ICOM Deutschland Mitteilungen 2010

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Aktuelles Die Ethik des Sammelns Wenn sich Museen im Spannungsfeld zwischen Etatknappheit und ungesteuertem Objektzustrom bewegen, geraten die ethischen Grundsätze des musealen Sammelns zur Herausforderung. ICOM Deutschland lädt zum Austausch über die Erfahrungen mit dem Sammelalltag in Museen ein. Die Jahrestagung und die Mitgliederversammlung finden vom 23. bis 25. September 2010 in Leipzig statt. Die Jahrestagung 2010 führt uns in eine Museumsstadt von herausragender Bedeutung. Mit einer Reihe von glanzvollen Eröffnungen hat Leipzig in den letzten Jahren diesen Rang bekräftigt. Das Grassi-Museum für Angewandte Kunst mit seiner einfühlsam restaurierten Art-Déco-Pfeilerhalle wird einen exquisiten Rahmen für die diesjährige Tagung von ICOM Deutschland, die sich dem Thema „Et hik des Sammelns“ zu wenden wird, bieten. Im Rahmen der Jahrestagung wird auch die Mitgliederversammlung mit der Wahl der neuen Präsidentin oder des neuen Präsidenten und des Vorstands durchgeführt. Am 23. September beginnt die Tagung mit einer Abendveranstaltung im Museum der bildenden Künste Leipzig. Sammeln als öffentlicher Auftrag Die ethische Dimension des Sammelns resultiert aus der Verantwortung des Museums gegenüber dem Sammlungsgegenstand, sei er von Menschenhand gemacht oder von der Natur hervorgebracht, gegenüber dem Künstler oder Hersteller und gegenüber der Gesellschaft, zu deren Nutzen gesammelt wird. Sammeln erfordert eine Menge an Ressourcen, Arbeitskraft und Geld, es handelt sich nicht um eine marginale, sondern um eine zentrale Aufgabe des Museums. Sammeln heißt, Erinnerung zu bewahren, aber auch ein Bild von der Vergangenheit zu gestalten. Wegen der großen Bedeutung des Sammelns für die Ausbildung eines geschichtlichen und kulturellen Bewusstseins muss das Museum hinsichtlich seiner Sammlungstätigkeit zum ei nen seine grundsätzliche Haltung dazu und zum anderen die Voraussetzungen dafür und die Konsequenzen daraus ständig überprüfen. Im beschleunigten globalen Handel mit Artefakten und Gegenständen der Natur sind die Gefahren gewachsen, mit ungesetzlich gehandelten Angeboten konfrontiert zu werden, zumal auch in vielen Ländern die Aufmerksamkeit für die eigene kulturelle Überlieferung gestiegen ist und der rechtliche Rahmen weltweit deutliche Vorgaben zugunsten des Verbleibs von Kulturund Naturgütern in den Herkunftsländern bestimmt. Die mas senhaften Enteignungen im Nationalsozialismus und die kriegsbedingt verbrachten Kunst- und Kulturgüter stellen eine weitere Herausforderung an die Ethik des Sammelns dar, die sich nur langsam im Bewusstsein aller Verantwortlichen festsetzt. Wenn das Sammeln zum Problem wird Nicht wenige Konstellationen gibt es, die dem Museum die Verantwortung für das Sammeln aus der Hand gleiten lassen. Wegen des Fehlens eigener Mittel überlassen Museen den Aufbau von Sammlungen Privatpersonen und sehen sich nicht selten mit der Tatsache konfrontiert, dass eine mit fachlicher Unterstützung des Museums sorgsam aufgebaute Sammlung plötzlich in alle Winde zerstreut wird. Auch national wertvolles Kulturgut in Privatbesitz stellt Museen und deren Träger vor besondere Aufgaben, wenn Verkäufe vorgesehen sind oder gar Abwanderung droht. Rückkäufe, die aufgrund von Versteigerungsterminen unter Zeit­ Foto: Grassi-Museum 6 | ICOM DeutschlandMitteilungen 2010

