19.01.2014 Aufrufe

Mitteilungen 2013 (.pdf) - ICOM Deutschland

Mitteilungen 2013 (.pdf) - ICOM Deutschland

Mitteilungen 2013 (.pdf) - ICOM Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong><br />

ISSN 1865-6749 | Heft 35 (20. Jahrgang)<br />

Präventive Konservierung<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards<br />

Kulturgüterschutz<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> plädiert für Gesetzesänderung<br />

Sechzigjähriges Jubiläum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert Geburtstag


Vorstand<br />

Präsident:<br />

Dr. Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />

Vorstandsmitglieder:<br />

Dr. Matthias Henkel, mhenkel@metadesign.de<br />

Prof. Dr. Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />

Dr. Franziska Nentwig, gendir@stadtmuseum.de<br />

Dr. Gabriele Pieke, gabriele.pieke@mannheim.de<br />

Prof. Dr. Beate Reifenscheid,<br />

beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith, swi@wintzerith.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Dr. Klaus Weschenfelder, Johanna Westphal M. A.<br />

Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.:<br />

Johanna Westphal M.A.<br />

Beate von Törne M.A.<br />

Juliana Ullmann M.A.<br />

In der Halde 1, 14195 Berlin<br />

Tel.: +49 30 69504525<br />

Fax: +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Redaktion: Anke Ziemer<br />

Gestaltung: Claudia Bachmann, Berlin, www.besseresdesign.de<br />

Druck: FATA MORGANA Verlag<br />

Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />

Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />

bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />

unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.<br />

Großes Titelfoto: Ein sichergestelltes „Opfer“ einer Raubgrabung in<br />

Afghanistan, BKA Wiesbaden;<br />

Kleine Fotos v.l.o.n.r.u.: Halley Pacheco de Oliveira, wikimedia<br />

commons, CC 3.0; Jana Rowdo; Janos Stekovics; Deutsches Museum,<br />

München; Katrin Hieke; Stein Jøtul Simensen; Katrin Hieke; Marlen<br />

Mouliou, 2012; Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Hessen;<br />

Alutiiq-Museum, Sven Haakenson<br />

Heft 35 (20. Jahrgang)<br />

Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />

Auflage: 6 200<br />

Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien<br />

Berlin, Mai <strong>2013</strong><br />

ISSN 1865-6749


Editorial<br />

„In seiner Sitzung vom 3. Oktober letzten Jahres [1951]<br />

hat das Bureau von <strong>ICOM</strong>, in Fortführung der Beratungen<br />

des Exekutivrates beschlossen, dass ein Komitee von <strong>ICOM</strong><br />

in <strong>Deutschland</strong> gegründet werden sollte. […] In seiner endgültigen<br />

Form wird das Komitee fünfzehn Mitglieder haben.<br />

Wenn man den gegenwärtigen Verhältnissen Rechnung<br />

trägt, so würde man für den Augenblick mit der Ernennung<br />

von zehn Mitgliedern in Westdeutschland ausreichen.“<br />

Mit diesen Worten leitete Georges Salles, der Präsident<br />

des Exekutivrates von <strong>ICOM</strong> in seinem Schreiben vom<br />

4. Februar 1952 an Karl Bäßler, den Verwaltungsdirektor<br />

des Deutschen Museums in München, die Gründung von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ein. Wenige Monate zuvor, im Juli<br />

1951, war die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> Mitglied der<br />

UNESCO geworden. Bäßler wurde um Zusendung einer<br />

Liste von zehn geeigneten Persönlichkeiten für die Bildung<br />

des Nationalkomitees gebeten. Diese Liste enthielt auch<br />

den Namen von Kurt Martin (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe,<br />

später Bayerische Staatsgemäldesammlungen München),<br />

der im Jahr darauf Gründungspräsident von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> wurde. Die Begrenzung auf fünfzehn so genannte<br />

„aktive“ oder „ordentliche“ Mitglieder findet sich<br />

noch 1969 in der Satzung von <strong>ICOM</strong>, während die Zahl<br />

der „assoziierten“ oder „außerordentlichen“ Mitglieder<br />

nicht beschränkt war. Noch zehn Jahre nach der Gründung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> betrug die Zahl der ordentlichen<br />

Mitglieder vierzehn, die der außerordentlichen Mitglieder<br />

achtzig, neun Mitglieder wirkten in internationalen Komitees<br />

mit (der Verband hatte damals weltweit 1 850 Mitglieder).<br />

Frühe Sitzungsberichte lassen erkennen, wie interessiert<br />

der durch <strong>ICOM</strong> ermöglichte internationale Kontakt aufgenommen<br />

wurde, vor allem mit den Museen in der UdSSR<br />

und in Osteuropa. Ebenso geht aus diesen Aufzeichnungen<br />

die lebhafte Beteiligung des deutschen Nationalkomitees an<br />

der Arbeit des Weltverbandes hervor, so dass bereits siebzehn<br />

Jahre nach der Gründung zur Generalkonferenz nach<br />

<strong>Deutschland</strong> (Köln und München) eingeladen werden konnte.<br />

Auch der Internationale Museumstag hat eine Vorgeschichte<br />

bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Bereits 1967 und 1968<br />

wurde durch Mitglieder des deutschen Nationalkomitees<br />

an den Museen mehrerer deutscher Städte eine „Museumswoche“<br />

organisiert, bei der mit zahlreichen Sonderaktionen<br />

auf die Bedeutung der Museen in der Gesellschaft hingewiesen<br />

wurde.<br />

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Ziele und Arbeitsschwerpunkte<br />

von <strong>ICOM</strong> erweitert und den Erfordernissen<br />

einer sich dynamisch entwickelnden Museumswelt<br />

angepasst. Verändert haben sich auch die Strategien des<br />

Verbandes, der heute weltweit etwa 30 000 Mitglieder hat,<br />

davon fast 5 000 in <strong>Deutschland</strong>. Der Internationale Museumstag<br />

entwickelt sich in <strong>Deutschland</strong> dank der Zusammenarbeit<br />

mit dem Deutschen Museumsbund und den Museumsverbänden<br />

der Länder zu einem Erfolgsmodell, an<br />

dem sich in diesem Jahr etwa 1 600 Einrichtungen beteiligt<br />

haben. Mit der für Ende des Jahres geplanten Herausgabe<br />

des Leitfadens zur präventiven Konservierung gibt das<br />

deutsche Nationalkomitee im Sinne des Strategischen Plans<br />

von <strong>ICOM</strong> eine Orientierung für museale Standards, und<br />

mit der Umwandlung des Verbandes in einen „eingetragenen<br />

Verein“ wird uns nicht zuletzt die Möglichkeit zur<br />

Eintragung in die Lobbyliste des Deutschen Bundestages<br />

ermöglicht, ein weiterer Schritt im Hinblick auf eine Stärkung<br />

der Präsenz des Verbandes in der kulturpolitischen<br />

Landschaft, der durch die aktive Einflussnahme in verschie<br />

de nen Feldern der die Museen betreffenden Entwicklung<br />

in <strong>Deutschland</strong> und Europa flankiert wird.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verdankt seine Lebendigkeit der<br />

Mitwirkung und dem Einsatz seiner Mitglieder, und ist<br />

auch darauf angewiesen. Die Mitwirkung in den inter natio<br />

nalen Komitees ist dabei von besonderem Belang. Die<br />

diesjährige Generalkonferenz in Rio de Janeiro bietet eine<br />

hervorragende Gelegenheit, der internationalen Museumsgemeinschaft<br />

ein Bild von der Aktivität des sechzig Jahre<br />

jungen deutschen Nationalkomitees zu vermitteln. In diesem<br />

Sinne freue ich mich auf zahlreiche Begegnungen in<br />

Rio und bei unserer Jahrestagung in Köln.<br />

Klaus Weschenfelder<br />

Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Bild: Klaus Weschenfelder<br />

Für den Empfang der Teilnehmer der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz am<br />

4. August 1968 zu einem Weißwurstfrühstück im Deutschen Museum<br />

in München hatte Dr. Rudolf von Miller als Vorsitzender des Beirates<br />

eine kleine Rede vorbereitet, die aber offensichtlich dem Bedürfnis<br />

der weltweiten Museumsgemeinschaft nach Geselligkeit zum Opfer<br />

fiel. Der Sohn des Museumsgründers Oskar von Miller notierte auf seinem<br />

Manuskript: „Wurde nicht gehalten wegen Fresslust!“


Inhalt<br />

Foto: Deutsches Museum München<br />

Foto: Brigitte Herrbach-Schmidt, COSTUME<br />

Aktuelles<br />

Das geht uns alle an<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards zur<br />

präventiven Konservierung ....................................4<br />

Das Foto als Zeuge<br />

Gastbeitrag von Bettina Paust ..................................6<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert 60. Geburtstag<br />

Gastbeitrag von Anne Wanner .................................8<br />

Schutz der Kulturgüter stärken<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> plädiert für Gesetzesänderung .............16<br />

Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />

Einladung zur <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz <strong>2013</strong><br />

in Rio de Janeiro .............................................17<br />

Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven<br />

Einladung zur Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />

<strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ..................................18<br />

Rückblick<br />

36. Internationaler Museumstag <strong>2013</strong><br />

In <strong>Deutschland</strong> unter dem Motto: Vergangenheit erinnern –<br />

Zukunft gestalten: Museen machen mit! .......................20<br />

Die Tücke des Objekts – Das Objekt und seine Wirkung<br />

auf die Besucher<br />

Internationales Bodensee-Symposium 2012 in Wolfurt ........22<br />

Tätigkeitsbericht 2011/2012 des Präsidenten<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> .......................................28<br />

Protokoll der Mitgliederversammlung 2012 ....................30<br />

Internationale Komitees<br />

Kulturschätze zwischen den Fronten<br />

UNESCO und <strong>ICOM</strong> leisten Katastrophenhilfe in Mali ...........32<br />

Verbandstreffen 2012 in Paris<br />

Höhepunkte der Juni-Treffen von <strong>ICOM</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Zeitreise durch die Welt der<br />

europäi schen Musikinstrumente<br />

Datenbank wird ausgebaut ..................................36<br />

Tagungsberichte<br />

Stadtmuseen: Collisions | Connections<br />

CAMOC – International Committee for the Collections<br />

and Activities of Museums of Cities ............................39<br />

Museums and Written Communication.<br />

Tradition and Innovation<br />

CECA – International Committee for Education<br />

and Cultural Action ...........................................40<br />

Enriching Cultural Heritage<br />

CIDOC – International Committee for Documentation .........41<br />

Collections at Risk: New Challenges in New Environment<br />

CIPEG – International Committee for Egyptology ..............42<br />

Museums and the Idea of Historical Progress<br />

COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 43<br />

Lace, Fashion and Transparency<br />

Costume – International Committee for Museums<br />

and Collections of Costume ................................... 44<br />

Glass Collections in USA<br />

GLASS – International Committee for Museums<br />

and Collections of Glass ......................................45<br />

2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Foto: Dagmar Bittricher, ICR<br />

Foto: LKA Hessen<br />

Umschau<br />

Young Professionals: Their Future in an Ever Changing<br />

Museum Environment<br />

ICEE – International Committee for Exhibition Exchanges ......46<br />

Literary and Composer Museums and the Spirit<br />

of the Place<br />

ICLM – International Committee for Literary Museums .........47<br />

Commodifying Culture? Cultural Villages<br />

and Living Museums<br />

ICME – International Committee for Museums of Ethnology ....48<br />

The Memories of the Border, Exiles, Internments<br />

and Humanitarian Help<br />

IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />

in Remembrance of the Victims of Public Crimes ...............50<br />

Museen als Bildungsorte: eine Bilanz<br />

Deutsch-belarussisches Projekt erfolgreich beendet. . . . . . . . . . . . 56<br />

Aktenzeichen illegaler Handel … ungelöst!<br />

Kriminalämter bitten um Mithilfe ..............................58<br />

Teilerfolg für Museen<br />

Novellierung der PSI-Richtlinie ................................59<br />

Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter Chinas<br />

Deutsche Fassung erschienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Veranstaltungen ............................................60<br />

Threats for the Collections and the Evacuation<br />

of Collections in Case of Disasters or Threat<br />

ICMS – International Committee for Museum Security. . . . . . . . . . 51<br />

Military Heritage in Oman and the Middle East and<br />

the Relationship with the Outside World<br />

<strong>ICOM</strong>AM – International Committee for Museums<br />

of Arms and Military History ..................................52<br />

Conservation of Leather and Related Materials<br />

<strong>ICOM</strong> CC – International Committee for Conservation ......... 53<br />

Home and Hearth: Regional Museums and<br />

Gastronomic Heritage<br />

ICR – International Committee for Regional Museums ..........54<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 3


AKTuelles<br />

Das geht uns alle an<br />

Das Bewahren von Kunst und Kulturgut ist eine Kernaufgabe von Museen. Mit dem<br />

Ansatz, Originalsubstanz durch präventive Konservierung vor Verfall zu schützen,<br />

werden Ethik und Ökonomie miteinander verbunden. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet<br />

einen Leitfaden zur präventiven Konservierung, in dem Standards formuliert<br />

und Empfehlungen für die tägliche Museumsarbeit geboten werden.<br />

„Einige deutsche Universitätssammlungen [...] haben physisch<br />

aufgehört zu existieren“, hieß es 1993 in der Zeit<br />

angesichts verschimmelter Präparate und von Insekten zerfressener<br />

Objekte. 1 Carl von Linné wusste schon, warum<br />

er einer bestimmten Art aus der Familie der Speckkäfer<br />

den Namen „Museumskäfer“ gab. Der durch ihn und andere<br />

seiner Spezies verursachten Schädigung vorzubeugen,<br />

ist aber nur eine Facette präventiver Konservierung vor<br />

dem Hintergrund einer sich stets wandelnden Palette von<br />

Herausforderungen. So wurde erst in jüngerer Zeit die Kontaminierung<br />

von Holzobjekten durch Lindan und polychlorierte<br />

Biphenyle in Holzschutzmitteln als Problem erkannt,<br />

nachdem deren krebserregende Wirkung festgestellt<br />

worden war. Die bis in die 1970er Jahre durchgeführten<br />

Xylamon-Behandlungen gegen Holzwurm erweisen sich<br />

heute als besonders heikel, nicht nur wegen der davon ausgehen<br />

den gesundheitlichen Risiken für die im Museum Beschäftigten,<br />

sondern auch wegen der hohen Zahl an tangierten<br />

Objekten, die sich kaum isolieren und nur mit hohem<br />

finanziellen Aufwand dekontaminieren lassen. Ohne entsprechende<br />

Maßnahmen aber bleibt solches Kultur- und Naturerbe<br />

dem kuratorischen Zugriff und der wissenschaftlichen<br />

Bearbeitung entzogen.<br />

Präventive Konservierung als Metathema der Museumsarbeit<br />

und ethische Herausforderung<br />

Als „Schädling“ anderer Art erweist sich der Mensch. Aus<br />

dem Niederländischen Völkerkundemuseum in Leiden<br />

seien seit seiner Gründung im Jahre 1837 fast zehn Prozent<br />

des Sammlungsbestandes, etwa 19 000 Objekte, ge­<br />

stohlen worden, berichtete die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung 1998. 2 Aber auch custodial neglect, die Vernachlässigung<br />

von Objekten durch fehlende oder falsche Beschriftung,<br />

das Nichtauffinden wegen mangelnder Depotorganisation,<br />

verursacht Schwund. Nicht zuletzt führt die<br />

unsachgemäße Präsentation von Kulturgut zu einem „Verbrauch“,<br />

den wir uns nicht leisten dürfen.<br />

Um kulturelles Erbe in den Museen nachhaltig vor Verfall<br />

zu schützen, bedarf es einer Strategie, die auf systematischer<br />

Risikoanalyse und Risikobewertung aufbauen muss. Aus<br />

soziologischer Sicht wird Prävention beschrieben als übergreifender<br />

Modus des Zukunftsmanagements zeitgenössischer<br />

Gesellschaften. Wer die Wahrscheinlichkeit des<br />

Ein tretens oder das Ausmaß von Schadensvorfällen minimieren<br />

will, muss die Bedingungen kennen, durch die sie<br />

hervorgebracht oder begüns tigt werden. Aber die Produktion<br />

von Wissen allein genügt nicht, es sind auch Bewertungen<br />

und Abwägungen erforderlich, die museumsethisch<br />

reflektiert und begründet sein müssen.<br />

Auch aus ökonomischer Sicht ist präventive Konservierung<br />

zwingend, hilft sie doch, aufwendige Behandlungen<br />

zu vermeiden. Durch vorbeugende Maßnahmen können<br />

schon mit geringem Aufwand ausgestellte oder deponierte<br />

Werke nachhaltig gesichert und kostspielige Restaurierungen<br />

vermieden werden.<br />

Die Einhaltung elementarer Regeln hinsichtlich Licht<br />

und Klima, die Vorbeugung gegen Verschmutzung oder<br />

mechanische Beschädigung, die Verwendung geeigneter,<br />

risikofreier Verpackungs- oder Konservierungsmaterialien,<br />

einfache Regeln beim Umgang mit Objekten bei Transporten,<br />

praktische Hinweise für eine ordnungsgemäße Lager­<br />

1 Weymayr, Christian: Eingemachte Typen. In: Die Zeit (1993) Nr. 7 vom<br />

12. 2. 1993, S. 37.<br />

2 O. A: Selbstbedienung. Lücken im Völkerkundemuseum. In: Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung (1998), Nr. 163 vom 17. 7. 1998, S. 37.<br />

4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

Foto: Anke Ziemer<br />

Moderne Kunstwerke stellen Konservatoren vor enorme Herausforderungen.<br />

So bedeutet etwa die Bewegung der Maschinen-Skulpturen<br />

von Jean Tinguely immer auch Verschleiß. Seit 1987 arbeiten<br />

die Motoren der Großen Méta Maxi-Maxi Utopia, drehen sich die Eisenschrott-Räder,<br />

wedelt der Theatervorhang. Wie lange kann man die<br />

Originalsubstanz erhalten, und welche Intention hatte der Künstler?<br />

haltung und vieles andere mehr ist für alle Museen von<br />

Bedeutung. Insbesondere für solche Häuser, die keine Restauratoren<br />

beschäftigen, müssen die Aspekte präventiver<br />

Konservierung in einem verständlichen, gut handhabbaren<br />

Maßnahmenkatalog aufbereitet werden.<br />

Präventive Konservierung greift weit über die engere<br />

konservatorische Betreuung von Sammlungen hinaus. Sie<br />

muss in alle Planungshorizonte von Museen integriert werden,<br />

sollte bei Standortüberlegungen eine Rolle spielen und<br />

architektonische und bautechnische Entscheidungen beeinflussen<br />

können. Vor dem Hintergrund von Überlegungen<br />

zu einem „grünen Museum“ mit verantwortbarem<br />

Energieverbrauch müssen unter Umständen auch bisher gebräuchliche<br />

Maßstäbe hinterfragt werden. Insofern muss<br />

präventive Konservierung Bestandteil der Ausbildung für<br />

den Museumsberuf werden.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erarbeitet Standards<br />

Vieles hat sich in den vergangenen Jahren bereits getan. Insbesondere<br />

sind Initiativen hervorzuheben, die dem Schutz<br />

des Kulturgutes in Museen, besonders unter dem Eindruck<br />

von Brand- oder Hochwasserkatastrophen, besondere Aufmerksamkeit<br />

schenkten. Der SicherheitsLeitfaden Kulturgut<br />

(SiLK) der Konferenz nationaler Kultureinrichtungen<br />

ist ein vorzügliches Beispiel hierfür.<br />

Um in dem komplexen Beziehungsgefüge präventiver<br />

Konservierung Orientierung zu bieten, empfiehlt es sich,<br />

strategische Hinweise und museumspraktische Empfehlungen<br />

mit museumsethischen Leitlinien zu verbinden. Die<br />

Formulierung und Verbreitung solcher ethischen Richtlinien<br />

und Museumsstandards gehört zu den Kernaufgaben<br />

von <strong>ICOM</strong>. Deshalb hat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> die Initiative<br />

zur Herausgabe eines Leitfadens zur präventiven Konservierung<br />

ergriffen und dazu die Unterstützung des deutschsprachigen<br />

Nachbarkomitees <strong>ICOM</strong> Österreich erhalten.<br />

Als Autorin konnte eine herausragend qualifizierte Spezialistin,<br />

Frau Professor Friederike Waentig (Fachhochschule<br />

Köln), gewonnen werden.<br />

Der Leitfaden soll nicht nur Museumsfachleuten als Orientierung<br />

für ihr tägliches Handeln dienen, sondern auch<br />

eine Verbindlichkeit entfalten, wie sie der <strong>ICOM</strong> Code of<br />

Ethics for Museums bereits erreicht hat, der inzwischen<br />

auch in amtlichen Verfahren als Referenz herangezogen<br />

wird. Die Festlegung von Standards für die präventive Konservierung<br />

soll den Museumsverantwortlichen Argumente<br />

an die Hand geben, die zur Durchsetzung erforderlicher<br />

Maßnahmen bei den Museumsträgern hilfreich sein können.<br />

Der Leitfaden zur präventiven Konservierung soll in<br />

knapper Form informieren, appellieren und Verhaltens- und<br />

Handlungsempfehlungen geben. Er wird das Potential und<br />

die Notwendigkeit der Konservierungswissenschaften für<br />

den Erhalt des Kultur- und Naturerbes sichtbar machen<br />

und ein ergänzendes Instrument zur Qualifizierung der alltäglichen<br />

Museumspraxis sein. Der Leitfaden soll bis zum<br />

Ende des Jahres herausgegeben und allen Mitgliedern unseres<br />

Verbandes und allen Museen in <strong>Deutschland</strong> kostenlos<br />

an die Hand gegeben werden.<br />

Klaus Weschenfelder<br />

Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut:<br />

www.konferenz-kultur.de/SLF/index1.php<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 5


Aktuelles<br />

Das Foto als Zeuge<br />

Ausgelöst durch einen aktuellen Rechtsfall, wird in kunstwissenschaftlichen wie juristischen<br />

Fachkreisen die Frage nach Definition und Wirksamkeit von Fotografien ephemerer<br />

Aktionen und den daraus resultierenden Folgen diskutiert.<br />

Gastbeitrag von Bettina Paust<br />

Die Fotografie erlangte mit dem Entstehen ephemerer Kunstformen,<br />

wie dem Happening, der Aktion, Performance<br />

oder Body Art, seit Ende der 1950er Jahre neue, essentielle<br />

Bedeutung – nämlich die der „Zeugenschaft“ 1 .<br />

Durch die Entgrenzung traditioneller Kunstkategorien<br />

und deren Ineinanderwirken entwickelte sich ein erweitertes<br />

Verständnis von Kunst, das sich nicht auf ein materialisiertes,<br />

statisches, zwei- oder dreidimensionales Kunstwerk<br />

fixiert.<br />

Das performative Kunstwerk formt sich in den jeweils<br />

zeitlichen wie räumlichen Gegebenheiten. Jede Aufführung<br />

ist einzigartig, nicht identisch wiederholbar oder in ihrer<br />

aufgeführten Form konservierbar. Das Aktionsereignis existiert<br />

im Hier und Jetzt durch die Akteure, deren Handeln<br />

in der Regel nicht einer Regieanweisung vergleichbar festgeschrieben<br />

ist, sondern je nach Künstler, Intention und<br />

Interaktion – auch mit dem Publikum – variabel ist. Unterschiedlichste<br />

Faktoren, wie musikalische oder sprachliche<br />

Elemente, Geräusche oder Gerüche, Objekte, die in die<br />

Handlung eingebunden sind, sowie das inaktive oder aktive<br />

Verhalten von Mitakteuren, wie Mensch oder Tier, bestimmen<br />

ein performatives Kunstwerk. Wenn die künstlerische<br />

Handlung beendet ist, hat sich das Kunstwerk unwiderruflich<br />

verflüchtigt. Dass diese ephemeren künstlerischen Äußerungen<br />

die Entwicklung der Kunst seit der zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben, ist nicht<br />

nur in der Kunstwissenschaft unzweifelhaft und Inhalt unzähliger<br />

Studien-, Forschungs- und Ausstellungsprojekte. 2<br />

Aber wie kann etwas Forschungs-, Ausstellungs- und Vermittlungsgegenstand<br />

sein, das im traditionellen Werkbegriff,<br />

auf den sich auch der urheberrechtliche stützt, nicht<br />

mehr existent ist? Hier sind bildliche wie schriftliche Aufzeichnungen<br />

als Erinnerungsleistung von Anwesenden eines<br />

Ereignisses seit Jahrtausenden die – durchaus subjektiv gefärbte<br />

– Grundlagen der Kenntnis über das Stattgefundene.<br />

Für die Künstler der Aktionskunst waren und sind es die<br />

modernen Medien der Bilderzeugung, wie Fotografie oder<br />

Film. Mit Blick auf die Fotografie gehört es „zum Allgemeinplatz<br />

der konstruktiven Phototheorie“, 3 dass eine Fotografie<br />

nicht die vermittelte Realpräsenz eines anderen<br />

Objektes, Körpers oder einer Handlung darstellt. Es ist<br />

vielmehr ein „Dokument“, das unabhängig des Anlasses<br />

der Aufnahme, seiner Funktion oder seines Verwendungszwecks<br />

immer auf etwas verweist – über etwas Zeugen­<br />

schaft ablegt –, das gewesen ist. 4 Nur über die Medien<br />

Fotografie und Film haben wir heute Zeugnis von dieser<br />

vergänglichen Kunstform. Ohne sie wäre dieses Kapitel der<br />

Kunstgeschichte eine nebulöse Grauzone und deren Musealisierung<br />

gar nicht möglich. Als eines der beredten Beispiele<br />

für dieses Faktum ist das 2003 im Museum Kunstpalast<br />

in Düsseldorf gegründete Archiv künstlerischer<br />

Fotografie der rheinischen Kunst und dessen Ausstellung im<br />

Jahr 2007 „Fotos schreiben Kunstgeschichte“ 5 zu nennen.<br />

Anstatt also das Ereignis – die Aktion – und seine media<br />

le Spur – die Fotografie – einander entgegenzusetzen<br />

und der Fotografie einen urheberrechtlichen Eingriff in die<br />

Aktion zuzuweisen, sollte vielmehr „die Transformationsleistung<br />

der Aufzeichnung anerkannt und ihre Lückenhaftigkeit<br />

als strukturelle Verwandtschaft zum Ereignis begriffen<br />

werden“. 6<br />

Wie in den <strong>Mitteilungen</strong> 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

(S. 7) angeklungen, hat sich anlässlich einer Fotografie-<br />

Ausstellung im Museum Schloss Moyland im Mai 2009<br />

ein Rechtsstreit entwickelt. In dieser Ausstellung wurden<br />

19 Fotografien von Manfred Tischer, die er während einer<br />

Fluxus-Veranstaltung im ZDF-Landesstudio Düsseldorf<br />

im Dezember 1964 von der Aktion „Das Schweigen von<br />

Marcel Duchamp wird überbewertet“ von Jo seph Beuys<br />

aufgenommen hat, gezeigt. Zwei Jahre zuvor hatte die<br />

Stiftung Museum Schloss Moyland diese Fotoserie für ihr<br />

stiftungseigenes Joseph Beuys Archiv, das einen großen Bestand<br />

an Fotografien zu Joseph Beuys beinhaltet, direkt<br />

vom Fotografen erworben. Die bisher in ihrer Gesamtheit<br />

unbekannte Fotoserie sollte durch eine Ausstellung im eigenen<br />

Haus der Öffentlichkeit zugänglich und damit bekannt<br />

gemacht werden. Dies stelle jedoch einen Eingriff in<br />

das Urheberrecht von Joseph Beuys dar, weil die Serie der<br />

19 Fotografien „eine Umgestaltung des urheberrechtlich<br />

geschützten Beuysschen Werkes im Sinne des § 23 UrhG ist“<br />

und „nicht ohne Einwilligung des Urhebers dieses Werkes<br />

veröffentlicht oder verwertet werden dürfe“. 7 Diese aktuelle<br />

juristische Begründung stützt sich im Kern auf grundlegende<br />

Wesensmerkmale der Fotografie, die diesem Bildmedium<br />

seit seinem Entstehen im 19. Jahrhundert immanent<br />

sind: nämlich die Transformation eines Ereignisses in die<br />

statische Zweidimensionalität und die Zeugenschaft über<br />

den Bruchteil eines Augenblicks im Fluss des Geschehens.<br />

1 Amelunxen, Hubertus von: Der historische Trugschluss. In: Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung (2012) Nr. 69 vom 21.3.2012, S. N3.<br />

2 Z. B. in dem 12 Jahre von der DFG geförderten SFB „Kulturen des Performativen“.<br />

Hierzu auch: Kemp, Wolfgang: Wem gehört das Happening? In: Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung (2010) Nr. 154 vom 7. 7. 2010, S. N5.<br />

3 Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Berlin 2010, S. 190.<br />

4 Starl, Timm: Dokumentarische Fotografie. In: DuMonts Begriffslexikon zur<br />

zeitgenössischen Kunst. Hrsg. von Hubertus Butin. Köln 2002, S. 73.<br />

5 Wiese, Stephan von: Ein Fotografisches Netz. In: Fotos schreiben Kunstgeschichte.<br />

Hrsg. von Renate Buschmann und Stephan von Wiese, Köln 2007, S. 13–17.<br />

6 Gronau, Barbara: Theaterinstallationen. Performative Räume bei Beuys, Boltanski<br />

und Kabakov. München 2010, S. 60.<br />

7 Urteil des OLG Düsseldorf vom 31. 12. 2011, Az: I-20 U 171/10, nicht rechtskräftig<br />

(anhängig beim BGH zum Az I ZR 28/12).<br />

6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

Veranstaltung der „Fluxus-Gruppe“<br />

am 11. Dezember 1964 im<br />

Landes studio Nordrhein-Westfalen<br />

des Zweiten Deutschen Fernsehens,<br />

Düsseldorf<br />

Joseph Beuys (rechts) bei seiner<br />

Aktion „Das Schweigen von<br />

Marcel Duchamp wird über bewertet“,<br />

Wolf Vostell (Mitte) bei<br />

seinem Happening „Weisser als<br />

Weiss“<br />

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2013</strong><br />

Genau darin aber liege eine Umgestaltung des Beuysschen<br />

Werkes, was die Genehmigung des Urhebers der Aktion für<br />

das Ausstellen der Fotografien erfordere. Zwar wird, einerseits<br />

juristisch neu wie andererseits kunsthistorisch seit<br />

Jahrzehnten praktiziert, dem fotografischen Bild einer ephemeren<br />

Aktion die Befähigung zur Zeugenschaft zugestanden.<br />

Nur die rechtlichen Schlussfolgerungen sind dia metral<br />

andere als die kunsthistorischen und haben mit diesem<br />

Präzedenzfall, dessen höchstrichterliche Entscheidung am<br />

Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 16. Mai <strong>2013</strong> getroffen<br />

wur de, weitreichende Folgen. 8<br />

In diesem Zusammenhang gilt es einen Trugschluss in<br />

dem Text von Gerhard Pfennig aufzuklären, der behauptet,<br />

dass Joseph Beuys selbst „ausdrücklich überhaupt<br />

keine Dokumentationen seiner Aktionen“ wünschte und<br />

generell „meist nur einzelne Fotos von Aktionen“ ausgestellt<br />

werden (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2012, S. 7).<br />

Es ist Ergebnis kunstwissenschaftlicher Forschung, dass<br />

das Fotografieren von Fluxus-Veranstaltungen zum Zwecke<br />

der Dokumentation ein wichtiger Bestandteil der Durchführung<br />

dieser Ereignisse war. 9 So bestellte Joseph Beuys<br />

selbst für jene Fluxus-Veranstaltung im ZDF-Landesstudio<br />

Düsseldorf im Dezember 1964 den Fotografen Manfred<br />

Tischer, der besagte Fotografien der Aktion „Das Schweigen<br />

von Marcel Duchamp wird überbewertet“ aufnahm<br />

und diese zehn Tage später Joseph Beuys zur Verfügung<br />

zusandte. 10 Eine dieser Fotografien integrierte Beuys kurz<br />

darauf in das der Aktion gleichnamige Plastische Bild, das<br />

sich im Museum Schloss Moyland befindet.<br />

Die große Bedeutung der Fotografie für und im Werk<br />

von Joseph Beuys ist unstrittig. Dass dabei die Vielzahl der<br />

8 Dazu z. B. Mercker, Florian: Bizarrer Rechtsstreit um Joseph Beuys. In: Monopol<br />

(2010) Nr. 11, o.S. Maaßen, Wolfgang: Fluxus, Fotografie und Urheberrecht.<br />

In: AfP 42 (2011) H. 1, S. 10-14. Blume Huttenlauch, Anna: Dabei sein<br />

ist alles? In: Artnet. 20.10.2010, www.artnet.de/magazine/urteil-zu-fotos-einer-fluxusaktion-von-joseph-beuys/<br />

[1. 3. <strong>2013</strong>].<br />

9 Dazu z. B. Interview mit Ute Eskildsen. In: Urteil mit Folgen. Beuys-Witwe<br />

darf Performance-Fotos zensieren. In: Spiegel-Online, 29. 9. 2010, www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/urteil-mit-folgen-beuys-witwe-darf-performancefotos-zensieren-a-720277.html<br />

[1.3.<strong>2013</strong>].<br />

10 Brief von Manfred Tischer an Joseph Beuys vom 21. 12. 1964 (Joseph Beuys<br />

Archiv der Stiftung Museum Schloss Moyland: JBA-B 024664).<br />

Aktions-Fotografien unterschiedlichster Fotografen und<br />

Fotografinnen einen besonderen Stellenwert einnehmen,<br />

hat Uwe M. Schneede mit seiner Monografie über die Aktionen<br />

von Joseph Beuys wissenschaftlich dargelegt. 11<br />

Doch hat Beuys selbst Fotografien seiner Aktionen immer<br />

wieder in seine eigenen Werke überführt, wie zum Beispiel<br />

in der Installation „Arena – wo wäre ich hingekommen,<br />

wenn ich intelligent gewesen wäre!“ 12 oder in einem frühen<br />

Multiple aus dem Jahr 1967 mit Aktions-Fotografien<br />

von Ute Klophaus. 13<br />

Vom Oberlandesgericht Düsseldorf wird die Zeugenschaft<br />

von Aktionsfotografien in ihrer überliefernden<br />

Funktion nicht in Frage gestellt. Ihnen jedoch im Zusammenspiel<br />

mit ihrer Transformationsleistung – der Überführung<br />

einer Handlung in eine Serie von statischen Bildern<br />

– eine verändernde Umgestaltung beizumessen, erfolgte<br />

mit dieser Rechtsprechung erstmalig. Die daraus resultierenden<br />

Schlussfolgerungen sind weitreichend. Denn eine<br />

dieser Konsequenzen greift auch ein in die Erfüllung der in<br />

den Ethischen Richt linien für Museen von <strong>ICOM</strong> formulierten<br />

Verantwortun gen und musealen Kernaufgaben: der<br />

Präsentation und damit öffentlichen Zugänglichkeit der<br />

eigenen Sammlungs bestände, seien sie objekthaft vorhanden,<br />

wie die Fotografie, oder als ephemeres Kunstwerk nur<br />

noch in überlieferter Form Sammlungsgegenstand, wie die<br />

Aktion.<br />

Nach Redaktionsschluss wurde der Urteilsspruch des<br />

Bundesgerichtshofes in Karlsruhe bekannt: Das Urteil<br />

des Oberlandesgerichts Düsseldorf wurde aufgehoben.<br />

Damit sind die Fotografien der Beuys-Aktion kein Eingriff<br />

in das Urheberrecht von Joseph Beuys.<br />

Dr. Bettina Paust ist seit 2009 Künstlerische Direktorin der Stiftung<br />

Museum Schloss Moyland; paust@moyland.de.<br />

11 Schneede, Uwe M.: Joseph Beuys – Die Aktionen. Ostfildern-Ruit 1994.<br />

12 Joseph Beuys. Arena – wo wäre ich hingekommen, wenn ich intelligent gewesen<br />

wäre! Hrsg. von Lynne Cooke und Karen Kelly. Ostfildern-Ruit 1994.<br />

13 Joseph Beuys – Die Multiples. Hrsg. von Jörg Schellmann. München/New York<br />

1992 (7. neu bearb. Aufl.), S. 43 und S. 429.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 7


Aktuelles<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> feiert Geburtstag<br />

Vor sechzig Jahren, 1953, wurde die Bundesrepublik mit der Gründung eines eigenen<br />

Nationalkomitees Teil der internationalen <strong>ICOM</strong>-Gemeinschaft. Fünfzehn Jahre<br />

später, 1968, gelang dies auch dem Systemkonkurrenten und „zweiten deutschem<br />

Staat“, der DDR. 1990 fand die Vereinigung der beiden Nationalkomitees statt. Der<br />

Rückblick auf die deutsch-deutsche <strong>ICOM</strong>-Geschichte wird bereichert durch persönliche<br />

Erfahrungen aus Ost und West – zusammengetragen von Matthias Henkel.<br />

Gastbeitrag von Anne Wanner<br />

Als eine Gruppe westdeutscher Museumsfachleute Anfang<br />

der 1950er Jahre den Antrag stellte, Westdeutschland<br />

in den International Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) aufzunehmen,<br />

waren die Reaktionen darauf in Paris zunächst<br />

ver halten. Der damalige Präsident von <strong>ICOM</strong>, Chauncey<br />

J. Hamlin, sprach sich in der Sitzung des Exekutivkomitees<br />

1951 für die Gründung eines westdeutschen Nationalkomitees<br />

aus. Der Vorsitzende des Exekutivkomitees Georges<br />

Salles allerdings hielt die Zustimmung zur Aufnahme eines<br />

westdeutschen Nationalkomitees angesichts der unklaren<br />

deutschlandpolitischen Lage und der Existenz zweier deutscher<br />

Staaten für zu „delikat“. Er empfahl daher abzuwarten,<br />

bis sich die Situation geklärt habe, und bis dahin auch<br />

mit der Kontaktaufnahme zu deutschen Museen und der<br />

Aufnahme deutscher Museumsfachleute in internationale<br />

Komitees zu warten. Chauncey J. Hamlin zog seinen Vorschlag<br />

daraufhin zurück. 1<br />

Kurze Zeit später schienen aber sämtliche Zweifel ausgeräumt.<br />

Am 19. März 1953 erfolgte der Gründungsakt<br />

des bundesdeutschen Nationalkomitees von <strong>ICOM</strong>. Als<br />

ersten Präsidenten wählte das neue Nationalkomitee den<br />

Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Kurt Martin.<br />

Er hatte sich seit Kriegsende darum bemüht, den internationalen<br />

Austausch von Kulturgütern und auch von Ausstellungen<br />

wieder in Gang zu bringen. Seit Beginn seiner<br />

Amtseinsetzung nahm die Bedeutung des westdeutschen<br />

<strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees – ablesbar auch an steigenden<br />

Mitgliederzahlen – zu. Ende der 1950er Jahre zählte der<br />

1 Bericht aus den <strong>ICOM</strong> News, August 1951<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Hans-Jürgen Harras<br />

Mitglied seit 1997,<br />

2001–2002 Vorstand von ICMS,<br />

2002–2007 Sekretär von ICMS,<br />

2007–2010 Präsident von ICMS<br />

Ein wenig war es Zufall, dass ich zu <strong>ICOM</strong><br />

stieß. 1997 fand die Jahrestagung des International<br />

Committee for Museum Security<br />

(ICMS) in Berlin statt. Mein Kollege aus dem<br />

Vorbereitungskomitee erkrankte, so dass ich<br />

für ihn einsprang. Ich hielt dann einen Vortrag,<br />

organisierte Führungen für die Kolleginnen<br />

und Kollegen – und: ich „fing Feuer “.<br />

Anschließend wurde ich bei <strong>ICOM</strong> Mitglied<br />

und engagiere mich seither im ICMS-Komitee.<br />

An der Arbeit im Komitee schätze ich den<br />

Austausch mit Kollegen über das Know-how<br />

meines Fachgebietes. Im Bereich der Sicherheitstechnik<br />

und -organisation ist viel Dynamik<br />

drin. Zum Beispiel sind baurechtliche<br />

Vorschriften in den verschiedenen Ländern<br />

oft unterschiedlich und müssen berücksichtigt<br />

werden. Auf unseren ICMS-Jahrestagungen<br />

bieten wir den Museen am Tagungsort<br />

einen „Sicherheitscheck“ an, aus dem nach<br />

einer Analyse durch mehrere Teams Empfehlungen<br />

zur Verbesserung folgen. Dabei<br />

kann man sehr gut voneinander lernen.<br />

Auch schätze ich das gemeinsame Arbeiten<br />

an Projekten – etwa an dem im Internet veröffentlichten<br />

mehrsprachigen Vocabulary on<br />

Museum Security Terms. Auch die Mitarbeit<br />

im Museum Emergency Project und in der<br />

Disaster Relief Task Force finde ich spannend.<br />

Wichtig scheint mir, dass <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

bei neuen Mitgliedern künftig mehr<br />

Wert darauf legt, dass sie sich stärker in die<br />

Arbeit der internationalen Komitees einbringen.<br />

Hilfreich wäre es sicherlich auch, wenn<br />

über laufende Projekte auf internationaler<br />

Ebene umfangreicher berichtet würde. Meiner<br />

Erfahrung nach brauchen unsere Kolleginnen<br />

und Kollegen in den Entwicklungsund<br />

Schwellenländern noch stärker unsere<br />

Hilfe, um ihr kulturelles Erbe eigenständig<br />

bewahren und pflegen zu können.<br />

<strong>ICOM</strong> ist in seiner ganzen Struktur und<br />

Organisation in den letzten Jahren viel moderner<br />

geworden – die öffentliche Wahrnehmung<br />

des Verbandes ist uns aber noch<br />

nicht in gleichem Maße gelungen.<br />

8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

Sommer 1968: In Köln und München fand die 8. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> statt.<br />

