum u. a. von<br />
Herrn Hilgers, Herrn Winter, Herrn Hinz, Frau Beier-de Haan, Herrn<br />
Walz, Herrn Schefzyk). Weiterer Änderungsbedarf wird erörtert und<br />
geeignete Formulierungen werden entwickelt.<br />
In der Diskussion wird neben dem konkreten verbalen Veränderungsbedarf<br />
festgestellt, dass es sich in rechtlicher Hinsicht nicht um eine<br />
Neugründung des Vereins handelt, weshalb das vorgeschlagene<br />
Procedere der Satzungsänderung möglich ist. Ferner wird festgestellt,<br />
dass die neue Satzung ein taugliches Arbeitsinstrument auch hinsichtlich<br />
der Entscheidungskriterien zur Aufnahme neuer Mitglieder<br />
für Vorstand und Geschäftsführung sein soll, ein gewisses Maß an<br />
„elastischer Formulierung“ bei den Kriterien der Mitgliedschaft beibehalten<br />
werden muss, da die Vielfalt museumsrelevanter Berufsbilder<br />
enorm wächst, die Einzelfallprüfung von Mitgliedsanträgen<br />
auch in Zukunft fortgeführt werden soll, Mitglieder, deren beruflicher<br />
Bezug zur Museumsarbeit vorübergehend in den Hintergrund tritt,<br />
aus Kulanzgründen ihre Mitgliedschaft zeitlich befristet (bis zu 2 Jahre)<br />
aufrecht erhalten können, der Vorstand auch weiterhin aus Personen<br />
aus dem aktiven Museumsdienst bestehen soll, um aktuelle<br />
museumsbezogene Kompetenz zu nutzen, die Mitgliederversammlung<br />
hinsichtlich ihrer Entscheidungsbefugnis gestärkt werden<br />
soll.<br />
Im Anschluss an die Diskussion fasst die Mitgliederversammlung folgende<br />
Beschlüsse:<br />
1. Die Mitgliederversammlung beschließt mit 39 Ja-Stimmen ohne<br />
Enthaltung oder Gegenstimme, die bestehende Geschäftsordnung<br />
mit Wirkung zum 1. Januar <strong>2013</strong> aufzuheben. Diese Geschäftsordnung<br />
wird ersetzt durch eine Satzung wie im Entwurf vom 10. Mai<br />
2012 formuliert (vgl. Anlage 2 zu TOP 6) mit folgenden Änderungen<br />
und Ergänzungen (siehe hervorgehobene Textpassagen):<br />
§ 2, Ziffer 2, Satz 2: „Er vertritt die Anliegen der Museen bzw. des Museumswesens<br />
und organisiert die Arbeit von <strong>ICOM</strong> in <strong>Deutschland</strong><br />
entsprechend den jeweils geltenden Satzungen und Ordnungen von<br />
<strong>ICOM</strong>.“<br />
§ 2, Ziffer 2, Satz 3: „Der Verein und seine Mitglieder erkennen die<br />
Satzung von <strong>ICOM</strong> (Statutes) und seiner Ordnungen (<strong>ICOM</strong> Internal<br />
Rules and Regulations), insbesondere des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />
Museums, in der jeweils gültigen Fassung an.“<br />
§ 7, Ziffer 3, Absatz 2, Satz 2: „Er entscheidet über den Abschluss und<br />
die Kündigung von Arbeitsverträgen sowie bei Rechtsgeschäften<br />
mit einem Geschäftswert von mehr als 15.000 €.“<br />
§ 4, Ziffer 1, Absatz 1, Satz 1: „Mitglieder des Vereins sind die individuellen,<br />
institutionellen, assoziierten, fördernden und Ehren-Mitglieder<br />
von <strong>ICOM</strong>, die ihren Wohnsitz bzw. Sitz in <strong>Deutschland</strong> haben.“<br />
§ 6, Ziffer 2, Absatz 1, Satz 1: „Die Mitgliederversammlung beschließt<br />
unter anderem über Änderungen der Satzung.“<br />
§ 6, Ziffer 8, Absatz 1, Satz 1: „Alle stimmberechtigten Mitglieder und<br />
die schriftlich Bevollmächtigten von institutionellen Mitgliedern von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> haben gleiches Stimmrecht und aktives Wahlrecht.“<br />
§ 7, Ziffer 3, Absatz 2, Satz 4 wird gestrichen: „Im Übrigen entscheidet<br />
der Vorstand über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung<br />
und Angelegenheiten, für die er sich die Beschlussfassung<br />
vorbehalten hat.“<br />
Ein Mitglied verlässt den Saal.<br />
2. Die Mitgliederversammlung beschließt mit 38 Ja-Stimmen ohne<br />
Enthaltung oder Gegenstimme: Für den Fall, dass das zuständige<br />
Finanzamt oder das Registergericht die Satzungsbestimmungen zur<br />
Gemeinnützigkeit (vgl. Beschluss 1) beanstanden sollte, wird der Vorstand<br />
ermächtigt, die betreffenden Satzungsbestimmungen durch<br />
einstimmigen Beschluss so zu ändern, dass die Anerkennung der<br />
Gemeinnützigkeit gewährleistet ist.<br />
TOP 7: Verschiedenes<br />
Herr Hilgers bittet Herrn Hinz, einen Neudruck der <strong>ICOM</strong>-Statuten<br />
und des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums zu veranlassen, da inhaltlich<br />
differierende Versionen im Umlauf seien. Herr Hinz informiert,<br />
dass derzeit die Statuten in Paris in Überarbeitung befindlich seien<br />
mit dem Ziel, sie zum Ende des Jahres dem Executive Council und<br />
im Anschluss der Generalversammlung <strong>2013</strong> zur Entscheidung vorzulegen.<br />
Der Präsident bedankt sich bei Vorstand und Geschäftsführung für<br />
die gute Zusammenarbeit und bei den Mitgliedern für ihre engagierte<br />
Mitwirkung und Gestaltung der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und schließt um 19.10 Uhr die Sitzung.<br />
Berlin, den 2. August 2012<br />
gez.<br />
Dr. Franziska Nentwig<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 31
Internationale Komitees<br />
Kulturschätze zwischen den Fronten<br />
Islamistische Gruppierungen haben bei ihrer Besetzung der nördlichen Teile Malis<br />
nicht nur unter der Bevölkerung gewütet, sondern auch schwere Schäden am kulturellen<br />
Erbe des Landes angerichtet. Die UNESCO und die Desaster Relief Task Force<br />
von <strong>ICOM</strong> helfen nun bei der Sicherung und dem Erhalt dieser Kulturschätze.<br />
Thomas Schuler<br />
Im März 2012 fand in Malis Hauptstadt<br />
Bamako ein Militärputsch statt.<br />
Im April wurden dann die Hauptstädte<br />
der nördlichen Provinzen Kidal,<br />
Tim buktu und Gao von Rebel len überrannt.<br />
Zu diesem Aufstand hatten sich<br />
zwei sehr unterschiedliche Gruppen<br />
verbündet: die Tuareg-Re bel len, die –<br />
nach mehreren vergeblichen Anläufen<br />
– einen unabhängigen säkularen<br />
Staat errichten wollten, und die Salafisten,<br />
die Mali in einen Gottes staat<br />
umwandeln wollten. Diese heteroge ne<br />
Allianz hielt jedoch nicht lang; die radikalen,<br />
von Al Kaida unter stüt zten Islamisten<br />
setzten sich schließlich durch.<br />
Die bedrohten Kulturstätten<br />
Für die Kulturschätze dieser Region<br />
war das folgenreich. Während die Tuareg<br />
ihr Kulturerbe schützten, standen<br />
die Salafisten den Stätten sufischer<br />
Frömmigkeit feindlich gegenüber. Ihr<br />
Fundamentalismus richtete sich gegen<br />
alles, was ihnen nach Heiligenverehrung<br />
aussah.<br />
Welche Kulturstätten waren konkret<br />
bedroht? In Gao waren es das Regionalmuseum,<br />
das zweitälteste Museum<br />
in Mali, und das Grabmal von Askia,<br />
eine der beiden malischen UNESCO-<br />
Welterbestätten. Zum Zeitpunkt der<br />
Rebellion war das Regionalmuseum<br />
wegen eines Umbaus seiner Ausstellung<br />
geschlossen, so dass alle Exponate<br />
ausgelagert und in Sicherheit waren.<br />
Für das monumentale Grabmal von<br />
Askia hatten die Fanatiker zwar die<br />
Zerstörung geplant, die Bevölkerung<br />
konnte dies jedoch verhindern.<br />
In Timbuktu sah es anders aus. Die<br />
Stadt verfügt über ein bescheidenes<br />
eth nographisches Museum und über<br />
zahlreiche Baudenkmale, darunter drei<br />
Lehmmoscheen sowie sechzehn Mausoleen<br />
und Friedhöfe, in denen heilige<br />
und gelehrte Männer verehrt wurden –<br />
ebenfalls eine UNESCO-Welterbestätte.<br />
Von den sechzehn Mausoleen wurden<br />
dreizehn durch die Islamisten<br />
zerstört. Der Verlust der Baudenkmale<br />
wog schwer, noch größere Sorgen bereite<br />
ten uns jedoch die Manuskripte.<br />
Die historischen Handschriften<br />
Im 16. Jahrhundert war Timbuktu eine<br />
Drehscheibe des Trans-Sahara-Handels<br />
und mit mehreren Universitäten<br />
auch ein Zentrum islamischer Bildung.<br />
Zudem galt die Stadt nicht nur<br />
als das Tor zur islamisch-arabi schen<br />
Wissenschaft des Nordens, sondern<br />
der Einfluss der Universitäten führte<br />
auch zur Weiterentwicklung und Verschriftlichung<br />
afrikanischer Gelehrsamkeit.<br />
Aus der Zeit vom 12. bis<br />
16. Jahrhundert sind weit über hunderttausend<br />
Manuskripte erhalten. Sie<br />
konnten die verschiedenen Fremdherrschaften<br />
der späteren Jahrhunder te (von<br />
der maro kkanischen bis zur französischen)<br />
überstehen, weil sie sich in<br />
Familienbesitz befanden und von Generation<br />
zu Generation weitergegeben<br />
wurden. Die Zerstörung dieser Manuskripte<br />
hätte einen unermesslichen<br />
Verlust bedeutet, denn es gibt keine andere<br />
Region südlich der Sahara, der<br />
über derartige Schätze verfügt.<br />
In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
begann man – zunächst mit Unterstützung<br />
Kuwaits, später auch Südafrikas<br />
– diese Manuskripte zu sichten,<br />
in öffentlichen Bibliotheken zugänglich<br />
zu machen, nach modernen Standards<br />
zu konservieren und schließlich<br />
zu digitalisieren. Anfang des Jahres<br />
2012 gab es dann vier größere öffentliche<br />
Bibliotheken, davon drei in Privatbesitz<br />
mit rund 10 000 Manuskripten<br />
und eine staatliche mit 30 000 Manuskripten;<br />
letztere verfügt zwar über<br />
einen Neubau, die Hauptbestände lagerten<br />
jedoch im alten Bibliotheksgebäude.<br />
Die bibliothekarische Aufarbeitung<br />
stand noch in den Anfängen<br />
und erst ein Bruchteil war digitalisiert.<br />
Die Mehrzahl der Manuskripte befand<br />
sich weiterhin in Familienbesitz und<br />
war völlig unerschlossen. Die Islamis<br />
32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ten besetzten nun das moderne Gebäude<br />
und plünderten die Büroeinrichtung<br />
und insbesondere die Computer.<br />
Nachdem sie über den Wert der Manuskripte<br />
aufgeklärt worden waren, versprachen<br />
sie zwar, diese zu schützen,<br />
jedoch war davon nichts zu sehen,<br />
denn sie benutzten das Gebäude weiterhin<br />
als eines ihrer Hauptquartiere.<br />
Die Aufgaben von <strong>ICOM</strong><br />
Gao: Couragierte Einwohner konnten die<br />
Zer störung des Grabes von Askia verhindern.<br />
Timbuktu: Die meisten Handschriften der Bibliothek konnten zwar vor der völligen Zerstörung<br />
gerettet, müssen aber mithilfe von Experten restauriert und digitalisiert werden.<br />
Zunächst ging es für uns darum, sorgfältig<br />
Informationen zusammenzutragen<br />
und uns ein genaues Bild über das<br />
Kulturerbe und seine Gefährdung zu<br />
machen. Dies wurde erheblich dadurch<br />
erschwert, dass die meisten verantwortlichen<br />
Einheimischen und alle Ausländer<br />
fliehen mussten und die Islamisten<br />
sich abschotteten – bis hin zur<br />
Zerstörung von Mobilfunkmasten.<br />
Doch es gelang mir, mit Bibliotheksmitarbeitern,<br />
Besitzern von Privatbibliotheken<br />
und dem UNESCO-Betreuer<br />
Kontakt aufzunehmen. Sehr eng<br />
arbeitete ich auch mit dem südafrikanischen<br />
Forschungsinstitut zusammen,<br />
das die bibliothekarische Arbeit in<br />
Timbuktu betreut. Außerordentlich<br />
hilfreich war die Städtepartnerschaft<br />
zwischen Timbuktu und meiner Heimatstadt<br />
Chemnitz. Dank dieser guten<br />
Kontakte übernahm ich – im Rahmen<br />
der Zusammenarbeit mit Blue Shield –<br />
auch Recherchen zu Bibliotheken, Baudenkmälern<br />
und Archiven.<br />
In einem zweiten Schritt bemühten<br />
wir uns, das Interesse der Weltöffentlichkeit<br />
für die Kulturschätze dieser<br />
Region zu wecken. Als aber die Islamisten<br />
im Juli die Mausoleen zerstört<br />
hatten, um gezielt die Weltöffentlichkeit<br />
zu provozieren, richteten wir – in<br />
Abstimmung mit den südafrikani schen<br />
Kollegen – unsere Öffentlichkeitsarbeit<br />
neu aus: Wir lehnten nun Interviews<br />
zu den Manuskripten ab und<br />
spielten deren Gefährdung herunter.<br />
Wir verwiesen auf die Zusage der Islamisten,<br />
die Manuskripte zu schützen,<br />
und darauf, dass sie bis dahin<br />
nichts beschädigt hatten. Mit dieser<br />
Vorgehensweise wollten wir das durch<br />
die zerstörten Mausoleen entfachte<br />
Medieninteresse von den Manuskripten<br />
weglenken – einige dieser Schriften<br />
stammten ja aus der Feder just jener<br />
heiligen Männer, deren Grabstätten<br />
die Islamisten kurz zuvor zerstört hatten.<br />
Dabei kam uns entgegen, dass die<br />
Schriften thematisch breit gefächert<br />
waren, von sufischer Mystik ebenso<br />
handelten wie von Naturwissenschaften<br />
und Astrologie.<br />
Hinter dieser „Mauer des Schweigens“<br />
gelang es, den gesamten in der<br />
ehemaligen Bibliothek gelagerten Fundus<br />
mit rund 25 000 Manuskripten,<br />
unter Lebensmitteln versteckt, auf<br />
Lastkähnen über den Niger nach Süden<br />
zu schaffen. Auch die privaten<br />
Computer und Festplatten der Bibliotheksmitarbeiter,<br />
die Kopien der Datenbanken<br />
und digitalisierten Schriften<br />
enthielten, wurden auf riskanten<br />
Wegen nach Bamako geschmuggelt.<br />
Dabei leisteten die deutsche Botschaft<br />
und der niederländische Prince Claus<br />
Fund wesentliche logistische und finanzielle<br />
Hilfe. Als dann beim Einmarsch<br />
der französischen Truppen ein<br />
Fernsehteam des Senders Sky die leeren<br />
Vitrinen und ein paar verbrannte<br />
Manuskripte filmte, war der Aufschrei<br />
der internationalen Öffentlichkeit groß.<br />
Wir hatten nun die angenehme Aufgabe,<br />
die „Totalzerstörung“ zu dementieren.<br />
Was den dritten Schritt, die internationale<br />
Hilfe, betrifft, so erarbeitet<br />
die UNESCO derzeit einen umfassenden<br />
Plan, und <strong>ICOM</strong> ist beratend<br />
tätig. Die Hauptaufgabe wird nach gegenwärtiger<br />
Einschätzung darin liegen,<br />
die Baudenkmäler wiederherzustellen<br />
sowie die historischen Manuskripte<br />
zu restaurieren und rasch zu digitalisieren.<br />
Die Zerstörungen in Mali sind jedoch<br />
kein Einzelfall. Seit 2011 wurden<br />
in sieben islamischen Staaten sufische<br />
Gedenkstätten und Bibliotheken angegriffen.<br />
Diese in den letzten Jahren<br />
zunehmende Vernichtung von traditionsreichen<br />
Baudenkmälern wird<br />
innerhalb der islamischen Welt kontrovers<br />
diskutiert, ein öffentlicher Aufschrei<br />
des Westens blieb aus.<br />
Dr. Thomas Schuler ist seit 2005 Präsident<br />
der Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>. Im<br />
Rahmen von Hilfsmissionen zum Schutz von<br />
Kulturgütern war er in den vergangenen Jahren<br />
in zahlreichen Krisenregionen unterwegs;<br />
th.schuler@t-online.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Berichte zu den Einsätzen in Mali und<br />
Ägypten finden sich auf der Facebook-Seite<br />
der Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 33
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Verbandstreffen 2012 in Paris<br />
Executive Council, Generalversammlung und Advisory Committee von <strong>ICOM</strong> versammelten<br />
sich vom 4. bis 6. Juni 2012 zu ihren jährlichen Arbeitstreffen. Rund zweihundert<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder nutzten in Paris die Gelegenheit zum Expertengespräch in<br />
den Gremiensitzungen und in Workshops sowie zur persönlichen Begegnung auf<br />
dem Empfang in der Cité de la musique.<br />
Stéphanie Wintzerith<br />
Foto: <strong>ICOM</strong><br />
Einmal im Jahr trifft sich die <strong>ICOM</strong>-<br />
Gemeinschaft. So will es die Satzung<br />
und das ist gut so, denn jede Gelegenheit<br />
zum Austauschen und Kontakte-<br />
Knüpfen ist willkommen. Ein nach<br />
fran zösischem Recht eingetragener Verein<br />
muss mindestens eine Mitgliederversammlung<br />
pro Jahr abhalten, sagt<br />
das Gesetz, unabhängig von der Anzahl<br />
der Anwesenden. Es trifft sich<br />
gut, dass zwei andere Organe des Vereins,<br />
nämlich der Executive Council<br />
und das Advisory Comitee, auch in<br />
regelmäßigen Abständen tagen sollen.<br />
Legt man alle drei Treffen auf ein gemeinsames<br />
Datum, kann man von der<br />
Anwesenheit vieler engagierter Mitglieder<br />
ausgehen. Das sind die sogenannten<br />
June meetings – oder die<br />
Generalkonferenz, wenn die internationalen<br />
Komitees ebenfalls ihre Jahrestagungen<br />
gleichzeitig abhalten.<br />
Nun zu den June meetings 2012:<br />
Eröffnet werden diese frühsommerlichen<br />
Treffen in den Gebäuden der<br />
UNESCO in Paris mit dem Advisory<br />
Committee, also der Versammlung der<br />
Präsidenten aller nationalen und in<br />
34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ternationalen Komitees sowie regionalen<br />
Allianzen. Insgesamt finden über<br />
zwei Tage verteilt zwei Plenarsitzungen,<br />
eine getrennte Sitzung der nationalen<br />
bzw. internationalen Komitees<br />
und Workshops statt. Parallel dazu<br />
hält der Executive Council seine Arbeitstreffen.<br />
Am dritten Tag wird die<br />
Mitgliederversammlung abgehalten.<br />
Abgerundet wird das Programm mit<br />
dem Vortrag eines Gastredners – dieses<br />
Jahr ging es um das Art Project<br />
von Google – und einem Abendempfang,<br />
zu dem die Cité de la musique,<br />
das Musikmuseum in La Vilette (Paris),<br />
eingeladen hatte.<br />
Was bedeuten diese drei Tage für<br />
<strong>ICOM</strong> genau? Zunächst einmal die<br />
Einhaltung der gesetzlichen und satzungsgemäßen<br />
Auflagen und somit<br />
die Vermeidung von Strafen und sonstigen<br />
rechtlichen Unannehmlichkeiten.<br />
Es klingt sehr formal, furchtbar<br />
langweilig und staubtrocken – zugegeben,<br />
das ist es zeitweise auch. Aber<br />
immer seltener.<br />
Zum Zweiten kristallisiert sich um<br />
diese Treffen eine rege Geschäftigkeit<br />
zur Vor- und Nachbereitung. Es müssen<br />
Fristen eingehalten werden, um<br />
die Arbeitsdokumente rechtzeitig zu<br />
verschicken und die Information auf<br />
