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ICOM Deutschland Mitteilungen 2010

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INTERNATIONALE KOMITEES<br />

GLASS – International Committee for Museums and<br />

Collections of Glass<br />

Portuguese Glass in an European<br />

Context<br />

Jahrestagung vom 10. bis 14. November 2009<br />

in Lissabon, Portugal<br />

Helena Horn<br />

Die Tagung begann mit Vorträgen der portugiesischen<br />

Wissenschaftler, aus denen eindrucksvoll hervorging, dass<br />

die portugiesischen Gläser den stilistischen Moden vor allem<br />

aus Italien und Spanien sowie aus England und <strong>Deutschland</strong><br />

folgten. Die Einflüsse lassen sich zum großen Teil<br />

direkt daraus ableiten, dass Glasmacher aus diesen Ländern<br />

in den portugiesischen Hütten gearbeitet haben. Es<br />

ging aus den Vorträgen hervor, dass das portugiesische Glas<br />

seit wenigen Jahren intensiv von Kunsthistorikern und Archäologen<br />

erforscht wird und konservatorische aber auch<br />

restauratorische Maßnahmen ergriffen werden.<br />

Ich selbst berichtete über stilistische Überschneidungen<br />

zwischen Azulejos und portugiesischem Glas zwischen dem<br />

15. und 18. Jahrhundert. Ergebnis des Vortrags war, dass<br />

lediglich allgemeine Stilmerkmale der jeweiligen Epochen<br />

aufzuspüren sind. Die Tendenz zu überbordenden ornamentalen<br />

Dekorationen erklärt sich durch den maurischen Einfluss<br />

in beiden Gruppen.<br />

Jan Kock und Karin Rühl widmeten sich Themen der Gegenwart.<br />

So konstatierte Jan Kock, dass Formen und Dekore<br />

zwar immer noch von dänischen Designern entworfen,<br />

dann aber in preiswert kalkulierenden Hütten Osteuropas<br />

oder Asiens produziert werden. Karin Rühl stellte die neu<br />

entstehenden Frauenauer Gläsernen Gärten vor. Raumgreifende<br />

Skulpturen werden in dem parkartigen Gelände<br />

rund um das Museum aufgestellt und reflektieren die Geschichte<br />

Frauenaus sowie die Natur und Umgebung.<br />

Alljährlich liegt der Schwerpunkt unserer Jahrestagung<br />

auf dem Besichtigungsprogramm. So besuchen wir nicht<br />

nur Museen, Archive und Sammlungen, sondern auch kommerzielle<br />

Galerien, Kirchen, Werkstätten, Forschungseinrichtungen<br />

oder Fabriken. Verantwortliche Kuratoren und<br />

Direktoren führen uns.<br />

In Lissabon hatten wir ein kompaktes Programm: Die<br />

Sammlungen des Museums Gulbenkian sind überwältigend<br />

reich. Die Kollektionen der Mamlukischen Gläser und der<br />

Glasmanufaktur Lalique zeigten das breite Spektrum des<br />

Museums auf höchtem Niveau. Die kostbaren Moscheeampeln<br />

des 14. Jahrhunderts aus dem Vorderen Orient<br />

waren spektulär und höchst elegant präsentiert.<br />

Die Glasfenster der Kathedrale Igreja de Nossa Senhora<br />

de Fatima, entworfen von José Sobral de Almada Negreiros,<br />

sind der Moderne Portugals verpflichtet. Almada Negreiros<br />

gehört zu den wichtigsten Künstlern dieser Epoche<br />

in Portugal. Er war in vielen künstlerischen Bereichen tätig:<br />

als Romancier, Maler, Karikaturist, Illustrator, Lyriker,<br />

Essayist, Tänzer, Bühnen- und Kostümbildner, Zeichner<br />

und Dramatiker. Er hat für Kirchen, Firmen, Fährhäfen<br />

oder die Universität Lissabon Entwürfe geliefert.<br />

Das Museu Nacional de Arte Antiga zeigte eine Sammlung<br />

spanischer Gläser aus Ildefonso de la Granja. Das Nationalmuseum<br />

für Archäologie im imposanten Gebäude<br />

Das Gulbenkian-Museum in Lissabon umfasst – entsprechend dem<br />

vielseitigen Kunstinteresse des Mäzens Calouste Gulbenkian – ein<br />

breites Spektrum an Kunstobjekten, darunter auch Moscheeampeln<br />

aus dem 14. Jahr hundert (Foto) sowie Mamlukische Gläser und Glasarbeiten<br />

von René Lalique.<br />

des Jeronimosklosters in Belém ist eines der bedeutendsten<br />

Bauwerke Portugals, errichtet im manuelinischen Baustil.<br />

Es hatte eine interessant inzenierte Ausstellung römischer<br />

Gläser.<br />

Der Besuch des Klosters von Santa Clara-a-Velha in Coimbra<br />

stand ebenfalls auf unserem Programm. Ein Film,<br />

der im wesentlichen historische Fotos oder Ansichten zeigte,<br />

aber künstlerisch äußerst stimmungsvoll mit Geräuschen<br />

hinterlegt war, machte elegische und dramatische Momente<br />

der wiederholten Zerstörung durch die Fluten des Rio Mondego<br />

auch emotional anschaulich. Die Nonnen besaßen<br />

eine beachtliche Menge an Gläsern, die in einem modernen<br />

Museumsgebäude vornehm und informativ ausgestellt<br />

sind. Angeschlossen sind dem Museum Restaurierungswerkstätten<br />

insbesondere für Glas.<br />

Ein Highlight war die Besichtigung des Glasmuseums in<br />

Marinha Grande. Untergebracht in der ehemaligen Villa<br />

der dortigen ersten Glasfabrik, sind vorwiegend Gläser der<br />

Real Fabrica de Vidros da Marinha Grande ausgestellt. Die<br />

Manufaktur wurde 1769 von den beiden englischen Kaufleuten<br />

William und John James Stephens gegründet und<br />

produzierte zunächst vor allem Tafelglas für den Adel und<br />

das reiche Bürgertum, später kam auch Pressglas hinzu.<br />

Bei den gemeinsamen Essen wurden so manche Fachgespräche<br />

geführt. Man erörterte nicht nur Gläser und andere<br />

Kunstschätze, sondern auch (eigene) Museumskonzeptionen,<br />

Ausstellungsgestaltungen sowie Kooperationen für<br />

gemeinsame Ausstellungen und Publikationen. Ein freundlicher,<br />

kollegialer, fröhlicher Diskurs auf allen Ebenen wird<br />

in diesem Komitee besonders gepflegt.<br />

Dr. Helena Horn, Kunsthistorikerin, arbeitet als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin der Kunstsammlungen der Kreissparkasse Köln.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2010</strong> | 43

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