Foto: Deutsches Museum München<br />

»<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Hans-Albert Treff<br />

Mitglied seit 1977,<br />

1987–1992 Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>,<br />

1993–1998 Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Als das Planungsteam für das 1990 eröffnete<br />

Museum Mensch und Natur in München<br />

1977 mit „Nerven und Gehirn“ eine erste<br />

sehr erfolgreiche Sonderausstellung im<br />

Deutschen Museum realisierte, bestand für<br />

mich natürlich der Wunsch nach Austausch<br />

mit Kollegen. Deshalb wurde ich Mitglied im<br />

DMB und im <strong>ICOM</strong>. Im gleichen Jahr lernte<br />

ich Hermann Auer, den damaligen Präsidenten<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, kennen, eine<br />

wirklich faszinierende Persönlichkeit!<br />

Die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 1980 in Mexiko<br />

City war die erste, an der ich teilnahm. 1986<br />

fand die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Buenos<br />

Aires statt. Im gleichen Jahr kandidierte ich für<br />

den Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Damals<br />

bestand Stimmengleichheit zwischen Max<br />

Tauch und mir – ich hatte das Glück, dass das<br />

Los dann auf mich fiel. Es folgten zwei Amtsperioden<br />

im Vorstand.<br />

Die Arbeit war komplett auf Hermann Auer<br />

ausgerichtet. Ich versuchte, ihn zu unterstützen,<br />

was er auch gern annahm. Ich erinnere<br />

mich an viele Samstag nachmittage, an denen<br />

wir bei ihm zu Hause „icomanisch“ aktiv<br />

waren, oder auch an jene Nachmittage des<br />

gemeinsamen Eintütens von Aussendun gen<br />

in seinem Büro im Deutschen Museum.<br />

Die Vereinigung der beiden deutschen Nationalkomitees<br />

von <strong>ICOM</strong> ließ Hermann Auer<br />

zweifellos eher geschehen, als dass er sie aktiv<br />

betrieb. Man war sich damals unsicher, welchen<br />

Kollegen von <strong>ICOM</strong>-DDR man ohne<br />

Vorbehalte die Hand reichen konnte. Da sich<br />

das Kulturministerium der DDR schon auflöste,<br />

brach auch die DDR-Struktur von <strong>ICOM</strong><br />

zusammen: Am 2. Oktober 1990 beschloss<br />

das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR seine<br />

Auflösung und bat das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee<br />

der Bundesrepublik um die Übernahme<br />

seiner Mitglieder. Dies erfolgte und wir vereinbarten,<br />

dass vorübergehend der westdeutsche<br />

Verband die Beitragszahlun gen für die<br />

DDR-Kollegen zum größten Teil übernahm.<br />

1992 fragte mich Hermann Auer, ob ich<br />

die Vorstandsarbeit als Präsident fortführen<br />

würde. Das ginge aber nur mit meinem<br />

Mitarbeiter Tilman Haug als Sekretär, dachte<br />

ich sofort, der mir keineswegs nur wegen<br />

seiner IT-Kenntnisse unverzichtbar war.<br />

Am 18. November 1992 wurde ich zum Präsidenten<br />

des Deutschen Nationalkomitees von<br />

<strong>ICOM</strong> gewählt. Zu unseren ersten Neuerungen<br />

gehörten die Verkürzung des Namens zu<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die Einführung der <strong>Mitteilungen</strong><br />

und die Modernisierung der Organisation<br />

mittels computergestützter Mitgliederverwaltung.<br />

Ferner lag mir die Kooperation<br />

mit den <strong>ICOM</strong>-Komitees in den östlich angrenzenden<br />

Ländern sehr am Herzen. Schon<br />

zu Auers Zeit baten Russland und vor allem<br />

Ungarn um stärkere Zusammenarbeit. 1993<br />

starteten wir daher mit <strong>ICOM</strong> Österreich eine<br />

Initiative, aus der die informelle Gruppierung<br />

Central European <strong>ICOM</strong> (CE<strong>ICOM</strong>) hervorging,<br />

die eine engere Kooperation der <strong>ICOM</strong>-<br />

Komitees von <strong>Deutschland</strong>, Österreich, Polen,<br />

Tschechien, Ungarn, Slowenien, der Slowakei<br />

und Kroatien zum Ziel hatte. Wir orientierten<br />

uns an den skandinavischen Nationalkomitees<br />

mit ihren vorbildlichen Kooperationsprojekten.<br />

Und das war auch gut so, denn <strong>ICOM</strong>-<br />

Paris hatte immer gesagt: „<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

ihr müsst mehr tun! Ihr seid zwar das<br />

größte Nationalkomitee, aber das bildet sich<br />

in euren Aktivitäten nicht in gleicher Weise ab.“<br />

Ich denke, dass wir in der Nachwende-Zeit in<br />

diesem Kreis eine gute Arbeit geleistet haben.<br />

Gegen Ende unserer <strong>ICOM</strong>-Amtszeit gelangten<br />

wir zu der Überzeugung, dass <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> eine fest verortete Geschäftsstelle<br />

benötigt und dass Berlin der geeignete<br />

Ort zu sein schien. Hans-Martin Hinz war<br />

damals schon zu mei nem Nachfolger gewählt<br />

worden. Ich kann mich noch gut an<br />

jene Autofahrt erinnern, bei der Haug und<br />

ich alle <strong>ICOM</strong>-Unterlagen und Geräte nach<br />

Berlin, In der Halde 1, gebracht haben.<br />

Wenn man will, kann man von <strong>ICOM</strong> riesig<br />

profitieren! Ich habe z. B. die Persönlichkeiten<br />

Jane Goodall, Donald Johanson und<br />

Richard Leakey kennengelernt.<br />

Auch nach dem Ausscheiden aus dem eigentlichen<br />

Museumsamt Ende 2005 bin ich<br />

den Tieren natürlich treu geblieben – schauen<br />

Sie doch mal rein – www.treffdogs.de!<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 9


Aktuelles<br />

Verband 41 Mitglieder, Ende der 1960er Jahre waren es bereits<br />

mehr als zweihundert.<br />

Die 8. Generalkonferenz in Köln und München 1968<br />

Einen der Höhepunkte der jungen deutschen <strong>ICOM</strong>-Geschichte<br />

stellte die Ausrichtung der 8. Generalkonferenz<br />

in Köln und München vom 29. Juli bis 9. August 1968 dar.<br />

Alfred Hentzen, seit 1965 Präsident des westdeutschen Nationalkomitees<br />

und Direktor der Hamburger Kunsthalle,<br />

hatte sich sehr darum bemüht, diese Konferenz nach Westdeutschland<br />

zu holen. Mehr als sechshundert Teilnehmer<br />

aus 64 Ländern reisten nach Köln und München, um sich<br />

über verschiedene Bereiche der Museumsarbeit wie bei spielsweise<br />

die Entwicklung regionaler Museen auszutauschen.<br />

Selbstverständlich standen auch zahlreiche Museumsbesuche,<br />

u. a. im Deutschen Museum, auf dem Programm.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> konnte sich hier also erstmals als Gastgeber<br />

einer großen Konferenz auf internationalem Parkett<br />

präsentieren. Gleichzeitig war für den westdeutschen <strong>ICOM</strong>­<br />

Verband 1968 aber auch ein Wermutstropfen dabei: Am 31.<br />

Juli 1968 wurde auf Antrag von Johannes Jahn, Direktor des<br />

Museums für Bildende Künste in Leipzig, das DDR-Nationalkomitee<br />

von <strong>ICOM</strong> gegründet. Auf der 25. Sitzung des<br />

Exekutivkomitees hatte dieses seine Zustimmung zur Gründung<br />

eines DDR-Nationalkomitees gegeben. Die endgültige<br />

Bestätigung dieser Entscheidung sollte auf der Generalkonferenz<br />

in München gegeben werden.<br />

Zwischen Klassenkampf und kollegialem<br />

Austausch – zweimal <strong>Deutschland</strong> im Internationalen<br />

Museumsrat<br />

Unter den Konferenzteilnehmern befanden sich 1968 dann<br />

auch erstmals Museumsfachleute aus der DDR. Im „zweiten<br />

deutschen Staat“ war bereits 1964 in Leipzig der Museumsrat<br />

der DDR gebildet worden – mit einem klar formulierten<br />

Ziel: „… alle Voraussetzungen zu schaffen, dass<br />

für die Museen der DDR die Mitgliedschaft im <strong>ICOM</strong> erwirkt<br />

werden kann“. 2 Für die DDR war es von Bedeutung,<br />

auf nichtpolitischem Terrain internationale Anerkennung<br />

2 Hausmitteilung des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen zum Thema<br />

<strong>ICOM</strong> vom 9. 8. 1965, Hausarchiv des Deutschen Historischen Museums,<br />

MfDG, rot 1015, unpag.<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Cornelia Brüninghaus-Knubel<br />

Mitglied seit 1972,<br />

1983–1989 Präsidentin von CECA,<br />

1993–1995 Mitglied im Vorstand von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Ich kann wirklich sagen, dass mein Engagement<br />

bei <strong>ICOM</strong> meinen Berufsweg ganz<br />

maßgeblich gestaltet hat. 1969 hatte ich in<br />

Berlin meinen Magister im Fach Kunstgeschichte<br />

abgelegt und ging zunächst an das<br />

Museum Folkwang in Essen. Dort traf ich auf<br />

Paul Vogt, den langjährigen Direktor des<br />

Hauses. Er riet mir: „Machen Sie bei <strong>ICOM</strong> mit!“<br />

Was aber zu damaliger Zeit leichter gesagt<br />

war als getan. Denn schließlich war <strong>ICOM</strong> seinerzeit<br />

noch eher ein Club von leitenden Direktoren<br />

– man wurde für eine Mitgliedschaft<br />

eher berufen. Aber durch die Unterstützung<br />

von Paul Vogt kam ich in Kontakt mit dem<br />

International Committee for Education and<br />

Cultural Action (CECA). So wurde aus mir – ich<br />

wechselte zwischenzeitlich nach Düsseldorf<br />

– wirklich die erste Museumspädagogin<br />

am damaligen Kunstmuseum Düsseldorf.<br />

Fachlich gesehen fühlte ich mich total allein<br />

auf weiter Flur und so nahm ich Kontakt<br />

mit Nürnberg und Wulf Schadendorf auf, der<br />

ja Gründer des Kunst- und Kulturpädagogischen<br />

Zentrums der Museen in Nürnberg gewesen<br />

war. Und schon 1973 konnte ich dann<br />

– mit zitternden Knien – meinen ersten Vortrag<br />

auf einer CECA-Konferenz in Budapest<br />

halten. Ich war weit und breit die einzige Teilnehmerin<br />

aus West-<strong>Deutschland</strong>. Getroffen<br />

habe ich dort dann Kolleginnen und Kollegen<br />

aus der damaligen DDR, aus Holland,<br />

Schweden und England. Diese Kontakte haben<br />

mich inhaltlich und konzeptionell unglaublich<br />

beflügelt. Später habe ich regelmäßig<br />

an den Konferenzen teilgenommen – das<br />

war mein fachliches Lebenselixier.<br />

Die Motivation der jungen westdeutschen<br />

Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls bei <strong>ICOM</strong><br />

mitzumachen, wurde dann so groß, dass wir<br />

1977 sogar eine Arbeitsgemeinschaft von<br />

CECA in <strong>Deutschland</strong> gegründet haben. Anfangs<br />

war das dem <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Präsidenten<br />

Hermann Auer durchaus nicht so<br />

recht. Udo Liebelt, der damals auch sehr aktive<br />

Kollege vom Sprengelmuseum Hannover,<br />

hat viele Tagungen an seinem Haus ermöglicht.<br />

Schließlich gelang es uns, den<br />

Bundesverband Museumspädagogik zu<br />

gründen, in dem dann auch die deutsche<br />

CECA-Sektion aufging. Aber das deutsche<br />

CECA-Komitee war letztlich eine der ent scheidenden<br />

Keimzellen für die institutionelle Entwicklung<br />

der Museumspädagogik in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Auf der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 1983 in<br />

London bin ich dann für zwei Amtsperioden<br />

zur Präsidentin von CECA gewählt worden. In<br />

dieser Zeit – inzwischen war ich am Wilhelm-<br />

Lehmbruck-Museum in Duisburg – habe ich<br />

gelegentlich auch den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-<br />

Präsidenten Hermann Auer auf den <strong>ICOM</strong>-<br />

Jahrestreffen in Paris vertreten dürfen. So<br />

kam es, dass 1986 Dorothee Dennert als erste<br />

Museumspädagogin in den Vorstand von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gewählt wurde, die ich ab<br />

1992 ablöste. Beim Blick zurück ist meine<br />

<strong>ICOM</strong>-Tätigkeit wirklich ein Staffellauf gewesen<br />

– und darin sehe ich auch den großen<br />

Gewinn dieses Verbandes: die Flamme der<br />

fachlichen Begeisterung mit den Kolleginnen<br />

und Kollegen zu teilen und an die nachwachsenden<br />

Generationen weiterzugeben.<br />

Auch heute noch nehme ich – zumindest<br />

rezipierend – am <strong>ICOM</strong>-Leben teil, selbst<br />

wenn ich nicht mehr häufig zu Tagungen<br />

fah ren kann. Die Museumspädagogik beschäftigt<br />

mich aber auch weiterhin. Inzwischen<br />

bin ich als Beraterin tätig und freue<br />

mich sehr, an dem BKM-Projekt „Vor-Ort-Beratung“<br />

mitwirken zu können.<br />

10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

zu erlangen. 1968 kam sie mit dem <strong>ICOM</strong>-Beitritt diesem<br />

Ziel ein Stück näher.<br />

Auf politischer Ebene in Westdeutschland sorgte dies<br />

für Unmut. Alfred Hentzen informierte eine Mitarbeiterin<br />

des Bundesinnenministeriums darüber, dass das <strong>ICOM</strong>-<br />

Exekutivkomitee dem DDR-Antrag – gegen westdeutschen<br />

Widerstand – zugestimmt hatte. Diese BMI-Mitarbeiterin<br />

ließ den Präsidenten daraufhin schriftlich wissen: „Ich<br />

fürchte, dass an der Willensbildung des Exekutivkomitees<br />

nichts mehr zu ändern ist und dass wir künftig mit zwei<br />

deutschen Vertretungen rechnen müssen. […] Sie werden<br />

verstehen, dass dies mit dem Rechtsstandpunkt der Bundesregierung<br />

in der <strong>Deutschland</strong>frage nicht vereinbar ist.“ 3 Sie<br />

formulierte außerdem den ausdrücklichen Wunsch, „darauf<br />

hinzuwirken, dass die Herkunftsbezeichnung der deutschen<br />

Teilnehmer in den Kongresspapieren, Teilnehmerlisten, auf<br />

den Schildern, Abzeichen etc. korrekt erfolgt, damit wir<br />

nicht ausgerechnet auf dem Boden der Bundesrepublik gegenüber<br />

der SBZ an Terrain verlieren.“ 4<br />

3 Schreiben von Oberregierungsrätin Lugge beim Bundesministerium des Inneren<br />

vom 5. 8. 1968 an Hentzen<br />

4 Ebenda.<br />

Dem Schreiben beigefügt waren vom Auswärtigen Amt<br />

erarbeitete Hinweise, wie sich westdeutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />

mit Blick auf die deutsch-deutsche Frage bei internationalen<br />

Kongressen zu verhalten haben. So sei zum Beispiel<br />

im Vorfeld die Kongressleitung rechtzeitig zu informieren,<br />

in den Kongressveröffentlichungen den Begriff „DDR“<br />

(und Übersetzungen) zu vermeiden und als Herkunftsbezeichnung<br />

der deutschen Teilnehmer zu wählen: „Herr –<br />

Frau – x (<strong>Deutschland</strong>, Herkunftsort)“. Politische Aktivitäten<br />

und Diskussionen gelte es in jedem Falle zu vermeiden.<br />

Der Kalte Krieg und die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz<br />

machten also vor <strong>ICOM</strong> nicht halt.<br />

Im Zuge der Neuen Ostpolitik der Regierung Brandt/<br />

Scheel zu Beginn der 1970er Jahre veränderte sich das Verhältnis<br />

zwischen den beiden deutschen Staaten jedoch merklich.<br />

Dies erleichterte auch die deutsch-deutschen <strong>ICOM</strong>-<br />

Kontakte. Sowohl auf Generalkonferenzen als auch in<br />

internationalen Komitees begegneten sich Museumsfachleute<br />

aus Ost und West zunehmend offener. Die offizielle<br />

Linie sah dabei jedoch nach wie vor anders aus. Auf der<br />

Jahrestagung des Internationalen Komitees für archäologische<br />

und historische Museen (ICMAH) 1975 hielt der<br />

»<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Friedemann Hellwig<br />

Mitglied seit 1973,<br />

1977–1983 Präsident von CIMCIM,<br />

1993–1998 Mitglied im Vorstand<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

In Nürnberg am Germanischen Nationalmuseum<br />

bin ich erwachsen geworden. John<br />

Henry van der Meer, der Chef der Musikinstrumenten-Abteilung,<br />

hat mich damals auf<br />

<strong>ICOM</strong> aufmerksam gemacht. Unter den Generaldirektoren<br />

Steingräber und schließlich<br />

Schönberger konnten wir wunderbare Arbeitsbedingungen<br />

schaffen, genossen auch<br />

die Freiheiten, die uns gelassen wurden.<br />

Meine erste <strong>ICOM</strong>-Tagung habe ich in Edinburgh<br />

erlebt; seit 1969 bin ich dann eigentlich<br />

immer dabei gewesen. Damals fand ich<br />

drei wunderbare Kollegen im Kreis von <strong>ICOM</strong>:<br />

einen Kollegen aus den USA, einen aus Kanada<br />

und einen Amerikaner, der in Schweden<br />

lebte – wir waren ein bissel die enfants terribles<br />

des International Committee for Museums<br />

and Collections of Musical Instruments<br />

(CIMCIM), die „vier Jungtürken“.<br />

Hermann Auer war ein echter Patriarch.<br />

Ich hatte das Glück, dass er mich mochte.<br />

Letztendlich hat Präsident Auer all unsere<br />

Kontakte „abgestützt“. Kein Wunder, er war ja<br />

auch über 22 Jahre hinweg quasi das personifizierte<br />

<strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Nationalkomitee.<br />

Zwischen 1977 und 1983 wurde ich Präsident<br />

von CIMCIM. Aus diesem Grund habe<br />

ich dann oft auch an den Sitzungen des Advisory<br />

Committee in Paris teilgenommen. In<br />

den 1960er und frühen 1970er Jahren war<br />

die Welt bei <strong>ICOM</strong> noch recht elitär, auch die<br />

Zahl der Mitglieder in den internationalen<br />

Komitees war reglementiert. Unter der späteren<br />

Präsidentschaft von Hans-Albert Treff<br />

habe ich dann mitwirken können, erstmalig<br />

die <strong>Mitteilungen</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, damals<br />

noch in schlichter Erscheinungsform,<br />

herauszugeben.<br />

An Ursula Ancke, die damalige Sekretärin<br />

von <strong>ICOM</strong>-DDR, habe ich wirklich sehr gute<br />

Erinnerungen. Sie hat Vieles möglich gemacht.<br />

Ich erinnere mich noch zu gut, als sie<br />

damals einem DDR-Kollegen die <strong>ICOM</strong>-Karte<br />

überreicht hat … – man hätte diesem Kollegen<br />

kein schöneres Geschenk machen können.<br />

Für die Kolleginnen und Kollegen aus<br />

dem Osten war es ja ungleich schwieriger, an<br />

der <strong>ICOM</strong>-Arbeit aktiv teilzunehmen. Schon<br />

allein der Mitgliedsbeitrag musste ja in „Westgeld“<br />

bezahlt werden. Über diese Schwierigkeiten<br />

hinweg, haben sich dennoch Freundschaften<br />

entwickeln können – zu Kollegen in<br />

der DDR, insbesondere zum dortigen Institut<br />

für Museumswesen, und auch nach Polen.<br />

Die CIMCIM-Tagung 1983 in Berlin ist mir<br />

besonders in Erinnerung. Wir haben damals<br />

den Kolleginnen und Kollegen aus der DDR<br />

die Getty-Literaturdatenbank zeigen können<br />

– das war natürlich wie eine Offenbarung!<br />

Nach meinem Weggang aus Nürnberg<br />

und meinem Start als Professor an der Fachhochschule<br />

Köln lockerten sich die Kontakte<br />

zu <strong>ICOM</strong> etwas. Aber als ich vor einigen Jahren<br />

nochmals an einer <strong>ICOM</strong>-Tagung teilnahm,<br />

um eine im Entstehen befindliche<br />

Publikation anzukündigen, da standen sofort<br />

wieder alle Türen offen. Überhaupt: die<br />

<strong>ICOM</strong>-Familie! Ich glaube, dass, insbesondere<br />

durch die US-Kollegen beeinflusst, ein<br />

sehr locke rer und kollegialer Umgang gepflegt<br />

wurde. Das you ist eben zugleich auch<br />

immer ein „Du“. Und dies gilt über alle eigentlich<br />

bestehenden Hierarchien hinweg – das<br />

empfand ich immer als besonders erfrischend.<br />

Natürlich bin ich immer noch <strong>ICOM</strong>-Mitglied<br />

… und genieße die Vorzüge unserer<br />

Karte.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 11


Aktuelles<br />

ostdeutsche Museumsmitarbeiter Gerhard Dießner einen<br />

Vortrag „Zu einigen Problemen der Museumspolitik in der<br />

BRD“. Darin präsentierte er die Museumspolitik der Bundesrepublik<br />

vor internationalem Fachpublikum als ideologisch<br />

gefärbt. Angesichts der aktuellen politischen Lage<br />

fänden „die herrschenden Kreise in der BRD günstige Bedingungen“<br />

vor, „um ihre politisch-ideologischen Ziele zu<br />

verfolgen und auch die Museen in ihre bildungspolitische<br />

Zielsetzung der Massenmanipulation zu integrieren.“ 5<br />

Jenseits solcher der offiziellen Linie entsprechenden Reden<br />

gab es jedoch zunehmenden Austausch zwischen den<br />

Museumsfachleuten. Konferenzteilnehmer aus der Bundesrepublik<br />

und der DDR berichten über kollegiale oder gar<br />

freundschaftliche Begegnungen und Gespräche abends an<br />

der Hotelbar abseits des offiziellen Tagungsprogramms.<br />

Hier entstanden fachliche Netzwerke und freundschaftliche<br />

Beziehungen, jenseits ideologischer Abgrenzung und –<br />

auch persönlicher – politischer Differenzen. Diese Netzwerke<br />

wirkten auch über die Tagungsrahmen hinaus: Nach<br />

5 Dießner, Gerhard: Zu einigen Problemen der Museumspolitik in der BRD. Referat<br />

auf der ICMAH-Jahrestagung vom 13. bis 21. 9. 1975 in der DDR, Hausarchiv<br />

Stiftung Deutsches Historisches Museum, MfDG, 310, Bl. 60.<br />

einem gemeinsamen Besuch des Stadtgeschichtlichen Museums<br />

Amsterdam im Rahmen einer <strong>ICOM</strong>-Tagung im<br />

Jahr 1976 schrieb beispielsweise der Direktor des Museums<br />

für Deutsche Geschichte in Ostberlin, Wolfgang<br />

Herbst, an den Direktor des Clemens-Sels-Museums in<br />

Neuss, Max Tauch: „Sie haben sicher Recht: Die Museumsbesuche<br />

[…] geben Stoff zum Nachdenken. Eindrücke<br />

und Unterhaltungen bleiben haften. […] In der Hoffnung,<br />

Sie in Leningrad/Moskau zu treffen, verbleibe ich mit<br />

herzlichen Grüßen, Ihr Wolfgang Herbst.“<br />

Auch mit Rudolf Förster, dem Direktor des Stadtgeschichtlichen<br />

Museums Dresden, korrespondierte Tauch rege. „Ich<br />

würde es begrüßen, wenn wir in absehbarer Zeit ein gemeinsames<br />

Gespräch über Fragen führen könnten, die mit<br />

dem Thema Stadtmuseen in Zusammenhang stehen. Nehmen<br />

Sie daher meine Bereitschaft entgegen, Sie im neuen<br />

Jahr in Dresden zu besuchen“, schrieb Tauch im November<br />

1978 an Förster. Beide arbeiteten damals in einer internationalen<br />

<strong>ICOM</strong>-Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung<br />

von Stadtmuseen. In solchen Gremien kam es jedoch<br />

nicht nur zu deutsch-deutschem Austausch, sondern auch<br />

zu einem generellen blockübergreifenden Wissenstransfer.<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Ursula Ancke<br />

Mitglied seit 1968,<br />

1968–1989 Leiterin des Sekretariats<br />

des Nationalen Museumsrates der DDR<br />

und des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees der DDR<br />

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern,<br />

dass anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz,<br />

die 1968 in München und Köln stattgefunden<br />

hat, am 31. Juli auf Antrag des Kunsthis<br />

torikers Professor Johannes Jahn das<br />

<strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR gegründet<br />

worden ist. Im Rahmen der Exkursion, die<br />

sich an die Generalkonferenz anschloss und<br />

die über Berlin (West und Ost) nach Prag<br />

führte, haben wir auch zu einem Besuch<br />

der Museumsinsel, verbunden mit einem<br />

festlichen Empfang quasi vor den Stufen<br />

des Pergamon-Altars, eingeladen. Das war<br />

für viele der Gäste sicher ein bleibendes Erlebnis!<br />

Allein wegen der Devisenknappheit war<br />

die Anzahl der zu benennenden <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />

für die internationalen Komitees begrenzt.<br />

Eine meiner Aufgaben als Leiterin des<br />

Sekretariats bestand darin, unseren <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitgliedern die Teilnahme an internationalen<br />

Konferenzen zu ermöglichen und zudem<br />

noch auf eine ausgewogene Vertretung der<br />

einzelnen Fachgebiete zu achten.<br />

Wir haben auch zahlreiche Fachpublikationen<br />

angeregt, ihre Herausgabe organisatorisch<br />

begleitet und letztlich ermöglicht. Als<br />

der <strong>ICOM</strong> Code of Professional Ethics erstmals<br />

erschien, haben wir sogleich eine Übersetzung<br />

ins Deutsche anfertigen lassen und in<br />

der Fachzeitschrift Neue Museumskunde veröffentlicht.<br />

Es war auch unsere Aufgabe, die Museumskollegen<br />

bei der Vorbereitung von <strong>ICOM</strong>-<br />

Tagungen, die wir in Berlin, Dresden, Neubrandenburg,<br />

Rostock, Weimar und vielen<br />

anderen Städten durchführten, zu unterstützen.<br />

Viele internationale Komitees kamen zu<br />

ihrer Jahrestagung in die DDR. Durch die Zentralisierung<br />

– bei uns lief ja die Arbeit des Nationalkomitees<br />

von <strong>ICOM</strong> und die Arbeit des<br />

Nationalen Museumsrates zusammen – war<br />

es möglich, besondere inhaltliche Schwerpunkte<br />

zu setzen.<br />

Es gab viele Kollegen aus der BRD, mit denen<br />

ich einen über die Jahre intensiven Austausch<br />

gepflegt habe. Dazu gehörten Max<br />

Tauch oder auch Friedemann Hellwig. Wir<br />

haben immer freundlich und äußerst sachbezogen<br />

mit den Kolleginnen und Kollegen<br />

aus Westdeutschland zusammengearbeitet<br />

– aber wir waren auch immer zwei eigenständige<br />

Nationalkomitees.<br />

Der erste Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR war<br />

Johannes Jahn, damals Direktor des Museums<br />

für Bildende Künste in Leipzig. Mit ihm<br />

gestaltete sich die Arbeit sehr lebendig. Zwischen<br />

1975 und 1977 war dann der Archäologe<br />

Gerhard Rudolf Meyer, Generaldirektor<br />

der Staatlichen Museen zu Berlin – eine besonders<br />

beeindruckende Persönlichkeit –,<br />

unser Präsident. Ihm folgte von 1978 bis<br />

1989 Wolfgang Herbst, Generaldirektor des<br />

Museums für Deutsche Geschichte. Seine<br />

Nachfolge übernahm dann als international<br />

anerkannter Experte für Glas und Möbelkunst<br />

der Generaldirektor der Staatlichen<br />

Museen zu Berlin, Günter Schade. Durch die<br />

Dynamik des politischen Vereinigungsprozesses<br />

währte seine Präsidentschaft nur<br />

kurze Zeit.<br />

Auf Initiative des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />

der DDR wurde im Herbst 1990 der Zusammenschluss<br />

der beiden deutschen Gremien<br />

vollzogen und in einem offiziellen Schreiben<br />

vom 16. Dezember 1990 dem <strong>ICOM</strong>-<br />

Sekretariat in Paris mitgeteilt.<br />

12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

So schrieb beispielsweise Wolfgang Herbst nach der in der<br />

DDR ausgerichteten ICMAH-Jahrestagung 1975 an den<br />

Direktor des Stadtmuseums Metz (Frankreich), Gérald<br />

Collot: „Es ist erfreulich zu lesen, dass der Aufenthalt in<br />

der DDR Ihnen nicht nur nützlich, sondern auch angenehm<br />

war. Es war unser Bestreben, die Kollegen aus dem Ausland<br />

mit dem Stand unseres Museumswesens vertraut zu<br />

machen und damit zur Diskussion über die Museologie beizutragen.<br />

Sie können versichert sein, dass wir uns in keiner<br />

Phase der Tagung nur als die Gebenden empfunden haben.<br />

Die Unterhaltungen mit unseren Kollegen waren für uns<br />

wertvoll. Sie helfen uns bei der weiteren Arbeit im Museum<br />

und waren daher außerordentlich nützlich.“<br />

Derartige auf den Konferenzen hergestellte Kontakte<br />

wurden häufig auch noch intensiviert. Der Direktor des<br />

Archäologischen Museums Warschau war 1979 zu einem<br />

privaten Besuch nach Neuss gereist und schrieb nach seiner<br />

Rückkehr an Max Tauch: „In danke noch einmal für<br />

den sehr freundlichen Empfang in Neuß und die Möglichkeit<br />

dein interessantes Museum zu besuchen.“ Er hoffte<br />

außerdem, Tauch werde ihn bald einmal seinerseits in Warschau<br />

besuchen. Ganz im Gegensatz zur politischen Trennung<br />

zwischen Ost und West gelang es durch <strong>ICOM</strong>, so<br />

zeigen diese Briefe, über die Jahre einen transnationalen<br />

Wissensaustausch und eine blockübergreifende Zusammenarbeit<br />

anzustoßen.<br />

Einen weiteren Schritt hin zu mehr internationaler Zusammenarbeit<br />

und der Entwicklung von Museologie als<br />

eigener wissenschaftlicher Disziplin ging Professor Hermann<br />

Auer. Der Physiker war nach der Generalkonferenz 1968<br />

in München zum Präsidenten des westdeutschen Nationalkomitees<br />

gewählt worden. Er richtete 1973 das bis heute<br />

existierende Internationale Bodensee-Symposium ein, eine<br />

dreijährlich stattfindende Konferenz für Museums wis senschaftler<br />

und -mitarbeiter aus <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />

und der Schweiz.<br />

Auer, bis 1971 wissenschaftlicher Direktor des Deutschen<br />

Museums in München, blieb für mehr als zwanzig Jahre<br />

Präsident des deutschen Nationalkomitees. Während seiner<br />

Amtszeit befand sich der Sitz des Nationalkomitees ebenfalls<br />

in München, da bis zur Einrichtung einer zentralen<br />

Geschäftsstelle in Berlin 1999 die Zentrale von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> mit dem jeweiligen Präsidenten „wanderte“.<br />

Von 1974 bis 1977 war Auer zudem Schatzmeister des<br />

»<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Günter Schade<br />

Mitglied von <strong>ICOM</strong>-DDR 1985–1990,<br />

1989–1990 Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR<br />

Neben dem Rat für Museumswesen gab es<br />

den Nationalen Museumsrat der DDR, der die<br />

DDR-Museen im <strong>ICOM</strong> vertrat. Das war ein<br />

sehr exklusiver Club, dem nur wenige Museumsdirektoren<br />

angehörten, weil die Mitgliedschaft<br />

mit einem Jahresbeitrag in Valuta-Währung<br />

verbunden war und weil die<br />

DDR-Behörden kein Interesse daran hatten,<br />

dass ihre Bürger in die westliche Welt reisten,<br />

mit kritischen Fragen zurückkamen oder<br />

gar ihrem Staat den Rücken kehrten. Die Aufnahme<br />

der DDR in den <strong>ICOM</strong> erfolgte 1968.<br />

Ich erinnere mich an den Empfang, den<br />

Johannes Jahn, Präsident von <strong>ICOM</strong>-DDR, aus<br />

diesem Anlass vor dem Pergamon-Altar gegeben<br />

hat. Als Präsidenten folgten ihm dann<br />

Gerhard Rudolf Meyer und Wolfgang Herbst,<br />

der diese Funktion bis zur politischen Wende<br />

innehatte. Als im Herbst 1989 ein neuer Präsident<br />

in geheimer Abstimmung gewählt<br />

wurde, erhielt ich von den zur Auswahl stehenden<br />

Kandidaten die meisten Stimmen.<br />

Viel zu tun blieb mir allerdings nicht mehr.<br />

1990 fand die Jahrestagung des <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />

der Bundesrepublik in Duisburg<br />

statt und als Präsident des DDR-Nationalkomitees<br />

war ich eingeladen, um über die<br />

Situation der DDR-Museen nach der Wende<br />

zu referieren. Die Lage war sehr angespannt,<br />

denn die meisten DDR-Museumsdirektoren<br />

hatten ihre Stellung schon verloren und<br />

Kollegen aus den alten Bundesländern waren<br />

auf diese Positionen berufen worden.<br />

Ihre Aufgabe bestand zunächst darin, die<br />

historischen Ausstellungen von ihrem politischen<br />

Inhalt zu „säubern“ und die DDR-<br />

Kunst in die Ma gazi ne zu verbannen. Es bot<br />

sich also genügend Material für einen interessanten<br />

Vortrag.<br />

Für diese Tagung hatte ich mir auch eine<br />

zweite Aufgabe gestellt: Am Tag vor der<br />

Hauptversammlung unterbreitete ich dem<br />

<strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Vorstand den Vorschlag,<br />

angesichts der sich abzeichnenden Wiedervereinigung<br />

der beiden deutschen Staaten,<br />

das <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee der DDR mit dem<br />

bundesdeutschen zu vereinigen, und ging<br />

davon aus, dass ich und ein weiterer Vertreter<br />

des DDR-Nationalkomitees bis zu den<br />

nächs ten Wahlen in den Vorstand kooptiert<br />

würden. Die bei uns in Berlin zwischen den<br />

gro ßen Museen in Ost und West ganz selbstverständlich<br />

voranschreitende Wiedervereinigung<br />

schien hier – „tief im Westen“ – keinen<br />

Widerhall gefunden zu haben. Nach<br />

intensiver Beratung des <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-<br />

Vorstandes hieß es, dass das auf gar keinen<br />

Fall ginge. Die Begründung war, dass sie<br />

geheim und demokratisch gewählt worden<br />

seien, und eine außerplanmäßige Aufnahme<br />

neuer Kollegen in den Vorstand nicht<br />

vorgesehen sei. Dass ich auch in einer gehei<br />

men Wahl gewählt worden war, spielte<br />

offensichtlich keine Rolle. Mir war das dann<br />

auch egal, was sollte ich mit diesen Kollegen<br />

nach einem solchen für mich frustrierenden<br />

Entschluss noch diskutieren. Ich<br />

musste unwillkürlich an den bekannten Ausspruch<br />

denken: „Wenn der Deutsche eine<br />

Revolution machen oder einen Bahnsteig<br />

erobern will, kauft er sich zuvor noch eine<br />

Bahnsteigkarte“. Das Sekretariat des DDR-<br />

Nationalkomitees unter der Leitung von Ursula<br />

Ancke löste sich im Trubel des Vereinigungsprozesses<br />

auf und damit war das<br />

DDR-Nationalkomitee still und heimlich von<br />

der Bildfläche verschwunden. Positiv muss<br />

ich jedoch erwähnen, dass der bundesdeutsche<br />

Vorstand immerhin bereit war, für die<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder der DDR den Jahresbeitrag,<br />

der in westlicher Währung zu entrichten war,<br />

zu übernehmen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 13


Aktuelles<br />

<strong>ICOM</strong>-Exekutivkomitees. Eine seiner größten Herausforderungen<br />

aber dürfte die Vereinigung der beiden deutschen<br />

Nationalkomitees im Zuge der deutschen Wiedervereinigung<br />

1990 gewesen ein.<br />

Die Vereinigung der beiden deutschen<br />

Nationalkomitees<br />

Trotz guter Beziehungen zwischen den beiden deutschen<br />

Nationalkomitees bis Ende der 1980er Jahre verlief dieser<br />

Prozess keineswegs reibungslos. Professor Wolfgang Klausewitz,<br />

1990 Mitglied des noch westdeutschen <strong>ICOM</strong>-<br />

Nationalkomitees, berichtet von einer Sitzung des Exekutivkomitees<br />

im April 1990, auf der heftig über den Umgang<br />

mit der neuen Situation im Ostblock und auch in <strong>Deutschland</strong><br />

gestritten wurde. Es kam zu „harten politischen Auseinandersetzungen“.<br />

Auch im Juli 1990 war die Lage noch<br />

nicht endgültig geklärt. Auf einer Sitzung des Advisory<br />

Committee stand das Thema erneut zur Diskussion. Tschechien<br />

und Ungarn, so ist im Sitzungsprotokoll zu lesen, hätten<br />

bereits neue Nationalkomitees gewählt, für die DDR<br />

bestünden aber nach wie vor „ungeklärte Verhältnisse“.<br />

Zwar hatte das ostdeutsche Nationalkomitee im Frühjahr<br />

1990 mit Professor Günther Schade einen neuen Präsidenten<br />

gewählt. Ob sich dieser jedoch angesichts der Wiedervereinigungsproblematik<br />

halten könne, sei äußerst ungewiss.<br />

Die <strong>ICOM</strong>-Fachleute standen angesichts der deutschen<br />

Wiedervereinigung vor folgendem Problem: In den <strong>ICOM</strong>-<br />

Statuten gab es keine Regelung dafür, was mit einem Nationalkomitee<br />

passieren sollte, wenn sein Land als unabhängiges<br />

Land aufhört zu existieren. Am 2. Oktober 1990,<br />

einen Tag vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik,<br />

löste sich schließlich das ostdeutsche <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitee<br />

auf eigenen Beschluss auf. Sämtliche Mitglieder<br />

wurden dann in das nunmehr gesamtdeutsche Nationalkomitee<br />

integriert, basierend auf einem entsprechenden<br />

Beschluss des westdeutschen <strong>ICOM</strong>-Komitees, der auf der<br />

Jahrestagung am 20. Oktober 1990 in Duisburg gefällt<br />

worden war.<br />

Einer der wichtigsten Schritte für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in<br />

der Folgezeit war die Errichtung einer zentralen Geschäftsstelle<br />

in Berlin im Jahre 1999. Dort laufen seitdem die verschiedenen<br />

Fäden der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu­<br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Hans-Martin Hinz<br />

Mitglied seit 1993,<br />

1999–2004 Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

2002–2005 Präsident von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />

2004–2010 Mitglied des Executive Council,<br />

Seit 2010 Präsident von <strong>ICOM</strong><br />

Seit 1985 war ich in den Gründungsprozess<br />

des Deutschen Historischen Museums (DHM)<br />

involviert und ab 1991 mit dessen internationaler<br />

Vernetzung betraut. 1992 nahm ich<br />

daher an der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Quebec<br />

teil.<br />

1995 fragte mich Hans-Albert Treff, ob ich<br />

mir vorstellen könnte, für den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Vorstand<br />

zu kandidieren. 1996 holten<br />

wir die Jahrestagung der Geschichtsmuseen<br />

nach Berlin, ihre Ergebnisse bewogen Hans-<br />

Albert Treff, mich als seinen Nachfolger für<br />

die Position des <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Präsidenten<br />

vorzuschlagen. 1998 wurde ich dann tatsächlich<br />

gewählt. Glücklicherweise konnte ich<br />

im Vorstand erfahrene Kolleginnen und Kollegen<br />

um mich versammeln.<br />

Zum einen wollten wir die Verbandsstruktur<br />

erneuern, zum anderen starke inhaltliche<br />

Impulse setzen. Daher setzten wir uns beim<br />

Bundesinnenministerium für eine langfristi ge<br />

Förderung ein. Denn wenn eine stärkere internationale<br />

Präsenz des deutschen Mu seumswesens<br />

politisch gewünscht sei, dann sollte<br />

auch eine bessere finanzielle Ausstattung<br />

möglich sein. Seither wird <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

angemessen aus Bundesmitteln unterstützt.<br />

So konnten wir eine professionelle Geschäftsführung<br />

installieren und recht schnell wuchs<br />

die Anzahl der Mitglieder. Der DMB verhandelte<br />

zu dieser Zeit mit dem Institut für Museumsforschung<br />

über ein Büro in Berlin-<br />

Dah lem und wir ergriffen die Chance, dort<br />

ebenfalls „unsere Zelte aufzuschlagen“.<br />

Damals war <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> noch eine<br />