den neuesten Stand zu bringen. Projekte<br />
müssen bis dahin abgeschlossen<br />
sein, damit sie vorgestellt werden können.<br />
Es müssen Entscheidungen vorbereitet<br />
werden, die dann zur Debatte<br />
stehen oder beschlussreif aufgegriffen<br />
werden. Kurz und gut, diese formalen<br />
Auflagen sind ein Ansporn, den riesigen<br />
Berg an Arbeit zu erledigen, den<br />
so ein großer Verein mit sich zieht.<br />
Das Sekretariat bewältigt den Löwenanteil<br />
dieser Arbeit.<br />
Zum Dritten bieten diese Treffen<br />
hervorragende Möglichkeiten, die Vereinsinformationen<br />
weiterzugeben.<br />
Der Präsident berichtet über die Tätigkeiten<br />
des vergangenen Jahres – beeindruckend,<br />
was <strong>ICOM</strong> im Jahre 2011<br />
schon geleistet hat – die Schatzmeisterin<br />
über das Budget: Wir erhalten<br />
Einsicht, was mit den Mitgliedsbeiträgen<br />
geschieht, wie die Komitees und<br />
diverse Projekte finanziert werden,<br />
was abgeschlossen ist und was noch<br />
ansteht. Verantwortliche berichten<br />
über die Lage der Museen in Ländern,<br />
in denen sie durch Konflikte oder Naturkatastrophen<br />
gefährdet sind. Das<br />
Sekretariat stellt die Neuerungen in<br />
der Mitglieder- und Komiteeverwaltung<br />
(z. B. das Eröffnen von Bankkonten<br />
für internationale Komitees) sowie<br />
die neue Kommunikationsplattform<br />
<strong>ICOM</strong>munity vor. Natürlich erhalten<br />
Präsident, Executive Council und Sekretariat<br />
auch viele Informationen<br />
über die Erfolge, Nöte und Wünsche<br />
der Komitees, die sich an den Diskussio<br />
nen beteiligen und in den Pausen<br />
die Gelegenheit zum weiteren Austausch<br />
beim Schopfe packen.<br />
Der vierte Baustein sind die Workshops.<br />
In kleineren Gruppen sollen<br />
sich die Teilnehmer einbringen und<br />
Erfahrungen austauschen, Anregungen<br />
geben und Lösungen ausarbeiten.<br />
Drei Themen wurden angeboten: Museumsmanagement<br />
in einer sich wandelnden<br />
Welt, illegaler Handel mit<br />
Kulturgütern sowie Museen und Exzellenz.<br />
Die Ergebnisse dieser Diskussionsrunden<br />
wurden von deren Moderatoren<br />
zusammengefasst und am<br />
nächsten Tag im Plenum vorgestellt.<br />
Hoffen wir, dass die sinnvoll sten Anregungen<br />
auch umgesetzt werden.<br />
In den Jahren <strong>2013</strong> und 2016 werden<br />
keine June meetings in Paris stattfinden,<br />
denn <strong>2013</strong> trifft sich ganz<br />
<strong>ICOM</strong> in Rio de Janeiro – wir üben<br />
schon mal den Sambaschritt – und<br />
2016 dann in Mailand, bella Italia!<br />
Auch das gehört zu den Beschlüssen<br />
dieser Pariser Treffen. Womit wir wieder<br />
beim allergrößten Familientreffen<br />
des Vereins wären, der Generalkonferenz.<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige<br />
Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefragungen<br />
und Evaluationen auf nationaler<br />
und internationaler Ebene für Museen<br />
und weitere Kultureinrichtungen durch.<br />
Sie ist Mitglied des Vorstandes von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>; swi@wintzerith.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Protokoll des 27. Treffens der Generalversammlung<br />
von <strong>ICOM</strong> am 6. Juni 2012 und<br />
Bericht des <strong>ICOM</strong>-Präsidenten:<br />
icom.museum/the-governance/generalassembly<br />
Protokoll des 123. Treffens des Executive<br />
Council von <strong>ICOM</strong> am 6. Juni 2012:<br />
icom.museum/the-governance/executivecouncil/<br />
Protokoll des 76. Treffens des Advisory Committee<br />
von <strong>ICOM</strong> am 4. und 6. Juni 2012:<br />
icom.museum/the-governance/advisorycommittee/<br />
Foto: <strong>ICOM</strong><br />
Gastredner der <strong>ICOM</strong>-Jahrestreffen 2012 war<br />
Amit Sood, Leiter des Art Project von Google.<br />
Er präsentierte Konzept und Ziele der Plattform<br />
im Kontext der digitalen Entwicklung.<br />
Anschließend diskutierte er mit den Museumsexperten<br />
die Erwartungen an und die Bedenken<br />
gegen das Art Project.<br />
Im Juni 2012 ging das Netzwerk <strong>ICOM</strong>munity<br />
online. Ziel ist es, mithilfe einer modernen<br />
und benutzerfreundlichen Kommuni ka tions -<br />
plattform die Verbandsarbeit zu erleichtern<br />
sowie die Zusammenarbeit der Museumsexperten<br />
über alle Grenzen hinweg zu<br />
unterstützen. Information, Austausch und<br />
Vernetzung sollen durch weitere Features<br />
schrittweise verbessert werden.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 35
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Zeitreise durch die Welt der<br />
europäi schen Musikinstrumente<br />
Die Datenbank zu den historischen Musikinstrumenten Europas ist seit 2011 online<br />
zugänglich und befindet sich nun in der Ausbauphase. Sie präsentiert die Sammlungen<br />
der beteiligten Museen, führt Objektinformationen zusammen und setzt<br />
Standards in der Dokumentation. Unter Leitung von CIMCIM wird sie gepflegt, neuen<br />
Bedürfnissen angepasst und um weitere Bestände ergänzt.<br />
Eszter Fontana<br />
Foto: Janos Stekovics<br />
Das Spinett wurde 1571 von Benedicti<br />
Floriani in Venedig gebaut. Der Korpus ist<br />
von unregelmäßig sechseckiger Form mit<br />
vorstehender Klaviatur. Die Außenseite der<br />
Klaviaturwand und die äußeren Klaviaturbacken<br />
sind im Stile islamischer Bucheinbände<br />
in qualitativ herausragender Weise<br />
bemalt. Die MIMO-Datenbank enthält<br />
neben einer umfangreichen Beschreibung<br />
des Korpus wie der Zierelemente auch die<br />
Abbildung des Instrumentes und einen<br />
Literaturhinweis.<br />
Durch ein im September 2009 begonnenes<br />
und zwei Jahre später erfolgreich<br />
beendetes Projekt gibt es nun<br />
eine europäische Datenbank zu his torischen<br />
Musikinstrumenten, Musical<br />
Instrument Museums Online (MIMO).<br />
Sie umfasst rund 60 000 Einträge,<br />
ebenso viele Fotos und zusätzlich rund<br />
2 000 Audio- und Videobeispiele zu<br />
Musikinstrumenten aus mehreren<br />
Jahrhunderten. Es sind die Bestände<br />
von elf führenden Fachmuseen aus<br />
Belgien, <strong>Deutschland</strong>, Frankreich,<br />
Großbritannien, Italien und Schweden<br />
erfasst; damit werden rund vierzig<br />
Prozent des europäischen und rund<br />
sechzehn Prozent des weltweiten Bestandes<br />
an Musikinstrumenten in öffentlichen<br />
Sammlungen dokumentiert.<br />
Rückblick<br />
Bisher präsentierten nur wenige Instrumentenmuseen<br />
ihre Sammlungen<br />
im Internet. Die Unterschiede in Darstellung<br />
und Art der Erfassung erlaubten<br />
kaum Vergleiche. Wollte man<br />
sich anhand original erhaltener Objekte<br />
einen Überblick etwa über die<br />
Geschichte bestimmter Instrumentenfamilien<br />
oder die Instrumentenbautraditionen<br />
einer bestimmten Region<br />
verschaffen, war dies fast aussichtslos.<br />
Dieser Zustand behinderte die<br />
Forschung ernorm und war auch eine<br />
Hürde für alle, die sich für die Museumsbestände<br />
interessierten.<br />
Zugang<br />
Seit die Online-Datenbank ihre Kinderkrankheiten<br />
überwunden hat, ist<br />
die Recherche vergleichsweise einfach<br />
sowohl über das Portal der Europeana<br />
als auch über die eigenständige Plattform<br />
mit zahlreichen Suchfunktionen<br />
möglich. Letztere wendet sich vor<br />
allem an Fachleute, denn sie enthält<br />
noch detailliertere Angaben, zusätzliche<br />
Fotos sowie weitere Datensätze,<br />
etwa zu im Krieg zerstörten Instrumenten,<br />
von denen keine Abbildungen<br />
existieren. Die Suche ist kostenlos<br />
und wird mit einer mehrsprachigen<br />
Klassifikationsdatenbank erleichtert,<br />
zum Datenaustausch wird das XML-<br />
36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Format LIDO genutzt. Ein hierarchisch<br />
organisiertes Vokabular von<br />
Musikinstrumenten macht ein effizientes<br />
Suchen möglich, da die Instrumentennamen<br />
mit den Kategorien der<br />
im Fach international genutzten sogenannten<br />
Hornbostel-Sachs-Klassifikation<br />
verknüpft wurden; diese wurde<br />
für die Datenbank aktualisiert und<br />
um beispielsweise die elektronischen<br />
Musikinstrumente erweitert.<br />
Das MIMO-Projekt ist grundsätzlich<br />
mehrsprachig angelegt. Die aktuell<br />
vertretenen Sprachen Deutsch,<br />
Englisch, Italienisch, Französisch,<br />
Niederländisch und Schwedisch repräsentieren<br />
die seit der Startphase<br />
beteiligten Einrichtungen Germanisches<br />
Nationalmuseum, Nürnberg,<br />
Ethnologisches Museum, Berlin, Museum<br />
für Musikinstrumente der Universität<br />
Leipzig, University of Edinburgh,<br />
Associazione „Amici del Museo<br />
degli Strumenti Musicali“, Florenz,<br />
Cité de la musique, Paris, Königliches<br />
Museum für Zentralafrika, Tervuren<br />
(Belgien), Musikinstrumentenmuseum,<br />
Brüssel und Musik-Museum,<br />
Stockholm.<br />
Nutzen<br />
Von großer Bedeutung sind die als Ergebnis<br />
der Zusammenarbeit entstandenen<br />
Hilfsmittel, dazu gehören die<br />
Richtlinien zum Fotografieren von<br />
Musikinstrumenten und die kontrollierte<br />
Liste von rund 4 800 Instrumentenbauern.<br />
Diese sind mit ihren<br />
Lebens- bzw. Wirkungsdaten, alternativen<br />
Schreibweisen und Quellennachweisen<br />
enthalten. So ist es erstmals<br />
möglich, den Umfang der Produktion<br />
einzelner Instrumentenhersteller zu<br />
rekonstruieren oder die Entwicklung<br />
der Modelle innerhalb einer Instrumentenfamilie<br />
über die Jahrhunderte<br />
hinweg zu verfolgen.<br />
Die Musikinstrumenten-Datenbank<br />
schlägt neue Wege ein und birgt ungeahnte<br />
Möglichkeiten. Die Ergebnisse,<br />
darunter auch das Handbuch<br />
der Instrumentenfotografie, sind für<br />
alle Interessenten einsehbar. Die in der<br />
Folge an die Museen gerichteten Anfragen<br />
sind nun wesentlich konkreter<br />
formuliert; sie zeigen, dass die jeweilige<br />
Grundinformation bereits aus der<br />
Datenbank übernommen wurde. Zugleich<br />
wird deutlich, dass nicht nur<br />
Spezialisten, sondern auch interessierte<br />
Laien, Sammler und Studierende<br />
die Datenbank benutzen.<br />
Auch für unser Museum hat sich<br />
das Projekt als außerordentlich nützlich<br />
erwiesen: Es gab ein ständiges<br />
Nachdenken darüber, mit welchen<br />
Methoden unser Bestand verwaltet<br />
werden kann, ferner wurden Ungereimtheiten<br />
bei bestimmten Inventarnummern<br />
geklärt und fehlende Beschreibungen<br />
und Fotos ergänzt. Es<br />
war eine konzentrierte Zusammenarbeit<br />
zwischen den Restauratoren und<br />
Fotografen, dem Depotverwalter, den<br />
Kustoden und den IT-Fachleuten. Stets<br />
konnten wir auch auf das Wissen der<br />
Partnermuseen zurückgreifen. So entstand<br />
ein Dokumentationssystem, das<br />
sowohl die Bedürfnisse des Museums<br />
erfüllt als auch europäischen Standards<br />
entspricht.<br />
Ausblick<br />
Das MIMO-Projekt wurde durch das<br />
eContentplus-Programm der Europäischen<br />
Kommission sowie durch eigene<br />
Beiträge der teilnehmenden Institutionen<br />
finanziert; die Teilnehmer<br />
vereinbarten auf freiwilliger Basis eine<br />
weitere Laufzeit von fünf Jahren und<br />
erarbeiteten eine Strategie für die Nachhaltigkeit<br />
bzw. Weiterentwicklung des<br />
Projektes. Es ist ausdrücklich gewünscht,<br />
dass sich weitere Sammlungen<br />
der Datenbank anschlie ßen, um<br />
die Online-Recherche in ei nem erweiterten<br />
Sammlungsbestand zu er möglichen.<br />
Damit diese Arbeit fachlich und<br />
möglicherweise auch finanziell unterstützt<br />
wird, hat das International Committee<br />
for Museums and Collections<br />
of Musical Instruments (CIMCIM) eine<br />
Arbeitsgruppe installiert, welche die<br />
weitere Zukunft des Projekts begleitet<br />
und sich auch der Herausforderung<br />
stellt, die MIMO-Datenbank zu pflegen<br />
und der sich rasant ändernden digitalen<br />
Welt immer wieder anzupassen.<br />
Professor Dr. Eszter Fontana war bis Mai <strong>2013</strong><br />
Direktorin des Museums für Musikinstrumente<br />
der Universität Leipzig. Von 1992 bis 1998<br />
war sie Mitglied im Vorstand und von 1998<br />
bis 2004 Präsidentin von CIMCIM;<br />
fontana@uni-leipzig.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
CIMCIM: network.icom.museum/cimcim/<br />
Europeana: europeana.eu<br />
MIMO-Datenbank: mimo-db.eu<br />
Foto: Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig Foto: MIMO-Konsortium<br />
Vertreter der Sammlungen in Brüssel,<br />
Edinburgh und Leipzig arbeiten gemeinsam<br />
an Verbesserungen.<br />
Die Bassklarinette wurde um 1810 von<br />
Nicola Papalini in Chiaravalle gebaut. Der<br />
Trichter ging im Krieg verloren und wurde<br />
durch Rekonstruktion ersetzt. Das Instrument<br />
ist im Besitz des Museums für<br />
Musikinstrumente der Universität Leipzig. In<br />
der MIMO-Datenbank finden sich ferner<br />
auch zwei Abbildungen sowie ein Literaturhinweis.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 37
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Foto: Corning Glass Museum<br />
Tagungsberichte<br />
der internationalen Komitees<br />
Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen<br />
sich den Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer museumsverwandten<br />
Disziplin. Derzeit gibt es 31 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vorstand<br />
vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den<br />
internationalen Komitees. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt Ihr Engagement sehr. Damit die Professionalität<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Weitere Informationen finden Sie unter www.icom.museum<br />
oder www.icom-deutschland.de.<br />
38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CAMOC – International Committee for the Collections<br />
and Activities of Museums of Cities<br />
City Museums: Collisions | Connections<br />
Jahrestagung vom 24. bis 27. Oktober 2012<br />
in Vancouver, Kanada<br />
Susanne Anna<br />
Die Jahrestagung der CAMOC in Vancouver beschäftigte<br />
sich mit dem Engagement der Stadtmuseen in der Stadtgesellschaft.<br />
Was macht ein Stadtmuseum einzigartig? Ist es<br />
ein urbanes Forum und Zentrum des Dialoges? Oder stellt<br />
es eine Agentur für Stadtentwicklung dar? Ist es gar ein<br />
Element der Stadt-Marke? Welche Auswirkungen ergeben<br />
sich für Stadtmuseen und ihre Mitarbeiter daraus, dass sie<br />
allmählich beginnen, neue Rollen zu übernehmen?<br />
Die Tagung, durchgeführt in Kooperation mit dem Museum<br />
of Vancouver, brachte denn auch zahlreiche Kolleginnen<br />
und Kollegen aus Stadtmuseen kleiner Städte,<br />
Vororte und Metropolen aller Kontinente zusammen. Der<br />
Erfahrungsaustausch in Workshops, Vorträgen, Diskussio<br />
nen und Exkursionen war dementsprechend inspirierend.<br />
Zu Beginn diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse des kanadischen<br />
Museumspersonals sowie von Forschern der Simon Fraser<br />
University in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Ureinwohnern<br />
Kanadas, den Aborigines. Kooperative Strategien<br />
der Museumsprojekte des Museum of Anthropology<br />
Vancouver wurden hier beispielhaft vorgestellt.<br />
Der zweite Tag war der Definition des Stadtmuseums gewidmet.<br />
Drei akademische Grundsatzreferate zeigten die<br />
konzeptionelle Entwicklung der Institution in Europa auf.<br />
Hierbei gingen Anne Hertzog von der Univercité Cergy-<br />
Pontoise (Frankreich), Jean-Louis Postula von der Universität<br />
Liège (Belgien) und Eric Sandweiss von der Indiana<br />
University (USA) bis in die Anfänge der typisch bildungsbürgerlichen<br />
Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts<br />
zurück. Den aktuellen Ansatz definierten die Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler als eine mit der urbanen Realität<br />
und Politik eng verknüpfte Arbeit mit kooperativem und<br />
partizipativem Charakter.<br />
So wurde in der Folge an Einzelbeispielen deutlich, wie<br />
jene aktuelle Rolle des Stadtmuseums aussehen kann. Die<br />
Beiträge zum Themenkreis „Nachbarschaft Arbeiterklasse“<br />
von Davina DesRoches (Queen’s University Ontario, Kanada),<br />
Jess Garz (MIT, Cambridge, MA, USA) und David<br />
Spence (Museum of London) enthielten Museumskonzepte<br />
urbaner Plattformen für Stadtentwicklung und soziokulturelle<br />
Projekte sowie Ansätze zu einer partnerschaftli chen<br />
Gestaltung der Stadtviertelgeschichte.<br />
An diesem Tag stellten Marlen Mouliou (Universität<br />
Athen, Griechenland), Amber N. Wiley (Tulane School of<br />
Architecture, New Orleans, USA) und Katherine Vandertulip<br />
(El Paso Museum of History, USA) die wissenschaftliche<br />
Bedeutsamkeit der Rolle der Stadtmuseen bei der Erarbeitung<br />
einer Stadtmarke heraus. Rainey Tisdale (Boston,<br />
USA) machte Vorschläge zur Markenfindung eines Stadtmuseums<br />
anhand von hervorragenden Beispielen.<br />
Parallel hierzu konnte man sich über Integrationsprojekte<br />
von Stadtmuseen im Bereich von Konflikten und Kontroversen<br />
ein wissenschaftliches Bild machen. Über die Integration<br />
des Themas Sexualität referierte Viviane Gosse line<br />
vom Museum of Vancouver. Die Arbeit des Stadtmuseums<br />
Sarajewo betreffend Konfliktmanagement beleuchtete<br />
Emily Gunzburger Makas von der University of North<br />
Carolina (USA). Das Konzept des Bhopal Museum und<br />
seine moralischen Vorstellungen stellte Shalini Sharma<br />
(University of London) zur Diskussion.<br />
Lehrreich war der Workshop zu den Problemen der Stadtmuseen<br />
in Vororten. Unter der Leitung von Phil Aldrich von<br />
Aldrich Pears Planning and Design (Vancouver) haben die<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer Konzepte zur Publikumsbindung<br />
