ICOM Deutschland Mitteilungen 2010

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Aktuelles Der Internationale Museumstag: Eine Erfolgsgeschichte soll 2011 neuen Schwung erhalten Die Idee, jährlich im Mai auf die Bedeutung der Museen hinzuweisen, hat sich inzwischen weltweit durchgesetzt. Immer mehr Museen beteiligen sich an der gemeinsamen Aktion und sprechen die Besucher mit speziellen Programmen an. Auch wenn der Internationale Museumstag nach mehr als dreißig Jahren längst etabliert ist, sollten wir stets neue Gestaltungsmöglichkeiten und Kooperationspartner suchen – für den Internationalen Museumstag 2011 ist das UNESCO-Programm „Memory of the World“ als Projektpartner gewonnen. Lothar Jordan Zu den großartigsten Erfindungen des ICOM gehört der Internationale Museumstag, der seit 1977 jährlich weltweit um den 18. Mai begangen wird. Seit 1992 steht er unter einem wechselnden Motto (zum Internationalen Museums tag 2010 siehe Seite 4). Im Jahr 2008 haben mehr als zwan ­ zigtausend Museen in neunzig Staaten den Internationalen Museumstag gefeiert. In Deutschland wird er seit vielen Jahren erfolgreich von ICOM Deutschland und vom Deutschen Museumsbund gemeinsam betreut. Trotz der großen Erfolge an Besucherzahlen, an gesteigerter öffentlicher Aufmerksamkeit und trotz des gemeinsamen Mottos und eines eigens für diesen Tag entworfenen Plakates scheint das Potential des Internationalen Museumstages nicht annähernd ausgeschöpft. Eine Ursache dafür könnte sein, dass sich international zahlreiche Anlässe etabliert haben, Museumsbesucher mit interessanten Sonderprogrammen anzusprechen. Dies könn te verwirrend sein, so dass der Internationale Museumstag nicht von allen Akteuren gleichermaßen als ein weltumspannendes Ereignis wahrgenommen wird. In Frankreich gibt es etwa die „Nacht der Museen“ kurz vor dem Internationalen Museumstag, in Deutschland haben sich regional unterschiedliche Traditionen von „Langen Nächten der Museen“ herausgebildet. Die aktive ICOM-Familie Dennoch ist es für ICOM ein Glücksfall, dass mit dem Internationalen Museumstag ein gemeinschaftliches Museumsprojekt existiert. Denn der weiter wachsende globale Verband mit derzeit rund dreißigtausend Mitgliedern und 118 nationalen Komitees und zudem mit einem im Verhältnis zur Größe winzigen Budget hat ein bedeutendes Problem: Es ist schwer, weltweite gemeinschaftli che Aktionen durchzuführen. Zwar haben alle ICOM-Mitglieder einen Mitgliedsausweis und es gibt den weltweit anerkannten ICOM Code of Ethics for Museums, der über den ICOM hinaus die Standards für Definitionen, Aufgaben und Handlungsnormen in Museen setzt. Aber eine weltweite gemeinschaftliche Bewegung wird weder durch Mitglieds ausweis noch Code allein ausgelöst. Wie bei allen ICOM-Aktivitäten, so basiert auch der Erfolg des Internationalen Museumstages hauptsächlich auf dem Engagement der Mitglieder. Das jeweilige Motto wird zwar in Paris festgelegt, und die Aktivitäten werden von den Nationalkomitees koordiniert, aber es sind natürlich die Mitglieder und Museen vor Ort, ihre Freundeskreise und ihre Partner, die die Initiative mit Leben erfüllen. Eine frühzeitige Vorbereitung des Internationalen Museumstages 2011 bietet die Chance, an die zahlreichen Facetten des Mottos anzuknüpfen und im Rahmen neuer Gestaltungsideen und Kooperationen selbst aktiv zu werden. Motto 2011: Museums and Memory Im Juni 2009 hat der ICOM auf Vorschlag des Internationalen Komitees für Literaturmuseen (ICLM) beschlossen, das Motto für 2011 „Museums and Memory“ zu nennen sowie einen Partner mit ins Boot zu holen. Erstmals wird der Internationale Museumstag in Kooperation mit der UNESCO, konkret mit „Memory of the World“, dem Programm für das Weltdokumentenerbe, durchgeführt. Nach Möglichkeit sollen weitere Partner gewonnen werden. Eine deutsche Übersetzung des Mottos gibt es bisher nicht. Memory ist am ehesten mit „Gedächtnis“ zu übersetzen, doch schwingt immer auch etwas „Erinnerung“ mit (engl.: remembrance). Gedächtnis ist die menschliche Fähigkeit, Informationen und Eindrücke der Vergangenheit abrufbar aufzubewahren. Es sind daher wichtige Fragen, wie diese Eindrücke und Informationen aufbewahrt und zu welchem Zweck sie abgerufen bzw. erinnert werden. Diese Verbindung von Gedächtnis und Erinnerung findet sich häufig in den viel beachteten jüngeren Arbeiten zu Gedächtniskultur und Erinnerungsorten, so z. B. von Aleida Assmann und Pierre Nora. 14 | ICOM DeutschlandMitteilungen 2010