Art Juniorpartner des DMB, z. B. fanden die<br />

<strong>ICOM</strong>-Sitzungen am Rande der DMB-Tagungen<br />

statt. Dies schien mir für unseren Verband<br />

jedoch nicht zukunftsträchtig. Schließlich<br />

ging es darum, das deutsche Museumswesen<br />

international zu vernetzen. So entstand<br />

die Idee, unsere Jahrestagungen in Kooperation<br />

mit anderen <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />

zu veranstalten. Begonnen haben wir 1999<br />

mit <strong>ICOM</strong> Frankreich in Paris, es folgten die<br />

Jahrestagungen in Brüssel, Warschau und<br />

Washington. Dieses internationale Konzept<br />

ist von meinen Amtsnachfolgern fortgeführt<br />

worden und fand Nachahmung in anderen<br />

Ländern.<br />

Ich habe das DHM immer als Dreh- und<br />

Angelpunkt meiner <strong>ICOM</strong>-Arbeit verstanden.<br />

Natürlich ist es für eine intensive Verbandstätigkeit<br />

von Vorteil, Mitarbeiter einer großen<br />

Institution zu sein, denn es ergeben sich<br />

Synergien. Die DHM-Generaldirektoren bestärkten<br />

mich in meiner internationalen Ausrichtung,<br />

gleichzeitig konnten wir die <strong>ICOM</strong>-<br />

Kontakte für die eigene Museumsarbeit<br />

nutzen.<br />

Meine feste Überzeugung ist, dass – neben<br />

der Arbeit der Nationalkomitees – der<br />

Kern der <strong>ICOM</strong>-Arbeit in den internationalen<br />

Komitees geleistet wird, selbst wenn nur vierzig<br />

Prozent aller Mitglieder in Komitees organisiert<br />

sind. Ich sehe die Qualität von <strong>ICOM</strong> in<br />

der dezentralen Arbeit und verstehe die<br />

<strong>ICOM</strong>-Zentrale in Paris als ein Dienstleistungszentrum<br />

für die Vernetzung der internationalen<br />

Museumsarbeit.<br />

Rückblickend auf meine Arbeit als <strong>ICOM</strong>-<br />

<strong>Deutschland</strong>-Präsident darf ich sagen, dass<br />

uns ein Quantensprung hinsichtlich Professionalisierung<br />

und Internationalisierung der<br />

Verbandsarbeit gelungen ist. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

muss eine treibende Kraft im internationalen<br />

Museumswesen bleiben, gern will<br />

ich dafür meine Position als amtierender<br />

Welt-Präsident von <strong>ICOM</strong> nutzen.<br />

14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

sammen. Deutsche Museumsfachleute engagieren sich nach<br />

wie vor in zahlreichen internationalen Gremien, Komitees<br />

und Arbeitsgruppen. Sie arbeiten gemeinsam mit Kollegen<br />

aus aller Welt am Ausbau der <strong>ICOM</strong>munity, der Integration<br />

von Entwicklungsländern in den Weltverband oder<br />

der Ausarbeitung neuer Richtlinien für das Sammeln und<br />

Bewahren von Kulturgütern.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war vor sechzig Jahren zunächst<br />

nicht mehr als eine kleine Gruppe engagierter Museumsfachleute,<br />

inzwischen hat sich das deutsche Nationalkomitee<br />

jedoch zum größten innerhalb des <strong>ICOM</strong>-Verbands<br />

entwickelt und zählt etwa 5 000 Mitglieder. Sie schreiben<br />

(nicht nur) die deutsche <strong>ICOM</strong>-Geschichte weiter.<br />

Anne Wanner befasst sich in ihrer Dissertation zur deutsch-deutschen<br />

Museumsgeschichte auch mit den blockübergreifenden Begegnungen<br />

und Resonanzen, die durch <strong>ICOM</strong> entstanden. Hierüber forschte<br />

sie u. a. im Hausarchiv von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Berlin. 2010 schloss<br />

sie ihr Studium der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität<br />

Tübingen ab, derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin<br />

im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig;<br />

anne.wanner@gmx.de.<br />

Sommer 2010: Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Leipzig<br />

Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> · 1953–<strong>2013</strong> · 60 Jahre · <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Katrin Hieke<br />

Mitglied seit 2002<br />

Ich habe Ur- und Frühgeschichte in Tübingen<br />

studiert, das Institut hat seit jeher eine<br />

enge Museumsanbindung. So habe ich schon<br />

während meines Studiums den Weg zu<br />

<strong>ICOM</strong> gefunden. Damals hat mich vor allem<br />

das Thema Barrierefreiheit interessiert. Am<br />

Anfang war ich eher ein passives Mitglied,<br />

konnte auch gar nicht den richtigen Anpack<br />

finden, um <strong>ICOM</strong>, seine Struktur und das eigentlich<br />

ja irrsinnige Leistungsspektrum zu<br />

knacken. Meine Aktivität beschränkte sich<br />

zunächst auf die Lektüre der <strong>Mitteilungen</strong>,<br />

den Besuch der Homepage und der Tagung<br />

2007. Aber auf der Jahrestagung 2011 in Budapest<br />

konnte ich mich erstmals mit einem<br />

Vortrag einbringen – von da an ging es<br />

Schlag auf Schlag. Im Jahr 2012 erweiterte<br />

sich dann mein <strong>ICOM</strong>-Netzwerk erheblich.<br />

Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass<br />

ich schon einige <strong>ICOM</strong>-Aktive kannte.<br />

Dann folgte die Einladung nach Minsk zu<br />

einer Seminarreihe, die Kristiane Janeke in<br />

Kooperation mit <strong>ICOM</strong> Belarus und <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> organisiert hatte. Dort konnte<br />

ich einen Workshop zum Thema Museen und<br />

Markt leiten. Das bot mir die Chance, schnell<br />

mit den Kollegen in Kontakt zu kommen. Anschließend<br />

fand das internationale Museumsfestival<br />

„Intermuseum 2012“ in Moskau<br />

statt, dort hatten die Kollegen von <strong>ICOM</strong> Russia<br />

eine ebenso internationale Tagung zum<br />

Thema Museen und Tourismus organisiert.<br />

Bei einer solchen Gelegenheit wurde mir klar,<br />

dass die einzelnen Nationalkomitees völlig<br />

unterschiedliche Voraussetzungen haben. So<br />

müssen die Kollegen in Weißrussland heute<br />

noch intensiv dafür kämp fen, von der Öffentlichkeit<br />

überhaupt wahrgenommen zu werden<br />

und in einen fachlichen Austausch treten<br />

zu können, während <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

als das größte Natio nalkomitee weltweit,<br />

eher daran arbeitet, noch mehr Mitglieder zu<br />

einer aktiven Teilnahme an der Facharbeit<br />

der einzelnen Komitees zu motivieren.<br />

2012 bekam ich auf einer Tagung in Toronto<br />

erstmals Einblick in die Struktur eines<br />

internationalen Komitees. Anknüpfend an die<br />

Tagung in Budapest wurde ich von den Kollegen<br />

des International Committee for Exhibition<br />

Exchange eingeladen, um über die<br />

Herausforderungen und Chancen einer sich<br />

zunehmend vor allem auch außerhalb des<br />

Museums ausdifferenzierenden Berufswelt<br />

zu berichten. All diese Erfahrungen – klasse!<br />

Nachdem ich in den letzten Jahren einen<br />

besseren Eindruck davon bekommen habe,<br />

was <strong>ICOM</strong> alles leistet, würde ich mir wünschen,<br />

dass <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Kommunikation<br />

ausweitet. Natürlich weiß ich, dass<br />

das zusätzliche Ressourcen erfordert. Dass<br />

sich Investitionen in Kommunikation jedoch<br />

auszahlen, habe ich am eigenen Leib erfahren:<br />

Während ich mich auf das Seminar in<br />

Minsk vorbereitete, setzte ich dazu eine Twitter-Nachricht<br />

ab. Prompt erhielt ich hilfreiche<br />

Hinweise von einer Museumskollegin aus<br />

den USA. So entstanden neue Kontakte in<br />

die USA, nach Minsk und bis in die Ukraine,<br />

die sich auf die gesamte Programmgestaltung<br />

positiv auswirkten. Auch wäre es schön,<br />

wenn auf den <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Tagungen<br />

künftig noch mehr auswärtige Experten eingeladen<br />

würden. Der Blick über den Tellerrand<br />

ist verlockend und lohnend – und ich<br />

glaube, dass genau darin die Kompetenz<br />

und Chance von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> liegt.<br />

Die Langfassungen der persönlichen Erfahrungen<br />

und Erinnerungen sowie weitere von<br />

Tobias Bader, Kirsten Fast, Werner Hilgers,<br />

Martina Krug, York Langenstein, Udo Liebelt,<br />

Hartwig Lüdtke und Markus Walz:<br />

www.icom-deutschland.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 15


Aktuelles<br />

Schutz von Kulturgütern stärken<br />

<strong>Deutschland</strong> hatte aus wirtschaftlichen Gründen den Beitritt zum UNESCO-Kulturgut-<br />

Abkommen jahrzehntelang hinausgezögert. Doch die Umsetzung 2007 in natio na les<br />

Recht war richtig und politisch nötig, bestätigt nun ein Bericht und empfiehlt sogar<br />

Nachbesserungen. Zu denen möchte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> inhaltlich beitragen.<br />

Ein vom Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien<br />

erarbeiteter Bericht zum Kulturgutschutz kommt nun zu<br />

dem Ergebnis, dass Nachbesserungen bei den bestehenden<br />

Gesetzen aus rechtlichen, aber auch aus politischen Gründen<br />

angebracht seien. So habe etwa in den vergangenen<br />

Jahren trotz mehrerer Ersuchen verschiedener Staaten das<br />

Kulturgüterrückgabegesetz in keinem Fall zur Rückgabe<br />

von Kulturgut geführt. Die Voraussetzung, dass nur für<br />

jene Kulturgüter ein Rückgabeanspruch besteht, die in<br />

einem öffentlichen, in <strong>Deutschland</strong> einsehbaren Verzeichnis<br />

des Herkunftsstaates eingetragen sind, habe sich als nicht<br />

praktikabel erwiesen. Zudem gebe es hierzulande keine<br />

effektiven Einfuhrkontrollen, wohingegen viele unserer<br />

westlichen Nachbarn hunderte von illegal gehandelten Kulturgütern<br />

an der Grenze konfiszierten und an die Herkunftsstaaten<br />

zurückgäben.<br />

Handlungsbedarf bestehe aber auch beim Kulturgutschutzgesetz<br />

von 1955 (Novellierung 2007), das Kulturgut<br />

in <strong>Deutschland</strong> vor Abwanderung ins Ausland schützen<br />

soll. Zum einen stelle die einschlägige Gesetzgebung nach<br />

dem Wegfall der Grenzkontrollen im Schengenraum keinen<br />

effektiven Schutz mehr dar, zum anderen werde es immer<br />

schwieriger, die Mittel für den Rückkauf von national<br />

wertvollem Kulturgut zu organisieren, das ins Ausland<br />

verbracht wurde und dort zur Auktion kommt.<br />

Über Schäden und politische Folgen des illegalen Handels mit Kulturgut<br />

informierte 2012 anhand aktueller Fälle eine Ausstellung des Römisch-Germanischen<br />

Zentralmuseums auf dem Flughafen München.<br />

„Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet?“,<br />

fragte Günther Schauerte 2007 in den <strong>Mitteilungen</strong>, als der<br />

Deutsche Bundestag im Jahre 2007 mit der Verabschiedung<br />

des Kulturgüterrückgabegesetzes das Gesetzgebungsverfahren<br />

für den Beitritt <strong>Deutschland</strong>s zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen<br />

von 1970 abgeschlossen hatte. Die<br />

Kritik formulierte die Vermutung, das Gesetz sei stärker an<br />

wirtschaftlichen Interessen (des Kunst- und Antiquitätenhandels)<br />

als an Maßstäben des Kulturgüterschutzes orientiert.<br />

Dabei kommt dem Kampf gegen den illegalen Handel<br />

mit Kulturgütern steigende Bedeutung zu. Dessen finanzielles<br />

Volumen beträgt einer UNESCO-Studie zufolge rund<br />

sechs Milliarden Euro bei einem geschätzten weltweiten Gesamtumsatz<br />

im Kunst- und Antiquitätenhandel von rund<br />

43 Milliarden Euro.<br />

Bestandsaufnahme: Gesetze laufen ins Leere<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterstützt Novellierung<br />

Die Bundesregierung hat erkannt, dass Kulturgüterrückgabe<br />

und Schutz vor Abwanderung von Kulturgut zwei Seiten<br />

einer Medaille sind. Eine Novellierung und Zusammenführung<br />

beider Gesetze in der nächsten Legislaturperiode<br />

biete daher die Chance, eine Gesetzgebung aus einem Guss<br />

zu schaffen.<br />

Diese Chance will <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ergreifen und beabsichtigt,<br />

eine Stellungnahme zu dem Evaluationsbericht<br />

abzugeben. Wir empfehlen unseren einschlägig interessierten<br />

Mitgliedern die Lektüre. An Ihrer Meinung sind wir<br />

sehr interessiert, schreiben Sie uns bitte an die Geschäftsstelle!<br />

Die beabsichtigte Novellierung ist nicht unumstritten.<br />

Der Kunsthandel kritisierte etwa die Verordnung 116 / 2009<br />

der EU über die Ausfuhr von Kulturgütern bereits als „Produkt<br />

europarechtlicher Regelungswut“ (Kunst und Auktionen,<br />

18. März <strong>2013</strong>, S. 42). Dabei hatte 2011 eine Studie<br />

des Statistischen Bundesamtes ergeben, dass die vom Kunsthandel<br />

2007 befürchtete Mehrbelastung durch die Aufzeichnungspflicht<br />

ausgeblieben sei. Erfahrungen aus der<br />

Schweiz zeigen überdies, dass strikte Kontrollen sogar einen<br />

Kunsthandelsplatz stärken, da Sammler die damit verbundene<br />

Rechtssicherheit schätzen.<br />

Klaus Weschenfelder<br />

Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen<br />

Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in <strong>Deutschland</strong>:<br />

www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/<strong>2013</strong>/04/<strong>2013</strong>-<br />

04-24-kulturgutschutz.html<br />

16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz <strong>2013</strong><br />

Die Weltgemeinde der Museumsexperten trifft sich in diesem Jahr in Rio de Janeiro. Sie<br />

darf mit einem Event der Superlative rechnen, denn die brasilianischen Organisatoren<br />

erwarten bis zu viertausend Teilnehmer aus rund 120 Ländern. Neben der Plattform für<br />

den fachlichen Austausch soll ihnen ein innovatives Programm geboten werden.<br />

Die 23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz und<br />

die 28. <strong>ICOM</strong>-Generalversammlung<br />

in Brasilien stehen unter dem Titel:<br />

Museums (Memory + Creativity) =<br />

Social Change. Nach 1986 in Argentinien<br />

findet die Generalkonferenz<br />

<strong>2013</strong> damit wieder in einem lateinamerikanischen<br />

Land statt. Vom 10. bis<br />

17. August werden bis zu viertausend<br />

Museumsexperten aus aller Welt in<br />

Rio de Janeiro erwartet. Tagungsort<br />

ist der von Christian de Portzamparc<br />

entworfene Kulturkomplex Cidade<br />

das Artes. Als keynote speakers sind<br />

eingeladen die Generaldirektorin der<br />

UNESCO, Irina Bokova aus Bulgarien,<br />

der Schriftsteller Mia Couto aus<br />

Mosambik, der Museologe Ulpiano B.<br />

Menezes aus Brasilien und Jorge Wagensberg<br />

Lubinski, Wissenschaftler<br />

und Museumsdirektor aus Spanien.<br />

<strong>ICOM</strong> Brasilien lockt mit zahlreichen<br />

Angeboten<br />

Die alle drei Jahre stattfindenden<br />

<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenzen bieten der<br />

internationalen Museumswelt die besten<br />

Möglichkeiten des Austausches<br />

und der Netzwerkbildung. Jedes Gastgeberland<br />

ist daher um ein besonderes<br />

Gepräge dieser Veranstaltung bemüht,<br />

so auch das Organisationsteam aus<br />

<strong>ICOM</strong> Brasilien und <strong>ICOM</strong> Rio <strong>2013</strong>.<br />

Die Generalkonferenz ist erstmals<br />

auch Nicht-<strong>ICOM</strong>-Mitgliedern zugänglich<br />

und erstmals werden Veranstaltungen<br />

mit dem Fokus auf Afrika<br />

sowie auf Lateinamerika angeboten.<br />

Parallel dazu tagen Executive Council,<br />

Advisory Committee sowie die internationalen<br />

Komitees und es findet die<br />

Museumsmesse statt – diesmal wesentlich<br />

größer geplant. Darüber hinaus<br />

locken zahlreiche Netzwerk-Möglichkeiten<br />

und eine Museumslandschaft,<br />

die Zeugnis von der enorm gestiegenen<br />

Bedeutung des kulturellen Erbes in der<br />

brasilianischen Gesellschaft ablegt.<br />

<strong>ICOM</strong>-Gremienwahlen:<br />

Deutsche Vertreter kandidieren<br />

Die Generalversammlung wählt das<br />

zehn bis sechzehn Personen umfassende<br />

Executive Council, das aus Mitgliedern,<br />

einem Schatzmeister, zwei<br />

Vizepräsidenten, einem Präsidenten<br />

und dem Vorsitzenden des Advisory<br />

Committee (von Amtes wegen) besteht.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat Hans-<br />

Martin Hinz, den derzeitigen Präsidenten<br />

von <strong>ICOM</strong> und ehemaligen<br />

Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und <strong>ICOM</strong> Europe, erneut als Kan didaten<br />

für das Präsidentenamt des Weltverbandes<br />

vorgeschlagen. Ferner kandidiert<br />

Regine Schulz, derzeit Mitglied<br />

im Executive Council und ehemals Präsidentin<br />

von CIPEG, auf Vorschlag<br />

des deutschen Nationalkomitees erneut<br />

für das Executive Council.<br />

Reisekostenzuschüsse<br />

Wir können unseren Mitgliedern Reisebeihilfen<br />

in Höhe von bis zu 500<br />

Euro gewähren. Interessenten melden<br />

sich bitte! Ferner melden sich bitte<br />

alle deutschen <strong>ICOM</strong>-Mitglieder vor<br />

Antritt ihrer Reise bei uns! Wir planen<br />

ein Treffen der deutschen Teilnehmer<br />

in Rio de Janeiro und möchten<br />

Sie rechtzeitig dazu einladen.<br />

Johanna Westphal<br />

Geschäftsführerin von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

Hinweise zu Programm, Anmeldung, Gebühren<br />

etc: http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum<br />

Reise-, Pass- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen<br />

Amtes: www.auswaertiges-amt.de/<br />

DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Brasilien-<br />

Sicherheit.html<br />

Anfragen zu Reisekostenzuschuss und Treffen<br />

der deutschen Teilnehmer in Rio:<br />

icom@icom-deutschland.de<br />

<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2016: 2. bis 9. Juli<br />

2016 in Mailand, Italien, Titel: Museums and<br />

Cultural Landscapes<br />

„If we consider museums as global embassies<br />

of culture, the International Council of Museums<br />

provides a high density of ambassadors<br />

and sources that never run out of inspiration<br />

due to their different kinds of collections.“<br />

Johannes Kyrle<br />

Secretary General of the Federal Ministry of<br />

Foreign Affairs of Austria<br />

„Huge range of knowledge and expertise<br />

brought together in one place for a few days.“<br />

Michael Houlihan<br />

Chief Executive of the Museum of New Zealand<br />

Te Papa Tongarewa<br />

„I think that the real asset of <strong>ICOM</strong> is debate;<br />

it is the possibility to exchange different opinions<br />

and to put them together in one place.“<br />

Carlos Roberto F. Brandão<br />

Professor of Museu de Zoologia da Universidade<br />

de São Paulo, President of <strong>ICOM</strong> Rio<br />

<strong>2013</strong><br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 17


Aktuelles<br />

Zur Ethik des Bewahrens<br />

Rund zweihundert Museumsexperten werden vom 17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong> zur Jahrestagung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln zusammentreffen,<br />

um Konzepte, Praxis und Perspektiven des Bewahrens zu erörtern.<br />

Als 1992 in Rio de Janeiro die UN-Konferenz zur nachhaltigen<br />

Entwicklung stattfand, standen wirtschaftliche,<br />

ökologische und finanzielle Aspekte im Mittelpunkt. An<br />

die Nachhaltigkeit im Umgang mit dem kulturellen Erbe<br />

ist damals nicht gedacht worden, was rückblickend als<br />

Versäumnis gewertet werden mag. Mittlerweile ist sie in<br />

den Fokus gerückt und es gibt Initiativen wie die der Forschungsallianz<br />

Kulturerbe (FALKE), den Umgang mit dem<br />

Kultur- und Naturerbe in die Nachhaltigkeitsstrategie der<br />

Bundesregierung aufnehmen zu lassen.<br />

Museale Sammlungen, Archive, Bibliotheken und Baudenkmäler,<br />

das gesamte materielle sowie das immaterielle<br />

Erbe dokumentieren nicht nur die Vergangenheit, sie bilden<br />

auch eine wesentliche Ressource für weiteren Fortschritt<br />

in Kultur und Wissenschaft. Der Schutz des Kultur- und<br />

Naturerbes und der Umgang damit sind zur kulturellen<br />

Praxis geworden. Sein Erhalt ist überlebensnotwendig für<br />

unsere Zivilisation.<br />

Die Substanz des Kulturerbes ist aber vom steten Verfall<br />

bedroht, der in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität<br />

verlaufen kann. Diese Bedrohung kann mit dem<br />

Maß der Nutzung des kulturellen Erbes steigen, ein Risiko,<br />

das sich beispielsweise im Kulturtourismus manifestiert.<br />

Die archäologische Denkmalpflege hat längst erkannt,<br />

dass nicht unbedingt die Ausgrabung und Bergung archäologischer<br />

Fundstätten die größte Chance auf dauerhaften<br />

Erhalt birgt, sondern mitunter ein sicherer, geschützter<br />

Verbleib im Boden.<br />

Dieser Aspekt verdeutlicht, dass die Diskussion um das<br />

Bewahren des Erbes in hohem Maße von ethischen Maßstäben<br />

bestimmt wird. Die gesellschaftliche Bedingtheit der<br />

kulturellen Praxis des Bewahrens muss offengelegt werden.<br />

Wir müssen uns vergewissern, ob das im 19. Jahrhundert,<br />

mit der Entstehung der Nationalstaaten geformte Bild von<br />

der Sinnstiftung durch kulturelles Erbe und Gedächtnis<br />

noch passt und gegebenenfalls die Beziehungen von Kulturerbe<br />

und Identität neu beschreiben und bestimmen.<br />

Wertkonflikte<br />

Die Jahrestagung wird die Fragen unter verschiedenen Aspekten<br />

behandeln. Eine erste Sektion soll sich Wertkonflikten<br />

zuwenden, die sowohl interkulturell begründet sein<br />

können, als auch aus unterschiedlichen Vorstellungen und<br />

Erwartungen von der Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes<br />

resultieren. Im weiteren Sinn gehört auch die nationale<br />

Gesetzgebung zum Kulturerbeschutz dazu. So wie <strong>Deutschland</strong>s<br />

Sicherheit von der Situation am Hindukusch berührt<br />

ist, wird das Kulturerbe vom Hindukusch von Kulturgutgesetzen<br />

in <strong>Deutschland</strong> tangiert, könnte man mit Blick<br />

auf die Gesetzgebung zur Eindämmung des illegalen Handels<br />

mit Kulturgut aus besonders bedrohten Regionen sagen.<br />

Und selbst gute Gesetze reichen nicht aus, wenn sie nicht<br />

von einem breiten gesellschaftlichen Bewusstsein getragen<br />

werden. Sammler, Händler und Museen, aber auch Politik<br />

und Rechtsprechung müssen deutlich machen, dass die<br />

Überlieferung des Kulturerbes erheblichen Schaden nimmt,<br />

wenn der illegale Handel nicht schon im Ansatz unterbunden<br />

wird.<br />

Nutzung und Abnutzung<br />

In einer weiteren Sektion geht es um Probleme von Nutzung<br />

und Abnutzung. Wo endet die Forderung nach der öffentlichen<br />

Nutzung des kulturellen Erbes, die in Einklang zu<br />

bringen ist mit konservatorischen Maßnahmen (E.C.C.O.-<br />

Richtlinien 1993), in der Dauerausstellung, im Zusammenhang<br />

mit Leihverkehr, für museumspädagogische Vermittlungsansätze?<br />

Wie kann die Museumsaufgabe des Bewahrens<br />

stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden?<br />

Welche Maßstäbe sind an die Ziele der Restaurierungstätigkeit<br />

anzulegen, welche Leitlinien werden aktuell debattiert?<br />

Neue Herausforderungen<br />

Schließlich sollen in einer dritten Sektion neue Herausforderungen<br />

erörtert werden, die beispielsweise mit Begriffen<br />

wie „präventive Konservierung“, „grünes Museum“ oder<br />

„digitales Gedächtnis“ in Verbindung stehen. Im Rahmen<br />

der Open Box, dem Forum für Kurzbeiträge aus den Reihen<br />

der Mitglieder, sollen möglichst viele Beispiele aus der<br />

Museumspraxis vorgestellt werden.<br />

Allem voran steht die Aufgabe, den Erhalt des kulturellen<br />

Erbes als unabdingbare Voraussetzung für das intellektuelle<br />

und emotionale Überleben einer Kulturgesellschaft zu<br />

verdeutlichen. Mit Spannung kann der Festvortrag erwartet<br />

werden, der am Anfang der Tagung steht und der zugleich<br />

einen Festakt zum 60jährigen Bestehen von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> einleitet.<br />

Für die Einladung, in dem 2010 neu eröffneten und mit<br />

dem Museumspreis des Europarates 2012 ausgezeichneten<br />

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt zu tagen,<br />

danken wir der Direktion und den Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern des Hauses.<br />

Mitgliederversammlung und Wahl des Vorstandes<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine diesjährige Mitgliederversammlung<br />

im Rahmen der Jahrestagung am Freitag,<br />

18. Oktober <strong>2013</strong>, um 17 Uhr, im Rautenstrauch-Joest-<br />

Museum durchführen.<br />

Dem dreijährigen Turnus von <strong>ICOM</strong> entsprechend stehen<br />

in der Mitgliederversammlung Wahlen für das Amt der Prä­<br />

18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Aktuelles<br />

Foto: Martin Claßen und Arno Jansen, Köln<br />

Foto: Atelier Brückner /Michael Jungblut<br />

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt: Ansichten des Themenparcours „Der Mensch in seinen Welten“<br />

sidentin / des Präsidenten und des Vorstandes für die Jahre<br />

2014 bis 2016 an. Für die Mitarbeit im Vorstand sind insgesamt<br />

sechs Sitze zu vergeben. Des Weiteren werden gemäß<br />

der neuen Satzung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> der Kassen prüfer/die<br />

Kassenprüferin sowie dessen/deren Stellvertreter(in)<br />

gewählt, die nicht dem Vorstand angehören dürfen. <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitglieder, die bereit sind, Verantwortung und Aufgaben<br />

zu übernehmen, sind herzlich eingeladen, sich um ein Amt<br />

zu bewerben. Es ist wünschenswert, dass sich im Vorstand<br />

des Verbandes die Verschiedenartigkeit der Museumslandschaft<br />

in <strong>Deutschland</strong> ebenso spiegelt wie Alter und Geschlecht<br />

der dort tätigen Museumsfachleute.<br />

Wir bitten alle Bewerberinnen und Bewerber, ihre Kandidatur<br />

bis spätestens zum 31. August <strong>2013</strong> der Geschäftsstelle<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> schriftlich mitzuteilen. Wir<br />

stützen uns dabei auf den bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bisher<br />

beachteten Wahlmodus, aber auch auf die Wahlregularien<br />

des Internationalen Museumsrats <strong>ICOM</strong>. Im August werden<br />

die Kandidatinnen und Kandidaten auf unserer Webseite<br />

bekannt gegeben.<br />

Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei Nichtanwesenheit<br />

auf der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht auf andere<br />

stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen können,<br />

wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei<br />

abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine<br />

Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in<br />

der Geschäftsstelle.<br />

Nachwuchsförderung durch Reisestipendien<br />

Um dem Museumsnachwuchs möglichst zahlreich eine<br />

Teilnahme an unserer Jahrestagung zu ermöglichen, können<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder mit dem Status „Student“ einen Antrag<br />

auf Reisekostenzuschuss stellen. Insgesamt werden von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fünfzehn Reisebeihilfen in Höhe von<br />

bis zu 100 Euro gewährt. Interessierte wenden sich bitte<br />

bis spätestens 30. September <strong>2013</strong> per Mail an die Geschäftsstelle.<br />

Für die Bewilligung der Reisebeihilfen ist der<br />

Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend.<br />

Wir laden Sie herzlich zur Jahrestagung und zur Mitgliederversammlung<br />

<strong>2013</strong> nach Köln ein und freuen uns auf<br />

die Begegnung und den gemeinsamen Austausch mit Ihnen.<br />

Jahrestagung 2014: Save the date!<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Russland und <strong>ICOM</strong> USA<br />

werden vom 9. bis 12. September 2014 in St. Petersburg eine<br />

gemeinsame Tagung zum Motto „Museum and Politics“<br />

durchführen.<br />

Das Tagungsmotto „Museen und Politik“ bietet bei einem<br />

Zusammentreffen von Museumsfachleuten aus drei Ländern<br />

mit bedeutenden Museumstraditionen und durchaus<br />

unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und<br />

unterschiedlichen Trägermodellen Stoff für Debatten und<br />

Meinungsaustausch. Die Tagung wird in der Eremitage<br />

stattfinden, die Konferenzsprache ist Englisch. Im Rahmen<br />

der Tagung in St. Petersburg wird auch die Mitgliederversammlung<br />

2014 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranstaltet.<br />

An die Tagung schließt sich eine zweitägige Veranstaltung<br />

in Jekaterinburg am 13. und 14. September 2014 unter<br />

dem Titel „Industrial Heritage and Regional Aspects of<br />

Museum Development“ an.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> führt seit über zehn Jahren regelmäßig<br />

Fachtagungen zusammen mit den jeweiligen Nationalkomitees<br />

im Ausland durch, um die Kommunikation und<br />

den Gedankenaustausch mit Museumsprofis auf interna tio ­<br />

naler Ebene zu intensivieren. Partner waren bisher Frankreich,<br />

Großbritannien, Belgien, Niederlande, Österreich,<br />

die Schweiz, Polen, Ungarn und die Vereinigten Staaten von<br />

Amerika.<br />

Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

Jahrestagung <strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: 17. bis 19. Oktober im<br />

Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, Titel: Zur Ethik des Bewahrens:<br />

Konzepte, Praxis, Perspektiven.<br />

Programm, Anmeldung, Reisebeihilfen: www.icom-deutschland.de<br />

Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: icom@icom-deutschland.de<br />

Jahrestagung 2014 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: 9. bis 12. September in<br />

der Eremitage in St. Petersburg, Titel: Museum and Politics, Fortsetzung<br />

am 13. und 14. September in Jekaterinburg, Titel: Industrial<br />

Heritage and Regional Aspects of Museum Development<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 19


Rückblick<br />

36. Internationaler Museumstag<br />

Unter dem Motto „Museums (Memory + Creativity) = Social Change“ begingen im<br />

Mai <strong>2013</strong> die Museen weltweit den diesjährigen Internationalen Museumstag.<br />

Der Internationale Museumstag erfreut sich wachsender<br />

Beliebtheit und zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher in die<br />

Museen. Weltweit bieten Museen besondere Aktionen an,<br />

gewähren freien Eintritt oder veranstalten ein Fest für ihre<br />

Besucher. An diesem Tag zeigen sie, welche Schätze sich in<br />

ihren Sammlungen befinden und wofür sie sich engagieren:<br />

das ihnen anvertraute Kulturgut zu bewahren und zu<br />

vermitteln.<br />

Der vom Internationalen Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) seit 1978<br />

jährlich um den 18. Mai ausgerufene Internationale Museumstag<br />

ist die einzige Gelegenheit, bei der alle Museen,<br />

ob groß oder klein, in ländlicher Region oder in der Großstadt,<br />

gemeinsam und konzertiert auf ihr Angebot aufmerksam<br />

machen und einen Einblick in ihre Arbeit geben<br />

können.<br />

Internationale Höhepunkte<br />

Der diesjährige Internationale Museumstag<br />

stand unter dem Motto „Museums<br />

(Memory + Creativity) = Social Change“.<br />

Mehr als 32 000 Museen in 129 Ländern<br />

auf fünf Kontinenten beteiligten<br />

sich mit Sonderführungen, Workshops,<br />

Aktionen, Vorträgen, einem<br />

Blick hinter die Kulissen, mit Museumsfesten<br />

und langen Museumsnächten.<br />

Zum ersten Mal dabei<br />

war der Staat Suriname, der auf<br />

seine Museen aufmerksam machen und<br />

die Gründung eines eigenen Nationalmuseums befördern<br />

möchte. Brasilien hat den Internationalen Museumstag im<br />

Rahmen seiner 11. Museumswoche vom 13. bis 19. Mai<br />

gefeiert und Rekordzahlen bei den beteiligten Museen, den<br />

Angeboten und den Besuchern erzielt. In Tongeren (Belgien)<br />

zelebrierte das European Museum Forum die Verleihung<br />

des Museum of the Year Award. Diesjähriger Preisträger<br />

ist das Riverside Museum in Glasgow.<br />

Auf der von <strong>ICOM</strong> zum Internationalen Museumstag<br />

erstellten Webseite können Sie die Fülle der diesjährigen Aktivitäten<br />

einsehen. Die Plattformen Facebook und Twitter<br />

geben mit unzähligen Fotos und Kommentaren einen zusätzlichen<br />

Einblick in die internationalen Angebote.<br />

Nationale Höhepunkte<br />

In <strong>Deutschland</strong> begingen die<br />

Mu seen den Internationalen<br />

Museumstag am 12. Mai <strong>2013</strong><br />

unter dem Jahresmotto in seiner<br />

deutschen Fassung „Vergangenheit<br />

erinnern – Zukunft gestalten:<br />

Museen machen mit!“ Dass das<br />

Motto ernst genommen wird, sieht man an der starken<br />

Beteiligung der Museen. In <strong>Deutschland</strong> haben sich über<br />

1 600 Museen mit mehr als 10 000 Angeboten beteiligt.<br />

Die Zahl der teilnehmenden Häuser – vom großen staatlichen<br />

Museum bis zum kleinen Heimatmuseum – konnte<br />

sich von 850 im Jahr 2000 bis heute verdoppeln.<br />

Die beteiligten Museen sind in einer bundesweiten Datenbank<br />

zu recherchieren. Erstmals ist der Internationale<br />

Museumstag in <strong>Deutschland</strong> in den sozialen Netzwerken<br />

Facebook, Twitter und Pinterest vertreten. Am 27. März<br />

startete eine Blogparade, an der 39 Museen teilnahmen –<br />

von der Staatsgalerie in Stuttgart über das Technoseum in<br />

Mannheim, den Historischen Museen in Wolfsburg bis hin<br />

zum Strickmühlenmuseum in Reichenbach. Museumsmitarbeiter<br />

berichteten über den Stand ihrer Veranstaltungsvorbereitungen<br />

und über das eine oder andere Kuriosum.<br />

Für den 12. Mai wurde dann zum ersten bundesweiten<br />

Tweetup mit dem Slogan „Hier und Jetzt“ aufgerufen.<br />

Die Schirmherrschaft des Internationalen Museumstages<br />

übernimmt alljährlich der Präsident des Bundesrates,<br />

in diesem Jahr war es Winfried Kretschmann, Minis terpräsident<br />

von Baden-Württemberg. Die Pressekonferenz<br />

fand daher in Stuttgart statt, die bundesweite Auftaktver­<br />

20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

anstaltung am 12. Mai mit einem symbolischen Startschuss<br />

in Ludwigsburg. Diese Auftaktveranstaltung stellte eine<br />

Besonderheit dar, denn zeitgleich eröffnete die Stadt Ludwigsburg<br />

den Um- und Erweiterungsbau „MIK Museum<br />

Information Kunst“.<br />

Die diesjährige Medienresonanz war erfreulicherweise<br />

stärker als zuvor, so berichtete am 12. Mai erstmals auch<br />

die Tagesschau über den Internationalen Museumstag.<br />

Museen machen mit!<br />

Um die Gegenwart zu begreifen und die Zukunft zu gestalten,<br />

bedarf es der Erinnerung an die Vergangenheit. Nirgendwo<br />

wird dieses Zusammenspiel deutlicher als in den<br />

Museen. Als Horte der Erinnerung, die das kulturelle Erbe<br />

bewahren, ausstellen und vermitteln, sind sie zugleich Orte<br />

der Begegnung sowie der Auseinandersetzung mit Fragen<br />

der Gegenwart und Zukunft.<br />

Globalisierung, demografischer Wandel und kulturelle<br />

Vielfalt sind nur einige Beispiele für aktuelle Themen, die<br />

sich in vielen Museumsprogrammen manifestieren. Der<br />

Blick auf die Vergangenheit oder auch auf andere Kulturen<br />

hilft, das Heute zu verstehen.<br />

Auch auf anderen Ebenen bewegen sich die Museen am<br />

Puls der Zeit. Mit innovativen Ideen arbeiten sie daran,<br />

Menschen jeder Bildungs- und Altersklasse an kultureller<br />

Bildung teilhaben zu lassen und damit die Zukunftsfähigkeit<br />

der Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Technische<br />

Errungenschaften haben den Weg in die Sammlungen, Ausstellungen<br />

und die Vermittlungsarbeit gefunden und werden<br />

weiterentwickelt und zielgruppengenau angepasst.<br />

Museen sind nicht nur dabei, sondern mittendrin, wenn<br />

es darum geht, aus dem Blick in die Vergangenheit Impulse<br />

für die Zukunft zu gewinnen. Das Motto „Vergangenheit<br />

erinnern – Zukunft gestalten: Museen machen mit!“ bot<br />

zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten, so dass jedes Museum<br />

mit seiner spezifischen Sammlung an diesem besonderen<br />

Tag teilnehmen konnte.<br />

<strong>ICOM</strong> setzt auf Kooperation<br />

Um den Internationalen Museumstag weltweit möglichst<br />

wirkungsvoll zu gestalten, arbeitet <strong>ICOM</strong> mit zahlreichen<br />

Partnern zusammen, etwa mit der Initiative The European<br />

Night of Museums, dem UNESCO-Programm Memory of<br />

the World oder dem European Museum Forum. In <strong>Deutschland</strong><br />

wird die Kommunikation des Internationalen Museumstages<br />

durch den Deutschen Museumsbund in partnerschaftlicher<br />

Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, den<br />

regionalen Museumsorganisationen und den Stiftungen und<br />

Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe koordiniert.<br />

Gemeinsam möchten wir Sie einladen, auch im nächsten<br />

Jahr wieder dabei zu sein und Ihre Aktionen zum Internationalen<br />

Museumstag auf der <strong>ICOM</strong>-Seite sowie in der<br />

bundesweiten Datenbank einzustellen, damit die Aktivitäten<br />

Ihrer Museen in der nationalen und internationalen<br />

Museumsgemeinschaft noch stärker sichtbar werden.<br />

Johanna Westphal<br />

Geschäftsführerin von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

International: icom.museum/activities/international-museum-day<br />

National: www.museumstag.de<br />

Tagesschau 12. 5. <strong>2013</strong>:<br />

www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts42052.html<br />

Nächste Termine des Internationalen Museumstags in <strong>Deutschland</strong>:<br />

18. Mai 2014, 17. Mai 2015, 22. Mai 2016<br />

Foto: Adriana Lubenova, ate-Lie “Iconography” at the Holly Metropolitan Church of Plovdiv<br />

Foto: MSAJB-Puruchuco<br />

Bulgarien: Teilnehmer eines Ikonographie-Workshops in Plowdiw<br />

Peru: Präsentation von Tanz und Volksmusik in Puruchuco<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 21


Rückblick<br />

Foto: Katrin Hieke<br />

Die Tücke des Objekts – Das Objekt und<br />

seine Wirkung auf die Besucher<br />

Erworben, gesammelt, betrachtet, gepflegt, studiert, interpretiert: Objekte bilden<br />

den Kern des Museums und stellen es zugleich vor viele Aufgaben und Herausforderungen.<br />

Das Internationale Bodensee-Symposium 2012 tastete sich mithilfe von<br />

Innen- wie Außensichten an ihre vielschichtigen Bedeutungs- und Wahrnehmungsebenen<br />

heran. Das Thema wurde gewählt, um den in der letzten Zeit über andere<br />

aktuelle Themen hinweg vernachlässigten Diskurs über die Museumsdinge wieder<br />

verstärkt in das Zentrum zu rücken.<br />

Katrin Hieke<br />

22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

1878 lieh sich der damals noch junge Scharfrichter Julius Krautz in Ermangelung<br />

eines eigenen Richtbeils eine ursprünglich für museale Zwecke angefertigte<br />

Kopie aus dem Märkischen Provinzialmuseum. Der Klempnergeselle Max<br />

Hödel war wegen eines missglückten Attentats auf Kaiser Wilhelm I. zum<br />

Tode verurteilt worden und wurde dann schließlich mit eben jener Richtbeil-<br />