Aktuelles druck erfolgen, zwingen oft zu konzertierten Aktio nen. Aber nicht nur finanzielle Probleme beeinflussen die Sammlungstätigkeit. Strategien des Sammelns mit Blick auf Gegenwartsdokumentation oder Alltagskultur, Präsentation oder Lagerung von sehr großen Sammlungsgegenständen, Notgrabungen und an deres mehr fordern Entscheidungen über das Sammeln. Fehlende Lagerkapazitäten oder ungesteuerter Zufluss von Sammlungsobjekten führen inzwischen sogar schon zum Nachdenken über Stra tegien des „Entsammelns“. Schließ lich sollen alle Sammlungsobjekte im Museum wissenschaftlich erfasst, zumindest aber konservatorisch hinreichend behandelt werden, wozu erhebliche Re ssourcen erforderlich sind. Die Verantwortung für das Sammlungsgut endet nicht mit dem Erwerb und es gehört zu den ethischen Verpflichtungen, Sammeln und Bewahren in Einklang zu bringen. Open Box Die Leipziger Tagung wird den Kernfragen des Sammelns im gesamten Spektrum des Museumswesens nachgehen. Neben zwei Sektionen mit Haupt vorträgen wird auch diesmal wieder eine „Open Box“ für kurze Beiträge angeboten. Wegen ihres großen Erfolgs auf dem Internationalen Bodensee-Symposium 2009 ist das Forum für weitere Beiträge aus den Reihen der Mitglieder auch ein Programmpunkt unserer diesjährigen Jahrestagung in Leipzig. Am Samstag, dem 25. September 2010, bietet die „Open Box“ Gelegenheit, in Kurzreferaten von maximal fünf Minuten Dauer zum Themenkreis der Tagung zu spre chen. Dabei kann es sich um Best- Practice-Beispiele ebenso handeln wie um grundsätzliche Überlegungen. Interessierte, die in diesem Rahmen sprechen möchten, senden uns bitte ihre Vorschläge bis spätestens zum 31. Juli 2010. Bitte geben Sie Ihren Namen, Ihre Einrichtung und Ihr Thema an (gegebenenfalls auch, ob und in welcher Form Sie Abbildungen zeigen wollen) und fügen Sie eine ca. acht zeilige Zusammenfassung bei! Bei ei ner größeren Anzahl von Angeboten treffen wir eine Auswahl: Wir werden dabei den Zeitpunkt der Anmeldung und die Bedeutung der jeweiligen Beiträge als Ergänzung des Tagungsprogramms berücksichtigen. Wahl des Vorstandes von ICOM Deutschland Auf der Mitgliederversammlung 2010 in Leipzig werden die Präsidentin oder der Präsident und die Vorstandsmitglieder für die Amtszeit 2011 bis 2013 gewählt. Für die Mitarbeit im Vorstand sind sechs Sitze zu vergeben. Auch wenn es sich um ein Ehrenamt handelt, wird die Bereitschaft erwartet, sich aktiv in die laufenden Aufgaben wie auch in die Entwicklung zukunfts orien tierter Perspektiven unserer in ter na tio nal ausgerichteten Arbeit einzubringen. Die Mit glieder des am tierenden Vorstands, einschließlich des Präsidenten, die für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung stehen, werden sich ebenso wie neu vorgeschlagene Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Kreis der Mitglieder zur Wahl stellen. Nach der Vorstellungsrunde der Kandidatinnen und Kandidaten in der Mitgliederversammlung erfolgt die Personalaussprache. Anschließend wer den in getrennten und geheimen Wahl gängen die Präsidentin oder der Präsi dent und dann die übrigen Vorstands mitglie der gewählt. Wir bitten alle Kandidatinnen und Kandidaten für die Vorstandswahlen oder für das Amt der Präsidentin oder des Präsiden ten, ihre Kandidatur bis spätestens zum 31. Juli 2010 der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland schriftlich mitzuteilen. Wir stützen uns dabei auf den bei ICOM Deutschland bisher beachteten Wahlmodus, aber auch auf die Wahlregularien des Internationalen Museumsrats ICOM. Mitte August werden die Bewerberinnen und Bewerber auf unserer Webseite bekannt gegeben. Mitglieder können bei Nichtanwesenheit ihr Stimmrecht auf andere stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen, wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in der Geschäftsstelle. Der Vorstand lädt Sie herzlich zu der Jahrestagung und zur Mitgliederversammlung 2010 in Leipzig ein und wir freuen uns auf eine Begegnung und einen gemeinsamen Austausch mit Ihnen. Nutzen Sie diesen Anlass dazu, ICOM zu einem lebendigen Forum ambitionierter Museumsschaffender zu machen. Der Vorstand ICOM Deutschland Weitere Informationen: www.icom-deutschland.de Themenvorschläge für die „Open Box“ und Kandidatenvorschläge für die Wahl des Vorstandes bitte an: icom@icom-deutschland.de Die Jahrestagung von ICOM Deutschland wird in der wiedereröffneten Pfeilerhalle (Foto links) des Grassi-Museums in Leipzig stattfinden. Wie viele Mu seen Deutschlands, so steht auch das Grassi-Museum vor der museumsethisch bedeutsa men Frage, wie mit Artefakten ungesicherter Herkunft zu verfahren sei. Die auf den Emporen der Pfeilerhalle präsentierte Ausstellung „Asiatische Kunst. Impulse für Europa“ enthält iranische Bildfliesen (Foto rechts), deren Provenienz nicht vollständig geklärt ist. Foto: Christoph Sandig, Leipzig ICOM DeutschlandMitteilungen 2010 | 7