Aktuelles Weltweit begehen immer mehr Museen mit zahlreichen Aktivitäten den Internationalen Museumstag. In Nigeria wurde im vergangenen Jahr die „Miss Museum“ gekührt (Foto links), in Madrid fand im Museo de Escultura ein Gitarrenkonzert statt (Foto rechts). In den Museen finden wir sowohl Gedächtnis und Erinnerung als auch die Reflexion über sie. Museen sind zugleich bewahrende und aktivierende Einrichtungen, in denen sich Kulturen, Staaten, Gemeinschaften und Individuen anhand von Objekten – lassen wir die Formen immateriellen und neuerdings auch digitalen Kulturerbes hier beiseite – aus der Vergangenheit und anhand der Darstellung und Erläuterung ihrer Zusammenhänge kompetent informieren können. Sie enthalten darüber hinaus Anregungen für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft. Als weltumspannendes Netz bilden Museen einen zentralen menschheitlichen Gedächtnisspeicher. Zugleich aktivieren sie dieses Gedächtnis im Dienste der Gesellschaft – mit Vorschlägen zur Veränderung oder Beibehaltung von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern. Die spezifischen Möglichkeiten der Museen, Vergangenheit und Zukunft miteinander zu verbinden, dürften in einer Zeit der Globalisierung und Transformationen noch wichtiger werden, in einer Zeit, die immer wieder überraschende Wendungen und historische Brüche und Einbrüche mit sich bringt. So können Museen ihre Potentiale nutzen Der Internationale Museumstag 2011 und sein Motto „Museums and Memory“ geben den Museen die besondere Gelegenheit, einer breiten Öffentlichkeit und den Museumsförderern zu vermitteln, was zur Pflege dieses Gedächtnisses erforderlich ist und worin dabei der Gewinn für die Gesellschaft besteht. Gerade in Zeiten, in denen vielen Museen Events und Entertainment als Königsweg anempfohlen werden, sollten wir den Blick wieder auf die stille, grundlegende Tätigkeit lenken. Diese besteht vor allem darin, museale Sammlungen zu erweitern, zu pflegen und zu erschließen (siehe Seite 6, Die Ethik des Sammelns). Ferner sollten Museen stets auf die Zerbrechlichkeit und Gefährdung der Objekte, auf die Anforderungen an ihre Aufbewahrung, Konservierung, Restaurierung und Digitialisierung verweisen – und natürlich auf das, was für ihre lehrreiche, anregende und unterhaltsame Präsentation erforderlich ist. Denn in den Museen geht es um den Gehalt dieses Gedächtnisses, die Vielfalt der Kenntnisse, Vorstellungen, Empfindungen, Phantasien und Anregungen, die damit verbunden sind oder daraus hervorgehen, es geht von der Bedeutung der Museen für die Menschheit bis zur Bedeutung für einzelne Nationen, Kommunen, Minderheiten, Gruppen und Personen. Um die Wichtigkeit der Museen zu unterstreichen und die Wirkung der Aktivitäten 2011 zu verstärken, gewinnt ICOM Partner, die mit ähnlichen Aufgaben befasst sind, so zum Beispiel das UNESCO-Programm „Memory of the World“. Das UNESCO-Programm „Memory of the World“ – das Gedächtnis der Menschheit Das UNESCO-Programm „Memory of the World“ (MoW) ist ein weltumspannendes Netzwerk mit herausragenden Dokumenten: z. B. wertvollen Buchbeständen, Partituren, Bild-, Ton- und Filmdokumenten. Mit dem „World Cultural and Natural Heritage“ und dem „Intangible Cultural Heritage“ gehört es zu den drei UNESCO-Welterbe-Programmen, die das menschheitliche Kultur- und Naturerbe in hervorragenden Beispielen bewahren helfen und vermitteln sollen. Das Weltdokumentenerbe-Programm „Memory of the World“ wurde 1992 nach der Zerstörung der Nationalbibliothek in Sarajewo ausgerufen. Da bei der Bombardierung die Buchbestände fast vollständig verbrannten, will das UNESCO-Programm weltweit das Bewusstsein schärfen für: die Bedeutung von Dokumenten aller Trägerformen, von Papier bis zu Film und Internet, für das humane Selbstverständnis und die Widerspiegelung der Vielfalt von ICOM DeutschlandMitteilungen 2010 | 15