Kopie enthauptet.<br />

Ist dieses Objekt, so fragte Franziska Nentwig, Generaldirektorin der Stiftung<br />

Stadtmuseum Berlin, in ihrem Vortrag, dadurch nun zu einem Original<br />

geworden, gar zu einem authentischen Objekt? Und nehmen es die Besucher<br />

dadurch nun anders war?<br />

Die „Tücken“ der Museumsobjekte und ihre Wahrnehmung durch die Besucher<br />

waren Thema des Internationalen Bodensee-Symposiums 2012. Die gemeinsame<br />

Tagung der <strong>ICOM</strong>-Nationalkommittees von Österreich, Schweiz<br />

und <strong>Deutschland</strong> fand vom 21. bis 23. Juni (leider ein wenig abseits des Bodensees)<br />

in Wolfurt statt und wurde von den österreichischen Kollegen organisiert.<br />

Die Kunst findet im Gehirn statt<br />

BERLINmacher – Zwischen Objekt<br />

und Subjekt. Ein Erfahrungsbericht<br />

Franziska Nentwig<br />

Foto: Oana Popa<br />

Sie begann nach erfrischend kurzen Grußworten mit einem Vortrag des Kognitionswissenschaftlers<br />

John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational<br />

Neuroscience Berlin zu der Frage, wie das menschliche Gehirn<br />

Kunst wahrnimmt und welches Verständnisgerüst und welche Deutungsangebote<br />

die Wahrnehmungsforschung dafür liefere. Die Wahrnehmung von<br />

Kunst, so war zu hören, spiele sich nicht im Bauch oder gar im Herzen ab,<br />

sondern allein im Gehirn; die althergebrachte Trennung von Geist und Körper<br />

kann die Wissenschaft hier also nicht aufrechterhalten. Die neuronale Repräsentation<br />

der Kunsterlebnisse, ihre Bedeutungen als auch Gedanken bei der<br />

Kunstbetrachtung sorgen für spezifische Aktivitätsmuster im Gehirn. Diese<br />

sind inzwischen erstaunlich gut messbar und darstellbar, in Form von Linien,<br />

Kurven oder Farbclustern. Forscher am Bernstein Center und an ähnlichen<br />

Einrichtungen lernen, diese zu lesen und zu interpretieren. Die verschiedenen<br />

Bedeutungen jedoch, die wir Dingen geben, und unsere unterschiedlichen Assoziationen<br />

führen zu individuellen ästhetischen Urteilen und Präferenzen,<br />

und die Darstellungen, die die Wissenschaftler auszuwerten versuchen, sind<br />

damit höchst verschieden – was die Zuhörer erleichtert aufnahmen. Nur<br />

wenige grundlegende ästhetische Prinzipien gäbe es, so John-Dylan Haynes,<br />

die wir alle teilen. Unsere Urteile aber seien häufig intuitiv, das Gehirn dabei<br />

schneller als das Bewusstsein und damit die Einflussfaktoren, warum beispielsweise<br />

etwas als schön empfunden wird oder nicht, häufig nicht bekannt.<br />

Mehr noch: unser Gehirn brauche nur partielle Informationen, die es auf<br />

Basis seiner bisherigen Erfahrungen selbst zu einem subjektiven, vollständigen<br />

Bild ergänzt bzw. interpretiert. Wer dies nicht so recht glauben konnte, dem<br />

demonstrierte John-Dylan Haynes mit kleinen, effektiven Beispielen der Bildmanipulation<br />

das Gegenteil und führte überhaupt die Zuhörer auf den schmalen<br />

Grat zwischen der Faszination, wahrnehmungsbedingtes Besucherverhalten<br />

besser zu verstehen und möglicherweise beeinflussen zu können, und der<br />

Angst, das schöne Erlebnis der Kunstbetrachtung durch Zahlen, Grafiken und<br />

naturwissenschaftliche Erklärmuster zu entzaubern.<br />

Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund folgte dem Vortrag eine engagierte Diskussion,<br />

die an den kommenden beiden Tagen immer wieder aufgegriffen wurde.<br />

Sie kreiste vor allem um die Frage der (noch nicht endgültig belegten) freien<br />

Willensentscheidung versus einer rein neuronalen Steuerung des Verhaltens;<br />

dem Wahrnehmungsunterschied zwischen dem originalen Objekt, seiner Abbildung<br />

bzw. Nachbildung und den Grenzen und Möglichkeiten objektiver<br />

Beschreibungen und Bewertungen. Sollten die Museen nun auf radikale Individualität<br />

oder eben auf die Übereinstimmungen in der ästhetischen Wahrnehmung<br />

der Besucher setzen? Neurowissenschaftliche Forschung, so lernten wir<br />

auch, findet vor allem aus technischen Gründen bislang in virtuellen Realitäten<br />

statt. Der reale Museumsbesuch mit all seinen (weiteren) sinnlichen Facetten<br />

ist bislang noch nicht abbildbar – ein Fakt, der großen Interpretationsspielraum<br />

der bereits vorhandenen wissenschaftlichen Ergebnisse liefert.<br />

Wie begeht man das Jubiläum einer Stadt,<br />

die sich in konstantem Wandel befindet?<br />

Wie wird Beweglichkeit und Wandel<br />

dargestellt? Wie verbindet man Subjekte<br />

und Objekte auf sinnfällige Weise miteinander?<br />

Wie kann die Konstruktion einer<br />

vermeintlich klassischen kulturgeschichtlichen<br />

Ausstellung durchbrochen werden?<br />

Wie die Auswahlkriterien transparent<br />

gemacht werden? Wie ermöglicht man<br />

dem Besucher Neuentdeckungen und<br />

Überraschungen im Rahmen des vermeintlich<br />

Bekannten und regt rationale und<br />

emotionale Teilhabe an? Wie gelangt man<br />

vom Subjekt zum Objekt und wie wird<br />

das Subjekt zum Objekt?<br />

Diese und weitere Fragen sollen im<br />

Rahmen des Vortrags „Berlinmacher –<br />

Zwischen Objekt und Subjekt – Ein<br />

Erfahrungsbericht“ erörtert werden.<br />

Der Vortrag nimmt die Sonderausstellung<br />

„Berlinmacher. 775 Porträts – ein Netz -<br />

werk“ des Stadtmuseums Berlin zum<br />

775. Jubi läum der Stadt in den Blickpunkt.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 23


Rückblick<br />

Die schöne Kunst im Museum<br />

Foto: Koeksch un Qualm, CC BY-NC-ND 2.0<br />

Technische Objekte – zwischen Nutzung<br />

und Bewahrung<br />

Wolfgang Meighörner<br />

Technikorientierte Museen erfreuen sich<br />

großer Beliebtheit, nicht zuletzt aufgrund<br />

der technischen Exponate, die sie<br />

notwendigerweise sammeln, erforschen<br />

und präsentieren. Nun ist die Technik ja als<br />

sogenannte „exakte Wissenschaft“ geneigt,<br />

Emotionen eher zu negieren. Im Museum<br />

aber lösen gerade diese Exponate zahlreiche<br />

Emotionen aus, so dass sich die<br />

Frage stellt: Wodurch gelingt ihnen das? Ist<br />

es ihr blitzender Chrom, sind es ihre Geräusche<br />

oder Gerüche? Ist es schlicht die<br />

Form? Oder vielmehr doch die Funktion?<br />

Das lässt sich häufig nicht so genau<br />

feststellen – eben wegen der unterschiedlichen<br />

emotionalen Qualität der Exponate<br />

und der individuellen Emotionalität der<br />

Betrachter. Sicher aber scheint, dass vor<br />

allem die Inbetriebnahme des Exponats<br />

eine Gefahr für dessen Erhalt darstellt – und<br />

damit auf den ersten Blick dem Bewahrungsauftrag<br />

des Museums zuwiderläuft.<br />

Aber ist das wirklich so?<br />

Wilfried Seipel, Präsident des österreichischen <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees, lieferte<br />

am nächsten Morgen den zweiten Auftaktvortrag, nun aus Museumsperspektive.<br />

Er nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch die Museumsgeschichte,<br />

indem er die sich wandelnde Wahrnehmung musealer, vor allem künstlerischer,<br />

Objekte im Laufe der Zeit beschrieb: von Reiz und Rührung war die Rede,<br />

von Staunen und Emotion ebenso wie von der objektiven Darstellung subjektiver<br />

Wirkung durch die Neurowissenschaft. Er warb für eine Verbindung der<br />

neurobiologischen Erkenntnisse, von denen am Vortag die Rede war, mit geisteswissenschaftlichen<br />

Fragestellungen. Diese Neuroästhetik solle helfen, zu<br />

einer besseren Kenntnis der Wahrnehmungsprozesse zu gelangen; das Plädoyer<br />

schloss jedoch auch die Wiederkehr zum Erhabenen, der Ruhe im Museum,<br />

der Befreiung vom „Info-Balast“ durch Audio-Guides oder Museumslabels ein.<br />

Kurzum, das (Kunst-)Museum solle wieder mehr ein stiller Erbauungsort sein<br />

denn ein „soziales Event“. Wären mehr junge Museumswissenschaftler anwesend<br />

gewesen, hätte es an dieser Stelle vielleicht deutlicheren Protest gegeben.<br />

Die Diskussion stieß sich vor allem daran, dass die geforderte Neuroästhetik<br />

die Wahrnehmung von Objekten auf die Kategorie „Schönheit“ reduzieren<br />

würde. Da jedoch auch nicht ästhetisch schöne Dinge fesseln können, ergab<br />

sich die Frage, welche Bedeutung und welche möglichen Konsequenzen all diese<br />

Überlegungen für Museen anderer Sparten haben.<br />

Objekt, Reproduktion und Aura<br />

Werner Schweibenz von der Universität Konstanz beleuchtete „Das Museumsobjekt<br />

im Zeitalter seiner digitalen Repräsentierbarkeit“. Wie verändert die<br />

virtuelle und digitale Welt das Objekt und die Wahrnehmung von Originalen<br />

und ihren Reproduktionen? Galt früher ein alter „Sicherheitsabstand“ zwischen<br />

dem Original und den davon deutlich unterscheidbaren Objektfotografien,<br />

so bergen die neuen technischen Möglichkeiten viele Chancen, beispielsweise<br />

die wesentlich bessere Erfassung der Informationsdimension des Objekts und<br />

seines Kontextes, aber auch neue Herausforderungen.<br />

Wie nehmen Ausstellungsbesucher<br />

au then tische Objekte wahr?<br />

Stephan Schwan<br />

Welche Rolle spielen Objekte für die Aus -<br />

einandersetzung der Besucher mit den<br />

Inhalten einer Ausstellung? Museen zeichnen<br />

sich generell durch die vielfältige<br />

Verwendung von Gegenständen aus, sei es<br />

in Form authentischer Originale, sei es als<br />

Demonstrationsmodelle oder als interaktiv<br />

zu erkundende Hands-on-Exponate. Vor<br />

diesem Hintergrund gibt der Vortrag einen<br />

Überblick über aktuelle Befunde der<br />

Besucherforschung und der Kognitionswissenschaften<br />

zur psychologischen Wirkung<br />

authentischer Objekte auf die Besucher<br />

und diskutiert mögliche Implikationen für<br />

die Praxis.<br />

Foto: Katrin Hieke<br />

24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

Werner Schweibenz wies darauf hin, dass die Debatte um den Verlust der<br />

Aura im digitalen Zeitalter übersieht, dass Walter Benjamin auch drei wesentliche<br />

Vorteile der Reproduktion gegenüber dem Original beschreibt: Sie erlaube<br />

neue Sichtweisen, die sonst nicht möglich sind; sie könne das Abbild in<br />

Situationen bringen, die für das Original selbst nicht erreichbar sind; und die<br />

Reproduktion könne dem Betrachter entgegenkommen. Aura, so führte er<br />

weiter aus, könne sich unter bestimmten Umständen auch auf Reproduktionen<br />

übertragen oder ausstrahlen; mithin könne es auch eine „virtuelle“ oder „mediale“<br />

Aura geben. Die neuen Medien werden von den Besuchern zunehmend<br />

als eigenwertig angesehen, was zu interessanten Phänomenen in der Rezeption<br />

von Museumsobjekten führen kann. So geschehen mit einer gelbstichigen digitalen<br />

Reproduktion des „Milchmädchens“ von Johannes Vermeer aus dem<br />

Rijksmuseum in Amsterdam, die im Internet kursierte und zur Folge hatte,<br />

dass die Besucher beim Anblick des Originals dessen Authentizität anzweifelten.<br />

Der oftmals polarisierenden Debatte rund um die neuen Medien hatte Werner<br />

Schweibenz schlussendlich klug entgegenzusetzen, dass sowohl das Original<br />

als auch seine digitale Repräsentation Erfahrungen vermitteln würden und<br />

schon allein deshalb beide nicht in Konkurrenz stünden, noch die Repräsentation<br />

sekundär sei.<br />

Museale Praxis<br />

Die folgenden Vorträge gaben konkretere Einblicke in die museale Praxis. Einen<br />

sehr erfrischenden Ansatz präsentierte Barbara Keller vom Alpinen Museum<br />

der Schweiz in Bern. Die momentane Neuein- und -ausrichtung schließt<br />

ein radikales Überdenken der bisherigen musealen Arbeit mit ein. So entstand<br />

die Ausstellung „Berge versetzen. Eine Auslegeordnung“, der es gelingt, nicht<br />

nur neue Ausstellungsweisen zu erproben, sondern auch die eigene kuratorische<br />

Arbeit und den spezifischen Auftrag des Berner Museums zu hinter- und beim<br />

(zwischen Begeisterung und Verstörung schwankenden) Publikum zu erfragen.<br />

Wolfgang Meighörner von den Tiroler Landesmuseen, Innsbruck, legte den<br />

Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die technischen Objekte im Museum.<br />

An Beispielen zeigte er, dass deren Betrieb oft weiteren wichtigen Kontext und<br />

Foto: Alpines Museum der Schweiz, Bern<br />

Objekte versetzen Berge – Die Neueröffnung<br />

des Alpinen Museums der Schweiz<br />

Barbara Keller<br />

1 200 Objekte stehen im Zentrum der<br />

Neueröffnung des Alpinen Museums:<br />

Bergschuhe, Rettungsschlitten, Bergreliefs,<br />

kartographische Messgeräte, Thermoskannen,<br />

Skihelme, Berggemälde, Hüttenbücher<br />

etc. Die 1 200 Exponate – ausgelegt<br />

auf dem Fußboden und begehbar über<br />

einen Holzsteg – ermöglichen eine neue<br />

Perspektive auf die Themenvielfalt des<br />

Alpinen Museums. Die Ausstellung „Berge<br />

versetzen“ thematisiert das Alpine Museum<br />

mit seinem wertvollen, teilweise auch<br />

skurrilen Sammlungsbestand und stellt die<br />

Gretchenfrage: Wozu ein Alpines Museum?<br />

Was sammelt ein Alpines Museum? Welche<br />

Themen sollen in diesem Haus verhandelt<br />

werden?<br />

Die spielerische Auseinandersetzung<br />

geschieht unter direktem Einbezug des Publikums.<br />

Die Besucherinnen und Besucher<br />

nehmen zu Sammlungsschwerpunkten<br />

und Ausstellungsthemen Stellung. Für<br />

das Alpine Museum ist „Berge versetzen“<br />

der Ausgangspunkt zur Erarbeitung eines<br />

Sammlungskonzepts für die Zukunft.<br />

Foto: Katrin Hieke<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 25


Rückblick<br />

Foto: Deutsches Museum<br />

Wahrscheinlich würde man etwas mehr<br />

erschauern – Eine empirische Untersuchung<br />

zur Wirkung von Originalen und<br />

Nachbildungen auf Museumsbesucher<br />

Constanze Hampp<br />

Authentische Objekte aus vergangenen<br />

Zeiten, von fernen Orten oder aus dem<br />

Besitz berühmter Persönlichkeiten bilden<br />

nach wie vor das Herzstück vieler Museen.<br />

Die meisten dieser Objekte erhalten ihre<br />

Bedeutung durch das Bekanntwerden ihrer<br />

Geschichte. Erst wenn der Besucher weiß,<br />

dass es sich in der Vitrine um echtes Mondgestein<br />

handelt, wird der profane Kiesel<br />

hinter Glas zum faszinierenden Objekt. Was<br />

allerdings verändert sich beim Besucher,<br />

wenn es sich beim Exponat tatsächlich um<br />

einen profanen Kiesel handelt, der sich nur<br />

nicht sichtbar von echtem Mondgestein<br />

unterscheidet? Was passiert, wenn anstatt<br />

des Originals eine identische Nachbildung<br />

ausgestellt ist?<br />

Im Rahmen eines Dissertationsprojektes<br />

wird die Wirkung von Originalen und<br />

Nachbildungen auf Museumsbesucher<br />

in mehreren Experimenten sowohl mit<br />

quantitativen als auch mit qualitativen Methoden<br />

untersucht. Im Mittelpunkt stehen<br />

ausgewählte Objekte in unterschiedlichen<br />

Ausstellungen des Deutschen Museums,<br />

die den Besuchern abwechselnd entweder<br />

als Originale oder als Nachbildungen<br />

präsentiert werden.<br />

Das Vorarlberg-Museum in Bregenz<br />

(1857 gegründet) ist das kunst- und<br />

kulturgeschichtliche Landesmuseum des<br />

Bundeslandes Vorarlberg. Für Juni <strong>2013</strong> ist<br />

nach vierjähriger Bauzeit die Eröffnung des<br />

Neubaus geplant.<br />

damit verbunden besondere Wahrnehmungsmöglichkeiten biete, was allerdings<br />

konträr zur Bewahrungsaufgabe auch technischer Objekte stünde.<br />

Die Wahrnehmung von Objekten und Möglichkeiten der Beeinflussung<br />

von Besuchern durch bestimmte Rahmenbedingungen ist Forschungsthema<br />

am Leibnitz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Stephan Schwan erläuterte<br />

sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Studien zu<br />

Wahrnehmung und Wirkung von authentischen Objekten aus der Sicht der<br />

Kognitionswissenschaftler und griff damit sowohl den Eröffnungsvortrag<br />

als auch einen Kurzvortrag von Constanze Hampp auf. Im Rahmen ihrer<br />

Doktorarbeit studiert sie die Wirkung von Originalen versus Nachbildungen<br />

anhand kleiner Versuche, die sie im Deutschen Museum in München durchführt.<br />

Beeindruckend offen und kritisch hinterfragend berichtete Franziska<br />

Nentwig über die Konzeption und Umsetzung der Ausstellung „Berlinmacher.<br />

775 Portraits – ein Netzwerk“. An vielen Beispielen wie dem eingangs<br />

zitierten Richtbeil illustrierte sie die „Tücken der Objekte“, die sich sowohl<br />

in Wahrnehmungsfragen wie auch in Darstellungsproblemen zeigen. Trotz allem<br />

zieht sie jedoch ein überaus optimistisches und motivierendes Fazit, nach<br />

dem Museen trotz aller Hürden die große Chance haben, sich immer wieder neu<br />

zu erfinden, zu experimentieren und – vielleicht zu unserem letztendlichen<br />

Glück – doch nie ganz tiefenpsychologisch greifbar zu werden. Das Beil jedenfalls,<br />

das 1878 für die Hinrichtung des Attentäters ausgeliehen wurde, ging<br />

nach Vollstreckung des Todesurteils zurück in die Sammlungen des Museums<br />

und war – im Kontext seiner ungewöhnlichen Geschichte – ebenfalls in der beschriebe<br />

nen Ausstellung zu sehen.<br />

Schlussendlich kamen noch die naturwissenschaftlichen Objekte zum Zug.<br />

Das Naturhistorische Museum Wien wählte aufgrund wiederholter Nachfragen<br />

von Besuchern einhundert „Top-Objekte“ aus seinem stolze dreißig Millionen<br />

Objekte zählenden Bestand aus. Brigitta Schmid berichtete über diesen Prozess,<br />

der vor allem einen Marketingzweck verfolgte. Ein gewollter Nebeneffekt<br />

war aber auch, das Verständnis der Museumsarbeit intern wie extern zu erhöhen.<br />

Die Tücken der Arbeit mit den vielfältigen Bedeutungsebenen der Objekte,<br />

die – für ein naturwissenschaftliches Museum nicht eben typisch – auch<br />

böhringer friedrich via Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0-at<br />

26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

die kulturhistorische Relevanz stark betonte, wurde in mehreren Beispielen<br />

eindrücklich belegt.<br />

Den rätselhaften, teils gar mysteriösen, aber auf alle Fälle vielschichtigen Eigenheiten<br />

der Objekte im Museum ist die Tagung mit ihren spannenden Einblicken<br />

sowohl in aktuelle Forschungen als auch in die tägliche Museumspraxis<br />

ein kleines Stück nähergekommen.<br />

Exkursionsprogramm<br />

Traditionell enden die Bodensee-Symposien mit Exkursionen in nahe gelegene<br />

Museen. In diesem Jahr führten sie uns nach Bregenz. Fachkundige Führungen<br />

genossen wir zum einen in der aktuellen Ausstellung des Künstlers Danh Vö<br />

im Kunsthaus Bregenz und auf der Baustelle des Neubaus des Vorarlberg-Museums.<br />

Bregenz erhält mit ihm in prominentester Lage zwischen Stadtraum und<br />

Bodensee ein architektonisch wie inhaltlich hochmodernes Museum, das gemeinsam<br />

mit Kunsthaus und Theater das neue Kunstzentrum der Stadt bilden<br />

und prägen wird. Die Eröffnung ist für Juni <strong>2013</strong> geplant, ein Wiederkommen<br />

nach Bregenz wird sich spätestens dann lohnen.<br />

Katrin Hieke ist als freiberufliche Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin tätig, u. a. für<br />

projekt2508 Gruppe. Darüber hinaus verfasst sie gegenwärtig am Ludwig-Uhland-Institut<br />

für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen ihre Dissertation;<br />

kontakt@katrinhieke.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

<strong>ICOM</strong> Österreich plant die Herausgabe eines Tagungsbandes.<br />

www.icom-oesterreich.at<br />

Das Internationale Bodensee-Symposium 2015 wird in der Schweiz stattfinden.<br />

100 Top-Objekte im NHM – Akzeptanz<br />

und Rezeption<br />

Brigitta Schmid<br />

Foto: NHM Wien<br />

Die Bedeutung zahlreicher Objekte in der<br />

Schausammlung des Naturhistorischen Museums<br />

Wien reicht aufgrund ihres Alters oft<br />

weit über den vordergründigen, naturwissenschaftlichen<br />

Informationsgehalt hinaus.<br />

Bei näherer Betrachtung erschließen sich<br />

vielfältige zusätzliche Bedeutungsebenen,<br />

die sich nicht auf historische Gesichtspunkte<br />

wie die Geschichte der Sammlungen,<br />

die Geschichte des Hauses und<br />

verschiedenste Aspekte der Wissenschaftsgeschichte<br />

beschränken, sondern auch<br />

gesellschaftliche und politische Entwicklungen<br />

widerspiegeln, ja sogar literarische<br />

Bezüge erkennen lassen.<br />

Diese kulturhistorische Relevanz, die eine<br />

intensivere, von herkömmlichen Kriterien in<br />

naturhistorischen Museen teilweise abweichende<br />

Rezeption der Objekte begünstigt,<br />

war unter anderem ausschlaggebend für<br />

die Auswahl der Top 100 aus den ca. dreißig<br />

Millionen Objekten des Naturhistorischen<br />

Museums Wien. Da die oft komplexen<br />

Zusammenhänge durch herkömmliche Beschriftungen<br />

nicht in befriedigender Weise<br />

erläutert werden können, wurde eine Kombination<br />

alternativer Vermittlungsschienen<br />

gewählt, die von den Besucherinnen und<br />

Besuchern sehr positiv aufgenommen<br />

wurden und unzweifelhaft nicht nur einen<br />

anderen Blick auf einzelne Objekte zur Folge<br />

haben, sondern auch zu einem besseren<br />

Verständnis für die vielfältigen Aufgaben<br />

naturwissenschaftlicher Sammlungen<br />

und naturhistorischer Museen insgesamt<br />

beitragen.<br />

Foto: Katrin Hieke<br />

Die Teilnehmer hatten im Juni 2012 die<br />

Gelegenheit, die Baustelle des Neubaus des<br />

Vorarlberg-Museums in Bregenz zu<br />

besuchen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 27


Rückblick<br />

Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

für den Zeitraum von September 2011 bis Juni 2012<br />

gehalten vor der Mitgliederversammlung am 22. Juni 2012 in Wolfurt, Österreich<br />

Im Mittelpunkt der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> stehen die Förderung<br />

internationaler Kontakte der Mitglieder, die Unterstützung<br />

der Projekte des Weltverbandes, die Kommunikation mit den Mitgliedern,<br />

die Verbreitung von museumsethischen Richtlinien und die<br />

Bereitstellung von Angeboten zur Qualifikation und Weiterbildung.<br />

Bei der Aufnahme von Mitgliedern wird besonderer Wert auf Professionalität<br />

im Museumsbereich gemäß den Statuten von <strong>ICOM</strong> gelegt,<br />

zugleich wird der veränderten Ausbildungs- und Laufbahnsituation<br />

in der Museumsarbeit Rechnung getragen.<br />

Mitglieder<br />

Der Verband hat derzeit 4 693 Mitglieder (Stand 1. Juni 2012). Durch<br />

Tod hat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Berichtszeitraum folgende Mitglieder<br />

verloren: Prof. Dr. Winfried Baer, Dr. Alexandra Dern, Dr. Richard<br />

W. Gassen, Dr. Ekkart Klinge, Dr. Rolf Kultzen, Dr. Sabine Leutheußer,<br />

Dr. Annik Pietsch, Ingeborg Preuß, Dr. Eckhard Schaar, Prof. Dr. Ulrich<br />

Schießl, Dr. Johann Eckart von Borries, Hubert Vogl und Renate Wald.<br />

Haushalt 2012<br />

Im Gesamthaushalt des Jahres 2012 in Höhe von 577.700 Euro ist<br />

auf der Einnahmen- und Ausgabenseite ein Betrag von 381.700 Euro<br />

enthalten, der aufgrund der Gebührenfestlegung des Weltverbandes<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> erhoben und an das Generalsekretariat<br />

nach Paris weitergereicht wird. Weitere Einnahmen entstehen durch<br />

einen Aufschlag von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den Mitgliedsbeitrag<br />

(103.500 Euro), durch die Zuwendung des Beauftragten der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien (92.000 Euro) sowie durch den Verkauf<br />

von eigenen Publikationen.<br />

Bei den Ausgaben addieren sich zu den nach Paris weitergeleiteten<br />

Beiträgen die Aufwendungen für Personal in der Geschäftsstelle<br />

und für Honorare für freie Mitarbeit (110.000 Euro), die Ausgaben für<br />

Geschäftsbedarf und Kommunikation (34.000 Euro), die Reisekosten<br />

des Vorstands und der Geschäftsstelle (13.000 Euro), die projekt bezogenen<br />

Ausgaben wie Reisebeihilfen für deutsche Mitglieder in internationalen<br />

Komitees, die finanzielle Unterstützung von Tagun gen<br />

internationaler Komitees in <strong>Deutschland</strong>, die Durchführung der Jahrestagung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sowie die Ausgaben für Kooperationsprogramme<br />

und für Publikationen (39.000 Euro).<br />

Die Beitragssätze bleiben für <strong>2013</strong> unverändert. Wegen des erhöhten<br />

Verwaltungs- und Betreuungsaufwandes für die stetig anwachsende<br />

Zahl von Mitgliedern wird auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in<br />

der Mitgliederversammlung <strong>2013</strong> über eine maßvolle Erhöhung seines<br />

Beitragsaufschlages zur finanziellen Absicherung der Geschäftsstelle<br />

ab 2014 zu entscheiden haben.<br />

Projekte<br />

Jahrestagung 2011<br />

Die gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn in Budapest ausgerichtete Jahrestagung<br />

vom 22. bis 25. September 2011 widmete sich der Frage, in<br />

welcher Weise die Aus- und Weiterbildung für Museumsberufe auf<br />

die neuen Herausforderungen einer sich verändernden Museumsarbeit<br />

reagiert. Im Vergleich zwischen Ungarn und <strong>Deutschland</strong> ergaben<br />

sich interessante Erkenntnisse und fruchtbare Diskussionen. Der<br />

internationale Fachdialog wurde durch die Gastfreundlichkeit und<br />

das kollegiale Engagement der ungarischen Partner besonders gefördert.<br />

Die politische Umbruchsituation in Ungarn und ihre Auswirkung<br />

auf die Kultur- und Museumslandschaft war Gegenstand vieler<br />

persönlicher Gespräche unter Kollegen. Durch gezielte Ansprache<br />

von jüngeren Referenten und Referentinnen und durch die Vergabe<br />

von 14 Reisestipendien an Mitglieder mit dem Status „Student“ ist es<br />

gelungen, die Teilnehmerzahl unter den Nachwuchskräften zu steigern.<br />

Jahrestagung 2012<br />

Unter dem Titel „Die Tücke des Objekts“ findet vom 21. bis 23. Juni<br />

in Wolfurt bei Bregenz das Internationale Bodensee-Symposium 2012<br />

von <strong>ICOM</strong> Österreich, <strong>ICOM</strong> Schweiz und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> statt.<br />

<strong>ICOM</strong> Österreich ist für die Organisation der inspirierenden Tagung<br />

herzlich zu danken. Von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurden erneut Reisestipendien<br />

an Mitglieder mit Studenten-Status vergeben, bei Interesse<br />

können Stipendien auch noch nachträglich beantragt werden.<br />

Internationaler Museumstag 2012: Welt im Wandel – Museen im<br />

Wandel<br />

Der Internationale Museumstag 2012 wurde in bewährter Zusammenarbeit<br />

mit dem Deutschen Museumsbund, den regionalen Museumsämtern<br />

und den Museumsverbänden sowie mit finanzieller<br />

Unterstützung der Sparkassen-Finanzgruppe geplant und durchgeführt.<br />

<strong>Deutschland</strong>weit beteiligten sich über 1 600 Museen mit<br />

einem vielfältigen und anspruchsvollen Programm. Am 15. Mai 2012<br />

fand in der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern in<br />

München eine Pressekonferenz im Beisein von Staatsminister Dr. Wolfgang<br />

Heubisch statt. Der Museumstag wurde am 20. Mai 2012 bei<br />

einer Auftaktveranstaltung im Neuen Museum in Nürnberg eröffnet.<br />

Der Präsident vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bei der Pressekonferenz<br />

und hielt eine Ansprache bei der Auftaktveranstaltung.<br />

Leitfaden zur vorbeugenden Konservierung<br />

Für die Erarbeitung des auf Initiative von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gemeinsam<br />

mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz herauszugebenden<br />

Leitfadens „Vorbeugende Konservierung“ konnte der Direktor des<br />

Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin, Professor<br />

Dr. Stefan Simon, gewonnen werden. Der Leitfaden, der auf die<br />

Notwendigkeit ganzheitlichen Denkens und Handelns bei dem Bemühen<br />

um den Erhalt des kulturellen Erbes hinweisen soll, wird den<br />

Mitgliedern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Er soll auch als<br />

Argumentationshilfe im Gespräch mit Museumsträgern bei der Planung<br />

von Maßnahmen dienen.<br />

Strategischer Plan von <strong>ICOM</strong><br />

Der Strategische Plan 2011–<strong>2013</strong> von <strong>ICOM</strong> wurde ins Deutsche<br />

übersetzt und in den <strong>Mitteilungen</strong> 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veröffentlicht.<br />

Er steht auch auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zur Einsicht bereit.<br />

Kooperationen<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war 2011/12 ideeller Partner eines deutsch-polnischen<br />

Workshops „Das offene Museum“, der nach Vermittlung der<br />

polnischen Anfrage an die Bundesakademie für kulturelle Bildung<br />

Wolfenbüttel von dort aus zu einem bilateralen Projekt zur Entwicklung<br />

kreativer Museumspädagogik und partizipativer Ansätze der<br />

Alltagsanthropologie für Museen entwickelt wurde. Die Abschluss-<br />

28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

veranstaltung fand am 11. Mai 2012 in Genshagen unter Beteiligung<br />

von Vorstandsmitglied Dr. Matthias Henkel (Vortrag) und Geschäftsführerin<br />

Johanna Westphal M.A. statt.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterstützt gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Belarus das<br />

Goethe-Institut Minsk und Tradicia History Service (Dr. Kristiane<br />

Janeke) bei der Durchführung der Seminarreihe „Museen als Bildungsorte<br />

im 21. Jahrhundert“ zu Fragen des Ausstellungs- und<br />

Museumsmanagements. <strong>ICOM</strong>-<strong>Deutschland</strong>-Mitglied Katrin Hieke<br />

M. A. führte am 13. April 2012 in Minsk das ganztägige Seminar „Museum<br />

Marketing as an Instrument of a Systematic Management<br />

Process“ durch. Frau Hieke vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> am 2. Juni 2012<br />

beim Internationalen Museumsfestival Intermuseum 2012 in Moskau<br />

auch mit einem Vortrag unter dem Titel „Building Sus tainable Cultural<br />

Tourism in a Regional Community“.<br />

Förderungen<br />

Es sind Reisekostenzuschüsse vorgesehen für die Teilnahme deutscher<br />

Mitglieder an den Tagungen der internationalen Komitees von<br />

<strong>ICOM</strong> im Ausland und Zuschüsse für Tagungen von internationalen<br />

Komitees von <strong>ICOM</strong> in <strong>Deutschland</strong>. Da 2012 voraussichtlich keine<br />

Tagungen in <strong>Deutschland</strong> stattfinden werden, sind noch Reisebeihilfen<br />

zu vergeben.<br />

In Jahr 2011 unterstützte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> finanziell und logistisch<br />

die Jahrestagungen von<br />

· ICME (International Committee for Museums and Collections of<br />

Ethnography), 2. bis 5. Oktober 2011, Bad Staffelstein, Kloster Banz:<br />

„Dissolving Boundaries. Museological Approaches to National,<br />

Social and Cultural Issues“, unter persönlicher Beteiligung von<br />

Vorstandsmitglied Dr. Matthias Henkel,<br />

· ICEE (International Committee for Exhibition and Exchange), 24.<br />

bis 26. Oktober 2011, Berlin, Deutsches Historisches Museum: „Go<br />

Interna tional! The Challenge of Creating International Exhibitions“,<br />

unter persönlicher Beteiligung von Vorstandsmitglied Dr. Gabriele<br />

Pieke,<br />

· und die gemeinsame Tagung von COMCOL (International Committee<br />

for Collecting), CAMOC (International Committee for the<br />

Collections and Activities of Museums of Cities) und <strong>ICOM</strong> Europe<br />

(International Council of Museums Europe Alliance), 31. Oktober bis<br />

3. November 2011, Berlin, Museen Dahlem (Staatliche Museen<br />

zu Berlin): „Participative Strategies in Documenting the Present“,<br />

unter persönlicher Beteiligung von Vorstandsmitglied Dr. Franziska<br />

Nentwig.<br />

Publikationen<br />

<strong>Mitteilungen</strong> von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Als zentrales Mitteilungsorgan des Verbandes sind die <strong>Mitteilungen</strong><br />

im Juni 2012 vorgelegt worden. Sie geben einen umfassenden Überblick<br />

über die Aktivitäten in den internationalen Komitees und über<br />

die Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Newsletter<br />

Die Kommunikation mit den Mitgliedern soll durch die regelmäßige<br />

Versendung (zweimonatlich) eines Newsletters intensiviert werden.<br />

Er wird elektronisch versendet, bei Interesse kann die E-Mail-Adresse<br />

in der Geschäftsstelle hinterlegt werden.<br />

Checklist on Ethics of Cultural Property Ownership<br />

In Kooperation von <strong>ICOM</strong> und der Koordinierungsstelle Magdeburg<br />

wurde die Checklist on Ethics of Cultural Property Ownership (Checklis<br />

te zu ethischen Aspekten beim Eigentum an Kulturgütern) herausgegeben.<br />

Diese Checkliste informiert in knapper Form über die hohe<br />

nationale und internationale Bedeutung und Notwendigkeit ethisch<br />

verantwortungsvollen Handelns im Museumsbereich und fasst die<br />

Kernaussagen der acht Prinzipien des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums<br />

zusammen. Die Checkliste ist in englischer Fassung sowie in deutscher<br />

Übersetzung auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verfügbar.<br />

Die deutschsprachige Übersetzung der Checkliste wurde von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranlasst und ist auch von <strong>ICOM</strong> Österreich autorisiert<br />

worden.<br />

Stellungnahmen<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nahm in einer Pressemitteilung vom 8. Februar<br />

2012 differenziert Stellung zur Debatte um die Ausleihe des Dürer-<br />

Portraits aus München für die Ausstellung „Der frühe Dürer“ im<br />

Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.<br />

Vorstandsmitglied Dr. Franziska Nentwig erarbeitete für <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> eine kritische Stellungnahme zum Änderungsentwurf<br />

der PSI-Richtlinie (Private Sector Information) der Europäischen<br />

Kommission, die dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />

und Medien zugeleitet wurde (verfügbar auf der Webseite von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>). Die Novelle der Richtlinie sieht vor, Museen in den<br />

Kreis derjenigen öffentlichen Einrichtungen aufzunehmen, die Informationen<br />

(Daten, Bilder) zur kostenlosen, auch kommerziellen,<br />

Weiternutzung bereitstellen sollen.<br />

Weitere Aktivitäten des Vorstandes<br />

Im Berichtszeitraum wurden bisher drei Vorstandssitzungen abgehalten<br />

(23. September 2011, 6. Februar 2012 und 21. Juni 2012).<br />

Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den<br />

Sitzungen des Deutschen Kunstrats. Der Präsident nimmt als stellvertretender<br />

Vorsitzender regelmäßig an den Sitzungen des Fachbeirates<br />

der Koordinierungsstelle Magdeburg teil. Er ist Mitglied des<br />

Standing Committee of Finances & Ressources und nahm an der<br />

Sitzung des Komitees am 21. November 2011 in Paris teil. Auf Einladung<br />

der Museen der Stadt Nürnberg hielt er am 21. Oktober 2011<br />

einen Festvortrag auf der Tagung „Bewahrt die Kunst“. Im Rahmen<br />

des Treffens von „Best in Heritage“ am 16. November 2011 während<br />

der Exponatec in Köln vertrat der Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit<br />

einem Grußwort. Geschäftsführerin und Präsident nahmen an der<br />

Sitzung des Advisory Committee und an der General Assembly von<br />

<strong>ICOM</strong> vom 4. bis 6. Juni 2012 in Paris teil.<br />

Geschäftsstelle<br />

Die Arbeit der Geschäftsstelle ist über die genannten Projekte hinaus<br />

in hohem Maße durch die Erfordernisse der Mitgliederbetreuung<br />

(Neuaufnahme, Datenbankpflege, Gebühreneinzug und Abrechnung<br />

mit dem Generalsekretariat in Paris, Beantwortung von Anfragen,<br />

Vermittlung von Kontakten etc.) geprägt.<br />

Die Geschäftsführerin, unterstützt durch Vorstandsmitglied Dr. Stéphanie<br />

Wintzerith, vertrat <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit einem Informa tionsstand<br />

auf der Exponatec, Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung<br />

und Kulturerbe, in Köln vom 16. bis 18. November 2011.<br />

In kontinuierlicher Zusammenarbeit mit dem <strong>ICOM</strong>-Generalsekretariat<br />

in Paris wirkte die Geschäftsstelle bei der deutschen Übersetzung<br />

der Roten Liste der gefährdeten Kulturgüter Ägyptens mit,<br />

die am 9. Mai 2012 im Beisein von Dr. Hans-Martin Hinz (Präsident<br />

von <strong>ICOM</strong>), Prof. Dr. Mamdhouh Eldamat (Kulturrat der Arabischen<br />

Republik Ägypten), Kurt Machens (Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim)<br />

und der Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Prof.<br />

Dr. Regine Schulz, vorgestellt wurde. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> war durch<br />

die Geschäftsführerin Johanna Westphal M. A. vertreten.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 29


Rückblick<br />

Eine enge Kooperation pflegt die Geschäftsstelle ferner mit dem<br />

Deutschen Museumsbund und den Museumsverbänden in <strong>Deutschland</strong>,<br />

insbesondere bei der Durchführung des Internationalen Museumstages.<br />

Beträchtlichen Verwaltungs- und Organisationsaufwand bedeutete<br />

die Umsetzung von Hinweisen aus dem Prüfbericht des Bundesverwaltungsamtes<br />

(Ausschreibungen, Abschluss von Rahmenverträgen,<br />

Büroorganisation, Buchungssoftware, Arbeitsplatzbeschreibun gen).<br />

Schließlich wurde von der Geschäftsstelle in den vergangenen Monaten<br />

die neue Satzung für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in eine beschlussreife<br />

Form gebracht. Die juristische Prüfung übernahm RA Burghard von<br />

Bargen (Kanzlei), ferner wurden das Finanzamt Berlin und der Beauftragte<br />

der Bundesregierung für Kultur und Medien um Stellungnahme<br />

gebeten. Für seine aktive Mitwirkung sei Herrn Dr. Werner Hilgers<br />

ganz herzlich gedankt.<br />

Ausblick<br />

Vom 22. bis 24. November 2012 findet die Mutec 2012 gemeinsam<br />

mit der denkmal 2012, der europäischen Messe für Denkmalpflege,<br />

Restaurierung und Altbausanierung, in Leipzig statt. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

wird dort mit einem Stand vertreten sein.<br />

Im Mai <strong>2013</strong> begehen die Museen weltweit den 36. Internationalen<br />