Aktuelles<br />

Die Ethik des Sammelns<br />

Wenn sich Museen im Spannungsfeld zwischen Etatknappheit und ungesteuertem Objektzustrom<br />

bewegen, geraten die ethischen Grundsätze des musealen Sammelns zur<br />

Herausforderung. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> lädt zum Austausch über die Erfahrungen mit<br />

dem Sammelalltag in Museen ein. Die Jahrestagung und die Mitgliederversammlung<br />

finden vom 23. bis 25. September <strong>2010</strong> in Leipzig statt.<br />

Die Jahrestagung <strong>2010</strong> führt uns in<br />

eine Museumsstadt von herausragender<br />

Bedeutung. Mit einer Reihe von<br />

glanzvollen Eröffnungen hat Leipzig<br />

in den letzten Jahren diesen Rang bekräftigt.<br />

Das Grassi-Museum für Angewandte<br />

Kunst mit seiner einfühlsam<br />

restaurierten Art-Déco-Pfeilerhalle wird<br />

einen exquisiten Rahmen für die diesjährige<br />

Tagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

die sich dem Thema „Et hik des<br />

Sammelns“ zu wenden wird, bieten.<br />

Im Rahmen der Jahrestagung wird<br />

auch die Mitgliederversammlung mit<br />

der Wahl der neuen Präsidentin oder<br />

des neuen Präsidenten und des Vorstands<br />

durchgeführt. Am 23. September<br />

beginnt die Tagung mit einer<br />

Abendveranstaltung im Museum der<br />

bildenden Künste Leipzig.<br />

Sammeln als öffentlicher Auftrag<br />

Die ethische Dimension des Sammelns<br />

resultiert aus der Verantwortung des<br />

Museums gegenüber dem Sammlungsgegenstand,<br />

sei er von Menschenhand<br />

gemacht oder von der Natur hervorgebracht,<br />

gegenüber dem Künstler oder<br />

Hersteller und gegenüber der Gesellschaft,<br />

zu deren Nutzen gesammelt<br />

wird. Sammeln erfordert eine Menge<br />

an Ressourcen, Arbeitskraft und Geld,<br />

es handelt sich nicht um eine marginale,<br />

sondern um eine zentrale Aufgabe<br />

des Museums. Sammeln heißt,<br />

Erinnerung zu bewahren, aber auch<br />

ein Bild von der Vergangenheit zu gestalten.<br />

Wegen der großen Bedeutung<br />

des Sammelns für die Ausbildung eines<br />

geschichtlichen und kulturellen Bewusstseins<br />

muss das Museum hinsichtlich<br />

seiner Sammlungstätigkeit zum<br />

ei nen seine grundsätzliche Haltung dazu<br />

und zum anderen die Voraussetzungen<br />

dafür und die Konsequenzen daraus<br />

ständig überprüfen.<br />

Im beschleunigten globalen Handel<br />

mit Artefakten und Gegenständen der<br />

Natur sind die Gefahren gewachsen,<br />

mit ungesetzlich gehandelten Angeboten<br />

konfrontiert zu werden, zumal<br />

auch in vielen Ländern die Aufmerksamkeit<br />

für die eigene kulturelle Überlieferung<br />

gestiegen ist und der rechtliche<br />

Rahmen weltweit deutliche Vorgaben<br />

zugunsten des Verbleibs von Kulturund<br />

Naturgütern in den Herkunftsländern<br />

bestimmt. Die mas senhaften<br />

Enteignungen im Nationalsozialismus<br />

und die kriegsbedingt verbrachten<br />

Kunst- und Kulturgüter stellen eine<br />

weitere Herausforderung an die Ethik<br />

des Sammelns dar, die sich nur langsam<br />

im Bewusstsein aller Verantwortlichen<br />

festsetzt.<br />

Wenn das Sammeln<br />

zum Problem wird<br />

Nicht wenige Konstellationen gibt es,<br />

die dem Museum die Verantwortung<br />

für das Sammeln aus der Hand gleiten<br />

lassen. Wegen des Fehlens eigener Mittel<br />

überlassen Museen den Aufbau von<br />

Sammlungen Privatpersonen und sehen<br />

sich nicht selten mit der Tatsache<br />

konfrontiert, dass eine mit fachlicher<br />

Unterstützung des Museums sorgsam<br />

aufgebaute Sammlung plötzlich in alle<br />

Winde zerstreut wird. Auch national<br />

wertvolles Kulturgut in Privatbesitz<br />

stellt Museen und deren Träger vor besondere<br />

Aufgaben, wenn Verkäufe vorgesehen<br />

sind oder gar Abwanderung<br />

droht. Rückkäufe, die aufgrund von<br />

Versteigerungsterminen unter Zeit­<br />

Foto: Grassi-Museum<br />

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