erarbeitet, von denen auch Stadtmuseen der Metropolen<br />
profitieren können. Fazit: Je enger die konzeptionelle<br />
Bindung des Stadtmuseums an Leben, Geschichte,<br />
Wünschen, Ideen und Vorschlägen der Bürgerinnen und<br />
Bürger seiner Nachbarschaft, desto größer seine Attraktivität.<br />
Eine stadtsoziologisch beeindruckende Exkursion beendete<br />
die Tagung: Es fand ein Rundgang mit der neuen Neon<br />
Vancouver App des Museum of Vancouver in Gastown statt.<br />
Hier gewannen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen<br />
Eindruck eines Stadtviertels, in das die Stadtverwaltung<br />
im Kontext der Olympischen Spiele vor allem arbeitslose,<br />
kranke, suchtabhängige und behinderte Bürgerinnen und<br />
Bürger ohne Kranken- und Sozialversicherung umgesiedelt<br />
hat.<br />
Dr. Susanne Anna ist seit 2003 Direktorin des Stadtmu seums Düsseldorf.<br />
Sie ist Mitglied des Vorstandes von CAMOC;<br />
susanne.anna@duesseldorf.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Rückblick auf die Jahrestagung 2012:<br />
www.camoc.icom.museum/documents/CAMOC News let ter<br />
<strong>2013</strong>_01_001.<strong>pdf</strong><br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt, am 13. und 14. August zusammen mit ICLM.<br />
Workshop in progress: In North Vancouver arbeiteten die Teilnehmer<br />
zum Thema „Vororte und ihre Stadtmuseen“.<br />
Foto: Marlen Mouliou, 2012<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 39
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CECA – International Committee for Education and<br />
Cultural Action<br />
Museums and Written Communication.<br />
Tradition and Innovation<br />
Jahrestagung vom 20. bis 25. Oktober 2012 in Jerewan,<br />
Armenien<br />
Peter Schüller<br />
136 Teilnehmer aus 37 Ländern besuchten die Jahrestagung,<br />
die sich mit den verschiedenen Funktionen und Formen von<br />
Texten im Museum befasste.<br />
Die Vertretung der Kultusministerin der Republik Armenien,<br />
der Präsident von <strong>ICOM</strong>, die CECA-Vorsitzende,<br />
der Direktor des gastgebenden Museums und die Koordinatorin<br />
der Tagung gaben der Eröffnung Glanz und würdigten<br />
den Ort. Jerewan hatte von der UNESCO im 500. Jahr<br />
der armenischen Buchdruckerkunst den Titel „Welthauptstadt<br />
des Buches 2012“ erhalten. Das gastgebende Museum<br />
war das Museum für alte Handschriften. Diese Tatsachen<br />
waren geeignet, viele Diskussionen über das Buch<br />
als Exponat und die Ausstellung als „Buchtext“ zu führen,<br />
aber auch das Katalogbuch mit seinen Varianten, zeitgemäßen<br />
Formen und Funktionen zu diskutieren.<br />
Das Buch als Ausstellungsgegenstand schien unbestritten<br />
wertvoll. Beschriftungen und Wandtexte wurden dagegen<br />
sehr unterschiedlich eingeschätzt. Für Kunstmuseen<br />
wurden Rolle und Erkenntniswert dieser schriftlichen Erläuterungen<br />
sehr kritisch kommentiert. Standort und Besucherstrukturen<br />
gaben Anlass, nach der Form von Beschriftungen,<br />
Wandtexten und Leitsystemen zu fragen. In<br />
großen Museen der touristischen Zentren fragten die Kolleginnen<br />
und Kollegen nach den Produktionswegen und<br />
nach den Möglichkeiten, Informationen zu Werken und<br />
Wegeleitsystemen in möglichst vielen Sprachen bereitzuhalten.<br />
Hier schien die Arbeit mit minimalen Texten in<br />
wenigen Sprachen denkbar, weil alle anderen Angaben und<br />
fremdsprachigen Informationen im Multimedia-Guide zur<br />
Verfügung gestellt werden könnten. Im Pariser Louvre<br />
gibt es seit kurzem eine eigene Abteilung, die sich mit dem<br />
Thema Beschriftungen beschäftigt und nach jeweils angemessenen<br />
Nutzungen und Lösungen sucht. Peter Samis aus<br />
San Francisco stellte eine ganze Auswahl an Möglichkeiten<br />
für Beschriftungen als Beispiele aus verschiedenen internationalen<br />
Museen vor. Neben sachlichen Texten in verschiedenen<br />
Längen faszinierten ihn Beschriftungen mit<br />
poetischen Qualitäten, Texte, die zur Assoziation einladen<br />
oder persönliche Statements von Kuratoren oder anderen<br />
Persönlichkeiten enthalten. Trotz seiner persönlichen Vorlieben<br />
präsentierte er diese Möglichkeiten als diskussionswürdig.<br />
Als Kriterium beschrieb er allerdings den „Fluss<br />
von Gedanken“ und Kommunikationsformen, die nicht<br />
durch große Textmengen belastet werden dürften. Besonders<br />
nachdrücklich empfahl er den gesprochenen Text in<br />
Formen der personalen Vermittlung und als Aufzeichnung.<br />
Der dänische Kollege Michael Gyldendal zog ob der raschen<br />
Ausbreitung der digitalen Medien die Schlussfolgerung,<br />
dass alle gedruckten oder verklebten Informationen im<br />
Museum bald durch Multimedia-Guides, Laptops oder<br />
White Boards ersetzt werden könnten, und durchdachte<br />
dies bereits im Hinblick auf die Umgestaltung in seinem<br />
Museum. In mehreren Beiträgen wurde die Frage nach<br />
Computern und anderen Medien im Museum, aber auch<br />
außerhalb der Wände des Museums gestellt. Die sozialen<br />
Netzwerke wurden vor allem als effiziente Werbemittel<br />
empfohlen. Der Erfolg stelle sich aber nur ein, wenn man<br />
den Charakter und die Spielregeln der sozialen Netze akzeptiere<br />
und das soziale Moment pflege. Nicole Gesché<br />
fragte nach Aussage und Funktion von Museumslogos. Sie<br />
erinnerte daran, dass das Museum damit nicht nur Markenbewusstsein,<br />
sondern sein Selbstverständnis und die Besucherfreundlichkeit<br />
signalisiere.<br />
Der market of ideas und eine poster session boten Einblicke<br />
in die Arbeit internationaler Kollegen und präsentierte<br />
verschiedene Verwendungen von Medien im Hinblick<br />
auf unterschiedliche Zielgruppen. Texte in Museumskoffern,<br />
Suchbögen und Kinderkataloge, Besucherbücher,<br />
Karten für Kommentare … Alle diese Möglichkeiten signalisierten<br />
ganz selbstverständlich die Verwendung von Texten<br />
für die Vermittlung und deren Evaluation.<br />
Den gesprochenen Text und das thinking aloud protocol<br />
als Methode der Analyse in der Besucherforschung stellte<br />
Colette Dufresne-Tassé vor.<br />
Fünfzig internationale Fachleute aus 33 Ländern berichteten<br />
im Rahmen der perfekt organisierten Tagung von<br />
ihrer Arbeit und stellten ihre Ideen zur Diskussion. Armenische<br />
Kollegen luden in ihre Museen und Kulturdenkmäler<br />
ein. Daneben boten zwei CECA-Vorstandstreffen, zwei<br />
Workshops zur professionellen Weiterbildung, ein Treffen<br />
des researchers network, ein Treffen der europäischen<br />
national correspondents, die Generalversammlung sowie<br />
zwei Treffen, die sich um die Auszeichnung best practice<br />
drehten, Gelegenheit zur Information, zur Beteiligung und<br />
zum Austausch unter den Mitgliedern.<br />
Peter Schüller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Bildung<br />
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen;<br />
schueller@kunstsammlung.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt.<br />
Museum Matenadaran, Zentralarchiv für armenische Handschriften<br />
Foto: Peter Schüller<br />
40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIDOC – International Committee for Documentation<br />
Enriching Cultural Heritage<br />
Jahrestagung vom 11. bis 14. Juni 2012 in Helsinki,<br />
Finnland<br />
Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Karin Kühling<br />
Wie bei CIDOC üblich, gingen der Konferenz mehrere<br />
halb- und ganztägige Workshops zum CRM, zu LIDO und<br />
zur Interoperabilität voraus und einige der sieben existierenden<br />
Arbeitsgruppen, die auch zwischen den Jahrestagungen<br />
arbeiten, waren in Helsinki aktiv bzw. stellten ihre<br />
Ergebnisse vor.<br />
Der Eröffnungsvortrag im finnischen Nationalmuseum<br />
wurde von Nick Poole, dem Leiter von Collections Trust<br />
(UK), bestritten, der seine Vision künftiger Museumsarbeit<br />
mitsamt ihren vermutlichen Auswirkungen auf Dokumentationsabläufe<br />
und Arbeitsprozesse schilderte. Für Poole,<br />
dessen Organisation den bahnbrechenden Museumsdokumentationsstandard<br />
SPECTRUM entwickelt hat, steht dabei<br />
nicht mehr die reine Konzentration auf Angleichung und<br />
immer umfassendere Agglomeration von Daten im Mittelpunkt,<br />
sondern deren vielfältige Nutzung für Aktivitäten<br />
z. B. in der Museumspädagogik und im öffentlichen Bereich.<br />
Als zweiter Hauptredner sprach Ora Lassil von Nokia<br />
(FI) über Apps und ihre Folgen für die digitale Kommunikation.<br />
Die Tagung fand in bis zu drei parallelen sessions<br />
sowie in den Plenarrunden statt. Letztere wurden – ein interessantes<br />
Experiment – parallel von den Übersetzern auch<br />
wörtlich mitgeschrieben und konnten daher auf der Plenumsleinwand<br />
zeitgleich mitgelesen werden. Im Anschluss<br />
an einen Vortrag über den Aufbau der finnischen digitalen<br />
Bibliothek berichtete Monika Hagedorn-Saupe im Themenbereich<br />
Museumsrelevante Portale über den Stand bei<br />
Europeana und der Deutschen Digitalen Bibliothek. Im<br />
Arbeitsbereich Semantic Web trug Regine Stein vom Bildarchiv<br />
Foto Marburg über LIDO vor, danach Mikka Nyman<br />
(FI) über culture cloud. Martin Doerr (GR), Günther Görz<br />
und Georg Homann (DE) berichteten über die Erreichbarkeit<br />
von Museumsobjekten über semantische Netze sowie<br />
die Aufbereitung und Verknüpfung der Daten an unterschiedlichen<br />
Institutionen, die dann im Ergebnis einen<br />
umfassenderen Aussagegehalt als in der Ausgangsinstitution<br />
allein aufweisen. Patrick LeBoeuf (F) schilderte die<br />
Ergebnisse in der Verknüpfung von CRM und FRBR. Aus<br />
den zahlreichen Präsentationen zu Projekten und einzelnen<br />
Museen herausgegriffen, sei hingewiesen auf das EUgeförderte<br />
Projekt MIMO, das europaweit in einem Portal<br />
Daten zu Musikinstrumenten(-sammlungen) zusammenführt.<br />
Gerald de Jong (NL) und Thomas Wikman (SE) berichteten<br />
über eine gemeinsam entwickelte Software zur<br />
norwegischen Museumsanwendung SOFIE, welche die Metadatenharmonisierung<br />
unterstützt bzw. sogar oft erst ermöglicht.<br />
In Finnland wird derzeit eine webbasierte Inventarisierungs-/<br />
Katalogisierungssoftware namens Museum<br />
2015 erarbeitet, die künftig in allen Museen Anwendung<br />
finden und damit die Einheitlichkeit der Datenerfassung,<br />
die Nachnutzung der Daten, aber auch die betriebswirtschaftlichen<br />
Prozesse – wie etwa die Haushaltsführung in<br />
Museen – unterstützen soll.<br />
Vor dem Hintergrund des Engagements der UNESCO<br />
für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes berichteten<br />
kroatische Teilnehmer über ihre Arbeit, diese Empfehlungen<br />
in Museumsdokumentation umzusetzen. Johanna<br />
Enqvist (SE) sprach über in Entwicklung befindliche<br />
Ontologien für archäologisches Kulturerbe und Walter Koch<br />
(A) über die Entwicklung von Arbeitsprozessen und Routineprozeduren,<br />
die die im SPECTRUM-Standard dargelegten<br />
Arbeitsverfahren möglichst automatisiert ablaufen lassen<br />
können.<br />
Zur Bewahrung von Museumsobjekten gehört gelegentlich<br />
auch die kontrollierte Aussonderung oder Abgabe.<br />
Eine hierfür installierte Datenbank in den Niederlanden<br />
wurde von Yuri van der Linden vorgestellt. Der Art and<br />
Architecture Thesaurus des Getty-Instituts, kurz AAT, ist<br />
seit 1994 verfügbar. Mit rund 50 000 Einträgen sehr umfangreich<br />
und inzwischen vollständig nur noch online erhältlich,<br />
wurde er in seiner spanischen Übersetzung von<br />
Lina Nagel (CL) vorgestellt. Diese fügt sich an die komplette<br />
holländische, die teilweise existierenden französischen und<br />
italienischen Fassungen, die in Erarbeitung befindliche chinesische<br />
und die nunmehr beginnende deutsche Fassung an.<br />
Einen außerordentlich aufschlussreichen Praxiseinblick<br />
bot Jonathan Cloud vom British Museum hinsichtlich der<br />
Online-Stellung von 70 000 Restaurierungsberichten. Er<br />
schilderte einen innerhalb der Dokumentation nicht untypischen<br />
Verlauf, da erst die Intervention eines Drittmittelgebers<br />
zur zeitnahen Integration und öffentlichen Verfügbarkeit<br />
dieser Dokumente im Webauftritt des British<br />
Museum führte. Außereuropäische Berichte und Projekte<br />
steuerten die Teilnehmerinnen aus Australien, Nigeria,<br />
Benin, Botswana, Peru, Kenia, Singapur, Ecuador, Uganda,<br />
Indien und Sambia bei.<br />
Axel Ermert, Institut für Museumsforschung, Berlin;<br />
a.ermert@smb.spk-berlin.de; Professor Monika Hagedorn-Saupe,<br />
Institut für Museumsforschung, Berlin; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de;<br />
Martina Krug, Mitglied im Vorstand von CIDOC, Städtisches Museum<br />
Hann. Münden; museum@hann.muenden.de; Karin Kühling, Stadtgeschichtliches<br />
Museum Leipzig; karin.kuehling@leipzig.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Abstracts und Präsentationen: www.cidoc2012.fi<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt.<br />
Local organizer im grünen T-Shirt von CIDOC-Helsinki<br />
Foto: Jussi Lahtinen<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 41
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIPEG – International Committee for Egyptology<br />
Collections at Risk: New Challenges in<br />
New Environment<br />
Jahrestagung vom 25. bis 28. September 2012<br />
in Brüssel, Belgien<br />
Gabriele Pieke<br />
Die Jahrestagung bot Gelegenheit, sich über die angespannte<br />
Situation von Museen und Sammlungen in Ägypten wie<br />
auch in zahlreichen anderen Ländern auszutauschen. Insgesamt<br />
fanden sich an vier Tagen 52 Teilnehmer aus Museen<br />
in sechzehn verschiedenen Ländern im Musées royaux<br />
d’Art et d’Histoire in Brüssel zusammen. Besonders<br />
herauszuheben ist, dass zahlreiche neue und junge Gesichter<br />
unter den Tagungsteilnehmern waren, deren Interesse<br />
für die Arbeit von CIPEG gewonnen werden konnten.<br />
Nach der offiziellen Begrüßung durch die Museumleitung<br />
und Luc Delvaux, den Kurator der Ägyptischen Abteilung,<br />
sowie Claire Derriks, Präsidentin von CIPEG, war<br />
vor allem der einleitende Hauptvortrag von großem Interesse.<br />
Dazu waren mit Thomas Schuler, Präsident der<br />
Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>, und France Desmarais,<br />
Director of Programmes and Partnership Development,<br />
<strong>ICOM</strong> Paris, zwei ausgewiesene Experten zum Thema eingeladen.<br />
Unter dem Titel „Protecting Heritage in Revolution<br />
and Civil War: Challenge, Success and Limits“ gaben<br />
sie einen Überblick zur derzeitigen Arbeit von <strong>ICOM</strong> in<br />
dem so außerordentlich wichtigen Bereich des Schutzes<br />
von Kulturgütern. Dabei wurde insbesondere am Beispiel<br />
Ägyptens die Arbeitsweise der Disaster Relief Task Force<br />
vorgestellt, die u. a. eine schnelle Bestandsaufnahme und<br />
Erstdokumentation, den Informationsaustausch zwischen<br />
verschiedenen Partnern, Erste-Hilfe-Maßnahmen der unterschiedlichsten<br />
Art sowie eine anschließende Evaluierung<br />
umfasst.<br />
Mit großer Spannung wurden auch zwei Vorträge von<br />
ägyptischen Museumskollegen erwartet, die über die nach<br />
wie vor angespannte Lage der Sammlungen und archäologischen<br />
Stätten in Ägypten berichteten. Zudem informierte<br />
Maaten Raven vom Rijksmuseum in Leiden über die jüngste<br />
Bestandserhebung seiner Ausgrabung in Saqqara. Insbesondere<br />
diese archäologische Stätte war während und nach<br />
der ägyptischen Revolution stark von Plünderungen und<br />
Raubgrabungen betroffen. Bei den gestohlenen oder zerstörten<br />
Objekten aus den Grabungsmagazinen handelt es<br />
sich glücklicherweise jedoch nur um eine überschaubare<br />
Anzahl von 120 Stücken, dies sind vor allem kleinere Objekte<br />
wie Uschebtis oder Amulette.<br />
Zwei Kollegen mit dem Schwerpunkt Sudanarchäologie<br />
berichteten von der derzeitig höchst angespannten Situation<br />
im nördlichen Sudan. Dort sind durch mehrere große<br />
Staudammprojekte, die zum Teil kurz vor ihrem Baubeginn<br />
stehen, weite Teile der Region mit ihren unzähligen antiken<br />
Tempeln, Nekropolen oder Siedlungen von der kompletten<br />
Vernichtung bedroht, was der breiten Öffentlichkeit weitgehend<br />
unbekannt ist.<br />
Ingesamt bot die Jahrestagung erneut Gelegenheit, den<br />
fachlichen Austausch auf internationaler Ebene zu vertiefen<br />
und über die vielfältigen Probleme und Risiken zu<br />
sprechen, denen sich die ägyptischen Sammlungen derzeit<br />
ausgesetzt sehen. Aber auch die klassischen Themen wie<br />
Neuaufstellungen, Ausstellungskonzepte oder auch Datenbankprojekte<br />
wurden vorgestellt und rege diskutiert. Der<br />
abschließende Rundgang durch die Sammlungen des Musées<br />
royaux d’Art et d’Histoire gab Anlass zu spannenden<br />
Fachdiskussionen zu einzelnen Stücken, aber auch zu der<br />
geplanten Umgestaltung der Dauerausstellung. Ein besonderer<br />
Höhepunkt innerhalb des dichtgedrängten Tagungsprogramms<br />
war der Besuch in der Villa Empain und die<br />
Führung durch die dortige Sonderausstellung „Edouard et<br />
Cléopâtre. Egyptomanies depuis le XIXe siècle“. Die Ausstellung<br />
bot einen spannenden sowie humorvollen Überblick<br />
zur Ägyptomanie, von Möbeln, Skulpturen oder<br />
Porzellan bis hin zu aktuellen Comics, Musikvideos oder<br />
Modenschauen. Im Anschluss daran ging es zu einem<br />
Abendempfang in der ägyptischen Botschaft. Hier gab es<br />
allerlei Gelegenheit, sich über die aktuellen politischen Veränderungen<br />
und die derzeitige Situation in Ägypten auszutauschen.<br />
Dr. Gabriele Pieke arbeitet als Kuratorin bei den Reiss-Engelhorn-<br />