Museumstag. Das von <strong>ICOM</strong> festgelegte Motto für <strong>2013</strong> lautet<br />

„Museums (Memory + Creativity) = Social Change“. In <strong>Deutschland</strong><br />

feiern die Museen das Ereignis am 12. Mai <strong>2013</strong>.<br />

Vom 10. bis 17. August <strong>2013</strong> findet die 23. <strong>ICOM</strong> Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro, Brasilien, statt.<br />

Vom 17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong> findet im Rautenstrauch-Joest Museum<br />

– Kulturen der Welt, Köln, die Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

unter dem Titel „Die Ethik des Bewahrens“ statt. Auf der Mitgliederversammlung<br />

wird der Vorstand neu gewählt. Interessenten an<br />

einem Vorstandsamt sind herzlich eingeladen, sich zu bewerben.<br />

Die Modalitäten werden rechtzeitig auf der Webseite von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> bekanntgegeben.<br />

Vom 20. bis 22. November <strong>2013</strong> findet die nächste Exponatec Cologne<br />

statt. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird dort mit einem Stand vertreten<br />

sein.<br />

Weitere Informationen sind zu finden unter<br />

www.icom-deutschland.de.<br />

Dank<br />

Der Rückblick legt wiederum eine beachtliche Bilanz offen. Dies zu<br />

erreichen war nur möglich durch die Mitwirkung zahlreicher engagierter<br />

Mitglieder von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, durch die lebhafte und<br />

kompetente Beteiligung aller Mitglieder des Vorstandes und in besonderer<br />

Weise durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen<br />

der Geschäftsstelle unter der umsichtigen Leitung von Johanna<br />

Westphal M.A.<br />

Dr. Klaus Weschenfelder<br />

Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Protokoll der Mitgliederversammlung 2012 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

22. Juni 2012<br />

CUBUS, Wälderstr. 5<br />

6922 Wolfurt (Österreich)<br />

Zahl der erschienenen, stimmberechtigten Mitglieder: 35<br />

Anzahl der Stimmen: 39<br />

Leiter der Versammlung:<br />

Dr. Klaus Weschenfelder, Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Protokoll:<br />

Dr. Franziska Nentwig, Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Begrüßung<br />

Der Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> eröffnet um 17.00 Uhr die Mitgliederversammlung<br />

und begrüßt die Teilnehmenden. Er stellt fest,<br />

dass die Ladungsfrist und notwendigen Formalien zur Sitzung eingehalten<br />

worden sind.<br />

Der Präsident stellt anschließend fest, dass die notwendige Mitgliederzahl<br />

zur Beschlussfassung gemäß Punkt 4, Absatz 3 der Geschäftsordnung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht gegeben ist. Auf Mitglieder-Antrag<br />

schließt der Präsident die Sitzung um 17.05 Uhr und<br />

beruft zeitgleich eine neue Sitzung ein.<br />

Um 17.06 Uhr eröffnet er die neue Mitgliederversammlung, die<br />

nunmehr beschlussfähig ist.<br />

TOP 1: Billigung der Tagesordnung<br />

Die Tagesordnung wird gebilligt.<br />

TOP 2: Benennung der Protokollführung<br />

Der Präsident beauftragt Frau Dr. Franziska Nentwig mit der Protokollführung.<br />

TOP 3: Bericht des Präsidenten und Vorstellung des Haushaltes<br />

Der Präsident legt seinen Bericht über die Aktivitäten von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> in der Zeit von September 2011 bis Juni 2012 schriftlich<br />

vor und trägt diesen in Auszügen vor (vgl. Anlage 1 zu TOP 3).<br />

Die Namen der verstorbenen Mitglieder werden verlesen, ihrer wird<br />

durch die Mitgliederversammlung mit einer Schweigeminute gedacht:<br />

Prof. Dr. Winfried Baer, Dr. Alexandra Dern, Dr. Richard W. Gassen,<br />

Dr. Ekkart Klinge, Dr. Rolf Kultzen, Dr. Sabine Leutheußer, Dr.<br />

Annik Pietsch, Ingeborg Preuß, Dr. Eckhard Schaar, Prof. Dr. Ulrich<br />

Schießl, Dr. Johann Eckart von Borries, Hubert Vogl und Renate<br />

Wald.<br />

TOP 4: Aussprache zum Bericht<br />

Mitglieder fragen nach den Gründen für die niedrige Teilnehmerzahl<br />

des diesjährigen Internationalen Bodensee-Symposiums in Wolfurt.<br />

Herr Dr. Weschenfelder führt aus, dass die jüngsten Tagungsbesuche<br />

in Budapest und Leipzig sehr zufriedenstellend gewesen seien, jedoch<br />

nicht die in Wolfurt. Möglichweise liege es an der aufwändigen<br />

Anfahrt nach Wolfurt oder einer verspäteten Kommunikation des<br />

Tagungsprogramms.<br />

Fazit der Diskussion (Wortmeldungen u. a. Herr Henker, Frau Lernbecher,<br />

Frau Krug, Frau Beier-de Haan) zu Ort und Inhalt des Boden-<br />

30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Rückblick<br />

see-Symposiums: Die Ursachenforschung soll im Zusammenwirken<br />

mit den Mitgliedern geschehen (z. B. Befragung in Newsletter etc.).<br />

Einige Mitglieder plädieren für eine Tagung mit direktem Ortsbezug<br />

zum Bodensee. Das Format „Arbeitsgruppen“ erfüllt nicht optimal<br />

damit verknüpfte Erwartungen, Überlegungen zu einer Adaption<br />

des Leipziger Formates „Open Box“ sollen angestellt werden.<br />

TOP 5: Genehmigung des Jahresberichtes und Entlastung des<br />

Vorstandes<br />

Das Mitglied Herr Hilgers beantragt die Entlastung des Vorstandes<br />

für die zurückliegende Arbeitsperiode. Die Entlastung in Bezug auf<br />

Jahresbericht und Finanzplanung wird mit 33 Ja-Stimmen, 6 Enthaltungen<br />

(Präsident und Vorstand) und keiner Gegenstimme beschlossen.<br />

TOP 6: Satzungsänderung/-neufassung: Vorstellung und Beschlüsse<br />

Der Präsident berichtet über den aktuellen Stand der Diskussion<br />

zur Satzung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Aus drei Gründen sind Anpassungen<br />

dringlich notwendig: Die Satzung ist veraltet und muss an<br />

die Erfordernisse der Gegenwart angepasst werden. Die Gemeinnützigkeit<br />

soll angestrebt werden, um u. a. attraktiv für Spender zu<br />

werden. Eine Eintragung ins Vereinsregister ist unerlässlich, um die<br />

persönliche Haftung des Vorstands auszuschließen.<br />

Zwei Beschlussvorlagen werden schriftlich vorgelegt. In der Folge<br />

arbeiten die Mitglieder und der Vorstand die Satzung in reger Diskussion<br />

detailliert durch (Wortmeldungen aus dem Plenum u. a. von<br />

Herrn Hilgers, Herrn Winter, Herrn Hinz, Frau Beier-de Haan, Herrn<br />

Walz, Herrn Schefzyk). Weiterer Änderungsbedarf wird erörtert und<br />

geeignete Formulierungen werden entwickelt.<br />

In der Diskussion wird neben dem konkreten verbalen Veränderungsbedarf<br />

festgestellt, dass es sich in rechtlicher Hinsicht nicht um eine<br />

Neugründung des Vereins handelt, weshalb das vorgeschlagene<br />

Procedere der Satzungsänderung möglich ist. Ferner wird festgestellt,<br />

dass die neue Satzung ein taugliches Arbeitsinstrument auch hinsichtlich<br />

der Entscheidungskriterien zur Aufnahme neuer Mitglieder<br />

für Vorstand und Geschäftsführung sein soll, ein gewisses Maß an<br />

„elastischer Formulierung“ bei den Kriterien der Mitgliedschaft beibehalten<br />

werden muss, da die Vielfalt museumsrelevanter Berufsbilder<br />

enorm wächst, die Einzelfallprüfung von Mitgliedsanträgen<br />

auch in Zukunft fortgeführt werden soll, Mitglieder, deren beruflicher<br />

Bezug zur Museumsarbeit vorübergehend in den Hintergrund tritt,<br />

aus Kulanzgründen ihre Mitgliedschaft zeitlich befristet (bis zu 2 Jahre)<br />

aufrecht erhalten können, der Vorstand auch weiterhin aus Personen<br />

aus dem aktiven Museumsdienst bestehen soll, um aktuelle<br />

museumsbezogene Kompetenz zu nutzen, die Mitgliederversammlung<br />

hinsichtlich ihrer Entscheidungsbefugnis gestärkt werden<br />

soll.<br />

Im Anschluss an die Diskussion fasst die Mitgliederversammlung folgende<br />

Beschlüsse:<br />

1. Die Mitgliederversammlung beschließt mit 39 Ja-Stimmen ohne<br />

Enthaltung oder Gegenstimme, die bestehende Geschäftsordnung<br />

mit Wirkung zum 1. Januar <strong>2013</strong> aufzuheben. Diese Geschäftsordnung<br />

wird ersetzt durch eine Satzung wie im Entwurf vom 10. Mai<br />

2012 formuliert (vgl. Anlage 2 zu TOP 6) mit folgenden Änderungen<br />

und Ergänzungen (siehe hervorgehobene Textpassagen):<br />

§ 2, Ziffer 2, Satz 2: „Er vertritt die Anliegen der Museen bzw. des Museumswesens<br />

und organisiert die Arbeit von <strong>ICOM</strong> in <strong>Deutschland</strong><br />

entsprechend den jeweils geltenden Satzungen und Ordnungen von<br />

<strong>ICOM</strong>.“<br />

§ 2, Ziffer 2, Satz 3: „Der Verein und seine Mitglieder erkennen die<br />

Satzung von <strong>ICOM</strong> (Statutes) und seiner Ordnungen (<strong>ICOM</strong> Internal<br />

Rules and Regulations), insbesondere des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />

Museums, in der jeweils gültigen Fassung an.“<br />

§ 7, Ziffer 3, Absatz 2, Satz 2: „Er entscheidet über den Abschluss und<br />

die Kündigung von Arbeitsverträgen sowie bei Rechtsgeschäften<br />

mit einem Geschäftswert von mehr als 15.000 €.“<br />

§ 4, Ziffer 1, Absatz 1, Satz 1: „Mitglieder des Vereins sind die individuellen,<br />

institutionellen, assoziierten, fördernden und Ehren-Mitglieder<br />

von <strong>ICOM</strong>, die ihren Wohnsitz bzw. Sitz in <strong>Deutschland</strong> haben.“<br />

§ 6, Ziffer 2, Absatz 1, Satz 1: „Die Mitgliederversammlung beschließt<br />

unter anderem über Änderungen der Satzung.“<br />

§ 6, Ziffer 8, Absatz 1, Satz 1: „Alle stimmberechtigten Mitglieder und<br />

die schriftlich Bevollmächtigten von institutionellen Mitgliedern von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> haben gleiches Stimmrecht und aktives Wahlrecht.“<br />

§ 7, Ziffer 3, Absatz 2, Satz 4 wird gestrichen: „Im Übrigen entscheidet<br />

der Vorstand über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung<br />

und Angelegenheiten, für die er sich die Beschlussfassung<br />

vorbehalten hat.“<br />

Ein Mitglied verlässt den Saal.<br />

2. Die Mitgliederversammlung beschließt mit 38 Ja-Stimmen ohne<br />

Enthaltung oder Gegenstimme: Für den Fall, dass das zuständige<br />

Finanzamt oder das Registergericht die Satzungsbestimmungen zur<br />

Gemeinnützigkeit (vgl. Beschluss 1) beanstanden sollte, wird der Vorstand<br />

ermächtigt, die betreffenden Satzungsbestimmungen durch<br />

einstimmigen Beschluss so zu ändern, dass die Anerkennung der<br />

Gemeinnützigkeit gewährleistet ist.<br />

TOP 7: Verschiedenes<br />

Herr Hilgers bittet Herrn Hinz, einen Neudruck der <strong>ICOM</strong>-Statuten<br />

und des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums zu veranlassen, da inhaltlich<br />

differierende Versionen im Umlauf seien. Herr Hinz informiert,<br />

dass derzeit die Statuten in Paris in Überarbeitung befindlich seien<br />

mit dem Ziel, sie zum Ende des Jahres dem Executive Council und<br />

im Anschluss der Generalversammlung <strong>2013</strong> zur Entscheidung vorzulegen.<br />

Der Präsident bedankt sich bei Vorstand und Geschäftsführung für<br />

die gute Zusammenarbeit und bei den Mitgliedern für ihre engagierte<br />

Mitwirkung und Gestaltung der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und schließt um 19.10 Uhr die Sitzung.<br />

Berlin, den 2. August 2012<br />

gez.<br />

Dr. Franziska Nentwig<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 31


Internationale Komitees<br />

Kulturschätze zwischen den Fronten<br />

Islamistische Gruppierungen haben bei ihrer Besetzung der nördlichen Teile Malis<br />

nicht nur unter der Bevölkerung gewütet, sondern auch schwere Schäden am kulturellen<br />

Erbe des Landes angerichtet. Die UNESCO und die Desaster Relief Task Force<br />

von <strong>ICOM</strong> helfen nun bei der Sicherung und dem Erhalt dieser Kulturschätze.<br />

Thomas Schuler<br />

Im März 2012 fand in Malis Hauptstadt<br />

Bamako ein Militärputsch statt.<br />

Im April wurden dann die Hauptstädte<br />

der nördlichen Provinzen Kidal,<br />

Tim buktu und Gao von Rebel len überrannt.<br />

Zu diesem Aufstand hatten sich<br />

zwei sehr unterschiedliche Gruppen<br />

verbündet: die Tuareg-Re bel len, die –<br />

nach mehreren vergeblichen Anläufen<br />

– einen unabhängigen säkularen<br />

Staat errichten wollten, und die Salafisten,<br />

die Mali in einen Gottes staat<br />

umwandeln wollten. Diese heteroge ne<br />

Allianz hielt jedoch nicht lang; die radikalen,<br />

von Al Kaida unter stüt zten Islamisten<br />

setzten sich schließlich durch.<br />

Die bedrohten Kulturstätten<br />

Für die Kulturschätze dieser Region<br />

war das folgenreich. Während die Tuareg<br />

ihr Kulturerbe schützten, standen<br />

die Salafisten den Stätten sufischer<br />

Frömmigkeit feindlich gegenüber. Ihr<br />

Fundamentalismus richtete sich gegen<br />

alles, was ihnen nach Heiligenverehrung<br />

aussah.<br />

Welche Kulturstätten waren konkret<br />

bedroht? In Gao waren es das Regionalmuseum,<br />

das zweitälteste Museum<br />

in Mali, und das Grabmal von Askia,<br />

eine der beiden malischen UNESCO-<br />

Welterbestätten. Zum Zeitpunkt der<br />

Rebellion war das Regionalmuseum<br />

wegen eines Umbaus seiner Ausstellung<br />

geschlossen, so dass alle Exponate<br />

ausgelagert und in Sicherheit waren.<br />

Für das monumentale Grabmal von<br />

Askia hatten die Fanatiker zwar die<br />

Zerstörung geplant, die Bevölkerung<br />

konnte dies jedoch verhindern.<br />

In Timbuktu sah es anders aus. Die<br />

Stadt verfügt über ein bescheidenes<br />

eth nographisches Museum und über<br />

zahlreiche Baudenkmale, darunter drei<br />

Lehmmoscheen sowie sechzehn Mausoleen<br />

und Friedhöfe, in denen heilige<br />

und gelehrte Männer verehrt wurden –<br />

ebenfalls eine UNESCO-Welterbestätte.<br />

Von den sechzehn Mausoleen wurden<br />

dreizehn durch die Islamisten<br />

zerstört. Der Verlust der Baudenkmale<br />

wog schwer, noch größere Sorgen bereite<br />

ten uns jedoch die Manuskripte.<br />

Die historischen Handschriften<br />

Im 16. Jahrhundert war Timbuktu eine<br />

Drehscheibe des Trans-Sahara-Handels<br />

und mit mehreren Universitäten<br />

auch ein Zentrum islamischer Bildung.<br />

Zudem galt die Stadt nicht nur<br />

als das Tor zur islamisch-arabi schen<br />

Wissenschaft des Nordens, sondern<br />

der Einfluss der Universitäten führte<br />

auch zur Weiterentwicklung und Verschriftlichung<br />

afrikanischer Gelehrsamkeit.<br />

Aus der Zeit vom 12. bis<br />

16. Jahrhundert sind weit über hunderttausend<br />

Manuskripte erhalten. Sie<br />

konnten die verschiedenen Fremdherrschaften<br />

der späteren Jahrhunder te (von<br />

der maro kkanischen bis zur französischen)<br />

überstehen, weil sie sich in<br />

Familienbesitz befanden und von Generation<br />

zu Generation weitergegeben<br />

wurden. Die Zerstörung dieser Manuskripte<br />

hätte einen unermesslichen<br />

Verlust bedeutet, denn es gibt keine andere<br />

Region südlich der Sahara, der<br />

über derartige Schätze verfügt.<br />

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />

begann man – zunächst mit Unterstützung<br />

Kuwaits, später auch Südafrikas<br />

– diese Manuskripte zu sichten,<br />

in öffentlichen Bibliotheken zugänglich<br />

zu machen, nach modernen Standards<br />

zu konservieren und schließlich<br />

zu digitalisieren. Anfang des Jahres<br />

2012 gab es dann vier größere öffentliche<br />

Bibliotheken, davon drei in Privatbesitz<br />

mit rund 10 000 Manuskripten<br />

und eine staatliche mit 30 000 Manuskripten;<br />

letztere verfügt zwar über<br />

einen Neubau, die Hauptbestände lagerten<br />

jedoch im alten Bibliotheksgebäude.<br />

Die bibliothekarische Aufarbeitung<br />

stand noch in den Anfängen<br />

und erst ein Bruchteil war digitalisiert.<br />

Die Mehrzahl der Manuskripte befand<br />

sich weiterhin in Familienbesitz und<br />

war völlig unerschlossen. Die Islamis­<br />

32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ten besetzten nun das moderne Gebäude<br />

und plünderten die Büroeinrichtung<br />

und insbesondere die Computer.<br />

Nachdem sie über den Wert der Manuskripte<br />

aufgeklärt worden waren, versprachen<br />

sie zwar, diese zu schützen,<br />

jedoch war davon nichts zu sehen,<br />

denn sie benutzten das Gebäude weiterhin<br />

als eines ihrer Hauptquartiere.<br />

Die Aufgaben von <strong>ICOM</strong><br />

Gao: Couragierte Einwohner konnten die<br />

Zer störung des Grabes von Askia verhindern.<br />

Timbuktu: Die meisten Handschriften der Bibliothek konnten zwar vor der völligen Zerstörung<br />

gerettet, müssen aber mithilfe von Experten restauriert und digitalisiert werden.<br />

Zunächst ging es für uns darum, sorgfältig<br />

Informationen zusammenzutragen<br />

und uns ein genaues Bild über das<br />

Kulturerbe und seine Gefährdung zu<br />

machen. Dies wurde erheblich dadurch<br />

erschwert, dass die meisten verantwortlichen<br />

Einheimischen und alle Ausländer<br />

fliehen mussten und die Islamisten<br />

sich abschotteten – bis hin zur<br />

Zerstörung von Mobilfunkmasten.<br />

Doch es gelang mir, mit Bibliotheksmitarbeitern,<br />

Besitzern von Privatbibliotheken<br />

und dem UNESCO-Betreuer<br />

Kontakt aufzunehmen. Sehr eng<br />

arbeitete ich auch mit dem südafrikanischen<br />

Forschungsinstitut zusammen,<br />

das die bibliothekarische Arbeit in<br />

Timbuktu betreut. Außerordentlich<br />

hilfreich war die Städtepartnerschaft<br />

zwischen Timbuktu und meiner Heimatstadt<br />

Chemnitz. Dank dieser guten<br />

Kontakte übernahm ich – im Rahmen<br />

der Zusammenarbeit mit Blue Shield –<br />

auch Recherchen zu Bibliotheken, Baudenkmälern<br />

und Archiven.<br />

In einem zweiten Schritt bemühten<br />

wir uns, das Interesse der Weltöffentlichkeit<br />

für die Kulturschätze dieser<br />

Region zu wecken. Als aber die Islamisten<br />

im Juli die Mausoleen zerstört<br />

hatten, um gezielt die Weltöffentlichkeit<br />

zu provozieren, richteten wir – in<br />

Abstimmung mit den südafrikani schen<br />

Kollegen – unsere Öffentlichkeitsarbeit<br />

neu aus: Wir lehnten nun Interviews<br />

zu den Manuskripten ab und<br />

spielten deren Gefährdung herunter.<br />

Wir verwiesen auf die Zusage der Islamisten,<br />

die Manuskripte zu schützen,<br />

und darauf, dass sie bis dahin<br />

nichts beschädigt hatten. Mit dieser<br />

Vorgehensweise wollten wir das durch<br />

die zerstörten Mausoleen entfachte<br />

Medieninteresse von den Manuskripten<br />

weglenken – einige dieser Schriften<br />

stammten ja aus der Feder just jener<br />

heiligen Männer, deren Grabstätten<br />

die Islamisten kurz zuvor zerstört hatten.<br />

Dabei kam uns entgegen, dass die<br />

Schriften thematisch breit gefächert<br />

waren, von sufischer Mystik ebenso<br />

handelten wie von Naturwissenschaften<br />

und Astrologie.<br />

Hinter dieser „Mauer des Schweigens“<br />

gelang es, den gesamten in der<br />

ehemaligen Bibliothek gelagerten Fundus<br />

mit rund 25 000 Manuskripten,<br />

unter Lebensmitteln versteckt, auf<br />

Lastkähnen über den Niger nach Süden<br />

zu schaffen. Auch die privaten<br />

Computer und Festplatten der Bibliotheksmitarbeiter,<br />

die Kopien der Datenbanken<br />

und digitalisierten Schriften<br />

enthielten, wurden auf riskanten<br />

Wegen nach Bamako geschmuggelt.<br />

Dabei leisteten die deutsche Botschaft<br />

und der niederländische Prince Claus<br />

Fund wesentliche logistische und finanzielle<br />

Hilfe. Als dann beim Einmarsch<br />

der französischen Truppen ein<br />

Fernsehteam des Senders Sky die leeren<br />

Vitrinen und ein paar verbrannte<br />

Manuskripte filmte, war der Aufschrei<br />

der internationalen Öffentlichkeit groß.<br />

Wir hatten nun die angenehme Aufgabe,<br />

die „Totalzerstörung“ zu dementieren.<br />

Was den dritten Schritt, die internationale<br />

Hilfe, betrifft, so erarbeitet<br />

die UNESCO derzeit einen umfassenden<br />

Plan, und <strong>ICOM</strong> ist beratend<br />

tätig. Die Hauptaufgabe wird nach gegenwärtiger<br />

Einschätzung darin liegen,<br />

die Baudenkmäler wiederherzustellen<br />

sowie die historischen Manuskripte<br />

zu restaurieren und rasch zu digitalisieren.<br />

Die Zerstörungen in Mali sind jedoch<br />

kein Einzelfall. Seit 2011 wurden<br />

in sieben islamischen Staaten sufische<br />

Gedenkstätten und Bibliotheken angegriffen.<br />

Diese in den letzten Jahren<br />

zunehmende Vernichtung von traditionsreichen<br />

Baudenkmälern wird<br />

innerhalb der islamischen Welt kontrovers<br />

diskutiert, ein öffentlicher Aufschrei<br />

des Westens blieb aus.<br />

Dr. Thomas Schuler ist seit 2005 Präsident<br />

der Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>. Im<br />

Rahmen von Hilfsmissionen zum Schutz von<br />

Kulturgütern war er in den vergangenen Jahren<br />

in zahlreichen Krisenregionen unterwegs;<br />

th.schuler@t-online.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Berichte zu den Einsätzen in Mali und<br />

Ägypten finden sich auf der Facebook-Seite<br />

der Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 33


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Verbandstreffen 2012 in Paris<br />

Executive Council, Generalversammlung und Advisory Committee von <strong>ICOM</strong> versammelten<br />

sich vom 4. bis 6. Juni 2012 zu ihren jährlichen Arbeitstreffen. Rund zweihundert<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder nutzten in Paris die Gelegenheit zum Expertengespräch in<br />

den Gremiensitzungen und in Workshops sowie zur persönlichen Begegnung auf<br />

dem Empfang in der Cité de la musique.<br />

Stéphanie Wintzerith<br />

Foto: <strong>ICOM</strong><br />

Einmal im Jahr trifft sich die <strong>ICOM</strong>-<br />

Gemeinschaft. So will es die Satzung<br />

und das ist gut so, denn jede Gelegenheit<br />

zum Austauschen und Kontakte-<br />

Knüpfen ist willkommen. Ein nach<br />

fran zösischem Recht eingetragener Verein<br />

muss mindestens eine Mitgliederversammlung<br />

pro Jahr abhalten, sagt<br />

das Gesetz, unabhängig von der Anzahl<br />

der Anwesenden. Es trifft sich<br />

gut, dass zwei andere Organe des Vereins,<br />

nämlich der Executive Council<br />

und das Advisory Comitee, auch in<br />

regelmäßigen Abständen tagen sollen.<br />

Legt man alle drei Treffen auf ein gemeinsames<br />

Datum, kann man von der<br />

Anwesenheit vieler engagierter Mitglieder<br />

ausgehen. Das sind die sogenannten<br />

June meetings – oder die<br />

Generalkonferenz, wenn die internationalen<br />

Komitees ebenfalls ihre Jahrestagungen<br />

gleichzeitig abhalten.<br />

Nun zu den June meetings 2012:<br />

Eröffnet werden diese frühsommerlichen<br />

Treffen in den Gebäuden der<br />

UNESCO in Paris mit dem Advisory<br />

Committee, also der Versammlung der<br />

Präsidenten aller nationalen und in­<br />

34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ternationalen Komitees sowie regionalen<br />

Allianzen. Insgesamt finden über<br />

zwei Tage verteilt zwei Plenarsitzungen,<br />

eine getrennte Sitzung der nationalen<br />

bzw. internationalen Komitees<br />

und Workshops statt. Parallel dazu<br />

hält der Executive Council seine Arbeitstreffen.<br />

Am dritten Tag wird die<br />

Mitgliederversammlung abgehalten.<br />

Abgerundet wird das Programm mit<br />

dem Vortrag eines Gastredners – dieses<br />

Jahr ging es um das Art Project<br />

von Google – und einem Abendempfang,<br />

zu dem die Cité de la musique,<br />

das Musikmuseum in La Vilette (Paris),<br />

eingeladen hatte.<br />

Was bedeuten diese drei Tage für<br />

<strong>ICOM</strong> genau? Zunächst einmal die<br />

Einhaltung der gesetzlichen und satzungsgemäßen<br />

Auflagen und somit<br />

die Vermeidung von Strafen und sonstigen<br />

rechtlichen Unannehmlichkeiten.<br />

Es klingt sehr formal, furchtbar<br />

langweilig und staubtrocken – zugegeben,<br />

das ist es zeitweise auch. Aber<br />

immer seltener.<br />

Zum Zweiten kristallisiert sich um<br />

diese Treffen eine rege Geschäftigkeit<br />

zur Vor- und Nachbereitung. Es müssen<br />

Fristen eingehalten werden, um<br />

die Arbeitsdokumente rechtzeitig zu<br />

verschicken und die Information auf<br />

den neuesten Stand zu bringen. Projekte<br />

müssen bis dahin abgeschlossen<br />

sein, damit sie vorgestellt werden können.<br />

Es müssen Entscheidungen vorbereitet<br />

werden, die dann zur Debatte<br />

stehen oder beschlussreif aufgegriffen<br />

werden. Kurz und gut, diese formalen<br />

Auflagen sind ein Ansporn, den riesigen<br />

Berg an Arbeit zu erledigen, den<br />

so ein großer Verein mit sich zieht.<br />

Das Sekretariat bewältigt den Löwenanteil<br />

dieser Arbeit.<br />

Zum Dritten bieten diese Treffen<br />

hervorragende Möglichkeiten, die Vereinsinformationen<br />

weiterzugeben.<br />

Der Präsident berichtet über die Tätigkeiten<br />

des vergangenen Jahres – beeindruckend,<br />

was <strong>ICOM</strong> im Jahre 2011<br />

schon geleistet hat – die Schatzmeisterin<br />

über das Budget: Wir erhalten<br />

Einsicht, was mit den Mitgliedsbeiträgen<br />

geschieht, wie die Komitees und<br />

diverse Projekte finanziert werden,<br />

was abgeschlossen ist und was noch<br />

ansteht. Verantwortliche berichten<br />

über die Lage der Museen in Ländern,<br />

in denen sie durch Konflikte oder Naturkatastrophen<br />

gefährdet sind. Das<br />

Sekretariat stellt die Neuerungen in<br />

der Mitglieder- und Komiteeverwaltung<br />

(z. B. das Eröffnen von Bankkonten<br />

für internationale Komitees) sowie<br />

die neue Kommunikationsplattform<br />

<strong>ICOM</strong>munity vor. Natürlich erhalten<br />

Präsident, Executive Council und Sekretariat<br />

auch viele Informationen<br />

über die Erfolge, Nöte und Wünsche<br />

der Komitees, die sich an den Diskussio<br />

nen beteiligen und in den Pausen<br />

die Gelegenheit zum weiteren Austausch<br />

beim Schopfe packen.<br />

Der vierte Baustein sind die Workshops.<br />

In kleineren Gruppen sollen<br />

sich die Teilnehmer einbringen und<br />

Erfahrungen austauschen, Anregungen<br />

geben und Lösungen ausarbeiten.<br />

Drei Themen wurden angeboten: Museumsmanagement<br />

in einer sich wandelnden<br />

Welt, illegaler Handel mit<br />

Kulturgütern sowie Museen und Exzellenz.<br />

Die Ergebnisse dieser Diskussionsrunden<br />

wurden von deren Moderatoren<br />

zusammengefasst und am<br />

nächsten Tag im Plenum vorgestellt.<br />

Hoffen wir, dass die sinnvoll sten Anregungen<br />

auch umgesetzt werden.<br />

In den Jahren <strong>2013</strong> und 2016 werden<br />

keine June meetings in Paris stattfinden,<br />

denn <strong>2013</strong> trifft sich ganz<br />

<strong>ICOM</strong> in Rio de Janeiro – wir üben<br />

schon mal den Sambaschritt – und<br />

2016 dann in Mailand, bella Italia!<br />

Auch das gehört zu den Beschlüssen<br />

dieser Pariser Treffen. Womit wir wieder<br />

beim allergrößten Familientreffen<br />

des Vereins wären, der Generalkonferenz.<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige<br />

Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefragungen<br />

und Evaluationen auf nationaler<br />

und internationaler Ebene für Museen<br />

und weitere Kultureinrichtungen durch.<br />

Sie ist Mitglied des Vorstandes von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>; swi@wintzerith.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Protokoll des 27. Treffens der Generalversammlung<br />

von <strong>ICOM</strong> am 6. Juni 2012 und<br />

Bericht des <strong>ICOM</strong>-Präsidenten:<br />

icom.museum/the-governance/generalassembly<br />

Protokoll des 123. Treffens des Executive<br />

Council von <strong>ICOM</strong> am 6. Juni 2012:<br />

icom.museum/the-governance/executivecouncil/<br />

Protokoll des 76. Treffens des Advisory Committee<br />

von <strong>ICOM</strong> am 4. und 6. Juni 2012:<br />

icom.museum/the-governance/advisorycommittee/<br />

Foto: <strong>ICOM</strong><br />

Gastredner der <strong>ICOM</strong>-Jahrestreffen 2012 war<br />

Amit Sood, Leiter des Art Project von Google.<br />

Er präsentierte Konzept und Ziele der Plattform<br />

im Kontext der digitalen Entwicklung.<br />

Anschließend diskutierte er mit den Museumsexperten<br />

die Erwartungen an und die Bedenken<br />

gegen das Art Project.<br />

Im Juni 2012 ging das Netzwerk <strong>ICOM</strong>munity<br />

online. Ziel ist es, mithilfe einer modernen<br />

und benutzerfreundlichen Kommuni ka tions -<br />

plattform die Verbandsarbeit zu erleichtern<br />

sowie die Zusammenarbeit der Museumsexperten<br />

über alle Grenzen hinweg zu<br />

unterstützen. Information, Austausch und<br />

Vernetzung sollen durch weitere Features<br />

schrittweise verbessert werden.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 35


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Zeitreise durch die Welt der<br />

europäi schen Musikinstrumente<br />

Die Datenbank zu den historischen Musikinstrumenten Europas ist seit 2011 online<br />

zugänglich und befindet sich nun in der Ausbauphase. Sie präsentiert die Sammlungen<br />

der beteiligten Museen, führt Objektinformationen zusammen und setzt<br />

Standards in der Dokumentation. Unter Leitung von CIMCIM wird sie gepflegt, neuen<br />

Bedürfnissen angepasst und um weitere Bestände ergänzt.<br />

Eszter Fontana<br />

Foto: Janos Stekovics<br />

Das Spinett wurde 1571 von Benedicti<br />

Floriani in Venedig gebaut. Der Korpus ist<br />

von unregelmäßig sechseckiger Form mit<br />

vorstehender Klaviatur. Die Außenseite der<br />

Klaviaturwand und die äußeren Klaviaturbacken<br />

sind im Stile islamischer Bucheinbände<br />

in qualitativ herausragender Weise<br />

bemalt. Die MIMO-Datenbank enthält<br />

neben einer umfangreichen Beschreibung<br />

des Korpus wie der Zierelemente auch die<br />

Abbildung des Instrumentes und einen<br />

Literaturhinweis.<br />

Durch ein im September 2009 begonnenes<br />

und zwei Jahre später erfolgreich<br />

beendetes Projekt gibt es nun<br />

eine europäische Datenbank zu his torischen<br />

Musikinstrumenten, Musical<br />

Instrument Museums Online (MIMO).<br />

Sie umfasst rund 60 000 Einträge,<br />

ebenso viele Fotos und zusätzlich rund<br />

2 000 Audio- und Videobeispiele zu<br />

Musikinstrumenten aus mehreren<br />

Jahrhunderten. Es sind die Bestände<br />

von elf führenden Fachmuseen aus<br />

Belgien, <strong>Deutschland</strong>, Frankreich,<br />

Großbritannien, Italien und Schweden<br />

erfasst; damit werden rund vierzig<br />

Prozent des europäischen und rund<br />

sechzehn Prozent des weltweiten Bestandes<br />

an Musikinstrumenten in öffentlichen<br />

Sammlungen dokumentiert.<br />

Rückblick<br />

Bisher präsentierten nur wenige Instrumentenmuseen<br />

ihre Sammlungen<br />

im Internet. Die Unterschiede in Darstellung<br />

und Art der Erfassung erlaubten<br />

kaum Vergleiche. Wollte man<br />

sich anhand original erhaltener Objekte<br />

einen Überblick etwa über die<br />

Geschichte bestimmter Instrumentenfamilien<br />

oder die Instrumentenbautraditionen<br />

einer bestimmten Region<br />

verschaffen, war dies fast aussichtslos.<br />

Dieser Zustand behinderte die<br />

Forschung ernorm und war auch eine<br />

Hürde für alle, die sich für die Museumsbestände<br />

interessierten.<br />

Zugang<br />

Seit die Online-Datenbank ihre Kinderkrankheiten<br />

überwunden hat, ist<br />

die Recherche vergleichsweise einfach<br />

sowohl über das Portal der Europeana<br />

als auch über die eigenständige Plattform<br />

mit zahlreichen Suchfunktionen<br />

möglich. Letztere wendet sich vor<br />

allem an Fachleute, denn sie enthält<br />

noch detailliertere Angaben, zusätzliche<br />

Fotos sowie weitere Datensätze,<br />

etwa zu im Krieg zerstörten Instrumenten,<br />

von denen keine Abbildungen<br />

existieren. Die Suche ist kostenlos<br />

und wird mit einer mehrsprachigen<br />

Klassifikationsdatenbank erleichtert,<br />

zum Datenaustausch wird das XML-<br />

36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Format LIDO genutzt. Ein hierarchisch<br />

organisiertes Vokabular von<br />

Musikinstrumenten macht ein effizientes<br />

Suchen möglich, da die Instrumentennamen<br />

mit den Kategorien der<br />

im Fach international genutzten sogenannten<br />

Hornbostel-Sachs-Klassifikation<br />

verknüpft wurden; diese wurde<br />

für die Datenbank aktualisiert und<br />

um beispielsweise die elektronischen<br />

Musikinstrumente erweitert.<br />

Das MIMO-Projekt ist grundsätzlich<br />

mehrsprachig angelegt. Die aktuell<br />

vertretenen Sprachen Deutsch,<br />

Englisch, Italienisch, Französisch,<br />

Niederländisch und Schwedisch repräsentieren<br />

die seit der Startphase<br />

beteiligten Einrichtungen Germanisches<br />

Nationalmuseum, Nürnberg,<br />

Ethnologisches Museum, Berlin, Museum<br />

für Musikinstrumente der Universität<br />

Leipzig, University of Edinburgh,<br />

Associazione „Amici del Museo<br />

degli Strumenti Musicali“, Florenz,<br />

Cité de la musique, Paris, Königliches<br />

Museum für Zentralafrika, Tervuren<br />

(Belgien), Musikinstrumentenmuseum,<br />

Brüssel und Musik-Museum,<br />

Stockholm.<br />

Nutzen<br />

Von großer Bedeutung sind die als Ergebnis<br />

der Zusammenarbeit entstandenen<br />

Hilfsmittel, dazu gehören die<br />

Richtlinien zum Fotografieren von<br />

Musikinstrumenten und die kontrollierte<br />

Liste von rund 4 800 Instrumentenbauern.<br />

Diese sind mit ihren<br />

Lebens- bzw. Wirkungsdaten, alternativen<br />

Schreibweisen und Quellennachweisen<br />

enthalten. So ist es erstmals<br />

möglich, den Umfang der Produktion<br />

einzelner Instrumentenhersteller zu<br />

rekonstruieren oder die Entwicklung<br />

der Modelle innerhalb einer Instrumentenfamilie<br />

über die Jahrhunderte<br />

hinweg zu verfolgen.<br />

Die Musikinstrumenten-Datenbank<br />

schlägt neue Wege ein und birgt ungeahnte<br />

Möglichkeiten. Die Ergebnisse,<br />

darunter auch das Handbuch<br />

der Instrumentenfotografie, sind für<br />

alle Interessenten einsehbar. Die in der<br />

Folge an die Museen gerichteten Anfragen<br />

sind nun wesentlich konkreter<br />

formuliert; sie zeigen, dass die jeweilige<br />

Grundinformation bereits aus der<br />

Datenbank übernommen wurde. Zugleich<br />

wird deutlich, dass nicht nur<br />

Spezialisten, sondern auch interessierte<br />

Laien, Sammler und Studierende<br />

die Datenbank benutzen.<br />

Auch für unser Museum hat sich<br />

das Projekt als außerordentlich nützlich<br />

erwiesen: Es gab ein ständiges<br />

Nachdenken darüber, mit welchen<br />

Methoden unser Bestand verwaltet<br />

werden kann, ferner wurden Ungereimtheiten<br />

bei bestimmten Inventarnummern<br />

geklärt und fehlende Beschreibungen<br />

und Fotos ergänzt. Es<br />

war eine konzentrierte Zusammenarbeit<br />

zwischen den Restauratoren und<br />

Fotografen, dem Depotverwalter, den<br />

Kustoden und den IT-Fachleuten. Stets<br />

konnten wir auch auf das Wissen der<br />

Partnermuseen zurückgreifen. So entstand<br />

ein Dokumentationssystem, das<br />

sowohl die Bedürfnisse des Museums<br />

erfüllt als auch europäischen Standards<br />

entspricht.<br />

Ausblick<br />

Das MIMO-Projekt wurde durch das<br />

eContentplus-Programm der Europäischen<br />

Kommission sowie durch eigene<br />

Beiträge der teilnehmenden Institutionen<br />

finanziert; die Teilnehmer<br />

vereinbarten auf freiwilliger Basis eine<br />

weitere Laufzeit von fünf Jahren und<br />

erarbeiteten eine Strategie für die Nachhaltigkeit<br />

bzw. Weiterentwicklung des<br />

Projektes. Es ist ausdrücklich gewünscht,<br />

dass sich weitere Sammlungen<br />

der Datenbank anschlie ßen, um<br />

die Online-Recherche in ei nem erweiterten<br />

Sammlungsbestand zu er möglichen.<br />

Damit diese Arbeit fachlich und<br />

möglicherweise auch finanziell unterstützt<br />

wird, hat das International Committee<br />

for Museums and Collections<br />

of Musical Instruments (CIMCIM) eine<br />

Arbeitsgruppe installiert, welche die<br />

weitere Zukunft des Projekts begleitet<br />

und sich auch der Herausforderung<br />

stellt, die MIMO-Datenbank zu pflegen<br />

und der sich rasant ändernden digitalen<br />

Welt immer wieder anzupassen.<br />

Professor Dr. Eszter Fontana war bis Mai <strong>2013</strong><br />

Direktorin des Museums für Musikinstrumente<br />

der Universität Leipzig. Von 1992 bis 1998<br />

war sie Mitglied im Vorstand und von 1998<br />

bis 2004 Präsidentin von CIMCIM;<br />

fontana@uni-leipzig.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

CIMCIM: network.icom.museum/cimcim/<br />

Europeana: europeana.eu<br />

MIMO-Datenbank: mimo-db.eu<br />

Foto: Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig Foto: MIMO-Konsortium<br />

Vertreter der Sammlungen in Brüssel,<br />

Edinburgh und Leipzig arbeiten gemeinsam<br />

an Verbesserungen.<br />

Die Bassklarinette wurde um 1810 von<br />

Nicola Papalini in Chiaravalle gebaut. Der<br />

Trichter ging im Krieg verloren und wurde<br />

durch Rekonstruktion ersetzt. Das Instrument<br />

ist im Besitz des Museums für<br />

Musikinstrumente der Universität Leipzig. In<br />

der MIMO-Datenbank finden sich ferner<br />

auch zwei Abbildungen sowie ein Literaturhinweis.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 37


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Foto: Corning Glass Museum<br />

Tagungsberichte<br />

der internationalen Komitees<br />

Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen<br />

sich den Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer museumsverwandten<br />

Disziplin. Derzeit gibt es 31 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vorstand<br />

vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den<br />

internationalen Komitees. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt Ihr Engagement sehr. Damit die Professionalität<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Weitere Informationen finden Sie unter www.icom.museum<br />

oder www.icom-deutschland.de.<br />

38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CAMOC – International Committee for the Collections<br />

and Activities of Museums of Cities<br />

City Museums: Collisions | Connections<br />

Jahrestagung vom 24. bis 27. Oktober 2012<br />

in Vancouver, Kanada<br />

Susanne Anna<br />

Die Jahrestagung der CAMOC in Vancouver beschäftigte<br />

sich mit dem Engagement der Stadtmuseen in der Stadtgesellschaft.<br />

Was macht ein Stadtmuseum einzigartig? Ist es<br />

ein urbanes Forum und Zentrum des Dialoges? Oder stellt<br />

es eine Agentur für Stadtentwicklung dar? Ist es gar ein<br />

Element der Stadt-Marke? Welche Auswirkungen ergeben<br />

sich für Stadtmuseen und ihre Mitarbeiter daraus, dass sie<br />

allmählich beginnen, neue Rollen zu übernehmen?<br />

Die Tagung, durchgeführt in Kooperation mit dem Museum<br />

of Vancouver, brachte denn auch zahlreiche Kolleginnen<br />

und Kollegen aus Stadtmuseen kleiner Städte,<br />

Vororte und Metropolen aller Kontinente zusammen. Der<br />

Erfahrungsaustausch in Workshops, Vorträgen, Diskussio<br />

nen und Exkursionen war dementsprechend inspirierend.<br />

Zu Beginn diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse des kanadischen<br />

Museumspersonals sowie von Forschern der Simon Fraser<br />

University in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Ureinwohnern<br />

Kanadas, den Aborigines. Kooperative Strategien<br />

der Museumsprojekte des Museum of Anthropology<br />

Vancouver wurden hier beispielhaft vorgestellt.<br />

Der zweite Tag war der Definition des Stadtmuseums gewidmet.<br />

Drei akademische Grundsatzreferate zeigten die<br />

konzeptionelle Entwicklung der Institution in Europa auf.<br />

Hierbei gingen Anne Hertzog von der Univercité Cergy-<br />

Pontoise (Frankreich), Jean-Louis Postula von der Universität<br />

Liège (Belgien) und Eric Sandweiss von der Indiana<br />

University (USA) bis in die Anfänge der typisch bildungsbürgerlichen<br />

Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts<br />

zurück. Den aktuellen Ansatz definierten die Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler als eine mit der urbanen Realität<br />

und Politik eng verknüpfte Arbeit mit kooperativem und<br />

partizipativem Charakter.<br />

So wurde in der Folge an Einzelbeispielen deutlich, wie<br />

jene aktuelle Rolle des Stadtmuseums aussehen kann. Die<br />

Beiträge zum Themenkreis „Nachbarschaft Arbeiterklasse“<br />

von Davina DesRoches (Queen’s University Ontario, Kanada),<br />

Jess Garz (MIT, Cambridge, MA, USA) und David<br />

Spence (Museum of London) enthielten Museumskonzepte<br />

urbaner Plattformen für Stadtentwicklung und soziokulturelle<br />

Projekte sowie Ansätze zu einer partnerschaftli chen<br />

Gestaltung der Stadtviertelgeschichte.<br />

An diesem Tag stellten Marlen Mouliou (Universität<br />

Athen, Griechenland), Amber N. Wiley (Tulane School of<br />

Architecture, New Orleans, USA) und Katherine Vandertulip<br />

(El Paso Museum of History, USA) die wissenschaftliche<br />

Bedeutsamkeit der Rolle der Stadtmuseen bei der Erarbeitung<br />

einer Stadtmarke heraus. Rainey Tisdale (Boston,<br />

USA) machte Vorschläge zur Markenfindung eines Stadtmuseums<br />

anhand von hervorragenden Beispielen.<br />

Parallel hierzu konnte man sich über Integrationsprojekte<br />

von Stadtmuseen im Bereich von Konflikten und Kontroversen<br />

ein wissenschaftliches Bild machen. Über die Integration<br />

des Themas Sexualität referierte Viviane Gosse line<br />

vom Museum of Vancouver. Die Arbeit des Stadtmuseums<br />

Sarajewo betreffend Konfliktmanagement beleuchtete<br />

Emily Gunzburger Makas von der University of North<br />

Carolina (USA). Das Konzept des Bhopal Museum und<br />

seine moralischen Vorstellungen stellte Shalini Sharma<br />

(University of London) zur Diskussion.<br />

Lehrreich war der Workshop zu den Problemen der Stadtmuseen<br />

in Vororten. Unter der Leitung von Phil Aldrich von<br />

Aldrich Pears Planning and Design (Vancouver) haben die<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer Konzepte zur Publikumsbindung<br />

erarbeitet, von denen auch Stadtmuseen der Metropolen<br />

profitieren können. Fazit: Je enger die konzeptionelle<br />

Bindung des Stadtmuseums an Leben, Geschichte,<br />

Wünschen, Ideen und Vorschlägen der Bürgerinnen und<br />

Bürger seiner Nachbarschaft, desto größer seine Attraktivität.<br />

Eine stadtsoziologisch beeindruckende Exkursion beendete<br />

die Tagung: Es fand ein Rundgang mit der neuen Neon<br />

Vancouver App des Museum of Vancouver in Gastown statt.<br />

Hier gewannen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen<br />

Eindruck eines Stadtviertels, in das die Stadtverwaltung<br />

im Kontext der Olympischen Spiele vor allem arbeitslose,<br />

kranke, suchtabhängige und behinderte Bürgerinnen und<br />

Bürger ohne Kranken- und Sozialversicherung umgesiedelt<br />

hat.<br />

Dr. Susanne Anna ist seit 2003 Direktorin des Stadtmu seums Düsseldorf.<br />

Sie ist Mitglied des Vorstandes von CAMOC;<br />

susanne.anna@duesseldorf.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Rückblick auf die Jahrestagung 2012:<br />

www.camoc.icom.museum/documents/CAMOC News let ter<br />

<strong>2013</strong>_01_001.<strong>pdf</strong><br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt, am 13. und 14. August zusammen mit ICLM.<br />

Workshop in progress: In North Vancouver arbeiteten die Teilnehmer<br />

zum Thema „Vororte und ihre Stadtmuseen“.<br />

Foto: Marlen Mouliou, 2012<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 39


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CECA – International Committee for Education and<br />

Cultural Action<br />

Museums and Written Communication.<br />

Tradition and Innovation<br />

Jahrestagung vom 20. bis 25. Oktober 2012 in Jerewan,<br />

Armenien<br />

Peter Schüller<br />

136 Teilnehmer aus 37 Ländern besuchten die Jahrestagung,<br />

die sich mit den verschiedenen Funktionen und Formen von<br />

Texten im Museum befasste.<br />

Die Vertretung der Kultusministerin der Republik Armenien,<br />

der Präsident von <strong>ICOM</strong>, die CECA-Vorsitzende,<br />

der Direktor des gastgebenden Museums und die Koordinatorin<br />

der Tagung gaben der Eröffnung Glanz und würdigten<br />

den Ort. Jerewan hatte von der UNESCO im 500. Jahr<br />

der armenischen Buchdruckerkunst den Titel „Welthauptstadt<br />

des Buches 2012“ erhalten. Das gastgebende Museum<br />

war das Museum für alte Handschriften. Diese Tatsachen<br />

waren geeignet, viele Diskussionen über das Buch<br />

als Exponat und die Ausstellung als „Buchtext“ zu führen,<br />

aber auch das Katalogbuch mit seinen Varianten, zeitgemäßen<br />

Formen und Funktionen zu diskutieren.<br />

Das Buch als Ausstellungsgegenstand schien unbestritten<br />

wertvoll. Beschriftungen und Wandtexte wurden dagegen<br />

sehr unterschiedlich eingeschätzt. Für Kunstmuseen<br />

wurden Rolle und Erkenntniswert dieser schriftlichen Erläuterungen<br />

sehr kritisch kommentiert. Standort und Besucherstrukturen<br />

gaben Anlass, nach der Form von Beschriftungen,<br />

Wandtexten und Leitsystemen zu fragen. In<br />

großen Museen der touristischen Zentren fragten die Kolleginnen<br />

und Kollegen nach den Produktionswegen und<br />

nach den Möglichkeiten, Informationen zu Werken und<br />

Wegeleitsystemen in möglichst vielen Sprachen bereitzuhalten.<br />

Hier schien die Arbeit mit minimalen Texten in<br />

wenigen Sprachen denkbar, weil alle anderen Angaben und<br />

fremdsprachigen Informationen im Multimedia-Guide zur<br />

Verfügung gestellt werden könnten. Im Pariser Louvre<br />

gibt es seit kurzem eine eigene Abteilung, die sich mit dem<br />

Thema Beschriftungen beschäftigt und nach jeweils angemessenen<br />

Nutzungen und Lösungen sucht. Peter Samis aus<br />

San Francisco stellte eine ganze Auswahl an Möglichkeiten<br />

für Beschriftungen als Beispiele aus verschiedenen internationalen<br />

Museen vor. Neben sachlichen Texten in verschiedenen<br />

Längen faszinierten ihn Beschriftungen mit<br />

poetischen Qualitäten, Texte, die zur Assoziation einladen<br />

oder persönliche Statements von Kuratoren oder anderen<br />

Persönlichkeiten enthalten. Trotz seiner persönlichen Vorlieben<br />

präsentierte er diese Möglichkeiten als diskussionswürdig.<br />

Als Kriterium beschrieb er allerdings den „Fluss<br />

von Gedanken“ und Kommunikationsformen, die nicht<br />

durch große Textmengen belastet werden dürften. Besonders<br />

nachdrücklich empfahl er den gesprochenen Text in<br />

Formen der personalen Vermittlung und als Aufzeichnung.<br />

Der dänische Kollege Michael Gyldendal zog ob der raschen<br />

Ausbreitung der digitalen Medien die Schlussfolgerung,<br />

dass alle gedruckten oder verklebten Informationen im<br />

Museum bald durch Multimedia-Guides, Laptops oder<br />

White Boards ersetzt werden könnten, und durchdachte<br />

dies bereits im Hinblick auf die Umgestaltung in seinem<br />

Museum. In mehreren Beiträgen wurde die Frage nach<br />

Computern und anderen Medien im Museum, aber auch<br />

außerhalb der Wände des Museums gestellt. Die sozialen<br />

Netzwerke wurden vor allem als effiziente Werbemittel<br />

empfohlen. Der Erfolg stelle sich aber nur ein, wenn man<br />

den Charakter und die Spielregeln der sozialen Netze akzeptiere<br />

und das soziale Moment pflege. Nicole Gesché<br />

fragte nach Aussage und Funktion von Museumslogos. Sie<br />

erinnerte daran, dass das Museum damit nicht nur Markenbewusstsein,<br />

sondern sein Selbstverständnis und die Besucherfreundlichkeit<br />

signalisiere.<br />

Der market of ideas und eine poster session boten Einblicke<br />

in die Arbeit internationaler Kollegen und präsentierte<br />

verschiedene Verwendungen von Medien im Hinblick<br />

auf unterschiedliche Zielgruppen. Texte in Museumskoffern,<br />

Suchbögen und Kinderkataloge, Besucherbücher,<br />

Karten für Kommentare … Alle diese Möglichkeiten signalisierten<br />

ganz selbstverständlich die Verwendung von Texten<br />

für die Vermittlung und deren Evaluation.<br />

Den gesprochenen Text und das thinking aloud protocol<br />

als Methode der Analyse in der Besucherforschung stellte<br />

Colette Dufresne-Tassé vor.<br />

Fünfzig internationale Fachleute aus 33 Ländern berichteten<br />

im Rahmen der perfekt organisierten Tagung von<br />

ihrer Arbeit und stellten ihre Ideen zur Diskussion. Armenische<br />

Kollegen luden in ihre Museen und Kulturdenkmäler<br />

ein. Daneben boten zwei CECA-Vorstandstreffen, zwei<br />

Workshops zur professionellen Weiterbildung, ein Treffen<br />

des researchers network, ein Treffen der europäischen<br />

national correspondents, die Generalversammlung sowie<br />

zwei Treffen, die sich um die Auszeichnung best practice<br />

drehten, Gelegenheit zur Information, zur Beteiligung und<br />

zum Austausch unter den Mitgliedern.<br />

Peter Schüller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Bildung<br />

der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen;<br />

schueller@kunstsammlung.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt.<br />

Museum Matenadaran, Zentralarchiv für armenische Handschriften<br />

Foto: Peter Schüller<br />

40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIDOC – International Committee for Documentation<br />

Enriching Cultural Heritage<br />

Jahrestagung vom 11. bis 14. Juni 2012 in Helsinki,<br />

Finnland<br />

Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Karin Kühling<br />

Wie bei CIDOC üblich, gingen der Konferenz mehrere<br />

halb- und ganztägige Workshops zum CRM, zu LIDO und<br />

zur Interoperabilität voraus und einige der sieben existierenden<br />

Arbeitsgruppen, die auch zwischen den Jahrestagungen<br />

arbeiten, waren in Helsinki aktiv bzw. stellten ihre<br />

Ergebnisse vor.<br />

Der Eröffnungsvortrag im finnischen Nationalmuseum<br />

wurde von Nick Poole, dem Leiter von Collections Trust<br />

(UK), bestritten, der seine Vision künftiger Museumsarbeit<br />

mitsamt ihren vermutlichen Auswirkungen auf Dokumentationsabläufe<br />

und Arbeitsprozesse schilderte. Für Poole,<br />

dessen Organisation den bahnbrechenden Museumsdokumentationsstandard<br />

SPECTRUM entwickelt hat, steht dabei<br />

nicht mehr die reine Konzentration auf Angleichung und<br />

immer umfassendere Agglomeration von Daten im Mittelpunkt,<br />

sondern deren vielfältige Nutzung für Aktivitäten<br />

z. B. in der Museumspädagogik und im öffentlichen Bereich.<br />

Als zweiter Hauptredner sprach Ora Lassil von Nokia<br />

(FI) über Apps und ihre Folgen für die digitale Kommunikation.<br />

Die Tagung fand in bis zu drei parallelen sessions<br />

sowie in den Plenarrunden statt. Letztere wurden – ein interessantes<br />

Experiment – parallel von den Übersetzern auch<br />

wörtlich mitgeschrieben und konnten daher auf der Plenumsleinwand<br />

zeitgleich mitgelesen werden. Im Anschluss<br />

an einen Vortrag über den Aufbau der finnischen digitalen<br />

Bibliothek berichtete Monika Hagedorn-Saupe im Themenbereich<br />

Museumsrelevante Portale über den Stand bei<br />

Europeana und der Deutschen Digitalen Bibliothek. Im<br />

Arbeitsbereich Semantic Web trug Regine Stein vom Bildarchiv<br />

Foto Marburg über LIDO vor, danach Mikka Nyman<br />

(FI) über culture cloud. Martin Doerr (GR), Günther Görz<br />

und Georg Homann (DE) berichteten über die Erreichbarkeit<br />

von Museumsobjekten über semantische Netze sowie<br />

die Aufbereitung und Verknüpfung der Daten an unterschiedlichen<br />

Institutionen, die dann im Ergebnis einen<br />

umfassenderen Aussagegehalt als in der Ausgangsinstitution<br />

allein aufweisen. Patrick LeBoeuf (F) schilderte die<br />

Ergebnisse in der Verknüpfung von CRM und FRBR. Aus<br />

den zahlreichen Präsentationen zu Projekten und einzelnen<br />

Museen herausgegriffen, sei hingewiesen auf das EUgeförderte<br />

Projekt MIMO, das europaweit in einem Portal<br />

Daten zu Musikinstrumenten(-sammlungen) zusammenführt.<br />

Gerald de Jong (NL) und Thomas Wikman (SE) berichteten<br />

über eine gemeinsam entwickelte Software zur<br />

norwegischen Museumsanwendung SOFIE, welche die Metadatenharmonisierung<br />

unterstützt bzw. sogar oft erst ermöglicht.<br />

In Finnland wird derzeit eine webbasierte Inventarisierungs-/<br />

Katalogisierungssoftware namens Museum<br />

2015 erarbeitet, die künftig in allen Museen Anwendung<br />

finden und damit die Einheitlichkeit der Datenerfassung,<br />

die Nachnutzung der Daten, aber auch die betriebswirtschaftlichen<br />

Prozesse – wie etwa die Haushaltsführung in<br />

Museen – unterstützen soll.<br />

Vor dem Hintergrund des Engagements der UNESCO<br />

für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes berichteten<br />

kroatische Teilnehmer über ihre Arbeit, diese Empfehlungen<br />

in Museumsdokumentation umzusetzen. Johanna<br />

Enqvist (SE) sprach über in Entwicklung befindliche<br />

Ontologien für archäologisches Kulturerbe und Walter Koch<br />

(A) über die Entwicklung von Arbeitsprozessen und Routineprozeduren,<br />

die die im SPECTRUM-Standard dargelegten<br />

Arbeitsverfahren möglichst automatisiert ablaufen lassen<br />

können.<br />

Zur Bewahrung von Museumsobjekten gehört gelegentlich<br />

auch die kontrollierte Aussonderung oder Abgabe.<br />

Eine hierfür installierte Datenbank in den Niederlanden<br />

wurde von Yuri van der Linden vorgestellt. Der Art and<br />

Architecture Thesaurus des Getty-Instituts, kurz AAT, ist<br />

seit 1994 verfügbar. Mit rund 50 000 Einträgen sehr umfangreich<br />

und inzwischen vollständig nur noch online erhältlich,<br />

wurde er in seiner spanischen Übersetzung von<br />

Lina Nagel (CL) vorgestellt. Diese fügt sich an die komplette<br />

holländische, die teilweise existierenden französischen und<br />

italienischen Fassungen, die in Erarbeitung befindliche chinesische<br />

und die nunmehr beginnende deutsche Fassung an.<br />

Einen außerordentlich aufschlussreichen Praxiseinblick<br />

bot Jonathan Cloud vom British Museum hinsichtlich der<br />

Online-Stellung von 70 000 Restaurierungsberichten. Er<br />

schilderte einen innerhalb der Dokumentation nicht untypischen<br />

Verlauf, da erst die Intervention eines Drittmittelgebers<br />

zur zeitnahen Integration und öffentlichen Verfügbarkeit<br />

dieser Dokumente im Webauftritt des British<br />

Museum führte. Außereuropäische Berichte und Projekte<br />

steuerten die Teilnehmerinnen aus Australien, Nigeria,<br />

Benin, Botswana, Peru, Kenia, Singapur, Ecuador, Uganda,<br />

Indien und Sambia bei.<br />

Axel Ermert, Institut für Museumsforschung, Berlin;<br />

a.ermert@smb.spk-berlin.de; Professor Monika Hagedorn-Saupe,<br />

Institut für Museumsforschung, Berlin; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de;<br />

Martina Krug, Mitglied im Vorstand von CIDOC, Städtisches Museum<br />

Hann. Münden; museum@hann.muenden.de; Karin Kühling, Stadtgeschichtliches<br />

Museum Leipzig; karin.kuehling@leipzig.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Abstracts und Präsentationen: www.cidoc2012.fi<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt.<br />

Local organizer im grünen T-Shirt von CIDOC-Helsinki<br />

Foto: Jussi Lahtinen<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 41


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIPEG – International Committee for Egyptology<br />

Collections at Risk: New Challenges in<br />

New Environment<br />

Jahrestagung vom 25. bis 28. September 2012<br />

in Brüssel, Belgien<br />

Gabriele Pieke<br />

Die Jahrestagung bot Gelegenheit, sich über die angespannte<br />

Situation von Museen und Sammlungen in Ägypten wie<br />

auch in zahlreichen anderen Ländern auszutauschen. Insgesamt<br />

fanden sich an vier Tagen 52 Teilnehmer aus Museen<br />

in sechzehn verschiedenen Ländern im Musées royaux<br />

d’Art et d’Histoire in Brüssel zusammen. Besonders<br />

herauszuheben ist, dass zahlreiche neue und junge Gesichter<br />

unter den Tagungsteilnehmern waren, deren Interesse<br />

für die Arbeit von CIPEG gewonnen werden konnten.<br />

Nach der offiziellen Begrüßung durch die Museumleitung<br />

und Luc Delvaux, den Kurator der Ägyptischen Abteilung,<br />

sowie Claire Derriks, Präsidentin von CIPEG, war<br />

vor allem der einleitende Hauptvortrag von großem Interesse.<br />

Dazu waren mit Thomas Schuler, Präsident der<br />

Disaster Relief Task Force von <strong>ICOM</strong>, und France Desmarais,<br />

Director of Programmes and Partnership Development,<br />

<strong>ICOM</strong> Paris, zwei ausgewiesene Experten zum Thema eingeladen.<br />

Unter dem Titel „Protecting Heritage in Revolution<br />

and Civil War: Challenge, Success and Limits“ gaben<br />

sie einen Überblick zur derzeitigen Arbeit von <strong>ICOM</strong> in<br />

dem so außerordentlich wichtigen Bereich des Schutzes<br />

von Kulturgütern. Dabei wurde insbesondere am Beispiel<br />

Ägyptens die Arbeitsweise der Disaster Relief Task Force<br />

vorgestellt, die u. a. eine schnelle Bestandsaufnahme und<br />

Erstdokumentation, den Informationsaustausch zwischen<br />

verschiedenen Partnern, Erste-Hilfe-Maßnahmen der unterschiedlichsten<br />

Art sowie eine anschließende Evaluierung<br />

umfasst.<br />

Mit großer Spannung wurden auch zwei Vorträge von<br />

ägyptischen Museumskollegen erwartet, die über die nach<br />

wie vor angespannte Lage der Sammlungen und archäologischen<br />

Stätten in Ägypten berichteten. Zudem informierte<br />

Maaten Raven vom Rijksmuseum in Leiden über die jüngste<br />

Bestandserhebung seiner Ausgrabung in Saqqara. Insbesondere<br />

diese archäologische Stätte war während und nach<br />

der ägyptischen Revolution stark von Plünderungen und<br />

Raubgrabungen betroffen. Bei den gestohlenen oder zerstörten<br />

Objekten aus den Grabungsmagazinen handelt es<br />

sich glücklicherweise jedoch nur um eine überschaubare<br />

Anzahl von 120 Stücken, dies sind vor allem kleinere Objekte<br />

wie Uschebtis oder Amulette.<br />

Zwei Kollegen mit dem Schwerpunkt Sudanarchäologie<br />

berichteten von der derzeitig höchst angespannten Situation<br />

im nördlichen Sudan. Dort sind durch mehrere große<br />

Staudammprojekte, die zum Teil kurz vor ihrem Baubeginn<br />

stehen, weite Teile der Region mit ihren unzähligen antiken<br />

Tempeln, Nekropolen oder Siedlungen von der kompletten<br />

Vernichtung bedroht, was der breiten Öffentlichkeit weitgehend<br />

unbekannt ist.<br />

Ingesamt bot die Jahrestagung erneut Gelegenheit, den<br />

fachlichen Austausch auf internationaler Ebene zu vertiefen<br />

und über die vielfältigen Probleme und Risiken zu<br />

sprechen, denen sich die ägyptischen Sammlungen derzeit<br />

ausgesetzt sehen. Aber auch die klassischen Themen wie<br />

Neuaufstellungen, Ausstellungskonzepte oder auch Datenbankprojekte<br />

wurden vorgestellt und rege diskutiert. Der<br />

abschließende Rundgang durch die Sammlungen des Musées<br />

royaux d’Art et d’Histoire gab Anlass zu spannenden<br />

Fachdiskussionen zu einzelnen Stücken, aber auch zu der<br />

geplanten Umgestaltung der Dauerausstellung. Ein besonderer<br />

Höhepunkt innerhalb des dichtgedrängten Tagungsprogramms<br />

war der Besuch in der Villa Empain und die<br />

Führung durch die dortige Sonderausstellung „Edouard et<br />

Cléopâtre. Egyptomanies depuis le XIXe siècle“. Die Ausstellung<br />

bot einen spannenden sowie humorvollen Überblick<br />

zur Ägyptomanie, von Möbeln, Skulpturen oder<br />

Porzellan bis hin zu aktuellen Comics, Musikvideos oder<br />

Modenschauen. Im Anschluss daran ging es zu einem<br />

Abendempfang in der ägyptischen Botschaft. Hier gab es<br />

allerlei Gelegenheit, sich über die aktuellen politischen Veränderungen<br />

und die derzeitige Situation in Ägypten auszutauschen.<br />

Dr. Gabriele Pieke arbeitet als Kuratorin bei den Reiss-Engelhorn-<br />

Museen in Mannheim. Sie ist Sekretärin von CIPEG und Mitglied im<br />

Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; g.pieke@gmail.com.<br />

Weitere Informationen:<br />

Abstracts und Präsentationen der Jahrestagung 2012:<br />

cipeg.icom.museum<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet am 9. August zusammen mit UMAC im<br />

Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro statt.<br />

Titel: Evaluating Change – Change is Everywhere in Our Societies.<br />

Seit Jahrhunderten sind Wissenschaftler und Kunstliebhaber gleichermaßen<br />

vom Mythos Ägypten fasziniert. Auch John Galliano griff ihn<br />

in seiner Frühling-Sommer-Kollektion 2004 für Dior Haute Couture auf.<br />

Villa Empain, Guy Marineau<br />

42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

COMCOL – International Committee for Collecting<br />

Museums and the Idea of Historical<br />

Progress<br />

Gemeinsame Jahrestagung von COMCOL und ICMAH<br />

vom 7. bis 9. November 2012 in Kapstadt, Südafrika<br />

Dennis Herrmann, Gregor Lersch, Elisabeth Tietmeyer<br />

Anfang November 2012 fanden in Kapstadt die gemeinsam<br />

durchgeführten Jahrestagungen der <strong>ICOM</strong>-Komitees<br />

ICMAH und COMCOL statt. Organisiert wurde die<br />

Konferenz gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Südafrika und den Iziko-<br />

Museen, einem Zusammenschluss von vierzehn Museen in<br />

Kapstadt, welche die Komitees herzlich empfingen. Als Tagungsort<br />

diente das South African Museum. Wir hatten die<br />

großartige Gelegenheit, an der Konferenz teilzunehmen,<br />

Dennis Herrmann und Gregor H. Lersch als Vortragende<br />

und Elisabeth Tietmeyer als Vizepräsidentin von COMCOL.<br />

Für das noch junge COMCOL-Komitee war es die zweite<br />

Jahrestagung nach der letztjährigen Tagung zum Thema<br />

participative strategies in Berlin.<br />

Die bereits einen Tag vor dem offiziellen Konferenzbeginn<br />

angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten im<br />

Rahmen einer Exkursion die Möglichkeit, eines von Kapstadts<br />

international bekanntesten, obgleich keinesfalls größten,<br />

Museen zu besuchen: das District Six Museum. Dieses<br />

Museum widmet sich der Geschichte des Stadtteils District<br />

Six, der während der Apartheid nach der Zwangsumsiedlung<br />

der Bewohner zerstört wurde. Durch eine Museumsführung,<br />

einen Besuch des Distrikts in seinem heutigen<br />

Zustand und einer anschließenden Diskussion mit Mitarbeiterinnen<br />

des Museums bekamen wir einen tiefen und<br />

direkten Einblick in die Materie und die aktuelle Situation.<br />

Die ersten beiden Tage der anschließenden Konferenz<br />

wurden von den beteiligten Komitees gemeinsam gestaltet<br />

und durchgeführt. Stets mit einem Blick auf Museen wurde<br />

an ihnen das Tagungsthema Utopien aus unterschiedli cher<br />

Perspektive betrachtet und diskutiert.<br />

Am dritten Konferenztag tagten die beiden Komitees<br />

COMCOL und ICMAH getrennt voneinander. Die Vorträge<br />

und ein Workshop entsprachen der inhaltlichen Ausrichtung<br />

der jeweiligen Komitees. So wandte sich COMCOL<br />

der Thematik des Sammelns zu, die Bandbreite reichte von<br />

Wikipedia bis in den digitalen Raum hinein. Anschließend<br />

fand ein gemeinsamer Workshop der beiden COMCOL-<br />

Arbeitsgruppen „Ressourcen“ und „Sammeln der Gegenwart“<br />

statt, an dem auch viele Kolleginnen und Kollegen<br />

des Regionalkomitees Südafrika teilgenommen haben. Ziel<br />

war die Erarbeitung von Richtlinien für das zeitgenössische<br />

Sammeln, die diskutiert und festgehalten wurden. Sie dienen<br />

nun als Grundlage für die erste Abfassung eines Leitfadens,<br />

der auf der COMCOL-Webseite veröffentlicht werden soll.<br />

Im Rahmen der Jahrestagung des ICMAH-Komitees<br />

wurden parallel dazu historische Museen und Ausstellungsprojekte<br />

in ihren Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse<br />

vorgestellt und diskutiert. Die Beispiele hierzu kamen<br />

vornehmlich aus Europa, so beispielsweise aus Marseille<br />

und Zagreb, aber auch aus Windhoek (Namibia). Die Ausstellung<br />

„Tür an Tür. Polen-<strong>Deutschland</strong>. 1 000 Jahre Kunst<br />

Das District Six<br />

Museum erinnert<br />

an die Zwangsumsiedlungen<br />

der<br />

Bevölkerung aus<br />

dem Kapstadter<br />

District Six, die seit<br />

1905 in mehreren<br />

Wellen stattgefunden<br />

haben.<br />

und Geschichte“ aus Berlin bildete dabei eine Diskussionsgrundlage<br />

für binationale und multiperspektivische Ansätze<br />

und Projekte.<br />

Die Vortragenden aus allen Komitees und auch externe<br />

Kolleginnen und Kollegen ergänzten sich während der drei<br />

Konferenztage zu einem weiten Spektrum der Betrachtung<br />

und sorgten für eine zukunftsorientierte, abwechslungsreiche<br />

und den Blick weitende Atmosphäre. An Beispielen<br />

geplanter großer Museumsprojekte wie dem südafrikanischen<br />

Projekt MoDILA (Museum of Design, Innovation,<br />

Leadership and Art) und einiger National-, Stadt- und Regionalmuseen<br />

wurden die unterschiedlichsten historischen<br />

Entwicklungen und die aktuelle Situation dieser kulturellen<br />

Einrichtungen kontrovers und aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

diskutiert. In Bezug auf die Zukunft von Museen<br />

wurden während der Konferenz, nicht zuletzt aufgrund der<br />

südafrikanischen Geschichte, vermehrt Fragen nach der Einbindung<br />

von communities und danach, wer im Museum<br />

repräsentiert wird, aufgeworfen. Dies stellte nicht nur eine<br />

direkte Verbindung zum letztjährigen Tagungsthema über<br />

partizipative Strategien in der Museumsarbeit her, sondern<br />

zeigte auch die internationale Brisanz dieser Fragen.<br />

Dennis Herrmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand<br />

im Forschungsprojekt „Neue Heimatmuseen als Institutionen der<br />

Wissensproduktion“ an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg;<br />

dennis.herrmann@uni-oldenburg.de. Gregor H. Lersch ist in der Konzeption<br />

und Organisation von internationalen Ausstellungsprojek<br />

ten tätig. Zuletzt als Projektleiter der Ausstellung „Tür an Tür“;<br />

post@gregor-h-lersch.de. Dr. Elisabeth Tietmeyer leitet seit Anfang<br />

<strong>2013</strong> das Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu<br />

Berlin. Sie ist Vizepräsidentin von COMCOL;<br />

e.tietmeyer@smb.spk-berlin.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Zusammenfassungen der Beiträge: www.comcol-icom.org<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt. Titel: The (Re)interpretation and (Re)usages<br />

of (Older) Collections and Their Value for Contemporary Society<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 43


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

COSTUME – International Committee for Museums<br />

and Collections of Costume<br />

Lace, Fashion and Transparency<br />

Jahrestagung vom 21. bis 27. Oktober 2012<br />

in Brüssel, Belgien<br />

Andrea Joosten, Karin Thönnissen<br />

Zur letzten Amtshandlung von Corinne Ter Assatouroff<br />

(Musée de la Dentelle et du Costume, Brüssel), die die Jahrestagung<br />

des Costume Committee zusammen mit<br />

ihrer Kollegin Martine Vrebos organisierte, hatten die<br />

Stadt und COSTUME-Mitglieder eine Festschrift zusammengestellt,<br />

die am Abend des 21. Oktober überreicht<br />

wurde.<br />

Die eigentliche Tagung begann am nächsten Tag. Die<br />

Vorträge und Museumsbesuche befassten sich vor allem<br />

mit historischen Themen. Dazu gehörten etwa ein italienisches<br />

Musterbuch aus dem 17. Jahrhundert und ein Vergleich<br />

von modischer und ländlicher Spitze des 16. Jahrhunderts<br />

in Schweden, Schuhrosen aus Spitze, norwegische<br />

Gesetze, die zwischen 1600 und 1799 vergeblich versuchten,<br />

die Spitzenmode zu steuern, und die politische<br />

Brisanz, die Spitzen in einer Aussteuer enthalten können.<br />

Der Vormittag schloss mit einer Vorstellung des Modemuseums<br />

Hasselt durch die Kuratorinnen Romy Cockx und<br />

Eve Demoen. Am Nachmittag wurden die Ausstellung<br />

„Paniers, Baleines und Jabots“, die Restaurierungswerkstätten<br />

und die Depots im Musée de la Dentelle et du Costume<br />

besucht, anschließend das Musée Manneken Pis<br />

und ein Restaurierungsprojekt im Rathaus.<br />

Am Vormittag des 23. Oktober stellte sich die Section<br />

Tapisserie der Académie Royale des Beaux-Arts vor, anschließend<br />

ging es zu den Werkstätten im Théatre de la<br />

Monnaie, die die speziellen Anforderungen des Opernbetriebs<br />

an die Theaterkostüme verdeutlichten. Der Nachmittag<br />

galt dem 19. und 20. Jahrhundert: Tüllspitze aus<br />

Alençon von 1840-1870, die industrielle Herstellung im<br />

Maison Lefébure von 1829 bis 1932, der Calaiser Zeichner<br />

Henry Ball, der in den 1920er Jahren Spitzenmuster<br />

für die Pariser Modehäuser entwarf, eine Ausstellung Prager<br />

Modeschöpfer, die Ätz-Spitze aus St. Gallen, die maschinell<br />

gefertigte Spitze aus Plauen und schließlich die<br />

Verwendung von Spitze in der Fest- und Abendgarderobe<br />

der Damen in den 1950er Jahren.<br />

Am 24. Oktober stand eine Fahrt zum Antwerpener<br />

Modemuseum auf dem Programm. Neben der Ausstellung<br />

„Madame Grès“ wurden die Depots besucht, am Nachmittag<br />

das Department Conservation – Restauration der<br />

Academie voor Schone Kunsten und aktuelle Modeateliers.<br />

Die Vorträge des nächsten Tages behandelten die Verwendung<br />

von Spitze in der katholischen Kirche, die griechische<br />

Königin Olga, die in ihren Hofkleidern folkloristische<br />

griechische Spitzenelemente mit russischen mischte,<br />

die Domestic School of Lace in Zakopane, die Lancierung<br />

der Spitzenproduktion ab 1890 im nördlichen Ungarn<br />

durch die österreichisch-ungarische Erzherzogin Isabella,<br />

„Spitzenstücke“ aus der Garderobe der norwegischen Königin<br />

Maud, den englischen White Ball von 1884 und eine<br />

Uniform des König Leopold II. Am Nachmittag besuchten<br />

50 Jahre COSTUME: Manneken Pis erhielt im Rahmen einer Zeremonie<br />

ein Kostüm. Dieses wird nun im Stadtmuseum Brüssel gezeigt.<br />

wir im Musée Cinquantenaire die Ausstellung: „Prinzessin<br />

Marie-José, zwischen Belgien und Italien“, das Musée<br />

de l’Armee et d’Histoire militaire und das Restaurierungsatelier<br />

des Institut Royal du Patrimoine artistique.<br />

Einzelne Spitzenobjekte wie der Tutu, der Hutschleier,<br />

die Spitzenhose oder Handtaschen aus Spitze wurden am<br />

letzten Tagungstag anschaulich erläutert, ebenso wie der<br />

neu gestaltete Eingangsbereich des Kensington Palace,<br />

London, der mit Spitzenmustern nach Vorlagen aus der<br />

textilen königlichen Sammlung ausgestattet wurde. Technologie<br />

stand im Mittelpunkt des Vortrags über Objekte<br />

der Wiener Ausstellung „Technosensual. Where Fashion<br />

Meets Technology“. Es folgte die offizielle Zeremonie<br />

zum 50. Geburtstag des COSTUME Committee. Aus diesem<br />

Anlass erhielt Manneken Pis ein rekonstruiertes Kostüm<br />

eines Jungen um 1660. Bei der Übergabe betonte die<br />

Präsidentin Katia Johansen (Royal Danish Collection, Kopenhagen)<br />

die Bedeutung der Erforschung und Bewahrung<br />

von historischer Kleidung. Das Atelier von Isabella<br />

de Borchgrave, die durch Ausstellungen historischer Kleidung<br />

in Papier von sich Reden macht, wurde nachmittags<br />

besucht.<br />

Im Rahmen der post-conference tour haben wir die<br />

Museen Cité de la Dentelle et de la Mode in Calais und La<br />

Piscine – Musée d’Art et d’Industrie and the Manufacture<br />

des Flandres in Roubaix kennengelernt.<br />

Dr. Karin Thönnissen ist freiberuflich als Kuratorin tätig;<br />

kthoennissen@web.de. Andrea Joosten leitet die Bibliothek der<br />

Hamburger Kunsthalle; joosten@hamburger-kunsthalle.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Bericht und Bilder zur Zeremonie für Manneken Pis:<br />

www.costume-committee.org<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt. Titel: Presenting Costume: Spectacular<br />

and Everyday<br />

44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

GLASS – International Committee for Museums and<br />

Collections of Glass<br />

Glass Collections in USA<br />

Jahrestagung vom 5. bis 13. Juni 2012 in New York,<br />

Corning und Toledo, USA<br />

Sven Hauschke<br />

Das Glass Committee traf sich 2012 zu seiner jährli chen<br />

Zusammenkunft in den USA. In der einwöchigen Tour<br />

haben die fünfzehn Teilnehmer – die Gruppe war aufgrund<br />

der weiten Anreise kleiner als in den Jahren zuvor – einschlägige<br />

Sammlungen und Museen in New York und<br />

Corning sowie in einer post-conference tour auch in Toledo<br />

und Ann Arbor besucht. Die von Jane Spillmann und<br />

Adrienne Gennett vom Corning Museum of Glass organisierte<br />

Jahrestagung bot ein breitgefächertes Programm, das<br />

Glas von der Antike bis zur Gegenwart umfasste.<br />

Der erste Tag ermöglichte einen Blick auf die vielfältigen<br />

Bestände des Metropolitan Museums of Art. Die Gruppe<br />

kam in den Genuss von Führungen durch die jeweiligen<br />

Sammlungskuratoren. Höhepunkte waren die reiche Sammlung<br />

an antikem Glas (Führung: Christopher Lightfoot) und<br />

die dichten Bestände an amerikanischem Glas im jüngst eröffneten<br />

American Wing (Führung: Alice Cooney Frelinghuysen).<br />

Am Abend dinierte die Gruppe auf Einladung des<br />

ehemaligen Direktors von Corning Glass und Präsidenten<br />

des Metropolitan Museum Board in der African Gallery des<br />

Museums. In den Cloisters stellte der Kurator Timothy<br />

Husband verschiedene Glasmalereien vor, darunter eine<br />

1498 datierte und dem Maler Hans Wertinger zugeschriebene<br />

Hinterglasmalerei mit der Darstellung von Abraham<br />

und Melchisedech, die 2008 erworben wurde und aus der<br />

Sammlung Oettingen-Wallerstein stammt. Bei der knapp<br />

37 Zentimeter großen, singulären Scheibe handelt es sich<br />

vermutlich um eine im Rahmen der Abendmahlsliturgie<br />

verwendete Patene, deren Wappen auf das Freisinger Stift<br />

als Auftraggeber verweist.<br />

Ein weiterer Höhepunkt in New York waren Arbeiten von<br />

Louis Comfort Tiffany. Ein Gesamtkunstwerk mit Mosaiken,<br />

einem Marmoraltar und Glasfenstern aus dem Jahr<br />

1895 hat sich mit der St. Michael’s Church erhalten, während<br />

in der New York Historical Society vor allem Lampen<br />

der berühmten Manufaktur gesammelt wurden. Hier wurden<br />

der <strong>ICOM</strong>-Gruppe in den Depots auch Zeichnungen<br />

und die originalen Schablonen zu den Lampenmosaiken<br />

präsentiert.<br />

Im Corning Museum of Glass mit seinen bedeutenden<br />

Sammlungen verbrachte die Gruppe drei Tage. In Führungen<br />

wurden die verschiedenen Abteilungen, Werkstätten, Depots<br />

und die Rakow Research Library vorgestellt, eine umfangreiche<br />

Forschungsbibliothek mit Beständen zu allen Sparten<br />

von Glas.<br />

Der Künstler Fritz Dreisbach bot in einem kurzweiligen<br />

Vortrag einen tiefen Einblick in die Anfänge der<br />

modernen Kunst aus Glas. Kleinere Ausstellungen in den<br />

Fluren des Museums zu Harvey K. Littleton, Erwin Eisch<br />

und Dominick Labino, den Pionieren der Studioglasbewegung,<br />

rundeten die Rückschau auf fünfzig Jahre Studioglas<br />

ab.<br />

Das Corning Museum of Glass beherbergt eine der größten Glassammlungen<br />

der Welt. Das 1951 eröffnete Museum gibt mit seinen<br />

rund 45 000 Sammlungsstücken einen Einblick in 3 500 Jahre Glasherstellungskunst.<br />