Museen in Mannheim. Sie ist Sekretärin von CIPEG und Mitglied im<br />
Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; g.pieke@gmail.com.<br />
Weitere Informationen:<br />
Abstracts und Präsentationen der Jahrestagung 2012:<br />
cipeg.icom.museum<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet am 9. August zusammen mit UMAC im<br />
Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro statt.<br />
Titel: Evaluating Change – Change is Everywhere in Our Societies.<br />
Seit Jahrhunderten sind Wissenschaftler und Kunstliebhaber gleichermaßen<br />
vom Mythos Ägypten fasziniert. Auch John Galliano griff ihn<br />
in seiner Frühling-Sommer-Kollektion 2004 für Dior Haute Couture auf.<br />
Villa Empain, Guy Marineau<br />
42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
COMCOL – International Committee for Collecting<br />
Museums and the Idea of Historical<br />
Progress<br />
Gemeinsame Jahrestagung von COMCOL und ICMAH<br />
vom 7. bis 9. November 2012 in Kapstadt, Südafrika<br />
Dennis Herrmann, Gregor Lersch, Elisabeth Tietmeyer<br />
Anfang November 2012 fanden in Kapstadt die gemeinsam<br />
durchgeführten Jahrestagungen der <strong>ICOM</strong>-Komitees<br />
ICMAH und COMCOL statt. Organisiert wurde die<br />
Konferenz gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Südafrika und den Iziko-<br />
Museen, einem Zusammenschluss von vierzehn Museen in<br />
Kapstadt, welche die Komitees herzlich empfingen. Als Tagungsort<br />
diente das South African Museum. Wir hatten die<br />
großartige Gelegenheit, an der Konferenz teilzunehmen,<br />
Dennis Herrmann und Gregor H. Lersch als Vortragende<br />
und Elisabeth Tietmeyer als Vizepräsidentin von COMCOL.<br />
Für das noch junge COMCOL-Komitee war es die zweite<br />
Jahrestagung nach der letztjährigen Tagung zum Thema<br />
participative strategies in Berlin.<br />
Die bereits einen Tag vor dem offiziellen Konferenzbeginn<br />
angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten im<br />
Rahmen einer Exkursion die Möglichkeit, eines von Kapstadts<br />
international bekanntesten, obgleich keinesfalls größten,<br />
Museen zu besuchen: das District Six Museum. Dieses<br />
Museum widmet sich der Geschichte des Stadtteils District<br />
Six, der während der Apartheid nach der Zwangsumsiedlung<br />
der Bewohner zerstört wurde. Durch eine Museumsführung,<br />
einen Besuch des Distrikts in seinem heutigen<br />
Zustand und einer anschließenden Diskussion mit Mitarbeiterinnen<br />
des Museums bekamen wir einen tiefen und<br />
direkten Einblick in die Materie und die aktuelle Situation.<br />
Die ersten beiden Tage der anschließenden Konferenz<br />
wurden von den beteiligten Komitees gemeinsam gestaltet<br />
und durchgeführt. Stets mit einem Blick auf Museen wurde<br />
an ihnen das Tagungsthema Utopien aus unterschiedli cher<br />
Perspektive betrachtet und diskutiert.<br />
Am dritten Konferenztag tagten die beiden Komitees<br />
COMCOL und ICMAH getrennt voneinander. Die Vorträge<br />
und ein Workshop entsprachen der inhaltlichen Ausrichtung<br />
der jeweiligen Komitees. So wandte sich COMCOL<br />
der Thematik des Sammelns zu, die Bandbreite reichte von<br />
Wikipedia bis in den digitalen Raum hinein. Anschließend<br />
fand ein gemeinsamer Workshop der beiden COMCOL-<br />
Arbeitsgruppen „Ressourcen“ und „Sammeln der Gegenwart“<br />
statt, an dem auch viele Kolleginnen und Kollegen<br />
des Regionalkomitees Südafrika teilgenommen haben. Ziel<br />
war die Erarbeitung von Richtlinien für das zeitgenössische<br />
Sammeln, die diskutiert und festgehalten wurden. Sie dienen<br />
nun als Grundlage für die erste Abfassung eines Leitfadens,<br />
der auf der COMCOL-Webseite veröffentlicht werden soll.<br />
Im Rahmen der Jahrestagung des ICMAH-Komitees<br />
wurden parallel dazu historische Museen und Ausstellungsprojekte<br />
in ihren Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse<br />
vorgestellt und diskutiert. Die Beispiele hierzu kamen<br />
vornehmlich aus Europa, so beispielsweise aus Marseille<br />
und Zagreb, aber auch aus Windhoek (Namibia). Die Ausstellung<br />
„Tür an Tür. Polen-<strong>Deutschland</strong>. 1 000 Jahre Kunst<br />
Das District Six<br />
Museum erinnert<br />
an die Zwangsumsiedlungen<br />
der<br />
Bevölkerung aus<br />
dem Kapstadter<br />
District Six, die seit<br />
1905 in mehreren<br />
Wellen stattgefunden<br />
haben.<br />
und Geschichte“ aus Berlin bildete dabei eine Diskussionsgrundlage<br />
für binationale und multiperspektivische Ansätze<br />
und Projekte.<br />
Die Vortragenden aus allen Komitees und auch externe<br />
Kolleginnen und Kollegen ergänzten sich während der drei<br />
Konferenztage zu einem weiten Spektrum der Betrachtung<br />
und sorgten für eine zukunftsorientierte, abwechslungsreiche<br />
und den Blick weitende Atmosphäre. An Beispielen<br />
geplanter großer Museumsprojekte wie dem südafrikanischen<br />
Projekt MoDILA (Museum of Design, Innovation,<br />
Leadership and Art) und einiger National-, Stadt- und Regionalmuseen<br />
wurden die unterschiedlichsten historischen<br />
Entwicklungen und die aktuelle Situation dieser kulturellen<br />
Einrichtungen kontrovers und aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
diskutiert. In Bezug auf die Zukunft von Museen<br />
wurden während der Konferenz, nicht zuletzt aufgrund der<br />
südafrikanischen Geschichte, vermehrt Fragen nach der Einbindung<br />
von communities und danach, wer im Museum<br />
repräsentiert wird, aufgeworfen. Dies stellte nicht nur eine<br />
direkte Verbindung zum letztjährigen Tagungsthema über<br />
partizipative Strategien in der Museumsarbeit her, sondern<br />
zeigte auch die internationale Brisanz dieser Fragen.<br />
Dennis Herrmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand<br />
im Forschungsprojekt „Neue Heimatmuseen als Institutionen der<br />
Wissensproduktion“ an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg;<br />
dennis.herrmann@uni-oldenburg.de. Gregor H. Lersch ist in der Konzeption<br />
und Organisation von internationalen Ausstellungsprojek<br />
ten tätig. Zuletzt als Projektleiter der Ausstellung „Tür an Tür“;<br />
post@gregor-h-lersch.de. Dr. Elisabeth Tietmeyer leitet seit Anfang<br />
<strong>2013</strong> das Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu<br />
Berlin. Sie ist Vizepräsidentin von COMCOL;<br />
e.tietmeyer@smb.spk-berlin.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Zusammenfassungen der Beiträge: www.comcol-icom.org<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt. Titel: The (Re)interpretation and (Re)usages<br />
of (Older) Collections and Their Value for Contemporary Society<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 43
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
COSTUME – International Committee for Museums<br />
and Collections of Costume<br />
Lace, Fashion and Transparency<br />
Jahrestagung vom 21. bis 27. Oktober 2012<br />
in Brüssel, Belgien<br />
Andrea Joosten, Karin Thönnissen<br />
Zur letzten Amtshandlung von Corinne Ter Assatouroff<br />
(Musée de la Dentelle et du Costume, Brüssel), die die Jahrestagung<br />
des Costume Committee zusammen mit<br />
ihrer Kollegin Martine Vrebos organisierte, hatten die<br />
Stadt und COSTUME-Mitglieder eine Festschrift zusammengestellt,<br />
die am Abend des 21. Oktober überreicht<br />
wurde.<br />
Die eigentliche Tagung begann am nächsten Tag. Die<br />
Vorträge und Museumsbesuche befassten sich vor allem<br />
mit historischen Themen. Dazu gehörten etwa ein italienisches<br />
Musterbuch aus dem 17. Jahrhundert und ein Vergleich<br />
von modischer und ländlicher Spitze des 16. Jahrhunderts<br />
in Schweden, Schuhrosen aus Spitze, norwegische<br />
Gesetze, die zwischen 1600 und 1799 vergeblich versuchten,<br />
die Spitzenmode zu steuern, und die politische<br />
Brisanz, die Spitzen in einer Aussteuer enthalten können.<br />
Der Vormittag schloss mit einer Vorstellung des Modemuseums<br />
Hasselt durch die Kuratorinnen Romy Cockx und<br />
Eve Demoen. Am Nachmittag wurden die Ausstellung<br />
„Paniers, Baleines und Jabots“, die Restaurierungswerkstätten<br />
und die Depots im Musée de la Dentelle et du Costume<br />
besucht, anschließend das Musée Manneken Pis<br />
und ein Restaurierungsprojekt im Rathaus.<br />
Am Vormittag des 23. Oktober stellte sich die Section<br />
Tapisserie der Académie Royale des Beaux-Arts vor, anschließend<br />
ging es zu den Werkstätten im Théatre de la<br />
Monnaie, die die speziellen Anforderungen des Opernbetriebs<br />
an die Theaterkostüme verdeutlichten. Der Nachmittag<br />
galt dem 19. und 20. Jahrhundert: Tüllspitze aus<br />
Alençon von 1840-1870, die industrielle Herstellung im<br />
Maison Lefébure von 1829 bis 1932, der Calaiser Zeichner<br />
Henry Ball, der in den 1920er Jahren Spitzenmuster<br />
für die Pariser Modehäuser entwarf, eine Ausstellung Prager<br />
Modeschöpfer, die Ätz-Spitze aus St. Gallen, die maschinell<br />
gefertigte Spitze aus Plauen und schließlich die<br />
Verwendung von Spitze in der Fest- und Abendgarderobe<br />
der Damen in den 1950er Jahren.<br />
Am 24. Oktober stand eine Fahrt zum Antwerpener<br />
Modemuseum auf dem Programm. Neben der Ausstellung<br />
„Madame Grès“ wurden die Depots besucht, am Nachmittag<br />
das Department Conservation – Restauration der<br />
Academie voor Schone Kunsten und aktuelle Modeateliers.<br />
Die Vorträge des nächsten Tages behandelten die Verwendung<br />
von Spitze in der katholischen Kirche, die griechische<br />
Königin Olga, die in ihren Hofkleidern folkloristische<br />
griechische Spitzenelemente mit russischen mischte,<br />
die Domestic School of Lace in Zakopane, die Lancierung<br />
der Spitzenproduktion ab 1890 im nördlichen Ungarn<br />
durch die österreichisch-ungarische Erzherzogin Isabella,<br />
„Spitzenstücke“ aus der Garderobe der norwegischen Königin<br />
Maud, den englischen White Ball von 1884 und eine<br />
Uniform des König Leopold II. Am Nachmittag besuchten<br />
50 Jahre COSTUME: Manneken Pis erhielt im Rahmen einer Zeremonie<br />
ein Kostüm. Dieses wird nun im Stadtmuseum Brüssel gezeigt.<br />
wir im Musée Cinquantenaire die Ausstellung: „Prinzessin<br />
Marie-José, zwischen Belgien und Italien“, das Musée<br />
de l’Armee et d’Histoire militaire und das Restaurierungsatelier<br />
des Institut Royal du Patrimoine artistique.<br />
Einzelne Spitzenobjekte wie der Tutu, der Hutschleier,<br />
die Spitzenhose oder Handtaschen aus Spitze wurden am<br />
letzten Tagungstag anschaulich erläutert, ebenso wie der<br />
neu gestaltete Eingangsbereich des Kensington Palace,<br />
London, der mit Spitzenmustern nach Vorlagen aus der<br />
textilen königlichen Sammlung ausgestattet wurde. Technologie<br />
stand im Mittelpunkt des Vortrags über Objekte<br />
der Wiener Ausstellung „Technosensual. Where Fashion<br />
Meets Technology“. Es folgte die offizielle Zeremonie<br />
zum 50. Geburtstag des COSTUME Committee. Aus diesem<br />
Anlass erhielt Manneken Pis ein rekonstruiertes Kostüm<br />
eines Jungen um 1660. Bei der Übergabe betonte die<br />
Präsidentin Katia Johansen (Royal Danish Collection, Kopenhagen)<br />
die Bedeutung der Erforschung und Bewahrung<br />
von historischer Kleidung. Das Atelier von Isabella<br />
de Borchgrave, die durch Ausstellungen historischer Kleidung<br />
in Papier von sich Reden macht, wurde nachmittags<br />
besucht.<br />
Im Rahmen der post-conference tour haben wir die<br />
Museen Cité de la Dentelle et de la Mode in Calais und La<br />
Piscine – Musée d’Art et d’Industrie and the Manufacture<br />
des Flandres in Roubaix kennengelernt.<br />
Dr. Karin Thönnissen ist freiberuflich als Kuratorin tätig;<br />
kthoennissen@web.de. Andrea Joosten leitet die Bibliothek der<br />
Hamburger Kunsthalle; joosten@hamburger-kunsthalle.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Bericht und Bilder zur Zeremonie für Manneken Pis:<br />
www.costume-committee.org<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt. Titel: Presenting Costume: Spectacular<br />
and Everyday<br />
44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
GLASS – International Committee for Museums and<br />
Collections of Glass<br />
Glass Collections in USA<br />
Jahrestagung vom 5. bis 13. Juni 2012 in New York,<br />
Corning und Toledo, USA<br />
Sven Hauschke<br />
Das Glass Committee traf sich 2012 zu seiner jährli chen<br />
Zusammenkunft in den USA. In der einwöchigen Tour<br />
haben die fünfzehn Teilnehmer – die Gruppe war aufgrund<br />
der weiten Anreise kleiner als in den Jahren zuvor – einschlägige<br />
Sammlungen und Museen in New York und<br />
Corning sowie in einer post-conference tour auch in Toledo<br />
und Ann Arbor besucht. Die von Jane Spillmann und<br />
Adrienne Gennett vom Corning Museum of Glass organisierte<br />
Jahrestagung bot ein breitgefächertes Programm, das<br />
Glas von der Antike bis zur Gegenwart umfasste.<br />
Der erste Tag ermöglichte einen Blick auf die vielfältigen<br />
Bestände des Metropolitan Museums of Art. Die Gruppe<br />
kam in den Genuss von Führungen durch die jeweiligen<br />
Sammlungskuratoren. Höhepunkte waren die reiche Sammlung<br />
an antikem Glas (Führung: Christopher Lightfoot) und<br />
die dichten Bestände an amerikanischem Glas im jüngst eröffneten<br />
American Wing (Führung: Alice Cooney Frelinghuysen).<br />
Am Abend dinierte die Gruppe auf Einladung des<br />
ehemaligen Direktors von Corning Glass und Präsidenten<br />
des Metropolitan Museum Board in der African Gallery des<br />
Museums. In den Cloisters stellte der Kurator Timothy<br />
Husband verschiedene Glasmalereien vor, darunter eine<br />
1498 datierte und dem Maler Hans Wertinger zugeschriebene<br />
Hinterglasmalerei mit der Darstellung von Abraham<br />
und Melchisedech, die 2008 erworben wurde und aus der<br />
Sammlung Oettingen-Wallerstein stammt. Bei der knapp<br />
37 Zentimeter großen, singulären Scheibe handelt es sich<br />
vermutlich um eine im Rahmen der Abendmahlsliturgie<br />
verwendete Patene, deren Wappen auf das Freisinger Stift<br />
als Auftraggeber verweist.<br />
Ein weiterer Höhepunkt in New York waren Arbeiten von<br />
Louis Comfort Tiffany. Ein Gesamtkunstwerk mit Mosaiken,<br />
einem Marmoraltar und Glasfenstern aus dem Jahr<br />
1895 hat sich mit der St. Michael’s Church erhalten, während<br />
in der New York Historical Society vor allem Lampen<br />
der berühmten Manufaktur gesammelt wurden. Hier wurden<br />
der <strong>ICOM</strong>-Gruppe in den Depots auch Zeichnungen<br />
und die originalen Schablonen zu den Lampenmosaiken<br />
präsentiert.<br />
Im Corning Museum of Glass mit seinen bedeutenden<br />
Sammlungen verbrachte die Gruppe drei Tage. In Führungen<br />
wurden die verschiedenen Abteilungen, Werkstätten, Depots<br />
und die Rakow Research Library vorgestellt, eine umfangreiche<br />
Forschungsbibliothek mit Beständen zu allen Sparten<br />
von Glas.<br />
Der Künstler Fritz Dreisbach bot in einem kurzweiligen<br />
Vortrag einen tiefen Einblick in die Anfänge der<br />
modernen Kunst aus Glas. Kleinere Ausstellungen in den<br />
Fluren des Museums zu Harvey K. Littleton, Erwin Eisch<br />
und Dominick Labino, den Pionieren der Studioglasbewegung,<br />
rundeten die Rückschau auf fünfzig Jahre Studioglas<br />
ab.<br />
Das Corning Museum of Glass beherbergt eine der größten Glassammlungen<br />
der Welt. Das 1951 eröffnete Museum gibt mit seinen<br />
rund 45 000 Sammlungsstücken einen Einblick in 3 500 Jahre Glasherstellungskunst.<br />
Zu den Einrichtungen des Museums zählt auch The<br />
Studio, eine Ausbildungsstätte für Glaskünstler.<br />
Eine kleine Gruppe fuhr anschließend als post-conference<br />
tour nach Toledo (Ohio). Ziel war das Toledo Museum of<br />
Art mit seinen qualitätvollen historischen und modernen<br />
Beständen an Glas und dem spektakulären, 2006 eröffneten<br />
Glass Pavillon, einem Meisterwerk der Pritzker-Preisträger<br />
Kazuyo Sejima and Ryue Nishizawa. Es bot sich die<br />
Möglichkeit zum Vorab-Besuch der im Rahmen der Glass-<br />
Art-Society-Konferenz präsentierten Ausstellung „Color<br />
Ignit ed – Glass 1962 bis 2012“.<br />
Abschließend reiste die Gruppe nach Ann Arbor, wo in<br />
den Depots des Kelsey Archaeological Museum die umfangreichen<br />
Bestände an Glas aus den Grabungen in Karanis in<br />
Ägypten in Augenschein genommen werden konnten. Die<br />
Fundstücke stammen vor allem aus der römischen Antike,<br />
manche datieren aber bis ins 19. Jahrhundert.<br />
Die <strong>ICOM</strong>-Glass-Tagung bot vielfältige Einblicke in<br />
die amerikanische Museumslandschaft und Gelegenheit<br />
zum intensiven Austausch, wozu auch die Vorträge von<br />
einigen der Teilnehmer beitrugen.<br />
Dr. Sven Hauschke leitet die Abteilung Kunsthandwerk und Europäi<br />
sches Museum für Modernes Glas der Kunstsammlungen der Veste<br />
Coburg; s.hauschke@kunstsammlungen-coburg.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Bericht und Abstracts der Jahrestagung 2012:<br />
network.icom.museum/glass/our-publications/annual-newsletter<br />
Gemeinsames Treffen von DEMHIST, GLASS, ICDAD und ICFA im<br />
Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro. Titel: Places<br />
for Reflection: Museums as Connectors of Cultures, Times, People<br />
and Social Groups<br />
Jahrestagung <strong>2013</strong>: 28. bis 31. Oktober <strong>2013</strong> in Bratislava, Slowakei.<br />
Titel: What is the Future for Contemporary Studio Glass. New Discoveries<br />
in Glass<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 45
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICEE – International Committee for Exhibition<br />
Exchanges<br />