Zu den Einrichtungen des Museums zählt auch The<br />

Studio, eine Ausbildungsstätte für Glaskünstler.<br />

Eine kleine Gruppe fuhr anschließend als post-conference<br />

tour nach Toledo (Ohio). Ziel war das Toledo Museum of<br />

Art mit seinen qualitätvollen historischen und modernen<br />

Beständen an Glas und dem spektakulären, 2006 eröffneten<br />

Glass Pavillon, einem Meisterwerk der Pritzker-Preisträger<br />

Kazuyo Sejima and Ryue Nishizawa. Es bot sich die<br />

Möglichkeit zum Vorab-Besuch der im Rahmen der Glass-<br />

Art-Society-Konferenz präsentierten Ausstellung „Color<br />

Ignit ed – Glass 1962 bis 2012“.<br />

Abschließend reiste die Gruppe nach Ann Arbor, wo in<br />

den Depots des Kelsey Archaeological Museum die umfangreichen<br />

Bestände an Glas aus den Grabungen in Karanis in<br />

Ägypten in Augenschein genommen werden konnten. Die<br />

Fundstücke stammen vor allem aus der römischen Antike,<br />

manche datieren aber bis ins 19. Jahrhundert.<br />

Die <strong>ICOM</strong>-Glass-Tagung bot vielfältige Einblicke in<br />

die amerikanische Museumslandschaft und Gelegenheit<br />

zum intensiven Austausch, wozu auch die Vorträge von<br />

einigen der Teilnehmer beitrugen.<br />

Dr. Sven Hauschke leitet die Abteilung Kunsthandwerk und Europäi<br />

sches Museum für Modernes Glas der Kunstsammlungen der Veste<br />

Coburg; s.hauschke@kunstsammlungen-coburg.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Bericht und Abstracts der Jahrestagung 2012:<br />

network.icom.museum/glass/our-publications/annual-newsletter<br />

Gemeinsames Treffen von DEMHIST, GLASS, ICDAD und ICFA im<br />

Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro. Titel: Places<br />

for Reflection: Museums as Connectors of Cultures, Times, People<br />

and Social Groups<br />

Jahrestagung <strong>2013</strong>: 28. bis 31. Oktober <strong>2013</strong> in Bratislava, Slowakei.<br />

Titel: What is the Future for Contemporary Studio Glass. New Discoveries<br />

in Glass<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 45


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICEE – International Committee for Exhibition<br />

Exchanges<br />

Young Professionals: Their Future in an<br />

Ever Changing Museum Environment<br />

Jahrestagung vom 23. bis 26. Oktober 2012 in Toronto,<br />

Kanada<br />

Christoph Lind<br />

Zur Erörterung der Rolle und der Integration junger Mitarbeiter<br />

in den Ausstellungsbetrieb und insbesondere in<br />

die Ausstellungsorganisation hatte ICEE nach Toronto<br />

eingeladen; das Thema durchzog die gesamte Tagung, die<br />

bei ICEE traditionell in drei Bereiche geteilt ist: zunächst<br />

die internationalen Beiträge zum Tagungsthema, dann die<br />

Streifzüge hinter die Kulissen verschiedener Museen vor<br />

Ort mit Betonung der Ausstellungen und der Sammlungen<br />

und schließlich der marketplace sowohl für neue Ausstellungsvorhaben<br />

als auch für neue Planungs- und Durchführungsverfahren,<br />

die sogenannten best practices.<br />

Changing environment, die aktuellen Veränderungen innerhalb<br />

der Museumswelt und um die Museen herum, wurde<br />

hinsichtlich zweier Aspekte dargestellt. Einerseits war<br />

natürlich aus aktuellen Gründen die finanzielle Situation<br />

insbesondere für das Ausstellungswesen ein wichtiger Diskussionspunkt,<br />

über den während des gesamten Konferenzzeitraums<br />

gesprochen wurde. Kürzungen der Museumsetats<br />

treffen selbstverständlich zunächst die Sonderausstellungsaktivitäten<br />

und die Veranstaltungen. Wie man durch<br />

Kooperationen und durch weitere Maßnahmen zur Kostenminimierung<br />

trotzdem den Sonderausstellungsbetrieb aufrechterhalten<br />

und zu guten Ergebnissen kommen kann, war<br />

Grundtenor des Austauschs der rund einhundert ICEE-<br />

Mitglieder und der überwiegend kanadischen und US-amerikanischen<br />

Kollegen. Auf inhaltlichem Gebiet wurden vor<br />

allem Kooperationen zwischen verschiedenen Institutionen<br />

für neue Museums- und Ausstellungsprojekte besprochen<br />

oder Kooperationen über verschiedene Kulturkreise hinweg<br />

vorgestellt.<br />

Thomas Boucknooghe stellte sein Ausstellungsprojekt,<br />

eine Kooperation zum Themenkreis „Masken der Alutiiq“<br />

(Kodiak-Inseln, Alaska, USA) der Universität Charles de<br />

Gaulle (Lille, Frankreich) vor: Masken, die vor über einhundert<br />

Jahren nach Frankreich gelangten, wurden nun bei<br />

den Nachfahren ihrer ehemaligen Besitzer erneut präsentiert.<br />

Insbesondere die Aufarbeitung in Frankreich und die<br />

Rezeption vor Ort in Alaska wurden eingehend untersucht.<br />

Anne Catherine Hauglustaine-Robert präsentierte die Planungen<br />

für den Jardin des sciences in Straßburg, eine Zusammenarbeit<br />

zwischen Stadt und Universität, die ein neues<br />

Konzept der Präsentation der Universitätssammlungen beinhalten.<br />

Am Nachmittag stellten Katrin Hieke (Projekt2508)<br />

und Isabel Salgado (Fundacio La Caixa) neue Modelle für<br />

befristete Museumsmitarbeiter vor; insbesondere in wirtschaftlichen<br />

Krisenzeiten bieten neue Modelle auch neue<br />

Chancen, sowohl den Ausstellungsbetrieb als auch qualifizierte<br />

junge Mitarbeiter in neue Strategien der Museen<br />

zu integrieren.<br />

Die Kooperation mehrerer Einrichtungen ermöglichte, dass 2008<br />

insgesamt 34 Alutiiq-Masken nach mehr als 130 Jahren nach Alaska<br />

zurückkehrten. Dort inspirierten sie in der Ausstellung „Giinaquq:<br />

Like a Face“ die Alutiiq community, die Geschichte und Kultur ihrer<br />

Vorfahren zu erkunden.<br />

War der gesamte Donnerstag vorgesehen für die Museumsbesuche<br />

mit Blick hinter die Kulissen, so kamen am<br />

Freitag in der Vormittagsrunde aktuelle Themen zur Sprache:<br />

Philippos Mazarakis-Ainian stellte das Ausstellungsprojekt<br />

„Imagining the Balkans“ vor, welches eine Kooperation<br />

verschiedener Museen der Balkanländer und des<br />

Deutschen Historischen Museums ist. Der marketplace<br />

(exhibitions, moderiert von Carina Jaatinen, und best<br />

practices, moderiert von Christoph Lind) leitete als Nachmittagsveranstaltung<br />

über zur Mitgliederversammlung,<br />

auf der die Berichte des Sekretärs und des Schatzmeisters<br />

vorgetragen wurden. Für die Zukunft sind sowohl eine<br />

Erweiterung des sehr gut besuchten marketplace als auch<br />

eine neue Schwerpunktsetzung auf Transport und Logistik<br />

geplant.<br />

Dr. Christoph Lind ist stellvertretender Direktor der Kunst und Kulturgeschichte<br />

und Leiter der Abteilung Ausstellungsmanagement und<br />

Museumsvermittlung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Er<br />

ist Mitglied im Vorstand von ICEE, von 2005 bis 2010 war er Mitglied<br />

im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; Christoph.lind@mannheim.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Fotogalerie der Jahrestagung 2012: network.icom.museum/icee<br />

46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICLM – International Committee for Literary Museums<br />

Literary and Composer Museums and<br />

the Spirit of the Place<br />

Jahrestagung vom 17. bis 20. Juni 2012 in Oslo,<br />

Norwegen<br />

Lothar Jordan<br />

2012 fand die Jahrestagung von ICLM wie zuletzt 2005<br />

erneut in Skandinavien statt, diesmal in Oslo, mit Besichtigungen<br />

und Veranstaltungen in weiteren Orten Südnorwegens.<br />

Das Tagungsthema galt den Beziehungen zwischen den<br />

Literatur- und Komponistenmuseen und dem genius loci,<br />

den spezifischen Traditionen, der Mentalität, der Atmosphäre<br />

des Ortes und der Region, in denen die Museen angesiedelt<br />

sind. Es schloss die Frage ein, welche Rolle entsprechende<br />

Elemente in den Werken der Schriftsteller und<br />

Komponisten in den Museen spielen. Vierzehn Referate aus<br />

sieben Ländern stellten u. a. anhand der Autoren Goffredo<br />

Parise, Lu Xun, Henrik Ibsen, den Brüder Grimm und August<br />

Strindberg die entsprechende lokale Anbindung verschiedener<br />

Häuser vor. Doch wurde dies auch gelegentlich<br />

in den übergreifenden Rahmen regionaler und nationaler<br />

Kulturpflege gerückt.<br />

Hat ein Dichter eine besondere nationale Bedeutung, so<br />

sind ihm oft sogar mehrere Museen gewidmet. Im Falle des<br />

chinesischen Dichters Lu Xun sind das sechs, wie Huang<br />

Qiaosheng (Peking) darlegte, sich zugleich für mehr Vielfalt<br />

in der musealen Literaturpflege aussprechend.<br />

Haupttagungsorte waren das Haus der Stiftung Fritt Ord<br />

(Freies Wort) und das Ibsen-Museum. Beide Einrichtungen<br />

führten in ihre Zielsetzungen und in aktuelle Projekte ein.<br />

Mit Beziehung zum Ibsen-Museum gab es in der nahegelegenen<br />

Nationalbibliothek eine Vorstellung der Internet-<br />

Datenbank Ibsen.net.<br />

Im Ibsen-Museum wurde im Rahmen der Jahresversammlung<br />

auch die aktuelle ICLM-Publikation 2012 vorgestellt:<br />

der Sammelband der Jahrestagung 2011 in Chiaravalle,<br />

Italien (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2012, S. 43): Literature and Music.<br />

Dem Buch konnte erstmals eine DVD beigegeben werden.<br />

Sie enthält Fotos und die Dokumentation zweier Konzerte,<br />

die Teil der Jahrestagung 2011 gewesen sind, darunter ein<br />

Klavierkonzert von Maestro Gregorio Nardi, der in Florenz<br />

ein Museum leitet.<br />

Weitere Tagungsorte waren das Skimuseum auf dem<br />

Holmenkollen und das Asker-Museum bei Oslo. Dabei handelt<br />

es sich um ein Museumsensemble u. a. mit zwei Künstlerhäusern,<br />

in denen z. B. die Schriftstellerin Hilda Valstad<br />

und der Schriftsteller Arne Garborg gelebt haben. Im Asker-Museum<br />

wurde das Thema der Tagung besonders lebendig,<br />

da das Museum in der Verbindung von Kultur- und<br />

Naturpflege zu einem zentralen Begegnungs- und Identifikationsort<br />

für die Kommune geworden ist.<br />

Besichtigt wurden, in der Nähe von Lillehammer, ferner<br />

die Literaturmuseen für Alf Prøysen und für Sigrid Undset,<br />

die 1928 den Literaturnobelpreis erhalten hat.<br />

ICLM empfand es als eine besondere Ehre, dass der Bürgermeister<br />

der Stadt Oslo die Tagungsteilnehmer im gleichen<br />

Raum des Rathauses zu einem Empfang begrüßte, in<br />

dem zwei Tage zuvor die Friedensnobelpreisträgerin Aung<br />

San Suu Kyi (Burma), 21 Jahre nach ihrer offiziellen Auszeichnung,<br />

nun ihre Nobelpreisrede gehalten hatte.<br />

Unterstützt wurde die Jahrestagung von der Stiftung<br />

Fritt Ord, <strong>ICOM</strong> Norwegen und den Kommunen Oslo und<br />

Asker. Trotz dieser Förderung waren die Aufwendungen<br />

aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Oslo für die<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer so hoch, dass deren Zahl<br />

zum ersten Mal seit einigen Jahren rückläufig war. Insgesamt<br />

nahmen vierzig Mitglieder und drei Gäste an der<br />

Veranstaltung teil. Erfreulicherweise kam aber wiederum<br />

eine beachtliche Gruppe aus China.<br />

Professor Dr. Lothar Jordan ist Präsident von ICLM und Mitglied des<br />

Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Er leitet die Arbeitsgruppe Bildung<br />

und Forschung des UNESCO-Programms „Memory of the<br />

World“ (Weltdokumentenerbe); ICLM.Jordan@gmx.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Literature and Music. Proceedings of the ICLM Annual Conference<br />

2011. ISBN 978-88-907427-10. Preis: 20 Euro, einschl. DVD (ICLM-<br />

Mitglieder 15 Euro); nur DVD: 10 Euro (ICLM Mitglieder 8 Euro). Zu<br />

bestellen bei: aurelie.aubourg@icom.museum, zzgl. Versandkosten.<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet vom 12. bis 15. August <strong>2013</strong> im Rahmen<br />

der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> in Rio de Janeiro statt, am<br />

13. und 14. August gemeinsam mit CAMOC. Titel: CITY TEXTureS: Reflecting<br />

the City in Literature and Museums.<br />

Stefan Bohman, Direktor des Strindberg-Museums in Stockholm, berichtete<br />

am Beispiel seines Hauses über die Problematik der Authentizität<br />

eines Dichtermuseums. Das Museum wurde 1973 gegründet<br />

und befindet sich in Strindbergs letzter Unterkunft.<br />

Foto: Udo Schröter, Wikimedia Commons, CC-BY-3.0<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 47


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICME – International Committee for Museums<br />

of Ethnography<br />

Commodifying Culture? Cultural Villages<br />

and Living Museums<br />

Jahrestagung vom 12. bis 14. September 2012<br />

in Windhoek, Namibia<br />

Lydia Icke-Schwalbe<br />

Die Jahrestagung der internationalen Arbeitsgruppe von<br />

Mitarbeitern ethnographischer Museen entwickelte sich zu<br />

einer sehr angeregten, lebendigen und konstruktiven Diskussionsrunde<br />

zu den im Thema angesprochenen Fragen.<br />

Kultur- und Sozial-Anthropologen, Museumsexperten von<br />

Finnland bis Australien, von den USA bis Südafrika waren<br />

der Einladung der jungen Museums Association of Namibia<br />

gefolgt. Ihr Leiter, Dr. Jeremy Silvester, zugleich Präsident<br />

von <strong>ICOM</strong> Namibia, hatte erstmalig die internationale Gemeinschaft<br />

in das südwest-afrikanische Land eingeladen,<br />

das erst 1990 seine staatliche Autonomie und Unabhängigkeit<br />

erlangt hatte. Daher begann diese Jahrestagung mit<br />

dem Abspielen der Nationalhymne.<br />

Der stellvertretende Bürgermeister der Hauptstadt Windhoek<br />

führte in seiner herzlichen Willkommensrede die internationalen<br />

Konferenzteilnehmer in seine Stadt, in sein<br />

Land mit demokratischer Verfassung ein, voll Stolz über<br />

das Erreichte in einem Territorium aus Wüsten und Savannen,<br />

doppelt so groß wie <strong>Deutschland</strong>, mit etwas mehr als<br />

zwei Millionen Einwohnern aus dreizehn ethnischen Gemeinschaften<br />

mit eigenen Sprachen und Dialekten. Er betonte<br />

den hohen Bildungsstand der Bevölkerung von 85<br />

Prozent und das sauberste Trinkwasser von ganz Afrika.<br />

Die namibischen Gemeinschaften waren in großer Zahl<br />

vertreten und repräsentierten die „lebenden traditionellen<br />

Kulturen“ in der gegenwärtigen demokratischen Gesellschaftsstruktur<br />

mit Stolz und Würde. Ein Vertreter der Museumsassoziation<br />

Namibias erhob zugleich die Frage nach<br />

der Revitalisierung – notwendig oder konservativ? – einzelner<br />

verlorener oder abgelegter Traditionen angesichts einer<br />

demokratischen, christlich-ethischen Verfassung und<br />

der Christianisierung unter den namibischen Gemeinschaften<br />

zu über neunzig Prozent.<br />

Die Rolle des Museums als eines modernen Versammlungshauses<br />

traditioneller Kulturen gegenüber verstaubten<br />

„Kolonialmuseen“ mit Fremdblick auf die eigene Kultur<br />

und Lebensweise wurde ernsthaft und in gesellschaftlicher<br />

Verantwortung füreinander in allen Sessionen diskutiert.<br />

Afrikanische Kollegen und Kolleginnen aus Südafrika und<br />

Namibia diskutierten vor allem die Herausforderung und<br />

das gleichzeitige Dilemma in Verbindung mit der musealen<br />

Präsentation von kulturellem Erbe, sei es in archäologischen<br />

Zonen, in „Kultur-Dörfern“ (living museums) oder<br />

früheren Kolonialmuseen. Zahlreiche internationale Kollegen<br />

referierten über unterschiedliche Aspekte zum Umgang<br />

der Museen mit Folklore. Ihre Abstracts lagen zu<br />

Beginn der Konferenz in ausgedruckter Form als Ergänzung<br />

zum Gesamtprogramm vor. Die Betonung lag auf<br />

möglicher Authentizität musealer Darstellungen – wann ist<br />

etwas authentisch und für wen? – und auf Identität in den<br />

Mit der Eröffnung des „lebenden Museum“ wurde 2010 der Versuch<br />

gestartet, die „verlorene Kultur“ der Damara zu rekonstruieren. Es soll<br />

zum Erhalt der Kultur beitragen und der Gemeinschaft der Damara zu<br />

einem geregelten Einkommen verhelfen.<br />

cultural villages. Eine entsprechende Damara-Siedlung wurde<br />

den Konferenzteilnehmern bei der anschließenden Landestour<br />

nahegebracht – verkaufbare Tourismusattraktion<br />

als moderner Wirtschaftsfaktor.<br />

In meinem Beitrag habe ich die historische, europäische<br />

Konzeption von Museen analysiert und die im <strong>ICOM</strong><br />

Code of Ethics for Museums beschriebenen Säulen als verbindliche<br />

Kriterien für den verantwortungsvollen Umgang<br />

mit dem kulturellen Erbe der Völker der Welt unterstrichen.<br />

Nützliche Vorlage dafür war auch der Tagungsband zum<br />

Bodensee-Symposium 2000 in Lindau: Das Museum als<br />

Global Village.<br />

Ein wichtiges Ergebnis der ausgefüllten, vor allem von<br />

den Dozenten und Studenten der Universität Windhoek gut<br />

genutzten ICME-Tagung war, dass die Museen in sozialer<br />

und kultureller Verantwortung global und mit wechselseitiger<br />

Akzeptanz kooperieren müssen, um regional bildend<br />

und identitätsstiftend zu sein. So könne auch wissenschaftlich<br />

dokumentierte Menschheitsgeschichte, das gemeinsa<br />

me kulturelle Erbe, gepflegt und bewahrt werden. Die<br />

Diskussion endete in einem akademischen Diskurs zur<br />

Geschichte der Ethnographie als Teil der Wissenschaft von<br />

der Geschichte der Menschheit, der Anthropologie.<br />

Lebendige Traditionen, seien sie authentisch oder rekonstruiert,<br />

bezeugen den Sinn und Wert von materiellen und<br />

immateriellen Schöpfungen und können in entsprechender<br />

Präsentation sogar friedensstiftend wirken. Ethnographische<br />

Museen haben ein bedeutendes Potential zur Nationenbildung.<br />

Interkulturelle Treffen und respektvolle Diskussionen<br />

seien hoch zu schätzen und auch in Zukunft wertvoll, betonte<br />

die Präsidentin von ICME, Annette B. Fromm, in der<br />

abschließenden Zusammenfassung.<br />

Dr. Lydia Icke-Schwalbe war viele Jahre im Staatlichen Museum für<br />

Völkerkunde in Dresden tätig, von 2000 bis 2004 war sie Mitglied im<br />

Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; ickeschwalbe@gmx.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Abstracts und Fotos der Jahrestagung 2012: icme.icom.museum<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt.<br />

48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICME – International Committee for Museums<br />

of Ethnography<br />

Commodifying Culture? Cultural Villages<br />

and Living Museums<br />

Post-conference tour vom 15. bis 18. September 2012<br />

in Namibia<br />

Anette Rein<br />

Während der sehr anregenden ICME-Jahreskonferenz mit<br />

rund sechzig Teilnehmenden aus Afrika, Korea, USA und<br />

Europa führte uns bereits das jeweilige Nachmittagsprogramm<br />

zunächst in das Owela Display Center des Nationalmuseums<br />

Namibia in Windhoek. In diesem Landesmuseum,<br />

1907 von der Deutschen Kolonialregierung gegründet<br />

und nach der Unabhängigkeit 1996 umbenannt, vermitteln<br />

viele Dioramen – das älteste von 1962 – und eine Naturkundesammlung<br />

einen Eindruck von Mensch und Natur.<br />

Kritische Betrachtungen zu Stereotypen und Rassekunde<br />

differenzieren den naturkundlichen Blick.<br />

Ferner besuchten wir historisch bedeutsame Orte: das<br />

nationale Kriegsdenkmal von Namibia, den sogenannten<br />

Heldenacker, Heroes Acre, den Heldenfriedhof, Old Location<br />

Cemetery oder auch Heroes and Heroines Memorial<br />

Grave genannt, auf dem zahlreiche Protest-Opfer des Jahres<br />

1959 begraben sind, die Frauenkooperative Penduka<br />

in Katutura, die sich auf die Herstellung von Glasperlen,<br />

Textilien und Keramiken spezialisiert hat, sowie lokale<br />

(Kunst-)Märkte und ausgewählte Restaurants. Eine dreitägige<br />

Busreise mit 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

führte uns schließlich vom 15. bis 18. September in den<br />

Norden Namibias.<br />

Die hervorragend organisierte Tour umfasste drei Themen:<br />

lokale Touristenmärkte, auf denen der Bedarf an<br />

Souvenirs gedeckt werden konnte, Savannenlandschaft mit<br />

ihrer reichen Tierwelt und kulturelle Zentren, deren Aktivitäten<br />

die Diskussionen während der Konferenz ergänzten.<br />

Der erste Tag führte über Omaruru nach Twyfelfontein,<br />

einem trockenen Tal im Damara-Bergland, welches durch<br />

Berghänge aus roten Sandsteinfelsblöcken mit tausenden<br />

von Felsritzungen charakterisiert ist. Das bisher einzige<br />

Weltkulturerbe Namibias wurde vor rund 2 500 Jahren<br />

von den damals hier lebenden San mit Petroglyphen – meist<br />

in Tierform – gestaltet.<br />

Der anschließende Besuch des Damara Living Museum<br />

konfrontierte uns mit einer zeitgenössischen Interpretation<br />

des Konferenzthemas living traditions. Unterhalb einer<br />

pittoresken Felsformation wurden „ursprüngliche“ Lebensformen<br />

der Damara aus der Pre-contact-Zeit nach dem<br />

Front-stage-Prinzip als angeblich authentisches Kulturerbe<br />

für Touristinnen und Touristen aufgeführt. Dass es sich<br />

dabei um eine Rekonstruktion aus zeitgenössischer Perspektive<br />

handelte, wurde nicht nur durch die Kombination<br />

verschiedener Elemente aus unterschiedlichen Kulturen und<br />

Zeiten deutlich, so etwa durch die weibliche Lederbekleidung,<br />

die meist nur aus einem knappen Lendenschurz bestand,<br />

durch die digitalen Taschenrechner im Kassenbereich<br />

und durch die Nennung lateinischer Namen von Heilpflanzen.<br />

Die aufkommenden Zweifel an einer Sinnhaftigkeit<br />

Das Damara Living Museum legt Wert auf die Authentizität der gelebten<br />

Traditionen, es soll keine Kompromisse an das moderne Leben<br />

geben. Das veranlasste die Teilnehmer zur Reflexion über living traditions<br />

zwischen Anspruch und Wirklichkeit.<br />

dieser Inszenierung verstärkten noch einmal unsere Wahrnehmung<br />

bezüglich der Schwierigkeit einer Beurteilung der<br />

Situation durch uns „fremde Reisende“, da die Arbeitsplätze<br />

im living museum den Khoekhoegowab sprechenden Gemeinden<br />

ein regelmäßiges Einkommen sichert.<br />

Trotz des großen Feuers im Etosha-Park hatten wir das<br />

Glück, u. a. fast alle Tierarten der big five in freier Wildbahn<br />

und am Wasserloch in Namutoni in Ruhe beobachten<br />

zu können.<br />

Der Oshikoto-See konfrontierte uns mit der Geschichte<br />

der Herero-Kriege. Die Deutschen versenkten hier im Ersten<br />

Weltkrieg viele Waffen und Geschütze, von denen wir<br />

einige am nächsten Tag im Tsumeb Museum besichtigten –<br />

neben Vitrinen, gefüllt mit traditionellen Objekten verschiedener<br />

Ethnien Namibias, historischen Darstellungen<br />

von Kriegen und dem Bergbau von Tsumeb.<br />

Zeitgenössische Tanzinterpretationen von Mädchen und<br />

Jungen der Umgebung unterhielten uns am letzten Abend<br />

im Helvi Mpingana Kondombolo Cultural Village, wo am<br />

Beispiel traditioneller Wohnformen auch über die jüngere<br />

Geschichte der Apartheid erzählt wird.<br />

Die Rückreise führte uns ins Cheetah Conservation Fund,<br />

wo uns Programme zur Arterhaltung von Geparden in<br />

freier Wildbahn erläutert wurden. Ein Besuch auf dem<br />

Markt von Okahandja rundete die sehr informative und<br />

vielfältige Reise durch die Steppen Namibias ab. An dieser<br />

Stelle möchte ich noch einmal Jeremy Silvester (Museums<br />

Association Namibia) danken, der nicht nur alles organisierte,<br />

sondern uns während der drei Tage unermüdlich mit<br />

Informationen und Erfrischungen versorgte.<br />

Dr. Anette Rein ist als freiberufliche Ethnologin tätig. Seit 2007 ist sie<br />

Mitglied im Vorstand von ICME, von 2005 bis 2010 war sie Mitglied<br />

im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; ar_welten@yahoo.de.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 49


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

IC Memo – International Committee of Memorial<br />

Mu seums in Remembrance of the Victims of Public<br />

Crimes<br />

The Memories of the Border, Exiles,<br />

Internments and Humanitarian Help<br />

Jahrestagung vom 7. bis 9. November 2012<br />

in Perpignan, Frankreich<br />

Rosmarie Beier-de Haan, Markus Moors<br />

Im Zentrum der Tagung standen Museen und Gedenkstätten<br />

in der französisch-spanischen Grenzregion der Pyrénées<br />

orientales, die sich mit staatlicher Gewalt im 20. Jahrhundert,<br />

insbesondere mit dem Nationalsozialismus, dem Vichyund<br />

dem Franco-Regime auseinandersetzen.<br />

Denis Peschanski betonte, dass es sich dabei um Erinnerungen<br />

handle, die bis heute keinen Platz im kollektiven<br />

Gedächtnis Frankreichs gefunden hätten, und sprach über<br />

das „Regime der Memorialisierung“: Die Helden (résistance)<br />

wie die Opfer (Juden) böten sich zur Memorialisierung an,<br />

nicht jedoch die Spanienflüchtlinge, die bis in die jüngste<br />

Vergangenheit als „fünfte Kolonne“ betrachtet worden<br />

seien. Noch heute sei im kollektiven Gedächtnis Frankreichs<br />

eine „Erinnerung ohne Lager“ vorherrschend. Gefragt nach<br />

der zukünftigen Bedeutung der entstehenden Gedenkstätte<br />

Rivesaltes Memorial Project, war Peschanski der Ansicht,<br />

dass sie Teil einer größeren Entwicklung sei, zu der man<br />

einen spezifischen Beitrag leisten könne.<br />

Auch in Spanien scheint die Erinnerung an Bürgerkrieg<br />

und Franco-Herrschaft bis heute problematisch, ja häufig<br />

unerwünscht zu sein. Während die von der Legion Condor<br />

zerstörte Stadt Guernica seit langem zur nationalen Ikone<br />

avanciert ist, so Museumsdirektorin Iratxe Momoitio<br />

As torkia, sind Bürgerkrieg, Massenexodus und franquismo<br />

nach wie vor ein „beschwiegenes“ Thema, wie Jordi Guixé<br />

von der Universität Barcelona und Jordi Font Agulló, Leiter<br />

des Museu Memorial de l’Exili in La Jonquera, ausführten.<br />

Beide sehen in ihrem Land derzeit nur wenig Chancen für<br />

eine offene, selbstkritische Gedächtniskultur.<br />

Der Vortrag von Eric Villagordo, Universität Montpellier,<br />

öffnete den Horizont in eine neue Richtung: Welche spezifischen<br />

Möglichkeiten hat die Kunst, im geschichtskulturellen<br />

Erinnerungsraum zu wirken? Villagordo stellte die<br />

lange vergessenen Fotografien von Manuel Moros vor, die<br />

in ihrer bezwingenden Schwarzweiß-Ästhetik die retirada,<br />

den Exodus der spanischen Bürgerkriegskämpfer über die<br />

Pyrenäen, zu einem Leidens-Bild des Menschen schlechthin<br />

überhöhten.<br />

Eingerahmt wurden die Referate und Diskussionen durch<br />

beeindruckende Exkursionen, die die gesamteuropäische<br />

Bedeutung der Erinnerungslandschaft im französischen und<br />

spanischen Katalonien verdeutlichten. Auf dem Lagergelände<br />

von Rivesaltes, nördlich von Perpignan, reicht der<br />

Bogen der ehemaligen Insassen von spanischen Flüchtlingen<br />

vor Franco über internierte Flüchtlinge aus dem NS-besetzten<br />

Mitteleuropa, aus deren Reihen viele Juden, Sinti<br />

und Roma im Jahr 1942 von hier aus auf den Weg in die<br />

deutschen Vernichtungslager in Osteuropa geschickt wurden.<br />

Nach der Befreiung Frankreichs waren deutsche Kriegsgefangene<br />

in Rivesaltes inhaftiert. In den 1960er Jahren<br />

wurden in den Baracken die Familien von Algeriern untergebracht,<br />

die zuvor in ihrer Heimat auf der Seite der französischen<br />

Kolonialmacht gekämpft hatten. Schließlich diente<br />

das Lager nach 1986 noch lange Jahre als Abschiebegefängnis<br />

für illegale Einwanderer. 2015 soll nach den Entwürfen<br />

des Architekten Rudy Riciotti eine Gedenkstätte<br />

eröffnet werden, die an alle Facetten der Lagergeschichte<br />

erinnert.<br />

Eine andere Exkursion führte in den spanischen Grenzort<br />

Portbou zu dem vom israelischen Künstler Dani Karavan<br />

gestalteten Gedenkort „Passagen“, der an den hier zu<br />

Tode gekommenen Philosophen Walter Benjamin erinnert.<br />

Die Fahrt führte weiter nach La Jonquera in das 2008 eröffnete<br />

spanisch-katalanische Exilmuseum (www.museuexili.cat).<br />

Nicht wenige der republikanischen Flüchtlinge,<br />

die sich vor der beginnenden Franco-Diktatur in Sicherheit<br />

bringen wollten und deren Schicksal hier dokumentiert<br />

wird, fanden sich später als gefangene Widerstandskämpfer<br />

in deutschen Konzentrationslagern wieder.<br />

Insgesamt zeichnete sich die von IC Memo unter seinem<br />

Präsidenten Jon Reitan in Kooperation mit Partnereinrichtungen<br />

in Frankreich und Spanien exzellent konzipierte und<br />

organisierte Tagung, an der rund dreißig Museumsexperten<br />

aus Europa, den USA und Japan teilnahmen, durch ein<br />

hohes intellektuelles Niveau und intensive Diskussio nen<br />

aus.<br />

Professor Dr. Rosmarie Beier-de Haan ist als Sammlungsleiterin und<br />

Ausstellungskuratorin am Deutschen Historischen Museum in Berlin<br />

tätig. Von 2005 bis 2010 war sie Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>; beier@dhm.de. Markus Moors arbeitet als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Kreismuseum Wewelsburg;<br />

moorsm@kreis-paderborn.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Ausführlicher Tagungsbericht mit zahlreichen Abbildungen, in Englisch:<br />

www.ic-memo.org<br />

Die Tagungsteilnehmer besuchten das Camp de Rivesaltes. Auf dem<br />

heute teilweise verwahrlost wirkenden Gelände entsteht eine Gedenkstätte,<br />

in der die Geschichte des Lagers aufgearbeitet wird.<br />

Foto: Rosmarie Beier-de Haan<br />

50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICMS – International Committee for Museum Security<br />

Threats for the Collections and the<br />

Evacuation of Collections in Case of<br />

Disasters or Threat<br />

Jahrestagung vom 8. bis 12. Oktober 2012 in Tiflis,<br />

Georgien<br />

Hans-Jürgen Harras<br />

Nach den kriegerischen Ereignissen des Jahres 2008 haben<br />

sich in Georgien mehrere Museen zum Georgischen<br />

Nationalmuseum unter der Leitung des Generaldirektors<br />

David Lordkipadnize zusammengeschlossen. Dieser Museumsverbund<br />

hat in der Folgezeit große Fortschritte bei<br />

der Museumsentwicklung und Erneuerung der Museumslandschaft<br />

gemacht. Unter anderem wurde mit Unterstützung<br />

der Europäischen Union ein Twinning-Projekt auf<br />

die Beine gestellt mit dem Ziel, bei den Planungen zum<br />

Aufbau eines neuen Restaurierungs- und Konservierungszentrums<br />

Erfahrungen und best practices aus den etablierten<br />

Museumsländern Europas zu vermitteln. Den Zuschlag<br />

der Ausschreibung erhielt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz,<br />

deren Mitarbeiter zusammen mit Experten des Bundesamtes<br />

für Bauwesen diese Aufgabe erfolgreich bewältigten.<br />

Während dieses Projektes kam der Gedanke auf,<br />

in Georgien auch eine Jahrestagung des ICMS durchzuführen.<br />

Die georgische Seite griff diese Idee begeistert auf,<br />

und so startete die Tagung nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit<br />

in der zweiten Oktoberwoche.<br />

In den Vorträgen der aus verschiedenen Ländern angereisten<br />

ICMS-Mitglieder ging es besonders um die unterschiedlichen<br />

Bedrohungen, denen Sammlungen und Besucher<br />

ausgesetzt sein können, und um die Gefahrenabwehr,<br />

die durch die verschiedenen Herangehensweisen in den einzelnen<br />

Ländern und deren spezifischen Situationen beim<br />

Risikomanagement geprägt sind. Evakuierungen von Sammlungsbeständen<br />

werden in den verschiedenen Museen unterschiedlich<br />

vorbereitet und bedacht. In einigen Fällen<br />

werden sehr detaillierte Raumpläne der Sammlungen mit<br />

Prioritätskennzeichnungen für den Abtransport der Sammlungsstücke<br />

im Evakuierungsfall vorgehalten. In anderen<br />

Museen wird auf die schnelle Bildung von Notfallteams im<br />

Gefahrenfall gesetzt. Grundlage bildet dann ein Notfallplan,<br />

der die ersten Schritte und die Informationskette zum<br />

Einberufen eines Notfallteams mit der je nach Lage erforderlichen<br />

Fach- und Entscheidungskompetenz gewährleistet.<br />

Anhand realer Fälle aus den vergangenen Jahren wurde<br />

auch gezeigt, dass es so möglich ist, im Gefahrenfall die<br />

betroffenen Teile der Sammlungen innerhalb des Museums<br />

zu transportieren. Damit kann eine Evakuierung nach außen<br />

verhindert werden. Vorteil: Die verlagerten Sammlungsgüter<br />

bleiben unter den gleichen klimatischen und Sicherheitsbedingungen<br />

aufbewahrt. Diese Szenarien basierten<br />

auf den erfolgreichen Verfahren und Abläufen der In-house-<br />

Evakuierungen, die die Staatlichen Kunstsammlungen in<br />

Dresden während der Flut im Jahre 2002 und die Staatlichen<br />

Museen zu Berlin beim Brand im Hamburger Bahnhof angewendet<br />

hatten.<br />

Ein Höhepunkt der Jahrestagungen sind die Risikobewertungen für<br />

Museen vor Ort, hier für das Open-Air-Museum in Tiflis. Die Tagungsteilnehmer<br />

ermittelten in Arbeitsgruppen die Folgen für bestimmte<br />

Gefahrensituationen und gaben Hinweise zur Risikominderung.<br />

Weitere Vorträge fokussierten die Gefährdungen für archäologische<br />

Ausgrabungsstätten, die an den Beispielen von<br />

Moldawien und Kenia vorgestellt wurden, sowie mögliche<br />

Bedrohungen durch Amokläufer und Hinweise zum Verhalten<br />

in derartigen Situationen.<br />

Im Rahmen eines Workshops erarbeiteten die Konferenzteilnehmer<br />

für das Open-Air-Museum in Tiflis eine<br />

Risikoanalyse sowie kostengünstige Empfehlungen zur Risikominderung.<br />

Diese wurden den georgischen Kollegen am<br />

nächsten Tag präsentiert und mit ihnen diskutiert.<br />

Am Exkursionstag machten die Gastgeber voller Stolz auf<br />

die rasante Entwicklung des Landes und insbesondere der<br />

Museen am Beispiel der restaurierten Tempelanlage von<br />

Achalziche aufmerksam. Diese wurde in 15monatiger Bauzeit<br />

wiederhergestellt. Zur Anlage gehört auch ein sehenswertes<br />

Museum, dessen Ausstellung in einer Rekordzeit<br />

von nur drei Wochen eingerichtet und das erst im September<br />

2012 eröffnet wurde.<br />

Hans-Jürgen Harras leitet das Referat Sicherheit der Staatlichen<br />

Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Von 2007 bis<br />

2010 war er Präsident von ICMS; h.j.harras@smb.spk-berlin.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt. Titel: Museum Security Ensures Memory<br />

and Continuity. Für Mitglieder aus Entwicklungsländern stehen Stipendien<br />

zur Verfügung: network.icom.museum/icms/<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 51


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

<strong>ICOM</strong>AM – International Committee for Museums of<br />

Arms and Military History<br />

Military Heritage in Oman and the Middle<br />

East and the Relationship with the<br />

Outside World<br />

Jahrestagung vom 6. bis 10. Oktober 2012 in Maskat<br />

und Nizwa, Oman<br />

Alfred Geibig<br />

Zum ersten Mal fand eine <strong>ICOM</strong>AM-Jahrestagung in<br />

einem Staat des Mittleren Ostens, im Sultanat Oman statt.<br />

Nach einem Flug von rund neun Stunden empfing uns gegen<br />

zehn Uhr abends die Hauptstadt Maskat mit ausgesprochen<br />

„milden“ Temperaturen um dreißig Grad Celsius.<br />

Ein Shuttle brachte uns zu unserem Tagungsort, der rund<br />

eineinhalb Fahrtstunden von der Hauptstadt entfernt liegenden<br />

Universität von Nizwa.<br />

Ab dem nächsten Morgen erwartete uns ein straff organisiertes<br />

Tagungsprogramm, das mit einer feierlichen Eröffnung<br />

begann. Umrahmt von künstlerischen und kulturellen<br />

Darbietungen sprachen der Kanzler der Universität<br />

Nizwa, Ahmed Bin Kalfan Al Rawahi, der Präsident von<br />

<strong>ICOM</strong>, Hans-Martin Hinz, der Präsident von <strong>ICOM</strong>AM,<br />

Piet de Gryse, sowie der vor Ort wirkende Organisator<br />

Christopher Roads.<br />

Nach dem Besuch einer Sonderaustellung zu Feuerwaffen<br />

des 16. bis 21. Jahrhunderts konzentrierten wir uns auf das<br />

erste große Paket von insgesamt zehn Vorträgen, die sich<br />

vor allem mit der lokalen Geschichte und der Technik von<br />

Feuer- bzw. Blankwaffen lokalen und europäischem Ursprungs,<br />

ihrer Spiegelung in europäischen Sammlungen und<br />

ihrer Funktion als Trachtbestandteile auseinandersetzten.<br />

Der erste Teil des zweiten Konferenztages gehörte wieder<br />

den Vorträgen, die sich den omanischen Burgen, ihrem Ursprung,<br />

ihrer Typologie, Funktion und ihrer Erhaltung als<br />

Denkmäler widmeten. Beschlossen wurde der Tag durch den<br />

Besuch des Bait Ar Rudaydah Historic Small Arms Centre<br />

of Excellence, einer Ausstellung von Handfeuerwaffen, die<br />

vor allem durch Großmodelle und unkonventionelle Installationen<br />

den Besucher anzusprechen versucht.<br />

Der dritte Tag begann mit einer Fahrt zum Al-Hazm-<br />

Palast, einer großen, komplett restaurierten Anlage mit<br />

besonderen militärischen/fortifikatorischen Elementen und<br />

mit beachtlichem Geschützbestand. Bemerkenswert waren<br />

vor allem die zahlreichen, aufwendig und detailreich rekonstruierten<br />

Lafetten, die fachkundig mit ihren Rohren in<br />

funktionaler Aufstellung präsentiert werden. Nach einem<br />

Mittagessen im Burghof setzten wir unsere Exkursion zu<br />

weiteren Burgen fort, die, zusammen mit ihrer Artillerie,<br />

als omanisches Kulturerbe einen Schwerpunkt der Tagung<br />

bildeten.<br />

Der kommende Tag begann mit einem Besuch der Großen<br />

Sultan-Qabus-Moschee in Maskat, die in ihrer Pracht<br />

bei allen Teilnehmern einen großen Eindruck hinterlassen<br />

haben dürfte. Danach ging es weiter in das Ministerium für<br />

Geschichte und Kultur, wo uns Hassan Bin Mohammed<br />

Bin Ali Al-Lawati, der Präsident von <strong>ICOM</strong> Oman, zusammen<br />

mit zwei Kuratorinnen, über den Stand der Planungen<br />

für das zukünftige Omanische Nationalmuseum infor mierte.<br />

Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch des Bait-<br />

Al-Falaj-Museums (Sultan’s Armed Forces Museum), dem<br />

das Bait-Al-Zubair-Museum folgte. Letzteres bewahrt und<br />

präsentiert zahlreiche Objekte zur Geschichte und zu den<br />

Traditionen des Sultanats von Oman. Abschließend hatten<br />

wir Gelegenheit, den Matrah-Suk, den alten Markt in<br />

Maskat, zu besuchen, wo fast ein jeder sein individuelles<br />

Mitbringsel fand. Vor allem aber das riesige Angebot an<br />

Weihrauch und verwandten Räuchermitteln zeigt die besondere<br />

Bedeutung Omans in Produktion und Handel dieser<br />

über Jahrtausende begehrten und wertvollen Substanzen.<br />

Der fünfte und letzte Tag begann mit dem letzten Vortragsblock<br />

zu den Themen „Museen: Probleme und Lösungen“<br />

sowie „Waffenvignetten“.<br />

Nach der Generalversammlung ging es noch einmal nach<br />

Bait Ar Rudaydah, wo Christopher Roads sowie Angehörige<br />

der omanischen Streitkräfte unter dem Titel „Infantry<br />

Firepower through the Ages“ Feuerwaffen vom 16. bis zum<br />

21. Jahrhundert in Aktion präsentierten. Dabei wurde interessierten<br />

Teilnehmern ebenfalls die Gelegenheit gegeben,<br />

die Waffen selbst zu probieren.<br />

Der Abschiedsabend in Nizwa beschloss eine facettenreiche<br />

Tagung in einem bis zu diesem Zeitpunkt für die<br />

meisten Teilnehmer schönen, aber unbekannten Land.<br />

Die dreitägige post-conference tour vertiefte nochmals<br />

den Themenschwerpunkt „Omanische Burgen“, vermittelte<br />

aber auch, z. B. durch den Besuch einer alten Werft, wo<br />

in traditioneller Handwerkskunst Dhaus, die berühmten<br />

arabischen Holzschiffe, gebaut wurden, weitere Eindrücke<br />

zur omanischen Tradition und Kultur.<br />

Wir, die Teilnehmer der <strong>ICOM</strong>AM-Tagung, bedanken<br />

uns für die Gastfreundschaft, Offenheit und Hilfsbereitschaft<br />

unserer Gastgeber.<br />

Dr. Alfred Geibig leitet die Abteilung Historische Waffensammlung,<br />

Wagen und Schlitten, Orden, Medaillen und Münzen der Kunstsammlungen<br />

der Veste Coburg. Er ist Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong>AM;<br />

a.geibig@kunstsammlungen-coburg.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

<strong>ICOM</strong>AM-Magazin über Oman:<br />

www.klm-mra.be/icomam/icomam/magazine/issue07.<strong>pdf</strong><br />

Die Jahrestagung <strong>2013</strong> findet im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Rio de Janeiro statt. Titel: Acquisition and Disposal Policies:<br />

A Challenge<br />

Al-Hazm-Palast in der Batina-Ebene<br />

Foto: Alfred Geibig<br />

52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />

Conservation of Leather and Related<br />

Materials<br />

Tagung der Arbeitsgruppe Leather and Related Materials<br />

vom 29. bis 31. August 2012 in Offenbach,<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Jutta Göpfrich, Nina Frankenhauser<br />

Zu ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Fachkonferenz trafen<br />

sich dieses Jahr die Restauratoren, Naturwissenschaftler<br />

und Kunstwissenschaftler der <strong>ICOM</strong>-CC-Arbeitsgruppe<br />

für Leder und artverwandte Materialien im Deutschen<br />

Ledermuseum in Offenbach. Vor 23 Jahren, im Jahre 1989,<br />

hatte die Gruppe schon einmal am Deutschen Ledermuseum<br />

getagt.<br />

Ziel der internationalen Arbeitsgruppe ist der Fachaustausch<br />

zum Forschungsstand auf dem Gebiet der Lederkonservierung.<br />

Angereist waren achtzig Teilnehmer aus<br />

vierzehn Nationen. Die Gruppe um die Koordinatorin<br />

Céline Bonnot-Diconne, Frankreich (Assistentinnen: Carole<br />

Dignard, Kanada und Jutta Göpfrich, <strong>Deutschland</strong>), besteht<br />

aus rund fünfzig aktiv tätigen Mitgliedern. Hinzu kamen<br />

interessierte Gäste aus anderen Fachbereichen der Restaurierung,<br />

denn Leder ist als Kombinationsmaterial an fast allen<br />

Objektgruppen zu finden.<br />

In ihrer Begrüßungsrede unterstrich Céline Bonnot-<br />

Diconne, wie sehr sie es bedauert, dass Lederobjekte an vielen<br />

Museen so wenig Wertschätzung und Beachtung finden.<br />

Die Leder-Gruppe trägt durch ihre Aktivitäten und Veröffentlichungen<br />

dazu bei, die Bedeutung des Materials Leder<br />

hervorzuheben.<br />

Das zweitägige Tagungsprogramm überzeugte mit seiner<br />

Vielfalt. Es umfasste folgende Vorträge: Forschungen zur<br />

Bekleidung des Nordens; konservatori sche Maßnahmen an<br />

einem Naxi-Kriegerpanzer; Überblick über die Konservierung<br />

der ethnologischen Sammlungen in Italien; die Rolle<br />

der Lederforschung und Technologie in der englischen Kulturlandschaft;<br />

zur Fettungsproblematik von archäologischem<br />

Leder; zwei Vorträge zur Konservierung von archäologischem<br />

Nassleder; archäologisches Leder aus Ägypten;<br />

Pergamentherstellung in der Antike; naturwissenschaftliche<br />

Forschungen zur Gelatinierung von historischem Leder<br />

und zur mikroskopischen Analytik von degradierten<br />

Pergamentfasern; konservatorische Maßnahmen an mittelalterlichen<br />

Pergamentfragmenten; Konservierung von Pontifikalschuhen<br />

des 12. Jahrhunderts aus Italien; zwei Vorträge<br />

über Goldleder in drei italienischen Palästen des<br />

16. und 17. Jahrhunderts und in Belgien des 18. Jahrhunderts;<br />

Lederbezüge eines barocken Landsitzes in Italien;<br />

zwei Vorträge über die Restaurierung von Goldledertapeten<br />

in <strong>Deutschland</strong> und den Niederlanden; Ausarbeitung<br />

einer Datenbank zum Vergleich von Goldlederpunzen; kritische<br />

Betrachtungen zu früheren konservatorischen Maßnahmen<br />

an Goldleder; Montierungssysteme für Altarantependien<br />

aus Goldleder in Italien.<br />

Im Anschluss an das Programm startete die offizielle Empfangsveranstaltung<br />

mit dem Grußwort des Präsidenten von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, Klaus Weschenfelder. Er unterstrich<br />

Die Lederhosen wurden von den Schuhplattlern während eines Auftrittes<br />

durch das Aufklatschen der Hände als Klangkörper benutzt.<br />

die Bedeutung des Fachaustausches auf internationaler<br />

Ebene in <strong>Deutschland</strong> und würdigte die Initiative der Restauratorinnen<br />

des Deutschen Ledermuseums. Unser Dank<br />

gilt an dieser Stelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für die großzügige<br />

Unterstützung. Im kulturellen Abendprogramm war der Fokus<br />

darauf gelegt, durch die Musikdarbietungen die Bandbreite<br />

der <strong>ICOM</strong>-CC-Ledergruppe sowie der Sammlung des<br />

Deutschen Ledermuseums darzustellen. Nach einem hessischen<br />

Buffet machte die mongolische Gruppe Egschiglen,<br />

die in Landestracht mit typischen Instrumenten auftrat, den<br />

Auftakt. Sie sorgte für große Begeisterung. Diese wurde<br />

noch verstärkt, als nach dem Konzert die Schuhplattlergruppe<br />

des Bayern- und Gebirgstrachtenvereins aus Heidelberg<br />

Einzug in den Konzertsaal hielt. Die kernige Darbietung in<br />

bayerischer Tracht wurde von einem Akkordeonspieler begleitet.<br />

Die Lederhosen wurden von den Schuhplattlern während<br />

des Auftrittes durch das Aufklatschen der Hände als<br />

Klangkörper benutzt.<br />

Am Freitag fand eine Exkursion in den Rheingau nach<br />

Schloss Vollrads und Kloster Eberbach statt. In Schloss<br />

Vollrads informierten Restauratorinnen über zwei Projekte:<br />

die In-situ-Restaurierung einer Goldledertapete aus dem<br />

17. Jahrhundert und eines pergamentbezogenen mittelalterlichen<br />

Hohenzeug-Sattels des 14. Jahrhunderts. Zu Abschluss<br />

besichtigten wir das Kloster Eberbach, die Fundstätte<br />

der Pergamentfragmente, die zuvor in einem Vortrag<br />

vorgestellt worden waren.<br />

Jutta Göpfrich ist als leitende Restauratorin im Deutschen Ledermuseum<br />

/ Schuhmuseum Offenbach tätig. Sie engagiert sich als assistant<br />

coordinator der <strong>ICOM</strong>-CC-Arbeitsgruppe Leather and Related Materials;<br />

j.goepfrich@ledermuseum.de. Nina Frankenhauser ist als Restauratorin<br />

im Deutschen Leder mu seum/Schuhmuseum Offenbach tätig;<br />

frankenhauser@ledermuseum.de.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 53


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICR – International Committee for Regional Museums<br />

Home and Hearth: Regional Museums<br />

and Gastronomic Heritage<br />

Jahrestagung vom 22. bis 29. September 2012<br />

in Belgrad und Prijepolje, Serbien<br />

Otto Lohr<br />

Wie haben Migration und andere Veränderungen Gemeinschaften<br />

und Familienleben im Hinblick auf Speisen, Essgewohnheiten<br />

und -geräte beeinflusst? Wie unterscheiden<br />

sich Haushalte von religiösen und ethnischen Gruppierungen<br />

bei der Auswahl und der Zubereitung von Nahrungsmitteln?<br />

Welche unausgesprochenen Essgewohnheiten und -regeln<br />

gibt es? Diese und andere Aspekte des gastronomischen<br />

Erbes diskutierten die rund 45 Teilnehmer der Jahrestagung<br />

2012 des internationalen Komitees ICR in Belgrad<br />

und Prijepolje in Serbien. Impulsreferate und Präsentationen<br />

beleuchteten das Tagungsthema aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln. Ossama A. W. Abdel Meguid, Mitglied des<br />

<strong>ICOM</strong> Executive Council, gab in seinem Impulsreferat<br />

„Towards Regional Museums of Gastronomy / Nubian<br />

Food“ einen Überblick über die Besonderheiten der nubischen<br />

Küche mit der Verwendung von Okraschoten,<br />

Gerste und Palmherzen sowie Koriander als Gewürz. Er<br />

ging auf den Zusammenhang von Gastronomie und Handwerk<br />

speziell bei der Lagerung von Nahrung ein, bei der<br />

verschiedenste Körbe, Behältnisse und Werkzeuge verwendet<br />

werden. Er streifte auch den kulturellen Hintergrund<br />

und Formen der Etikette als immaterielles Erbe. Sein Museum<br />

in Assuan dokumentiert die traditionellen Gerichte<br />

und bietet Kochkurse für die lokale Bevölkerung an.<br />

In einem zweiten Impulsreferat „At the Table in Serbia“<br />

schilderte Vesna Bižić-Omćikus die jeweils unterschiedlichen<br />

typischen Essensgewohnheiten Serbiens, das in drei<br />

kulturelle und geografische Regionen gegliedert ist. Beeinflusst<br />

durch religiöse Vorschriften, durch die Migration von<br />

Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg und durch Minderheiten<br />

wie Roma und Juden, sind die traditionellen Gewohnheiten<br />

einem ständigen Wandel unterworfen. Das<br />

Ethnographische Museum bietet Kinderprogramme zu<br />

Esskultur und -gebräuchen in Serbien, wie Backen von Brot<br />

und Weihnachtskuchen sowie Kochen von Polenta. Goranka<br />

Horjan, Mitglied des <strong>ICOM</strong> Executive Council, berichtete<br />

von dem mit Mitteln aus einem EU-Regionalförderprogramm<br />

unterstütztem Projekt „Gastronomic Heritage<br />

Events in Hrvatsko Zagorje Region“, das interessierte<br />

Teilnehmer gezielt zu Programmen wie Weinlese, Schweineschlachten,<br />

Pilztage, Krautwochen etc. in die Region<br />

bringt. Maria José Santos schilderte die Veränderungen in<br />

der Küche Portugals nach der Entdeckung Amerikas und<br />

gab einen Überblick über Nahrungsmittel, die auf Gemälden<br />

und in Buchillustratio nen überliefert sind. Eine kurze<br />

Darstellung der Spezialitäten von Penafiel in der Dauerausstellung<br />

betont die Rolle des Museums in der Bewahrung<br />

von traditionellen Speisen. Eigene Programme für Kinder<br />

machen mit den Gerichten für spezielle Festtage vertraut.<br />

ICR hat dieses Jahr je ein Reisestipendium zur Förderung<br />

der Teilnahme junger <strong>ICOM</strong>-Mitglieder an internationalen<br />

Die Tagungsteilnehmer besichtigten das Freilichtmuseum in Sirogojno<br />

(Serbien). Auf rund 15 Hektar wird das Leben im 19. Jahrhundert<br />

z. B. anhand traditioneller Holzhäuser gezeigt.<br />

Arbeitsgruppen an Jasmina Uroda Kutlic vom Moslavina<br />

Museum in Kutina (Kroatien) und Wilbard Lema vom Nationalmuseum<br />

in Tansania vergeben. Mit den Vorträgen<br />

„Wine from the Clouds of the Emperor Claudius“ und<br />

„Food Habits and Taboos among the Tanzania Ethnic<br />

Groups” trugen beide Stipendiaten mit Beispielen aus ihrer<br />

Region zur Bereicherung des Tagungsprogramms bei.<br />

Neben den Vorträgen standen auch Besichtungen der Museen<br />

in Belgrad und in der Umgebung von Prijepolje auf<br />

dem Programm. Die ICR-Jahrestagung 2012, an der Museumsfachleute<br />

aus sechzehn Ländern teilnahmen, wurde<br />

von Mila Popovic-Zivancevic, Direktorin des Central<br />

Institute for Conservation in Belgrad, und im Namen von<br />

<strong>ICOM</strong> South East Europe Alliance (<strong>ICOM</strong> SEE) sowie<br />

von Slavoljub Pušica, dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Serbien<br />

und Direktor des Museums in Prijepolje, hervorragend organisiert.<br />

Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen<br />

Museen in Bayern, München. Dort ist er verantwortlich für die kunstund<br />

kulturhistorischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz<br />

sowie für die jüdischen Museen. Er ist Mitglied im Vorstand von ICR;<br />

otto.lohr@blfd.bayern.de.<br />

Weitere Informationen<br />

Fotogalerie der Jahrestagung 2012: network.icom.museum/icr<br />

Im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de Janeiro findet ein<br />

ICR-Exkursionstag statt.<br />

54 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Foto: fotolia, Paulo Neres<br />

Foto: CIDOC<br />

Foto: <strong>ICOM</strong><br />

Foto: Halley Pacheco de Oliveira, wikimedia commons, CC 3.0<br />

Die 23. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> – International Council of Museums –<br />

vom 10. bis 17. August <strong>2013</strong> in Rio de Janeiro, Brasilien<br />

in diesem Jahr das weltweit größte Treffen der Museumsexperten,<br />

auf dem Sie Kontakte knüpfen, Brücken bauen und Neues<br />

entdecken können unter dem Motto:<br />

Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />

Anmeldung: http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum


UMSCHAU<br />

Museen als Bildungsorte: eine Bilanz<br />

Potentiale aufzeigen, Wissen vermitteln: Mit diesem Anspruch ging das Projekt „Museen<br />

als Bildungsorte des 21. Jahrhunderts“ Anfang 2012 an den Start. Belarussische<br />

Museumsexperten erhielten die Gelegenheit, sich in zentralen Arbeitsfeldern fortzubilden.<br />

Mit den deutschen Referenten diskutierten sie zudem die Chancen, durch<br />

Museumsarbeit gesellschaftlichen Wandel zu gestalten.<br />

Kristiane Janeke<br />

Alla Staskevich, Vorsitzende von <strong>ICOM</strong> Belarus,<br />

händigt zum Abschluss der Seminarreihe<br />

die Zertifikate aus.<br />

Gute Nachrichten aus Belarus – die<br />

gibt es derzeit wohl nur im Museumsbereich.<br />

Im Jahre 2012 hat das Goethe-Institut<br />

Minsk in Kooperation mit<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Belarus<br />

und Tradicia History Service ein erfolgreiches<br />

Fortbildungsprogramm für<br />

Mitarbeiter weißrussischer Museen<br />

veranstaltet. In insgesamt sieben Seminaren<br />

und zwei je zweitägigen Workshops<br />

stellten Museumsexperten aus<br />

<strong>Deutschland</strong> aktuelle Themen und<br />

Entwicklungen des Ausstellungs- und<br />

Museumsmanagements vor und diskutierten<br />

darüber mit den belarussischen<br />

Kollegen.<br />

Den Auftakt machte Irmgard Zündorf<br />

(Zentrum für Zeithistorische<br />

Forschung, Potsdam) mit einem Einblick<br />

in die Diskussion von Zeitgeschichte<br />

und Museen, weitere Themen<br />

waren Museumsmarketing mit Katrin<br />

Hieke (projekt2508, Bonn), Gestaltung<br />

und Design mit Tobias Neumann und<br />

Moritz Schneider (neostudio, Berlin),<br />

Texte in Museen und Ausstellungen<br />

sowie Projektmanagement (Kristiane<br />

Janeke, Tradicia History Service,<br />

Minsk), Qualitätsmanagement für<br />

Museen (Hans Lochmann, Museumsverband<br />

für Niedersachsen und Bremen<br />

e. V.), Besucherorientierung und<br />

kulturelle Bildung (Anja Dauschek,<br />

Planungsstab Stadtmuseum Stuttgart),<br />

Sammlungsfragen mit Carola Jüllig<br />

(Deutsches Historisches Museum, Berlin)<br />

sowie die Zukunft der Museen,<br />

Netzwerke und Kooperationen (Jörn<br />

Brunotte, beramus, Berlin, und Franziska<br />

Nentwig, Stiftung Stadtmuseum<br />

Berlin/<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>).<br />

Belarussische und deutsche Museumsexperten<br />

lernen voneinander<br />

Je nach Thema war es für die Teilnehmer<br />

leichter oder schwieriger, eine<br />

Verbindung zur eigenen Arbeitswelt<br />

herzustellen. So war es erwartungsgemäß<br />

eine Herausforderung, die deutschen<br />

Erfahrungen im Umgang mit<br />

Geschichte und Erinnerung in Museen<br />

zu vermitteln. Eine vergleichbare öffentliche<br />

Diskussion findet in Belarus<br />

nicht statt, zeitgeschichtliche Museen<br />

in unserem Verständnis gibt es nicht.<br />

Unkomplizierter war die Vermittlung<br />

des Themas Marketing, da dies ein Bereich<br />

ist, der auch in belarussischen<br />

Museen bereits Einzug gehalten hat.<br />

Überraschend hingegen waren die anfänglichen<br />

Vermittlungsschwierigkeiten<br />

beim Thema Gestaltung. Da eine<br />

inhaltliche und prozessbegleitende Zu­<br />

56 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong>


Umschau<br />

Foto: Jana Rowdo<br />

Im Seminar „Museum und Markt“ diskutierten<br />

die Teilnehmer mit der Referentin Katrin<br />

Hieke (links) darüber, ob und wie Museumsmarketing<br />

in einem stark überwachten Land<br />

wie Belarus, in dem es Marktwirtschaft nach<br />

westeuropäischem Vorbild nicht gibt, überhaupt<br />

funktionieren könnte.<br />

sammenarbeit mit einem Ausstellungsgestalter<br />

in Belarus nicht bekannt ist,<br />

konnten erst Arbeitsbeispiele ein Verständnis<br />

für die Chancen und Möglichkeiten<br />

einer interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit wecken. Beim Ausstellungsmanagement<br />

stießen konkrete<br />

Erfahrungswerte zu Arbeitsorganisation,<br />

Zeitplanung und Objekthandling<br />

auf großes Interesse. Im Bereich<br />

der Sammlungen ist Belarus weit entwickelt,<br />

die Museen stehen vor ähnlichen<br />

Herausforderungen wie auch<br />

die westlichen Museen (Digitalisierung,<br />

Konservierung etc.). Dagegen waren<br />

Qualitätsmanagement und Besucherorientierung<br />

für die Teilnehmer weitestgehend<br />

Neuland ebenso wie mediale<br />

und soziale Herausforderungen<br />

der Museen für die Zukunft. Der Umgang<br />

mit Texten löste heftige Debatten<br />

über Darstellung und Interpretation<br />

von Inhalten aus.<br />

Für die Museumsarbeit vor Ort<br />

sind Netzwerke nötig<br />

Zu den Zielen des Goethe-Instituts<br />

gehörte außer der Fortbildung von Museumsfachleuten<br />

auch die Vermittlung<br />

von spezifisch deutschen Strukturen<br />

und Arbeitsweisen an eine möglichst<br />

breit gefächerte Gruppe von Mitarbeitern<br />

in allen Bereichen der Museen. Die<br />

Auswahl der Teilnehmer erfolgte daher<br />

auch bewusst aus unterschiedlichen<br />

Entscheidungsebenen, verschiedenen<br />

Generationen und allen Regionen<br />

des Landes. Die Diskussionen waren<br />

offen und kritisch, die Atmosphäre<br />

konstruktiv. Besonderes Interesse bestand<br />

an praktischen Beispielen aus<br />

<strong>Deutschland</strong> sowie an der Netzwerkbildung<br />

untereinander und mit deutschen<br />

Museen. In Belarus gibt es keinen<br />

Berufsverband, ein Austausch<br />

erfolgt eher auf der persönlichen Ebene.<br />

<strong>ICOM</strong> hat bisher nur wenige Mitglieder,<br />

da nur eine persönliche Mitgliedschaft<br />

erlaubt ist und diese für<br />

die meisten zu teuer ist. Eine erste landesweite<br />

Museumsmesse fand 2012 in<br />

Grodno statt. Der Austausch war hier<br />

jedoch stark reglementiert, <strong>ICOM</strong><br />

wurde als nicht-staatliche Institution<br />

erst gar nicht beteiligt.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen,<br />

dass das Programm einen positiven<br />

Impuls für die Weiterbildung im Museumsbereich<br />

geben konnte und die<br />

deutschen Referenten einen Einblick<br />

in eine in <strong>Deutschland</strong> weitgehend unbekannte<br />

Museumslandschaft erhielten.<br />

Zu danken ist dabei neben <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> für die Projektförderung<br />

auch dem Deutschen Museumsbund,<br />

der den Leitfaden Qualitätskriterien<br />

für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit<br />

auf Russisch zur Verfügung<br />

stellte, und der Museumsakademie<br />

Wolfenbüttel, die beratend zur<br />

Seite stand. Dank der Förderung von<br />

<strong>ICOM</strong> werden die Arbeitsmaterialien<br />

zu den Seminaren demnächst auf<br />

Deutsch und auf Russisch gedruckt<br />

er scheinen.<br />

Dr. Kristiane Janeke ist als Museumsberaterin,<br />

Ausstellungskuratorin und Dozentin tätig. Sie<br />

arbeitete u. a. am Deutschen Historischen<br />

Museum und Militärhistorischen Museum,<br />

zuletzt als Leiterin des Deutsch-Russischen<br />

Museums in Berlin. Sie forscht und veröffentlicht<br />

zu Fragen des Museumsmanagements<br />

und zum deutsch-russischen / belarussischen<br />

Museums- und Kulturbereich;<br />

www.tradicia.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Erfahrungsbericht von Katrin Hieke:<br />

uncatalogedmuseum.blogspot.de/<br />

2012/05/bridging-distances-view-frombelarus.html<br />

Zur Lage der belarussischen Museen:<br />

www.laender-analysen.de/belarus/<strong>pdf</strong>/<br />

BelarusAnalysen04.<strong>pdf</strong><br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2013</strong> | 57


UMSCHAU<br />

Aktenzeichen illegaler Handel … ungelöst!<br />

Zwar konnten Zoll und Polizei schon einige Fälle von illegalem Antikenhandel aufdecken,<br />

aber meist bleibt er unerkannt. Um Verbrechen verfolgen und aufklären zu<br />

können, benötigen die Behörden auch die Unterstützung aus den Museen.<br />

Silvelie Karfeld<br />

Sichergestelltes Objekt einer Plünderung in<br />

Afghanistan: Raubgräber sind vor allem in<br />

den Krisengebieten aktiv.<br />

Der organisierte illegale Handel mit<br />

archäologischem Kulturgut floriert<br />

weltweit nahezu uneingeschränkt. Die<br />

Objekte stammen aus Raubgrabungen<br />

und Plünderungen von Sammlungen.<br />

In <strong>Deutschland</strong> erfahren wir von illegalem<br />

Handel besonders mit Objekten<br />

aus den Ländern Osteuropas, der Mittelmeerregion,<br />

Lateinamerikas, den<br />

Krisengebieten des Nahen Ostens<br />

und auch aus archäologischen Stätten<br />

<strong>Deutschland</strong>s. Hierbei geht es nicht<br />

um Kavaliersdelikte, sondern um Straftaten<br />

wie Sachbeschädigung, Unterschlagung,<br />

Diebstahl, Hehlerei, Geldwäsche,<br />

Steuerstraftaten, Betrug und<br />

Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz.<br />

Bei archäologischen Funden handelt<br />

es sich in der Regel um Eigentum des<br />

Staates, das restriktiven Handels- und<br />

Exportregelungen unterworfen ist. Für<br />

irakisches Kulturgut etwa besteht in<br />

der Europäischen Union ein explizites<br />

Einfuhr-, Ausfuhr- und Handelsverbot.<br />

Dennoch kann der illegale Antikenhandel<br />

über Mittelsmänner seine<br />

Ware auf den Markt bringen. Da es zu<br />

den Objekten keine Erfassungs- oder<br />

Exportdokumente gibt, wird deren<br />

wahre Herkunft verschleiert.<br />

Werden Ihnen archäologische Gegenstände<br />

zum Kauf angeboten oder<br />

werden Sie gebeten, Objekte zu restau<br />

rieren oder Expertisen abzugeben,<br />

sollten Sie prüfen: Sind Dokumente<br />

des Landes der Fundstelle vorhanden<br />

(Fundmeldung, Exportlizenz), die eine<br />

legale Herkunft des archä ologischen<br />

Gegenstands zweifelsfrei belegen? Ist<br />

der konkrete Fundort bekannt? Sollen<br />

die archäologischen Gegenstände<br />

im Auftrag des Landes der Fundstelle<br />

gereinigt, restauriert, wissenschaftlich<br />

bearbeitet und publiziert werden?<br />

Wenn Sie diese Fragen mit „nein“<br />

beantworten und es keine plausiblen<br />

Gründe dafür gibt, sollten Sie das für<br />

Ihren Wohnort zuständige Landeskriminalamt<br />

informieren, gegebenenfalls<br />

über die nächste Polizeidienststelle.<br />

In vielen Fällen können die Verfolgungs<br />

behörden illegalem Antikenhan<br />

del nachgehen, wenn sie aus den<br />

Museen Hinweise dazu erhalten.<br />

Silvelie Karfeld ist im Referat SO36 – Eigentumskriminalität<br />

des Bundeskriminalamtes<br />

in Wiesbaden tätig.<br />

Adressen Landeskriminalämter<br />

Baden-Württemberg, Landeskriminalamt<br />

Taubenheimstraße 85, 70372 Stuttgart<br />

Telefon: 0711/5401-1430<br />

stuttgart.lka.440@lka.bwl.de<br />

Bayern, Landeskriminalamt<br />

Orleansstraße 34, 81667 München<br />

Telefon: 089/1212-1622<br />

blka.kunst@polizei.bayern.de<br />

Berlin, Landeskriminalamt<br />

Tempelhofer Damm 12, 12101 Berlin<br />

Telefon: 030/4664-9450<br />

lka454@polizei.berlin.de<br />

Brandenburg, Landeskriminalamt<br />

Tramper Chaussee 1, 16225 Eberswalde<br />

Telefon: 03334/388-1416<br />

fahndung01.lkaew@polizei-internet.brandenburg.de<br />

Bremen, Landeskriminalamt<br />

In der Vahr 76, 28329 Bremen<br />

Telefon: 0421/36219-354<br />

s42@polizei.bremen.de<br />

Hamburg, Landeskriminalamt<br />

Bruno-Georges-Platz 1, 22297 Hamburg<br />

Telefon: 040/4286-60618<br />

zd66-spez.ed@polizei.hamburg.de<br />

Hessen, Landeskriminalamt<br />

Hölderlinstr. 1–5, 65187 Wiesbaden<br />

Telefon: 0611/83-1314<br />

kulturgueterschutz.hlka@polizei.hessen.de<br />

Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Landeskriminalamt<br />

Retgendorfer Straße 9, 19067 Rampe<br />

Telefon: 03866/64-6211<br />

fahndung.lka@polmv.de<br />

Niedersachsen, Landeskriminalamt<br />

Am Waterlooplatz 11, 30169 Hannover<br />

Telefon: 0511/26262-3291<br />

sg31-eigentum@lka.polizei.niedersachsen.de<br />

Nordrhein-Westfalen, Landeskriminalamt<br />

Völklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf<br />

Telefon: 0211/939-3121<br />

33-sachgebiet312.lka@polizei.nrw.de<br />

Rheinland-Pfalz, Landeskriminalamt<br />

Valenciaplatz 1-7, 55118 Mainz<br />

Telefon: 06131/65-2090<br />

lka.42.ad@polizei.rlp.de<br />

Saarland, Landeskriminalamt<br />

Mainzer Straße 134, 66121 Saarbrücken<br />

Telefon: 0681/962-1161<br />

lpp216.1@polizei.slpol.de<br />

Sachsen, Landeskriminalamt<br />

Neuländer Straße 60, 01129 Dresden<br />

Telefon: 0351/855-2572<br />

son.lka@polizei.sachsen.de<br />

Sachsen-Anhalt, Landeskriminalamt<br />

Lübecker Straße 53-63, 39124 Magdeburg<br />

Telefon: 0391/250-2445<br />

kulturgut.lka@polizei.sachsen-anhalt.de<br />

Schleswig-Holstein, Landeskriminalamt<br />

Mühlenweg 166, 24116 Kiel<br />

Telefon: 0431/160-4541<br />

sf.kiel.lka121@polizei.landsh.de<br />

Thüringen, Landeskriminalamt<br />

Am Schwemmbach 69, 99099 Erfurt<br />

Telefon: 0361/341-1313<br />

fahndung.lka@polizei.thueringen.de<br />

Bundeskriminalamt<br />

Thaerstraße 11, 65193 Wiesbaden<br />

Telefon: 0611/55-15806<br />

so36@bka.bund.de


UMSCHAU<br />

Novellierung der PSI-Richtlinie<br />

Teilerfolg für Museen<br />

Die Plünderung der Wissensbestände aus öffentlichen Museen<br />

scheint abgewendet. Den Museen soll weiterhin zugestanden<br />

werden, für die Bereitstellung ihrer Informationen<br />

von kommerziellen Nutzern Gebühren zu erheben. Dies<br />

geht aus dem überarbeiteten Entwurf für die Novellierung<br />

der EU-Richtlinie zur Weiterverwendung von Informationen<br />

des öffentlichen Sektors hervor (Richtlinie 2003/98/EG,<br />

Public Sector Information Directive).<br />

Zusammen mit anderen Verbänden hatte sich <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> nach Bekanntwerden der Novellierungsabsichten<br />

für die Interessen der Museen starkgemacht und<br />

2012 in seiner Stellungnahme gegenüber dem Staatsminister<br />

für Kultur und Medien betont, dass die vorgesehenen<br />

Änderungen die Ressourcen öffentlicher Museen erheblich<br />

schwächen würden. Die Novellierung sah vor, dass künftig<br />

auch Museen ihre Informationen (z. B. Datenbanken,<br />

aber auch Bilder von Sammlungsobjekten) kommerziellen<br />

Nutzern weltweit kostenlos verfügbar machen müssen, soweit<br />

der Urheberrechtsschutz nicht dagegenspricht.<br />

Seit 2003 müssen nach der PSI-Richtlinie Informationen<br />

aus dem öffentlichen Sektor zur privaten, auch kommerziellen<br />

Weiterverwendung kostenlos zur Verfügung stehen. Die<br />

EU verspricht sich davon eine Belebung des Dienstleistungssektors,<br />

etwa durch Verwendung von Wetter- oder Verkehrs<br />

daten in Internet-basierten Anwendungen.<br />

Mit der Empfehlung, die PSI-Richtlinie gar nicht erst auf<br />

Museen auszudehnen, hatte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> leider keinen<br />

Erfolg.<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Rote Liste der gefährdeten<br />

Kulturgüter Chinas<br />

Deutsche Fassung, <strong>ICOM</strong>, <strong>2013</strong>, 8 Seiten<br />

Seit Beginn dieses Jahres liegt die<br />

Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter<br />

Chinas, die deutsche Fassung<br />

der Originalausgabe Red List<br />

of Chinese Cultural Objects at Risk,<br />

vor. <strong>ICOM</strong> möchte damit die Museen,<br />

Kunstsammler, Auktionshäuser<br />

sowie Zoll- und Polizeibehörden der deutschsprachigen<br />

Länder noch stärker unterstützen, eventuell geraubte oder<br />

illegal gehandelte chinesische Kulturgüter zu identifizieren<br />

und vor weiterem Schaden zu schützen.<br />

Die Broschüre enthält zahlreiche Objektkategorien, deren<br />

Handel oder Ausfuhr durch chinesische und internationale<br />

Gesetzgebung eingeschränkt bzw. gänzlich verboten<br />

ist. Dazu gehören Keramiken, Skulpturen, Lackarbeiten<br />

sowie Jade und Halbedelsteine, Architekturelemente, Münzen<br />

und Kalligraphien. Museen, Sammler, Händler und<br />

Auktionshäuser sind daher angehalten, derartige Objekte<br />

nicht zu erwerben, ohne zuvor deren Herkunft und Unterlagen<br />

geprüft zu haben.<br />

Ausgaben zu den gefährdeten Kulturgütern in Syrien,<br />

Westafrika und der Dominikanischen Republik werden derzeit<br />

erarbeitet und voraussichtlich bis Ende <strong>2013</strong> veröffentlicht.<br />

In der Reihe der Roten Listen der gefährdeten Kulturgüter<br />

von <strong>ICOM</strong> sind dann insgesamt 14 Länder und<br />

Regionen erfasst.<br />

Broschüre kostenlos erhältlich in der Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> oder per Download:<br />

icom.museum/resources/red-lists-database/red-list/china<br />

Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> aus der Liste der lieferbaren Schriften:<br />

bitte abtrennen<br />

Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband zur Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 3. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2011, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9, 15,00 €*<br />

Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2009.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 2. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-028961-3, 15,00 €**<br />

Stk. Ethische Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Österreich, 2010,<br />

32 Seiten, ISBN 978-3-9523484-5-1, 4,00 €<br />

Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 1,<br />

hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K. -H. Lampe, S. Krause, M. Doerr, 2010, 208 Seiten, ISBN 978-3-00-030907-6, 10,00 €<br />

Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

<strong>ICOM</strong> Frankreich und Deutsches Technikmuseum, 2009, 166 Seiten, ISBN 978-3-631-58095-0, 15,00 €*<br />

Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts.<br />

Internationales Symposium am Bodensee 2000. Hrsg. Hans-Martin Hinz, 2001, 162 Seiten, ISBN 3-631-37692-8, 15,00 €<br />

Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1997.<br />

Hrsg. Hans-Albert Treff, 1998, 279 Seiten, ISBN 3-00-002395-X, 20,00 €<br />

Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1994.<br />

Hrsg. Hans-Albert Treff, 1995, 258 Seiten, ISBN 3-87023-050-9, 10,00 €<br />

Stk. Museum und Denkmalpflege. Bericht über das internationale Symposium am Bodensee 1991. Hrsg. Hermann Auer, 1992,<br />

257 Seiten, ISBN 3-598-11107-X, 12,00 €<br />

Stk. Museologie – Neue Wege – Neue Ziele. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1988. Hrsg. Hermann Auer,<br />

1989, 289 Seiten, ISBN 3-598-10809-5, 5,00 €<br />

Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben.<br />

* 10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS sowie für Tagungsteilnehmer


Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

<strong>2013</strong><br />

10. bis 17. August <strong>2013</strong>, Rio de Janeiro, Brasilien<br />

23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

Museums (Memory + Creativity) = Social Change<br />

http://rio<strong>2013</strong>.icom.museum<br />

17. bis 19. Oktober <strong>2013</strong>, Köln<br />

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt<br />

Jahrestagung und Mitgliederversammlung <strong>2013</strong><br />

Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven<br />

www.icom-deutschland.de<br />

19. bis 21. September <strong>2013</strong>, Dubrovnik, Kroatien<br />

The Best in Heritage <strong>2013</strong><br />

Under special patronage of <strong>ICOM</strong> and celebrating<br />

the 50th anniversary of EUROPA NOSTRA<br />

www.thebestinheritage.com<br />

20. bis 22. November <strong>2013</strong>, Köln<br />

EXPONATE C COLOGNE<br />

Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung<br />

und Kulturerbe<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird mit einem Stand vertreten sein.<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben freien Eintritt.<br />

www.exponatec.de<br />

Aktuelle Termine der Tagungen der internationalen<br />

Komitees: icom.museum/calendar.html<br />

2014<br />

6. bis 11. September 2014, Dresden<br />

Jahrestagung von CIDOC<br />

Access and Understanding – Cultural Networking in<br />

the Digital Era<br />

http://network.icom.museum/cidoc/<br />

9. bis 12. September 2014, St. Petersburg, Russland<br />

Jahrestagung und Mitgliederversammlung 2014 von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Gemeinsame Tagung mit <strong>ICOM</strong> Russland und <strong>ICOM</strong> USA<br />

Museum and Politics<br />

Konferenzsprache: Englisch<br />

13. und 14. September 2014, Fortsetzung der Tagung<br />

in Jekaterinburg, Russland<br />

Industrial Heritage and Regional Aspects of Museum<br />

Development<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder können für die Teilnahme<br />

an der diesjährigen <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Rio de<br />

Janeiro Reisebeihilfen beantragen.<br />

Kontakt: icom@icom-deutschland.de<br />

bitte abtrennen<br />

Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden.<br />

Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an:<br />

icom@icom-deutschland.de bzw. per Fax an: +49 30 69504526<br />

hier falzen<br />

Bitte senden Sie mir die Publikationen und die Rechnung an folgende Adresse:<br />

Vorname<br />

Name<br />

Institution<br />

Straße, Nr.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.<br />

In der Halde 1<br />

14195 Berlin<br />

PLZ, Ort<br />

Datum<br />

Unterschrift<br />

Ich bin Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und möchte den <strong>ICOM</strong>-Newsletter<br />

per E-Mail an folgende Adresse erhalten:<br />

E-Mail


Bruynzeel Museum<br />

Bruynzeel Archiv & Bürosysteme, tel: (0)2131 409 90, www.bruynzeel.de, info@bruynzeel.de


Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />

und Projekte können Sie aufrufen unter<br />

www.icom.museum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> e. V.<br />

In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />

Telefon +49 30 69504525<br />

Fax +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de · www.icom-deutschland.de<br />

Gefördert durch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!