Young Professionals: Their Future in an<br />
Ever Changing Museum Environment<br />
Jahrestagung vom 23. bis 26. Oktober 2012 in Toronto,<br />
Kanada<br />
Christoph Lind<br />
Zur Erörterung der Rolle und der Integration junger Mitarbeiter<br />
in den Ausstellungsbetrieb und insbesondere in<br />
die Ausstellungsorganisation hatte ICEE nach Toronto<br />
eingeladen; das Thema durchzog die gesamte Tagung, die<br />
bei ICEE traditionell in drei Bereiche geteilt ist: zunächst<br />
die internationalen Beiträge zum Tagungsthema, dann die<br />
Streifzüge hinter die Kulissen verschiedener Museen vor<br />
Ort mit Betonung der Ausstellungen und der Sammlungen<br />
und schließlich der marketplace sowohl für neue Ausstellungsvorhaben<br />
als auch für neue Planungs- und Durchführungsverfahren,<br />
die sogenannten best practices.<br />
Changing environment, die aktuellen Veränderungen innerhalb<br />
der Museumswelt und um die Museen herum, wurde<br />
hinsichtlich zweier Aspekte dargestellt. Einerseits war<br />
natürlich aus aktuellen Gründen die finanzielle Situation<br />
insbesondere für das Ausstellungswesen ein wichtiger Diskussionspunkt,<br />
über den während des gesamten Konferenzzeitraums<br />
gesprochen wurde. Kürzungen der Museumsetats<br />
treffen selbstverständlich zunächst die Sonderausstellungsaktivitäten<br />
und die Veranstaltungen. Wie man durch<br />
Kooperationen und durch weitere Maßnahmen zur Kostenminimierung<br />
trotzdem den Sonderausstellungsbetrieb aufrechterhalten<br />
und zu guten Ergebnissen kommen kann, war<br />
Grundtenor des Austauschs der rund einhundert ICEE-<br />
Mitglieder und der überwiegend kanadischen und US-amerikanischen<br />
Kollegen. Auf inhaltlichem Gebiet wurden vor<br />
allem Kooperationen zwischen verschiedenen Institutionen<br />
für neue Museums- und Ausstellungsprojekte besprochen<br />
oder Kooperationen über verschiedene Kulturkreise hinweg<br />
vorgestellt.<br />
Thomas Boucknooghe stellte sein Ausstellungsprojekt,<br />
eine Kooperation zum Themenkreis „Masken der Alutiiq“<br />
(Kodiak-Inseln, Alaska, USA) der Universität Charles de<br />
Gaulle (Lille, Frankreich) vor: Masken, die vor über einhundert<br />
Jahren nach Frankreich gelangten, wurden nun bei<br />
den Nachfahren ihrer ehemaligen Besitzer erneut präsentiert.<br />
Insbesondere die Aufarbeitung in Frankreich und die<br />
Rezeption vor Ort in Alaska wurden eingehend untersucht.<br />
Anne Catherine Hauglustaine-Robert präsentierte die Planungen<br />
für den Jardin des sciences in Straßburg, eine Zusammenarbeit<br />
zwischen Stadt und Universität, die ein neues<br />
Konzept der Präsentation der Universitätssammlungen beinhalten.<br />
Am Nachmittag stellten Katrin Hieke (Projekt2508)<br />
und Isabel Salgado (Fundacio La Caixa) neue Modelle für<br />
befristete Museumsmitarbeiter vor; insbesondere in wirtschaftlichen<br />
Krisenzeiten bieten neue Modelle auch neue<br />
Chancen, sowohl den Ausstellungsbetrieb als auch qualifizierte<br />
junge Mitarbeiter in neue Strategien der Museen<br />
zu integrieren.<br />
Die Kooperation mehrerer Einrichtungen ermöglichte, dass 2008<br />
insgesamt 34 Alutiiq-Masken nach mehr als 130 Jahren nach Alaska<br />
zurückkehrten. Dort inspirierten sie in der Ausstellung „Giinaquq:<br />
Like a Face“ die Alutiiq community, die Geschichte und Kultur ihrer<br />
Vorfahren zu erkunden.<br />
War der gesamte Donnerstag vorgesehen für die Museumsbesuche<br />
mit Blick hinter die Kulissen, so kamen am<br />
Freitag in der Vormittagsrunde aktuelle Themen zur Sprache:<br />
Philippos Mazarakis-Ainian stellte das Ausstellungsprojekt<br />
„Imagining the Balkans“ vor, welches eine Kooperation<br />
verschiedener Museen der Balkanländer und des<br />
Deutschen Historischen Museums ist. Der marketplace<br />
(exhibitions, moderiert von Carina Jaatinen, und best<br />
practices, moderiert von Christoph Lind) leitete als Nachmittagsveranstaltung<br />
über zur Mitgliederversammlung,<br />
auf der die Berichte des Sekretärs und des Schatzmeisters<br />
vorgetragen wurden. Für die Zukunft sind sowohl eine<br />
Erweiterung des sehr gut besuchten marketplace als auch<br />
eine neue Schwerpunktsetzung auf Transport und Logistik<br />
geplant.<br />
Dr. Christoph Lind ist stellvertretender Direktor der Kunst und Kulturgeschichte<br />
und Leiter der Abteilung Ausstellungsmanagement und<br />
Museumsvermittlung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Er<br />
ist Mitglied im Vorstand von ICEE, von 2005 bis 2010 war er Mitglied<br />
im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; Christoph.lind@mannheim.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Fotogalerie der Jahrestagung 2012: network.icom.museum/icee<br />
46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICLM – International Committee for Literary Museums<br />
Literary and Composer Museums and<br />
the Spirit of the Place<br />
Jahrestagung vom 17. bis 20. Juni 2012 in Oslo,<br />
Norwegen<br />
Lothar Jordan<br />
2012 fand die Jahrestagung von ICLM wie zuletzt 2005<br />
erneut in Skandinavien statt, diesmal in Oslo, mit Besichtigungen<br />
und Veranstaltungen in weiteren Orten Südnorwegens.<br />
Das Tagungsthema galt den Beziehungen zwischen den<br />
Literatur- und Komponistenmuseen und dem genius loci,<br />
den spezifischen Traditionen, der Mentalität, der Atmosphäre<br />
des Ortes und der Region, in denen die Museen angesiedelt<br />
sind. Es schloss die Frage ein, welche Rolle entsprechende<br />
Elemente in den Werken der Schriftsteller und<br />
Komponisten in den Museen spielen. Vierzehn Referate aus<br />
sieben Ländern stellten u. a. anhand der Autoren Goffredo<br />
Parise, Lu Xun, Henrik Ibsen, den Brüder Grimm und August<br />
Strindberg die entsprechende lokale Anbindung verschiedener<br />
Häuser vor. Doch wurde dies auch gelegentlich<br />
in den übergreifenden Rahmen regionaler und nationaler<br />
Kulturpflege gerückt.<br />
Hat ein Dichter eine besondere nationale Bedeutung, so<br />
sind ihm oft sogar mehrere Museen gewidmet. Im Falle des<br />
chinesischen Dichters Lu Xun sind das sechs, wie Huang<br />
Qiaosheng (Peking) darlegte, sich zugleich für mehr Vielfalt<br />
in der musealen Literaturpflege aussprechend.<br />
Haupttagungsorte waren das Haus der Stiftung Fritt Ord<br />
(Freies Wort) und das Ibsen-Museum. Beide Einrichtungen<br />
führten in ihre Zielsetzungen und in aktuelle Projekte ein.<br />
Mit Beziehung zum Ibsen-Museum gab es in der nahegelegenen<br />
Nationalbibliothek eine Vorstellung der Internet-<br />
Datenbank Ibsen.net.<br />
Im Ibsen-Museum wurde im Rahmen der Jahresversammlung<br />
auch die aktuelle ICLM-Publikation 2012 vorgestellt:<br />
der Sammelband der Jahrestagung 2011 in Chiaravalle,<br />
Italien (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2012, S. 43): Literature and Music.<br />
Dem Buch konnte erstmals eine DVD beigegeben werden.<br />
Sie enthält Fotos und die Dokumentation zweier Konzerte,<br />
die Teil der Jahrestagung 2011 gewesen sind, darunter ein<br />
Klavierkonzert von Maestro Gregorio Nardi, der in Florenz<br />
ein Museum leitet.<br />
Weitere Tagungsorte waren das Skimuseum auf dem<br />
Holmenkollen und das Asker-Museum bei Oslo. Dabei handelt<br />
es sich um ein Museumsensemble u. a. mit zwei Künstlerhäusern,<br />
in denen z. B. die Schriftstellerin Hilda Valstad<br />
und der Schriftsteller Arne Garborg gelebt haben. Im Asker-Museum<br />
wurde das Thema der Tagung besonders lebendig,<br />
da das Museum in der Verbindung von Kultur- und<br />
Naturpflege zu einem zentralen Begegnungs- und Identifikationsort<br />
für die Kommune geworden ist.<br />
Besichtigt wurden, in der Nähe von Lillehammer, ferner<br />
die Literaturmuseen für Alf Prøysen und für Sigrid Undset,<br />
die 1928 den Literaturnobelpreis erhalten hat.<br />
ICLM empfand es als eine besondere Ehre, dass der Bürgermeister<br />
der Stadt Oslo die Tagungsteilnehmer im gleichen<br />
Raum des Rathauses zu einem Empfang begrüßte, in<br />
dem zwei Tage zuvor die Friedensnobelpreisträgerin Aung<br />
San Suu Kyi (Burma), 21 Jahre nach ihrer offiziellen Auszeichnung,<br />
nun ihre Nobelpreisrede gehalten hatte.<br />
Unterstützt wurde die Jahrestagung von der Stiftung<br />
Fritt Ord, <strong>ICOM</strong> Norwegen und den Kommunen Oslo und<br />
Asker. Trotz dieser Förderung waren die Aufwendungen<br />
aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Oslo für die<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer so hoch, dass deren Zahl<br />
zum ersten Mal seit einigen Jahren rückläufig war. Insgesamt<br />
nahmen vierzig Mitglieder und drei Gäste an der<br />
Veranstaltung teil. Erfreulicherweise kam aber wiederum<br />
eine beachtliche Gruppe aus China.<br />
Professor Dr. Lothar Jordan ist Präsident von ICLM und Mitglied des<br />
Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Er leitet die Arbeitsgruppe Bildung<br />
und Forschung des UNESCO-Programms „Memory of the<br />
World“ (Weltdokumentenerbe); ICLM.Jordan@gmx.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Literature and Music. Proceedings of the ICLM Annual Conference<br />
2011. ISBN 978-88-907427-10. Preis: 20 Euro, einschl. DVD (ICLM-<br />
Mitglieder 15 Euro); nur DVD: 10 Euro (ICLM Mitglieder 8 Euro). Zu<br />
bestellen bei: aurelie.aubourg@icom.museum, zzgl. Versandkosten.<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet vom 12. bis 15. August <strong>2013</strong> im Rahmen<br />
der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> in Rio de Janeiro statt, am<br />
13. und 14. August gemeinsam mit CAMOC. Titel: CITY TEXTureS: Reflecting<br />
the City in Literature and Museums.<br />
Stefan Bohman, Direktor des Strindberg-Museums in Stockholm, berichtete<br />
am Beispiel seines Hauses über die Problematik der Authentizität<br />
eines Dichtermuseums. Das Museum wurde 1973 gegründet<br />
und befindet sich in Strindbergs letzter Unterkunft.<br />
Foto: Udo Schröter, Wikimedia Commons, CC-BY-3.0<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 47
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICME – International Committee for Museums<br />
of Ethnography<br />
Commodifying Culture? Cultural Villages<br />
and Living Museums<br />
Jahrestagung vom 12. bis 14. September 2012<br />
in Windhoek, Namibia<br />
Lydia Icke-Schwalbe<br />
Die Jahrestagung der internationalen Arbeitsgruppe von<br />
Mitarbeitern ethnographischer Museen entwickelte sich zu<br />
einer sehr angeregten, lebendigen und konstruktiven Diskussionsrunde<br />
zu den im Thema angesprochenen Fragen.<br />
Kultur- und Sozial-Anthropologen, Museumsexperten von<br />
Finnland bis Australien, von den USA bis Südafrika waren<br />
der Einladung der jungen Museums Association of Namibia<br />
gefolgt. Ihr Leiter, Dr. Jeremy Silvester, zugleich Präsident<br />
von <strong>ICOM</strong> Namibia, hatte erstmalig die internationale Gemeinschaft<br />
in das südwest-afrikanische Land eingeladen,<br />
das erst 1990 seine staatliche Autonomie und Unabhängigkeit<br />
erlangt hatte. Daher begann diese Jahrestagung mit<br />
dem Abspielen der Nationalhymne.<br />
Der stellvertretende Bürgermeister der Hauptstadt Windhoek<br />
führte in seiner herzlichen Willkommensrede die internationalen<br />
Konferenzteilnehmer in seine Stadt, in sein<br />
Land mit demokratischer Verfassung ein, voll Stolz über<br />
das Erreichte in einem Territorium aus Wüsten und Savannen,<br />
doppelt so groß wie <strong>Deutschland</strong>, mit etwas mehr als<br />
zwei Millionen Einwohnern aus dreizehn ethnischen Gemeinschaften<br />
mit eigenen Sprachen und Dialekten. Er betonte<br />
den hohen Bildungsstand der Bevölkerung von 85<br />
Prozent und das sauberste Trinkwasser von ganz Afrika.<br />
Die namibischen Gemeinschaften waren in großer Zahl<br />
vertreten und repräsentierten die „lebenden traditionellen<br />
Kulturen“ in der gegenwärtigen demokratischen Gesellschaftsstruktur<br />
mit Stolz und Würde. Ein Vertreter der Museumsassoziation<br />
Namibias erhob zugleich die Frage nach<br />
der Revitalisierung – notwendig oder konservativ? – einzelner<br />
verlorener oder abgelegter Traditionen angesichts einer<br />
demokratischen, christlich-ethischen Verfassung und<br />
der Christianisierung unter den namibischen Gemeinschaften<br />
zu über neunzig Prozent.<br />
Die Rolle des Museums als eines modernen Versammlungshauses<br />
traditioneller Kulturen gegenüber verstaubten<br />
„Kolonialmuseen“ mit Fremdblick auf die eigene Kultur<br />
und Lebensweise wurde ernsthaft und in gesellschaftlicher<br />
Verantwortung füreinander in allen Sessionen diskutiert.<br />
Afrikanische Kollegen und Kolleginnen aus Südafrika und<br />
Namibia diskutierten vor allem die Herausforderung und<br />
das gleichzeitige Dilemma in Verbindung mit der musealen<br />
Präsentation von kulturellem Erbe, sei es in archäologischen<br />
Zonen, in „Kultur-Dörfern“ (living museums) oder<br />
früheren Kolonialmuseen. Zahlreiche internationale Kollegen<br />
referierten über unterschiedliche Aspekte zum Umgang<br />
der Museen mit Folklore. Ihre Abstracts lagen zu<br />
Beginn der Konferenz in ausgedruckter Form als Ergänzung<br />
zum Gesamtprogramm vor. Die Betonung lag auf<br />
möglicher Authentizität musealer Darstellungen – wann ist<br />
etwas authentisch und für wen? – und auf Identität in den<br />
Mit der Eröffnung des „lebenden Museum“ wurde 2010 der Versuch<br />
gestartet, die „verlorene Kultur“ der Damara zu rekonstruieren. Es soll<br />
zum Erhalt der Kultur beitragen und der Gemeinschaft der Damara zu<br />
einem geregelten Einkommen verhelfen.<br />
cultural villages. Eine entsprechende Damara-Siedlung wurde<br />
den Konferenzteilnehmern bei der anschließenden Landestour<br />
nahegebracht – verkaufbare Tourismusattraktion<br />
als moderner Wirtschaftsfaktor.<br />
In meinem Beitrag habe ich die historische, europäische<br />
Konzeption von Museen analysiert und die im <strong>ICOM</strong><br />
Code of Ethics for Museums beschriebenen Säulen als verbindliche<br />
Kriterien für den verantwortungsvollen Umgang<br />
mit dem kulturellen Erbe der Völker der Welt unterstrichen.<br />
Nützliche Vorlage dafür war auch der Tagungsband zum<br />
Bodensee-Symposium 2000 in Lindau: Das Museum als<br />
Global Village.<br />
Ein wichtiges Ergebnis der ausgefüllten, vor allem von<br />
den Dozenten und Studenten der Universität Windhoek gut<br />
genutzten ICME-Tagung war, dass die Museen in sozialer<br />
und kultureller Verantwortung global und mit wechselseitiger<br />
Akzeptanz kooperieren müssen, um regional bildend<br />
und identitätsstiftend zu sein. So könne auch wissenschaftlich<br />
dokumentierte Menschheitsgeschichte, das gemeinsa<br />
me kulturelle Erbe, gepflegt und bewahrt werden. Die<br />
Diskussion endete in einem akademischen Diskurs zur<br />
Geschichte der Ethnographie als Teil der Wissenschaft von<br />
der Geschichte der Menschheit, der Anthropologie.<br />
Lebendige Traditionen, seien sie authentisch oder rekonstruiert,<br />
bezeugen den Sinn und Wert von materiellen und<br />
immateriellen Schöpfungen und können in entsprechender<br />
Präsentation sogar friedensstiftend wirken. Ethnographische<br />
Museen haben ein bedeutendes Potential zur Nationenbildung.<br />
Interkulturelle Treffen und respektvolle Diskussionen<br />
seien hoch zu schätzen und auch in Zukunft wertvoll, betonte<br />
die Präsidentin von ICME, Annette B. Fromm, in der<br />
abschließenden Zusammenfassung.<br />
Dr. Lydia Icke-Schwalbe war viele Jahre im Staatlichen Museum für<br />
Völkerkunde in Dresden tätig, von 2000 bis 2004 war sie Mitglied im<br />
Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; ickeschwalbe@gmx.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Abstracts und Fotos der Jahrestagung 2012: icme.icom.museum<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt.<br />
48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICME – International Committee for Museums<br />
of Ethnography<br />
Commodifying Culture? Cultural Villages<br />
and Living Museums<br />
Post-conference tour vom 15. bis 18. September 2012<br />
in Namibia<br />
Anette Rein<br />
Während der sehr anregenden ICME-Jahreskonferenz mit<br />
rund sechzig Teilnehmenden aus Afrika, Korea, USA und<br />
Europa führte uns bereits das jeweilige Nachmittagsprogramm<br />
zunächst in das Owela Display Center des Nationalmuseums<br />
Namibia in Windhoek. In diesem Landesmuseum,<br />
1907 von der Deutschen Kolonialregierung gegründet<br />
und nach der Unabhängigkeit 1996 umbenannt, vermitteln<br />
viele Dioramen – das älteste von 1962 – und eine Naturkundesammlung<br />
einen Eindruck von Mensch und Natur.<br />
Kritische Betrachtungen zu Stereotypen und Rassekunde<br />
differenzieren den naturkundlichen Blick.<br />
Ferner besuchten wir historisch bedeutsame Orte: das<br />
nationale Kriegsdenkmal von Namibia, den sogenannten<br />
Heldenacker, Heroes Acre, den Heldenfriedhof, Old Location<br />
Cemetery oder auch Heroes and Heroines Memorial<br />
Grave genannt, auf dem zahlreiche Protest-Opfer des Jahres<br />
1959 begraben sind, die Frauenkooperative Penduka<br />
in Katutura, die sich auf die Herstellung von Glasperlen,<br />
Textilien und Keramiken spezialisiert hat, sowie lokale<br />
(Kunst-)Märkte und ausgewählte Restaurants. Eine dreitägige<br />
Busreise mit 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
führte uns schließlich vom 15. bis 18. September in den<br />
Norden Namibias.<br />
Die hervorragend organisierte Tour umfasste drei Themen:<br />
lokale Touristenmärkte, auf denen der Bedarf an<br />
Souvenirs gedeckt werden konnte, Savannenlandschaft mit<br />
ihrer reichen Tierwelt und kulturelle Zentren, deren Aktivitäten<br />
die Diskussionen während der Konferenz ergänzten.<br />
Der erste Tag führte über Omaruru nach Twyfelfontein,<br />
einem trockenen Tal im Damara-Bergland, welches durch<br />
Berghänge aus roten Sandsteinfelsblöcken mit tausenden<br />
von Felsritzungen charakterisiert ist. Das bisher einzige<br />
Weltkulturerbe Namibias wurde vor rund 2 500 Jahren<br />
von den damals hier lebenden San mit Petroglyphen – meist<br />
in Tierform – gestaltet.<br />
Der anschließende Besuch des Damara Living Museum<br />
konfrontierte uns mit einer zeitgenössischen Interpretation<br />
des Konferenzthemas living traditions. Unterhalb einer<br />
pittoresken Felsformation wurden „ursprüngliche“ Lebensformen<br />
der Damara aus der Pre-contact-Zeit nach dem<br />
Front-stage-Prinzip als angeblich authentisches Kulturerbe<br />
für Touristinnen und Touristen aufgeführt. Dass es sich<br />
dabei um eine Rekonstruktion aus zeitgenössischer Perspektive<br />
handelte, wurde nicht nur durch die Kombination<br />
verschiedener Elemente aus unterschiedlichen Kulturen und<br />
Zeiten deutlich, so etwa durch die weibliche Lederbekleidung,<br />
die meist nur aus einem knappen Lendenschurz bestand,<br />
durch die digitalen Taschenrechner im Kassenbereich<br />
und durch die Nennung lateinischer Namen von Heilpflanzen.<br />
Die aufkommenden Zweifel an einer Sinnhaftigkeit<br />
Das Damara Living Museum legt Wert auf die Authentizität der gelebten<br />
Traditionen, es soll keine Kompromisse an das moderne Leben<br />
geben. Das veranlasste die Teilnehmer zur Reflexion über living traditions<br />
zwischen Anspruch und Wirklichkeit.<br />
dieser Inszenierung verstärkten noch einmal unsere Wahrnehmung<br />
bezüglich der Schwierigkeit einer Beurteilung der<br />
Situation durch uns „fremde Reisende“, da die Arbeitsplätze<br />
im living museum den Khoekhoegowab sprechenden Gemeinden<br />
ein regelmäßiges Einkommen sichert.<br />
Trotz des großen Feuers im Etosha-Park hatten wir das<br />
Glück, u. a. fast alle Tierarten der big five in freier Wildbahn<br />
und am Wasserloch in Namutoni in Ruhe beobachten<br />
zu können.<br />
Der Oshikoto-See konfrontierte uns mit der Geschichte<br />
der Herero-Kriege. Die Deutschen versenkten hier im Ersten<br />
Weltkrieg viele Waffen und Geschütze, von denen wir<br />
einige am nächsten Tag im Tsumeb Museum besichtigten –<br />
neben Vitrinen, gefüllt mit traditionellen Objekten verschiedener<br />
Ethnien Namibias, historischen Darstellungen<br />
von Kriegen und dem Bergbau von Tsumeb.<br />
Zeitgenössische Tanzinterpretationen von Mädchen und<br />
Jungen der Umgebung unterhielten uns am letzten Abend<br />
im Helvi Mpingana Kondombolo Cultural Village, wo am<br />
Beispiel traditioneller Wohnformen auch über die jüngere<br />
Geschichte der Apartheid erzählt wird.<br />
Die Rückreise führte uns ins Cheetah Conservation Fund,<br />
wo uns Programme zur Arterhaltung von Geparden in<br />
freier Wildbahn erläutert wurden. Ein Besuch auf dem<br />
Markt von Okahandja rundete die sehr informative und<br />
vielfältige Reise durch die Steppen Namibias ab. An dieser<br />
Stelle möchte ich noch einmal Jeremy Silvester (Museums<br />
Association Namibia) danken, der nicht nur alles organisierte,<br />
sondern uns während der drei Tage unermüdlich mit<br />
Informationen und Erfrischungen versorgte.<br />
Dr. Anette Rein ist als freiberufliche Ethnologin tätig. Seit 2007 ist sie<br />
Mitglied im Vorstand von ICME, von 2005 bis 2010 war sie Mitglied<br />
im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; ar_welten@yahoo.de.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 49
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
IC Memo – International Committee of Memorial<br />
Mu seums in Remembrance of the Victims of Public<br />
Crimes<br />
The Memories of the Border, Exiles,<br />
Internments and Humanitarian Help<br />
Jahrestagung vom 7. bis 9. November 2012<br />
in Perpignan, Frankreich<br />
Rosmarie Beier-de Haan, Markus Moors<br />
Im Zentrum der Tagung standen Museen und Gedenkstätten<br />
in der französisch-spanischen Grenzregion der Pyrénées<br />
orientales, die sich mit staatlicher Gewalt im 20. Jahrhundert,<br />
insbesondere mit dem Nationalsozialismus, dem Vichyund<br />
dem Franco-Regime auseinandersetzen.<br />
Denis Peschanski betonte, dass es sich dabei um Erinnerungen<br />
handle, die bis heute keinen Platz im kollektiven<br />
Gedächtnis Frankreichs gefunden hätten, und sprach über<br />
das „Regime der Memorialisierung“: Die Helden (résistance)<br />
wie die Opfer (Juden) böten sich zur Memorialisierung an,<br />
nicht jedoch die Spanienflüchtlinge, die bis in die jüngste<br />
Vergangenheit als „fünfte Kolonne“ betrachtet worden<br />
seien. Noch heute sei im kollektiven Gedächtnis Frankreichs<br />
eine „Erinnerung ohne Lager“ vorherrschend. Gefragt nach<br />
der zukünftigen Bedeutung der entstehenden Gedenkstätte<br />
Rivesaltes Memorial Project, war Peschanski der Ansicht,<br />
dass sie Teil einer größeren Entwicklung sei, zu der man<br />
einen spezifischen Beitrag leisten könne.<br />
Auch in Spanien scheint die Erinnerung an Bürgerkrieg<br />
und Franco-Herrschaft bis heute problematisch, ja häufig<br />
unerwünscht zu sein. Während die von der Legion Condor<br />
zerstörte Stadt Guernica seit langem zur nationalen Ikone<br />
avanciert ist, so Museumsdirektorin Iratxe Momoitio<br />
As torkia, sind Bürgerkrieg, Massenexodus und franquismo<br />
nach wie vor ein „beschwiegenes“ Thema, wie Jordi Guixé<br />
von der Universität Barcelona und Jordi Font Agulló, Leiter<br />
des Museu Memorial de l’Exili in La Jonquera, ausführten.<br />
Beide sehen in ihrem Land derzeit nur wenig Chancen für<br />
eine offene, selbstkritische Gedächtniskultur.<br />
Der Vortrag von Eric Villagordo, Universität Montpellier,<br />
öffnete den Horizont in eine neue Richtung: Welche spezifischen<br />
Möglichkeiten hat die Kunst, im geschichtskulturellen<br />
Erinnerungsraum zu wirken? Villagordo stellte die<br />
lange vergessenen Fotografien von Manuel Moros vor, die<br />
in ihrer bezwingenden Schwarzweiß-Ästhetik die retirada,<br />
den Exodus der spanischen Bürgerkriegskämpfer über die<br />
Pyrenäen, zu einem Leidens-Bild des Menschen schlechthin<br />
überhöhten.<br />
Eingerahmt wurden die Referate und Diskussionen durch<br />
beeindruckende Exkursionen, die die gesamteuropäische<br />
Bedeutung der Erinnerungslandschaft im französischen und<br />
spanischen Katalonien verdeutlichten. Auf dem Lagergelände<br />
von Rivesaltes, nördlich von Perpignan, reicht der<br />
Bogen der ehemaligen Insassen von spanischen Flüchtlingen<br />
vor Franco über internierte Flüchtlinge aus dem NS-besetzten<br />
Mitteleuropa, aus deren Reihen viele Juden, Sinti<br />
und Roma im Jahr 1942 von hier aus auf den Weg in die<br />
deutschen Vernichtungslager in Osteuropa geschickt wurden.<br />
Nach der Befreiung Frankreichs waren deutsche Kriegsgefangene<br />
in Rivesaltes inhaftiert. In den 1960er Jahren<br />
wurden in den Baracken die Familien von Algeriern untergebracht,<br />
die zuvor in ihrer Heimat auf der Seite der französischen<br />
Kolonialmacht gekämpft hatten. Schließlich diente<br />
das Lager nach 1986 noch lange Jahre als Abschiebegefängnis<br />
für illegale Einwanderer. 2015 soll nach den Entwürfen<br />
des Architekten Rudy Riciotti eine Gedenkstätte<br />
eröffnet werden, die an alle Facetten der Lagergeschichte<br />
erinnert.<br />
Eine andere Exkursion führte in den spanischen Grenzort<br />
Portbou zu dem vom israelischen Künstler Dani Karavan<br />
gestalteten Gedenkort „Passagen“, der an den hier zu<br />
Tode gekommenen Philosophen Walter Benjamin erinnert.<br />
Die Fahrt führte weiter nach La Jonquera in das 2008 eröffnete<br />
spanisch-katalanische Exilmuseum (www.museuexili.cat).<br />
Nicht wenige der republikanischen Flüchtlinge,<br />
die sich vor der beginnenden Franco-Diktatur in Sicherheit<br />
bringen wollten und deren Schicksal hier dokumentiert<br />
wird, fanden sich später als gefangene Widerstandskämpfer<br />
in deutschen Konzentrationslagern wieder.<br />
Insgesamt zeichnete sich die von IC Memo unter seinem<br />
Präsidenten Jon Reitan in Kooperation mit Partnereinrichtungen<br />
in Frankreich und Spanien exzellent konzipierte und<br />
organisierte Tagung, an der rund dreißig Museumsexperten<br />
aus Europa, den USA und Japan teilnahmen, durch ein<br />
hohes intellektuelles Niveau und intensive Diskussio nen<br />
aus.<br />
Professor Dr. Rosmarie Beier-de Haan ist als Sammlungsleiterin und<br />
Ausstellungskuratorin am Deutschen Historischen Museum in Berlin<br />
tätig. Von 2005 bis 2010 war sie Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>; beier@dhm.de. Markus Moors arbeitet als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Kreismuseum Wewelsburg;<br />
moorsm@kreis-paderborn.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Ausführlicher Tagungsbericht mit zahlreichen Abbildungen, in Englisch:<br />
www.ic-memo.org<br />
Die Tagungsteilnehmer besuchten das Camp de Rivesaltes. Auf dem<br />
heute teilweise verwahrlost wirkenden Gelände entsteht eine Gedenkstätte,<br />
in der die Geschichte des Lagers aufgearbeitet wird.<br />
Foto: Rosmarie Beier-de Haan<br />
50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICMS – International Committee for Museum Security<br />
Threats for the Collections and the<br />
Evacuation of Collections in Case of<br />
Disasters or Threat<br />
Jahrestagung vom 8. bis 12. Oktober 2012 in Tiflis,<br />
Georgien<br />
Hans-Jürgen Harras<br />
Nach den kriegerischen Ereignissen des Jahres 2008 haben<br />
sich in Georgien mehrere Museen zum Georgischen<br />
Nationalmuseum unter der Leitung des Generaldirektors<br />
David Lordkipadnize zusammengeschlossen. Dieser Museumsverbund<br />
hat in der Folgezeit große Fortschritte bei<br />
der Museumsentwicklung und Erneuerung der Museumslandschaft<br />
gemacht. Unter anderem wurde mit Unterstützung<br />
der Europäischen Union ein Twinning-Projekt auf<br />
die Beine gestellt mit dem Ziel, bei den Planungen zum<br />
Aufbau eines neuen Restaurierungs- und Konservierungszentrums<br />
Erfahrungen und best practices aus den etablierten<br />
Museumsländern Europas zu vermitteln. Den Zuschlag<br />
der Ausschreibung erhielt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz,<br />
deren Mitarbeiter zusammen mit Experten des Bundesamtes<br />
für Bauwesen diese Aufgabe erfolgreich bewältigten.<br />
Während dieses Projektes kam der Gedanke auf,<br />
in Georgien auch eine Jahrestagung des ICMS durchzuführen.<br />
Die georgische Seite griff diese Idee begeistert auf,<br />
und so startete die Tagung nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit<br />
in der zweiten Oktoberwoche.<br />
In den Vorträgen der aus verschiedenen Ländern angereisten<br />
ICMS-Mitglieder ging es besonders um die unterschiedlichen<br />
Bedrohungen, denen Sammlungen und Besucher<br />
ausgesetzt sein können, und um die Gefahrenabwehr,<br />
die durch die verschiedenen Herangehensweisen in den einzelnen<br />
Ländern und deren spezifischen Situationen beim<br />
Risikomanagement geprägt sind. Evakuierungen von Sammlungsbeständen<br />
werden in den verschiedenen Museen unterschiedlich<br />
vorbereitet und bedacht. In einigen Fällen<br />
werden sehr detaillierte Raumpläne der Sammlungen mit<br />
Prioritätskennzeichnungen für den Abtransport der Sammlungsstücke<br />
im Evakuierungsfall vorgehalten. In anderen<br />
Museen wird auf die schnelle Bildung von Notfallteams im<br />
Gefahrenfall gesetzt. Grundlage bildet dann ein Notfallplan,<br />
der die ersten Schritte und die Informationskette zum<br />
Einberufen eines Notfallteams mit der je nach Lage erforderlichen<br />
Fach- und Entscheidungskompetenz gewährleistet.<br />
Anhand realer Fälle aus den vergangenen Jahren wurde<br />
auch gezeigt, dass es so möglich ist, im Gefahrenfall die<br />
betroffenen Teile der Sammlungen innerhalb des Museums<br />
zu transportieren. Damit kann eine Evakuierung nach außen<br />
verhindert werden. Vorteil: Die verlagerten Sammlungsgüter<br />
bleiben unter den gleichen klimatischen und Sicherheitsbedingungen<br />
aufbewahrt. Diese Szenarien basierten<br />
auf den erfolgreichen Verfahren und Abläufen der In-house-<br />
Evakuierungen, die die Staatlichen Kunstsammlungen in<br />
Dresden während der Flut im Jahre 2002 und die Staatlichen<br />
Museen zu Berlin beim Brand im Hamburger Bahnhof angewendet<br />
hatten.<br />
Ein Höhepunkt der Jahrestagungen sind die Risikobewertungen für<br />
Museen vor Ort, hier für das Open-Air-Museum in Tiflis. Die Tagungsteilnehmer<br />
ermittelten in Arbeitsgruppen die Folgen für bestimmte<br />
Gefahrensituationen und gaben Hinweise zur Risikominderung.<br />
Weitere Vorträge fokussierten die Gefährdungen für archäologische<br />
Ausgrabungsstätten, die an den Beispielen von<br />
Moldawien und Kenia vorgestellt wurden, sowie mögliche<br />
Bedrohungen durch Amokläufer und Hinweise zum Verhalten<br />
in derartigen Situationen.<br />
Im Rahmen eines Workshops erarbeiteten die Konferenzteilnehmer<br />
für das Open-Air-Museum in Tiflis eine<br />
Risikoanalyse sowie kostengünstige Empfehlungen zur Risikominderung.<br />
Diese wurden den georgischen Kollegen am<br />
nächsten Tag präsentiert und mit ihnen diskutiert.<br />
Am Exkursionstag machten die Gastgeber voller Stolz auf<br />
die rasante Entwicklung des Landes und insbesondere der<br />
Museen am Beispiel der restaurierten Tempelanlage von<br />
Achalziche aufmerksam. Diese wurde in 15monatiger Bauzeit<br />
wiederhergestellt. Zur Anlage gehört auch ein sehenswertes<br />
Museum, dessen Ausstellung in einer Rekordzeit<br />
von nur drei Wochen eingerichtet und das erst im September<br />
2012 eröffnet wurde.<br />
Hans-Jürgen Harras leitet das Referat Sicherheit der Staatlichen<br />
Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Von 2007 bis<br />
2010 war er Präsident von ICMS; h.j.harras@smb.spk-berlin.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt. Titel: Museum Security Ensures Memory<br />
and Continuity. Für Mitglieder aus Entwicklungsländern stehen Stipendien<br />
zur Verfügung: network.icom.museum/icms/<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 51
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
<strong>ICOM</strong>AM – International Committee for Museums of<br />
Arms and Military History<br />
Military Heritage in Oman and the Middle<br />
East and the Relationship with the<br />
Outside World<br />
Jahrestagung vom 6. bis 10. Oktober 2012 in Maskat<br />
und Nizwa, Oman<br />
Alfred Geibig<br />
Zum ersten Mal fand eine <strong>ICOM</strong>AM-Jahrestagung in<br />
einem Staat des Mittleren Ostens, im Sultanat Oman statt.<br />
Nach einem Flug von rund neun Stunden empfing uns gegen<br />
zehn Uhr abends die Hauptstadt Maskat mit ausgesprochen<br />
„milden“ Temperaturen um dreißig Grad Celsius.<br />
Ein Shuttle brachte uns zu unserem Tagungsort, der rund<br />
eineinhalb Fahrtstunden von der Hauptstadt entfernt liegenden<br />
Universität von Nizwa.<br />
Ab dem nächsten Morgen erwartete uns ein straff organisiertes<br />
Tagungsprogramm, das mit einer feierlichen Eröffnung<br />
begann. Umrahmt von künstlerischen und kulturellen<br />
Darbietungen sprachen der Kanzler der Universität<br />
Nizwa, Ahmed Bin Kalfan Al Rawahi, der Präsident von<br />
<strong>ICOM</strong>, Hans-Martin Hinz, der Präsident von <strong>ICOM</strong>AM,<br />
Piet de Gryse, sowie der vor Ort wirkende Organisator<br />
Christopher Roads.<br />
Nach dem Besuch einer Sonderaustellung zu Feuerwaffen<br />
des 16. bis 21. Jahrhunderts konzentrierten wir uns auf das<br />
erste große Paket von insgesamt zehn Vorträgen, die sich<br />
vor allem mit der lokalen Geschichte und der Technik von<br />
Feuer- bzw. Blankwaffen lokalen und europäischem Ursprungs,<br />
ihrer Spiegelung in europäischen Sammlungen und<br />
ihrer Funktion als Trachtbestandteile auseinandersetzten.<br />
Der erste Teil des zweiten Konferenztages gehörte wieder<br />
den Vorträgen, die sich den omanischen Burgen, ihrem Ursprung,<br />
ihrer Typologie, Funktion und ihrer Erhaltung als<br />
Denkmäler widmeten. Beschlossen wurde der Tag durch den<br />
Besuch des Bait Ar Rudaydah Historic Small Arms Centre<br />
of Excellence, einer Ausstellung von Handfeuerwaffen, die<br />
vor allem durch Großmodelle und unkonventionelle Installationen<br />
den Besucher anzusprechen versucht.<br />
Der dritte Tag begann mit einer Fahrt zum Al-Hazm-<br />
Palast, einer großen, komplett restaurierten Anlage mit<br />
besonderen militärischen/fortifikatorischen Elementen und<br />
mit beachtlichem Geschützbestand. Bemerkenswert waren<br />
vor allem die zahlreichen, aufwendig und detailreich rekonstruierten<br />
Lafetten, die fachkundig mit ihren Rohren in<br />
funktionaler Aufstellung präsentiert werden. Nach einem<br />
Mittagessen im Burghof setzten wir unsere Exkursion zu<br />
weiteren Burgen fort, die, zusammen mit ihrer Artillerie,<br />
als omanisches Kulturerbe einen Schwerpunkt der Tagung<br />
bildeten.<br />
Der kommende Tag begann mit einem Besuch der Großen<br />
Sultan-Qabus-Moschee in Maskat, die in ihrer Pracht<br />
bei allen Teilnehmern einen großen Eindruck hinterlassen<br />
haben dürfte. Danach ging es weiter in das Ministerium für<br />
Geschichte und Kultur, wo uns Hassan Bin Mohammed<br />
Bin Ali Al-Lawati, der Präsident von <strong>ICOM</strong> Oman, zusammen<br />
mit zwei Kuratorinnen, über den Stand der Planungen<br />
für das zukünftige Omanische Nationalmuseum infor mierte.<br />
Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch des Bait-<br />
Al-Falaj-Museums (Sultan’s Armed Forces Museum), dem<br />
das Bait-Al-Zubair-Museum folgte. Letzteres bewahrt und<br />
präsentiert zahlreiche Objekte zur Geschichte und zu den<br />
Traditionen des Sultanats von Oman. Abschließend hatten<br />
wir Gelegenheit, den Matrah-Suk, den alten Markt in<br />
Maskat, zu besuchen, wo fast ein jeder sein individuelles<br />
Mitbringsel fand. Vor allem aber das riesige Angebot an<br />
Weihrauch und verwandten Räuchermitteln zeigt die besondere<br />
Bedeutung Omans in Produktion und Handel dieser<br />
über Jahrtausende begehrten und wertvollen Substanzen.<br />
Der fünfte und letzte Tag begann mit dem letzten Vortragsblock<br />
zu den Themen „Museen: Probleme und Lösungen“<br />
sowie „Waffenvignetten“.<br />
Nach der Generalversammlung ging es noch einmal nach<br />
Bait Ar Rudaydah, wo Christopher Roads sowie Angehörige<br />
der omanischen Streitkräfte unter dem Titel „Infantry<br />
Firepower through the Ages“ Feuerwaffen vom 16. bis zum<br />
21. Jahrhundert in Aktion präsentierten. Dabei wurde interessierten<br />
Teilnehmern ebenfalls die Gelegenheit gegeben,<br />
die Waffen selbst zu probieren.<br />
Der Abschiedsabend in Nizwa beschloss eine facettenreiche<br />
Tagung in einem bis zu diesem Zeitpunkt für die<br />
meisten Teilnehmer schönen, aber unbekannten Land.<br />
Die dreitägige post-conference tour vertiefte nochmals<br />
den Themenschwerpunkt „Omanische Burgen“, vermittelte<br />
aber auch, z. B. durch den Besuch einer alten Werft, wo<br />
in traditioneller Handwerkskunst Dhaus, die berühmten<br />
arabischen Holzschiffe, gebaut wurden, weitere Eindrücke<br />
zur omanischen Tradition und Kultur.<br />
Wir, die Teilnehmer der <strong>ICOM</strong>AM-Tagung, bedanken<br />
uns für die Gastfreundschaft, Offenheit und Hilfsbereitschaft<br />
unserer Gastgeber.<br />
Dr. Alfred Geibig leitet die Abteilung Historische Waffensammlung,<br />
Wagen und Schlitten, Orden, Medaillen und Münzen der Kunstsammlungen<br />
der Veste Coburg. Er ist Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong>AM;<br />
a.geibig@kunstsammlungen-coburg.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
<strong>ICOM</strong>AM-Magazin über Oman:<br />
www.klm-mra.be/icomam/icomam/magazine/issue07.<strong>pdf</strong><br />
Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Rio de Janeiro statt. Titel: Acquisition and Disposal Policies:<br />
A Challenge<br />
Al-Hazm-Palast in der Batina-Ebene<br />
Foto: Alfred Geibig<br />
52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />
Conservation of Leather and Related<br />
Materials<br />
Tagung der Arbeitsgruppe Leather and Related Materials<br />
vom 29. bis 31. August 2012 in Offenbach,<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Jutta Göpfrich, Nina Frankenhauser<br />
Zu ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Fachkonferenz trafen<br />
sich dieses Jahr die Restauratoren, Naturwissenschaftler<br />
und Kunstwissenschaftler der <strong>ICOM</strong>-CC-Arbeitsgruppe<br />
für Leder und artverwandte Materialien im Deutschen<br />
Ledermuseum in Offenbach. Vor 23 Jahren, im Jahre 1989,<br />
hatte die Gruppe schon einmal am Deutschen Ledermuseum<br />
getagt.<br />
Ziel der internationalen Arbeitsgruppe ist der Fachaustausch<br />
zum Forschungsstand auf dem Gebiet der Lederkonservierung.<br />
Angereist waren achtzig Teilnehmer aus<br />
vierzehn Nationen. Die Gruppe um die Koordinatorin<br />
Céline Bonnot-Diconne, Frankreich (Assistentinnen: Carole<br />
Dignard, Kanada und Jutta Göpfrich, <strong>Deutschland</strong>), besteht<br />
aus rund fünfzig aktiv tätigen Mitgliedern. Hinzu kamen<br />
interessierte Gäste aus anderen Fachbereichen der Restaurierung,<br />
denn Leder ist als Kombinationsmaterial an fast allen<br />
Objektgruppen zu finden.<br />
In ihrer Begrüßungsrede unterstrich Céline Bonnot-<br />
Diconne, wie sehr sie es bedauert, dass Lederobjekte an vielen<br />
Museen so wenig Wertschätzung und Beachtung finden.<br />
Die Leder-Gruppe trägt durch ihre Aktivitäten und Veröffentlichungen<br />
dazu bei, die Bedeutung des Materials Leder<br />
hervorzuheben.<br />
Das zweitägige Tagungsprogramm überzeugte mit seiner<br />
Vielfalt. Es umfasste folgende Vorträge: Forschungen zur<br />
Bekleidung des Nordens; konservatori sche Maßnahmen an<br />
einem Naxi-Kriegerpanzer; Überblick über die Konservierung<br />
der ethnologischen Sammlungen in Italien; die Rolle<br />
der Lederforschung und Technologie in der englischen Kulturlandschaft;<br />
zur Fettungsproblematik von archäologischem<br />
Leder; zwei Vorträge zur Konservierung von archäologischem<br />
Nassleder; archäologisches Leder aus Ägypten;<br />
Pergamentherstellung in der Antike; naturwissenschaftliche<br />
Forschungen zur Gelatinierung von historischem Leder<br />
und zur mikroskopischen Analytik von degradierten<br />
Pergamentfasern; konservatorische Maßnahmen an mittelalterlichen<br />
Pergamentfragmenten; Konservierung von Pontifikalschuhen<br />
des 12. Jahrhunderts aus Italien; zwei Vorträge<br />
über Goldleder in drei italienischen Palästen des<br />
16. und 17. Jahrhunderts und in Belgien des 18. Jahrhunderts;<br />
Lederbezüge eines barocken Landsitzes in Italien;<br />
zwei Vorträge über die Restaurierung von Goldledertapeten<br />
in <strong>Deutschland</strong> und den Niederlanden; Ausarbeitung<br />
einer Datenbank zum Vergleich von Goldlederpunzen; kritische<br />
Betrachtungen zu früheren konservatorischen Maßnahmen<br />
an Goldleder; Montierungssysteme für Altarantependien<br />
aus Goldleder in Italien.<br />
Im Anschluss an das Programm startete die offizielle Empfangsveranstaltung<br />
mit dem Grußwort des Präsidenten von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, Klaus Weschenfelder. Er unterstrich<br />
Die Lederhosen wurden von den Schuhplattlern während eines Auftrittes<br />
durch das Aufklatschen der Hände als Klangkörper benutzt.<br />
die Bedeutung des Fachaustausches auf internationaler<br />
Ebene in <strong>Deutschland</strong> und würdigte die Initiative der Restauratorinnen<br />
des Deutschen Ledermuseums. Unser Dank<br />
gilt an dieser Stelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für die großzügige<br />
Unterstützung. Im kulturellen Abendprogramm war der Fokus<br />
darauf gelegt, durch die Musikdarbietungen die Bandbreite<br />
der <strong>ICOM</strong>-CC-Ledergruppe sowie der Sammlung des<br />
Deutschen Ledermuseums darzustellen. Nach einem hessischen<br />
Buffet machte die mongolische Gruppe Egschiglen,<br />
die in Landestracht mit typischen Instrumenten auftrat, den<br />
Auftakt. Sie sorgte für große Begeisterung. Diese wurde<br />
noch verstärkt, als nach dem Konzert die Schuhplattlergruppe<br />
des Bayern- und Gebirgstrachtenvereins aus Heidelberg<br />
Einzug in den Konzertsaal hielt. Die kernige Darbietung in<br />
bayerischer Tracht wurde von einem Akkordeonspieler begleitet.<br />
Die Lederhosen wurden von den Schuhplattlern während<br />
des Auftrittes durch das Aufklatschen der Hände als<br />
Klangkörper benutzt.<br />
Am Freitag fand eine Exkursion in den Rheingau nach<br />
Schloss Vollrads und Kloster Eberbach statt. In Schloss<br />
Vollrads informierten Restauratorinnen über zwei Projekte:<br />
die In-situ-Restaurierung einer Goldledertapete aus dem<br />
17. Jahrhundert und eines pergamentbezogenen mittelalterlichen<br />
Hohenzeug-Sattels des 14. Jahrhunderts. Zu Abschluss<br />
besichtigten wir das Kloster Eberbach, die Fundstätte<br />
der Pergamentfragmente, die zuvor in einem Vortrag<br />
vorgestellt worden waren.<br />
Jutta Göpfrich ist als leitende Restauratorin im Deutschen Ledermuseum<br />
/ Schuhmuseum Offenbach tätig. Sie engagiert sich als assistant<br />
coordinator der <strong>ICOM</strong>-CC-Arbeitsgruppe Leather and Related Materials;<br />
j.goepfrich@ledermuseum.de. Nina Frankenhauser ist als Restauratorin<br />
im Deutschen Leder mu seum/Schuhmuseum Offenbach tätig;<br />
frankenhauser@ledermuseum.de.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 53
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICR – International Committee for Regional Museums<br />
Home and Hearth: Regional Museums<br />
and Gastronomic Heritage<br />
Jahrestagung vom 22. bis 29. September 2012<br />
in Belgrad und Prijepolje, Serbien<br />
Otto Lohr<br />
Wie haben Migration und andere Veränderungen Gemeinschaften<br />
und Familienleben im Hinblick auf Speisen, Essgewohnheiten<br />
und -geräte beeinflusst? Wie unterscheiden<br />
sich Haushalte von religiösen und ethnischen Gruppierungen<br />
bei der Auswahl und der Zubereitung von Nahrungsmitteln?<br />
Welche unausgesprochenen Essgewohnheiten und -regeln<br />
gibt es? Diese und andere Aspekte des gastronomischen<br />
Erbes diskutierten die rund 45 Teilnehmer der Jahrestagung<br />
2012 des internationalen Komitees ICR in Belgrad<br />
und Prijepolje in Serbien. Impulsreferate und Präsentationen<br />
beleuchteten das Tagungsthema aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln. Ossama A. W. Abdel Meguid, Mitglied des<br />
<strong>ICOM</strong> Executive Council, gab in seinem Impulsreferat<br />
„Towards Regional Museums of Gastronomy / Nubian<br />
Food“ einen Überblick über die Besonderheiten der nubischen<br />
Küche mit der Verwendung von Okraschoten,<br />
Gerste und Palmherzen sowie Koriander als Gewürz. Er<br />
ging auf den Zusammenhang von Gastronomie und Handwerk<br />
speziell bei der Lagerung von Nahrung ein, bei der<br />
verschiedenste Körbe, Behältnisse und Werkzeuge verwendet<br />
werden. Er streifte auch den kulturellen Hintergrund<br />
und Formen der Etikette als immaterielles Erbe. Sein Museum<br />
in Assuan dokumentiert die traditionellen Gerichte<br />
und bietet Kochkurse für die lokale Bevölkerung an.<br />
In einem zweiten Impulsreferat „At the Table in Serbia“<br />
schilderte Vesna Bižić-Omćikus die jeweils unterschiedlichen<br />
typischen Essensgewohnheiten Serbiens, das in drei<br />
kulturelle und geografische Regionen gegliedert ist. Beeinflusst<br />
durch religiöse Vorschriften, durch die Migration von<br />
Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg und durch Minderheiten<br />
wie Roma und Juden, sind die traditionellen Gewohnheiten<br />
einem ständigen Wandel unterworfen. Das<br />
Ethnographische Museum bietet Kinderprogramme zu<br />
Esskultur und -gebräuchen in Serbien, wie Backen von Brot<br />
und Weihnachtskuchen sowie Kochen von Polenta. Goranka<br />
Horjan, Mitglied des <strong>ICOM</strong> Executive Council, berichtete<br />
von dem mit Mitteln aus einem EU-Regionalförderprogramm<br />
unterstütztem Projekt „Gastronomic Heritage<br />
Events in Hrvatsko Zagorje Region“, das interessierte<br />
Teilnehmer gezielt zu Programmen wie Weinlese, Schweineschlachten,<br />
Pilztage, Krautwochen etc. in die Region<br />
bringt. Maria José Santos schilderte die Veränderungen in<br />
der Küche Portugals nach der Entdeckung Amerikas und<br />
gab einen Überblick über Nahrungsmittel, die auf Gemälden<br />
und in Buchillustratio nen überliefert sind. Eine kurze<br />
Darstellung der Spezialitäten von Penafiel in der Dauerausstellung<br />
betont die Rolle des Museums in der Bewahrung<br />
von traditionellen Speisen. Eigene Programme für Kinder<br />
machen mit den Gerichten für spezielle Festtage vertraut.<br />
ICR hat dieses Jahr je ein Reisestipendium zur Förderung<br />
der Teilnahme junger <strong>ICOM</strong>-Mitglieder an internationalen<br />
Die Tagungsteilnehmer besichtigten das Freilichtmuseum in Sirogojno<br />
(Serbien). Auf rund 15 Hektar wird das Leben im 19. Jahrhundert<br />
z. B. anhand traditioneller Holzhäuser gezeigt.<br />
Arbeitsgruppen an Jasmina Uroda Kutlic vom Moslavina<br />
Museum in Kutina (Kroatien) und Wilbard Lema vom Nationalmuseum<br />
in Tansania vergeben. Mit den Vorträgen<br />
„Wine from the Clouds of the Emperor Claudius“ und<br />
„Food Habits and Taboos among the Tanzania Ethnic<br />
Groups” trugen beide Stipendiaten mit Beispielen aus ihrer<br />
Region zur Bereicherung des Tagungsprogramms bei.<br />
Neben den Vorträgen standen auch Besichtungen der Museen<br />
in Belgrad und in der Umgebung von Prijepolje auf<br />
dem Programm. Die ICR-Jahrestagung 2012, an der Museumsfachleute<br />
aus sechzehn Ländern teilnahmen, wurde<br />
von Mila Popovic-Zivancevic, Direktorin des Central<br />
Institute for Conservation in Belgrad, und im Namen von<br />
<strong>ICOM</strong> South East Europe Alliance (<strong>ICOM</strong> SEE) sowie<br />
von Slavoljub Pušica, dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Serbien<br />
und Direktor des Museums in Prijepolje, hervorragend organisiert.<br />
Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen<br />
Museen in Bayern, München. Dort ist er verantwortlich für die kunstund<br />
kulturhistorischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz<br />
sowie für die jüdischen Museen. Er ist Mitglied im Vorstand von ICR;<br />
otto.lohr@blfd.bayern.de.<br />
Weitere Informationen<br />
Fotogalerie der Jahrestagung 2012: network.icom.museum/icr<br />
Im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro findet ein<br />
ICR-Exkursionstag statt.<br />
54 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Foto: fotolia, Paulo Neres<br />
Foto: CIDOC<br />
Foto: <strong>ICOM</strong><br />
Foto: Halley Pacheco de Oliveira, wikimedia commons, CC 3.0<br />
Die 23. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> – International Council of Museums –<br />
vom 10. bis 17. August <strong>2013</strong> in Rio de Janeiro, Brasilien<br />
in diesem Jahr das weltweit größte Treffen der Museumsexperten,<br />
auf dem Sie Kontakte knüpfen, Brücken bauen und Neues<br />
entdecken können unter dem Motto:<br />
Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />
Anmeldung: http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum
UMSCHAU<br />
Museen als Bildungsorte: eine Bilanz<br />
Potentiale aufzeigen, Wissen vermitteln: Mit diesem Anspruch ging das Projekt „Museen<br />
als Bildungsorte des 21. Jahrhunderts“ Anfang 2012 an den Start. Belarussische<br />
Museumsexperten erhielten die Gelegenheit, sich in zentralen Arbeitsfeldern fortzubilden.<br />
Mit den deutschen Referenten diskutierten sie zudem die Chancen, durch<br />
Museumsarbeit gesellschaftlichen Wandel zu gestalten.<br />
Kristiane Janeke<br />
Alla Staskevich, Vorsitzende von <strong>ICOM</strong> Belarus,<br />
händigt zum Abschluss der Seminarreihe<br />
die Zertifikate aus.<br />
Gute Nachrichten aus Belarus – die<br />
gibt es derzeit wohl nur im Museumsbereich.<br />
Im Jahre 2012 hat das Goethe-Institut<br />
Minsk in Kooperation mit<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Belarus<br />
und Tradicia History Service ein erfolgreiches<br />
Fortbildungsprogramm für<br />
Mitarbeiter weißrussischer Museen<br />
veranstaltet. In insgesamt sieben Seminaren<br />
und zwei je zweitägigen Workshops<br />
stellten Museumsexperten aus<br />
<strong>Deutschland</strong> aktuelle Themen und<br />
Entwicklungen des Ausstellungs- und<br />
Museumsmanagements vor und diskutierten<br />
darüber mit den belarussischen<br />
Kollegen.<br />
Den Auftakt machte Irmgard Zündorf<br />
(Zentrum für Zeithistorische<br />
Forschung, Potsdam) mit einem Einblick<br />
in die Diskussion von Zeitgeschichte<br />
und Museen, weitere Themen<br />
waren Museumsmarketing mit Katrin<br />
Hieke (projekt2508, Bonn), Gestaltung<br />
und Design mit Tobias Neumann und<br />
Moritz Schneider (neostudio, Berlin),<br />
Texte in Museen und Ausstellungen<br />
sowie Projektmanagement (Kristiane<br />
Janeke, Tradicia History Service,<br />
Minsk), Qualitätsmanagement für<br />
Museen (Hans Lochmann, Museumsverband<br />
für Niedersachsen und Bremen<br />
e. V.), Besucherorientierung und<br />
kulturelle Bildung (Anja Dauschek,<br />
Planungsstab Stadtmuseum Stuttgart),<br />
Sammlungsfragen mit Carola Jüllig<br />
(Deutsches Historisches Museum, Berlin)<br />
sowie die Zukunft der Museen,<br />
Netzwerke und Kooperationen (Jörn<br />
Brunotte, beramus, Berlin, und Franziska<br />
Nentwig, Stiftung Stadtmuseum<br />
Berlin/<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>).<br />
Belarussische und deutsche Museumsexperten<br />
lernen voneinander<br />
Je nach Thema war es für die Teilnehmer<br />
leichter oder schwieriger, eine<br />
Verbindung zur eigenen Arbeitswelt<br />
herzustellen. So war es erwartungsgemäß<br />
eine Herausforderung, die deutschen<br />
Erfahrungen im Umgang mit<br />
Geschichte und Erinnerung in Museen<br />
zu vermitteln. Eine vergleichbare öffentliche<br />
Diskussion findet in Belarus<br />
nicht statt, zeitgeschichtliche Museen<br />
in unserem Verständnis gibt es nicht.<br />
Unkomplizierter war die Vermittlung<br />
des Themas Marketing, da dies ein Bereich<br />
ist, der auch in belarussischen<br />
Museen bereits Einzug gehalten hat.<br />
Überraschend hingegen waren die anfänglichen<br />
Vermittlungsschwierigkeiten<br />
beim Thema Gestaltung. Da eine<br />
inhaltliche und prozessbegleitende Zu<br />
56 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>
Umschau<br />
Foto: Jana Rowdo<br />
Im Seminar „Museum und Markt“ diskutierten<br />
die Teilnehmer mit der Referentin Katrin<br />
Hieke (links) darüber, ob und wie Museumsmarketing<br />
in einem stark überwachten Land<br />
wie Belarus, in dem es Marktwirtschaft nach<br />
westeuropäischem Vorbild nicht gibt, überhaupt<br />
funktionieren könnte.<br />
sammenarbeit mit einem Ausstellungsgestalter<br />
in Belarus nicht bekannt ist,<br />
konnten erst Arbeitsbeispiele ein Verständnis<br />
für die Chancen und Möglichkeiten<br />
einer interdisziplinären<br />
Zusammenarbeit wecken. Beim Ausstellungsmanagement<br />
stießen konkrete<br />
Erfahrungswerte zu Arbeitsorganisation,<br />
Zeitplanung und Objekthandling<br />
auf großes Interesse. Im Bereich<br />
der Sammlungen ist Belarus weit entwickelt,<br />
die Museen stehen vor ähnlichen<br />
Herausforderungen wie auch<br />
die westlichen Museen (Digitalisierung,<br />
Konservierung etc.). Dagegen waren<br />
Qualitätsmanagement und Besucherorientierung<br />
für die Teilnehmer weitestgehend<br />
Neuland ebenso wie mediale<br />
und soziale Herausforderungen<br />
der Museen für die Zukunft. Der Umgang<br />
mit Texten löste heftige Debatten<br />
über Darstellung und Interpretation<br />
von Inhalten aus.<br />
Für die Museumsarbeit vor Ort<br />
sind Netzwerke nötig<br />
Zu den Zielen des Goethe-Instituts<br />
gehörte außer der Fortbildung von Museumsfachleuten<br />
auch die Vermittlung<br />
von spezifisch deutschen Strukturen<br />
und Arbeitsweisen an eine möglichst<br />
breit gefächerte Gruppe von Mitarbeitern<br />
in allen Bereichen der Museen. Die<br />
Auswahl der Teilnehmer erfolgte daher<br />
auch bewusst aus unterschiedlichen<br />
Entscheidungsebenen, verschiedenen<br />
Generationen und allen Regionen<br />
des Landes. Die Diskussionen waren<br />
offen und kritisch, die Atmosphäre<br />
konstruktiv. Besonderes Interesse bestand<br />
an praktischen Beispielen aus<br />
<strong>Deutschland</strong> sowie an der Netzwerkbildung<br />
untereinander und mit deutschen<br />
Museen. In Belarus gibt es keinen<br />
Berufsverband, ein Austausch<br />
erfolgt eher auf der persönlichen Ebene.<br />
<strong>ICOM</strong> hat bisher nur wenige Mitglieder,<br />
da nur eine persönliche Mitgliedschaft<br />
erlaubt ist und diese für<br />
die meisten zu teuer ist. Eine erste landesweite<br />
Museumsmesse fand 2012 in<br />
Grodno statt. Der Austausch war hier<br />
jedoch stark reglementiert, <strong>ICOM</strong><br />
wurde als nicht-staatliche Institution<br />
erst gar nicht beteiligt.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen,<br />
dass das Programm einen positiven<br />
Impuls für die Weiterbildung im Museumsbereich<br />
geben konnte und die<br />
deutschen Referenten einen Einblick<br />
in eine in <strong>Deutschland</strong> weitgehend unbekannte<br />
Museumslandschaft erhielten.<br />
Zu danken ist dabei neben <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> für die Projektförderung<br />
auch dem Deutschen Museumsbund,<br />
der den Leitfaden Qualitätskriterien<br />
für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit<br />
auf Russisch zur Verfügung<br />
stellte, und der Museumsakademie<br />
Wolfenbüttel, die beratend zur<br />
Seite stand. Dank der Förderung von<br />
<strong>ICOM</strong> werden die Arbeitsmaterialien<br />
zu den Seminaren demnächst auf<br />
Deutsch und auf Russisch gedruckt<br />
er scheinen.<br />
Dr. Kristiane Janeke ist als Museumsberaterin,<br />
Ausstellungskuratorin und Dozentin tätig. Sie<br />
arbeitete u. a. am Deutschen Historischen<br />
Museum und Militärhistorischen Museum,<br />
zuletzt als Leiterin des Deutsch-Russischen<br />
Museums in Berlin. Sie forscht und veröffentlicht<br />
zu Fragen des Museumsmanagements<br />
und zum deutsch-russischen / belarussischen<br />
Museums- und Kulturbereich;<br />
www.tradicia.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Erfahrungsbericht von Katrin Hieke:<br />
uncatalogedmuseum.blogspot.de/<br />
2012/05/bridging-distances-view-frombelarus.html<br />
Zur Lage der belarussischen Museen:<br />
www.laender-analysen.de/belarus/<strong>pdf</strong>/<br />
BelarusAnalysen04.<strong>pdf</strong><br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 57
UMSCHAU<br />
Aktenzeichen illegaler Handel … ungelöst!<br />
Zwar konnten Zoll und Polizei schon einige Fälle von illegalem Antikenhandel aufdecken,<br />
aber meist bleibt er unerkannt. Um Verbrechen verfolgen und aufklären zu<br />
können, benötigen die Behörden auch die Unterstützung aus den Museen.<br />
Silvelie Karfeld<br />
Sichergestelltes Objekt einer Plünderung in<br />
Afghanistan: Raubgräber sind vor allem in<br />
den Krisengebieten aktiv.<br />
Der organisierte illegale Handel mit<br />
archäologischem Kulturgut floriert<br />
weltweit nahezu uneingeschränkt. Die<br />
Objekte stammen aus Raubgrabungen<br />
und Plünderungen von Sammlungen.<br />
In <strong>Deutschland</strong> erfahren wir von illegalem<br />
Handel besonders mit Objekten<br />
aus den Ländern Osteuropas, der Mittelmeerregion,<br />
Lateinamerikas, den<br />
Krisengebieten des Nahen Ostens<br />
und auch aus archäologischen Stätten<br />
<strong>Deutschland</strong>s. Hierbei geht es nicht<br />
um Kavaliersdelikte, sondern um Straftaten<br />
wie Sachbeschädigung, Unterschlagung,<br />
Diebstahl, Hehlerei, Geldwäsche,<br />
Steuerstraftaten, Betrug und<br />
Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz.<br />
Bei archäologischen Funden handelt<br />
es sich in der Regel um Eigentum des<br />
Staates, das restriktiven Handels- und<br />
Exportregelungen unterworfen ist. Für<br />
irakisches Kulturgut etwa besteht in<br />
der Europäischen Union ein explizites<br />
Einfuhr-, Ausfuhr- und Handelsverbot.<br />
Dennoch kann der illegale Antikenhandel<br />
über Mittelsmänner seine<br />
Ware auf den Markt bringen. Da es zu<br />
den Objekten keine Erfassungs- oder<br />
Exportdokumente gibt, wird deren<br />
wahre Herkunft verschleiert.<br />
Werden Ihnen archäologische Gegenstände<br />
zum Kauf angeboten oder<br />
werden Sie gebeten, Objekte zu restau<br />
rieren oder Expertisen abzugeben,<br />
sollten Sie prüfen: Sind Dokumente<br />
des Landes der Fundstelle vorhanden<br />
(Fundmeldung, Exportlizenz), die eine<br />
legale Herkunft des archä ologischen<br />
Gegenstands zweifelsfrei belegen? Ist<br />
der konkrete Fundort bekannt? Sollen<br />
die archäologischen Gegenstände<br />
im Auftrag des Landes der Fundstelle<br />
gereinigt, restauriert, wissenschaftlich<br />
bearbeitet und publiziert werden?<br />
Wenn Sie diese Fragen mit „nein“<br />
beantworten und es keine plausiblen<br />
Gründe dafür gibt, sollten Sie das für<br />
Ihren Wohnort zuständige Landeskriminalamt<br />
informieren, gegebenenfalls<br />
über die nächste Polizeidienststelle.<br />
In vielen Fällen können die Verfolgungs<br />
behörden illegalem Antikenhan<br />
del nachgehen, wenn sie aus den<br />
Museen Hinweise dazu erhalten.<br />
Silvelie Karfeld ist im Referat SO36 – Eigentumskriminalität<br />
des Bundeskriminalamtes<br />
in Wiesbaden tätig.<br />
Adressen Landeskriminalämter<br />
Baden-Württemberg, Landeskriminalamt<br />
Taubenheimstraße 85, 70372 Stuttgart<br />
Telefon: 0711/5401-1430<br />
stuttgart.lka.440@lka.bwl.de<br />
Bayern, Landeskriminalamt<br />
Orleansstraße 34, 81667 München<br />
Telefon: 089/1212-1622<br />
blka.kunst@polizei.bayern.de<br />
Berlin, Landeskriminalamt<br />
Tempelhofer Damm 12, 12101 Berlin<br />
Telefon: 030/4664-9450<br />
lka454@polizei.berlin.de<br />
Brandenburg, Landeskriminalamt<br />
Tramper Chaussee 1, 16225 Eberswalde<br />
Telefon: 03334/388-1416<br />
fahndung01.lkaew@polizei-internet.brandenburg.de<br />
Bremen, Landeskriminalamt<br />
In der Vahr 76, 28329 Bremen<br />
Telefon: 0421/36219-354<br />
s42@polizei.bremen.de<br />
Hamburg, Landeskriminalamt<br />
Bruno-Georges-Platz 1, 22297 Hamburg<br />
Telefon: 040/4286-60618<br />
zd66-spez.ed@polizei.hamburg.de<br />
Hessen, Landeskriminalamt<br />
Hölderlinstr. 1–5, 65187 Wiesbaden<br />
Telefon: 0611/83-1314<br />
kulturgueterschutz.hlka@polizei.hessen.de<br />
Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Landeskriminalamt<br />
Retgendorfer Straße 9, 19067 Rampe<br />
Telefon: 03866/64-6211<br />
fahndung.lka@polmv.de<br />
Niedersachsen, Landeskriminalamt<br />
Am Waterlooplatz 11, 30169 Hannover<br />
Telefon: 0511/26262-3291<br />
sg31-eigentum@lka.polizei.niedersachsen.de<br />
Nordrhein-Westfalen, Landeskriminalamt<br />
Völklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf<br />
Telefon: 0211/939-3121<br />
33-sachgebiet312.lka@polizei.nrw.de<br />
Rheinland-Pfalz, Landeskriminalamt<br />
Valenciaplatz 1-7, 55118 Mainz<br />
Telefon: 06131/65-2090<br />
lka.42.ad@polizei.rlp.de<br />
Saarland, Landeskriminalamt<br />
Mainzer Straße 134, 66121 Saarbrücken<br />
Telefon: 0681/962-1161<br />
lpp216.1@polizei.slpol.de<br />
Sachsen, Landeskriminalamt<br />
Neuländer Straße 60, 01129 Dresden<br />
Telefon: 0351/855-2572<br />
son.lka@polizei.sachsen.de<br />
Sachsen-Anhalt, Landeskriminalamt<br />
Lübecker Straße 53-63, 39124 Magdeburg<br />
Telefon: 0391/250-2445<br />
kulturgut.lka@polizei.sachsen-anhalt.de<br />
Schleswig-Holstein, Landeskriminalamt<br />
Mühlenweg 166, 24116 Kiel<br />
Telefon: 0431/160-4541<br />
sf.kiel.lka121@polizei.landsh.de<br />
Thüringen, Landeskriminalamt<br />
Am Schwemmbach 69, 99099 Erfurt<br />
Telefon: 0361/341-1313<br />
fahndung.lka@polizei.thueringen.de<br />
Bundeskriminalamt<br />
Thaerstraße 11, 65193 Wiesbaden<br />
Telefon: 0611/55-15806<br />
so36@bka.bund.de
UMSCHAU<br />
Novellierung der PSI-Richtlinie<br />
Teilerfolg für Museen<br />
Die Plünderung der Wissensbestände aus öffentlichen Museen<br />
scheint abgewendet. Den Museen soll weiterhin zugestanden<br />
werden, für die Bereitstellung ihrer Informationen<br />
von kommerziellen Nutzern Gebühren zu erheben. Dies<br />
geht aus dem überarbeiteten Entwurf für die Novellierung<br />
der EU-Richtlinie zur Weiterverwendung von Informationen<br />
des öffentlichen Sektors hervor (Richtlinie 2003/98/EG,<br />
Public Sector Information Directive).<br />
Zusammen mit anderen Verbänden hatte sich <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> nach Bekanntwerden der Novellierungsabsichten<br />
für die Interessen der Museen starkgemacht und<br />
2012 in seiner Stellungnahme gegenüber dem Staatsminister<br />
für Kultur und Medien betont, dass die vorgesehenen<br />
Änderungen die Ressourcen öffentlicher Museen erheblich<br />
schwächen würden. Die Novellierung sah vor, dass künftig<br />
auch Museen ihre Informationen (z. B. Datenbanken,<br />
aber auch Bilder von Sammlungsobjekten) kommerziellen<br />
Nutzern weltweit kostenlos verfügbar machen müssen, soweit<br />
der Urheberrechtsschutz nicht dagegenspricht.<br />
Seit 2003 müssen nach der PSI-Richtlinie Informationen<br />
aus dem öffentlichen Sektor zur privaten, auch kommerziellen<br />
Weiterverwendung kostenlos zur Verfügung stehen. Die<br />
EU verspricht sich davon eine Belebung des Dienstleistungssektors,<br />
etwa durch Verwendung von Wetter- oder Verkehrs<br />
daten in Internet-basierten Anwendungen.<br />
Mit der Empfehlung, die PSI-Richtlinie gar nicht erst auf<br />
Museen auszudehnen, hatte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> leider keinen<br />
Erfolg.<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Rote Liste der gefährdeten<br />
Kulturgüter Chinas<br />
Deutsche Fassung, <strong>ICOM</strong>, <strong>2013</strong>, 8 Seiten<br />
Seit Beginn dieses Jahres liegt die<br />
Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter<br />
Chinas, die deutsche Fassung<br />
der Originalausgabe Red List<br />
of Chinese Cultural Objects at Risk,<br />
vor. <strong>ICOM</strong> möchte damit die Museen,<br />
Kunstsammler, Auktionshäuser<br />
sowie Zoll- und Polizeibehörden der deutschsprachigen<br />
Länder noch stärker unterstützen, eventuell geraubte oder<br />
illegal gehandelte chinesische Kulturgüter zu identifizieren<br />
und vor weiterem Schaden zu schützen.<br />
Die Broschüre enthält zahlreiche Objektkategorien, deren<br />
Handel oder Ausfuhr durch chinesische und internationale<br />
Gesetzgebung eingeschränkt bzw. gänzlich verboten<br />
ist. Dazu gehören Keramiken, Skulpturen, Lackarbeiten<br />
sowie Jade und Halbedelsteine, Architekturelemente, Münzen<br />
und Kalligraphien. Museen, Sammler, Händler und<br />
Auktionshäuser sind daher angehalten, derartige Objekte<br />
nicht zu erwerben, ohne zuvor deren Herkunft und Unterlagen<br />
geprüft zu haben.<br />
Ausgaben zu den gefährdeten Kulturgütern in Syrien,<br />
Westafrika und der Dominikanischen Republik werden derzeit<br />
erarbeitet und voraussichtlich bis Ende <strong>2013</strong> veröffentlicht.<br />
In der Reihe der Roten Listen der gefährdeten Kulturgüter<br />
von <strong>ICOM</strong> sind dann insgesamt 14 Länder und<br />
Regionen erfasst.<br />
Broschüre kostenlos erhältlich in der Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> oder per Download:<br />
icom.museum/resources/red-lists-database/red-list/china<br />
Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> aus der Liste der lieferbaren Schriften:<br />
bitte abtrennen<br />
Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband zur Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 3. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2011, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9, 15,00 €*<br />
Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2009.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 2. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-028961-3, 15,00 €**<br />
Stk. Ethische Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Österreich, 2010,<br />
32 Seiten, ISBN 978-3-9523484-5-1, 4,00 €<br />
Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 1,<br />
hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K. -H. Lampe, S. Krause, M. Doerr, 2010, 208 Seiten, ISBN 978-3-00-030907-6, 10,00 €<br />
Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
<strong>ICOM</strong> Frankreich und Deutsches Technikmuseum, 2009, 166 Seiten, ISBN 978-3-631-58095-0, 15,00 €*<br />
Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts.<br />
Internationales Symposium am Bodensee 2000. Hrsg. Hans-Martin Hinz, 2001, 162 Seiten, ISBN 3-631-37692-8, 15,00 €<br />
Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1997.<br />
Hrsg. Hans-Albert Treff, 1998, 279 Seiten, ISBN 3-00-002395-X, 20,00 €<br />
Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1994.<br />
Hrsg. Hans-Albert Treff, 1995, 258 Seiten, ISBN 3-87023-050-9, 10,00 €<br />
Stk. Museum und Denkmalpflege. Bericht über das internationale Symposium am Bodensee 1991. Hrsg. Hermann Auer, 1992,<br />
257 Seiten, ISBN 3-598-11107-X, 12,00 €<br />
Stk. Museologie – Neue Wege – Neue Ziele. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1988. Hrsg. Hermann Auer,<br />
1989, 289 Seiten, ISBN 3-598-10809-5, 5,00 €<br />
Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben.<br />
* 10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS sowie für Tagungsteilnehmer
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
<strong>2013</strong><br />
10. bis 17. August <strong>2013</strong>, Rio de Janeiro, Brasilien<br />
23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />
http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum<br />
17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong>, Köln<br />
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt<br />
Jahrestagung und Mitgliederversammlung <strong>2013</strong><br />
Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven<br />
www.icom-deutschland.de<br />
19. bis 21. September <strong>2013</strong>, Dubrovnik, Kroatien<br />
The Best in Heritage <strong>2013</strong><br />
Under special patronage of <strong>ICOM</strong> and celebrating<br />
the 50th anniversary of EUROPA NOSTRA<br />
www.thebestinheritage.com<br />
20. bis 22. November <strong>2013</strong>, Köln<br />
EXPONATE C COLOGNE<br />
Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung<br />
und Kulturerbe<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird mit einem Stand vertreten sein.<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben freien Eintritt.<br />
www.exponatec.de<br />
Aktuelle Termine der Tagungen der internationalen<br />
Komitees: icom.museum/calendar.html<br />
2014<br />
6. bis 11. September 2014, Dresden<br />
Jahrestagung von CIDOC<br />
Access and Understanding – Cultural Networking in<br />
the Digital Era<br />
http://network.icom.museum/cidoc/<br />
9. bis 12. September 2014, St. Petersburg, Russland<br />
Jahrestagung und Mitgliederversammlung 2014 von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Gemeinsame Tagung mit <strong>ICOM</strong> Russland und <strong>ICOM</strong> USA<br />
Museum and Politics<br />
Konferenzsprache: Englisch<br />
13. und 14. September 2014, Fortsetzung der Tagung<br />
in Jekaterinburg, Russland<br />
Industrial Heritage and Regional Aspects of Museum<br />
Development<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder können für die Teilnahme<br />
an der diesjährigen <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de<br />
Janeiro Reisebeihilfen beantragen.<br />
Kontakt: icom@icom-deutschland.de<br />
bitte abtrennen<br />
Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden.<br />
Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an:<br />
icom@icom-deutschland.de bzw. per Fax an: +49 30 69504526<br />
hier falzen<br />
Bitte senden Sie mir die Publikationen und die Rechnung an folgende Adresse:<br />
Vorname<br />
Name<br />
Institution<br />
Straße, Nr.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.<br />
In der Halde 1<br />
14195 Berlin<br />
PLZ, Ort<br />
Datum<br />
Unterschrift<br />
Ich bin Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und möchte den <strong>ICOM</strong>-Newsletter<br />
per E-Mail an folgende Adresse erhalten:<br />
Bruynzeel Museum<br />
Bruynzeel Archiv & Bürosysteme, tel: (0)2131 409 90, www.bruynzeel.de, info@bruynzeel.de
Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />
und Projekte können Sie aufrufen unter<br />
www.icom.museum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.<br />
In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />
Telefon +49 30 69504525<br />
Fax +49 30 69504526<br />
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