Aktuelles<br />

Der Internationale Museumstag:<br />

Eine Erfolgsgeschichte soll 2011 neuen<br />

Schwung erhalten<br />

Die Idee, jährlich im Mai auf die Bedeutung der Museen hinzuweisen, hat sich inzwischen<br />

weltweit durchgesetzt. Immer mehr Museen beteiligen sich an der gemeinsamen<br />

Aktion und sprechen die Besucher mit speziellen Programmen an. Auch wenn<br />

der Internationale Museumstag nach mehr als dreißig Jahren längst etabliert ist, sollten<br />

wir stets neue Gestaltungsmöglichkeiten und Kooperationspartner suchen – für<br />

den Internationalen Museumstag 2011 ist das UNESCO-Programm „Memory of the<br />

World“ als Projektpartner gewonnen.<br />

Lothar Jordan<br />

Zu den großartigsten Erfindungen<br />

des <strong>ICOM</strong> gehört der Internationale<br />

Museumstag, der seit 1977 jährlich<br />

weltweit um den 18. Mai begangen<br />

wird. Seit 1992 steht er unter einem<br />

wechselnden Motto (zum Internationalen<br />

Museums tag <strong>2010</strong> siehe Seite 4).<br />

Im Jahr 2008 haben mehr als zwan ­<br />

zigtausend Museen in neunzig Staaten<br />

den Internationalen Museumstag gefeiert.<br />

In <strong>Deutschland</strong> wird er seit vielen<br />

Jahren erfolgreich von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und vom<br />

Deutschen Museumsbund gemeinsam betreut.<br />

Trotz der großen Erfolge an Besucherzahlen, an gesteigerter<br />

öffentlicher Aufmerksamkeit und trotz des gemeinsamen<br />

Mottos und eines eigens für diesen Tag entworfenen<br />

Plakates scheint das Potential des Internationalen<br />

Museumstages nicht annähernd ausgeschöpft. Eine Ursache<br />

dafür könnte sein, dass sich international zahlreiche<br />

Anlässe etabliert haben, Museumsbesucher mit interessanten<br />

Sonderprogrammen anzusprechen. Dies könn te verwirrend<br />

sein, so dass der Internationale Museumstag nicht<br />

von allen Akteuren gleichermaßen als ein weltumspannendes<br />

Ereignis wahrgenommen wird. In Frankreich gibt<br />

es etwa die „Nacht der Museen“ kurz vor dem Internationalen<br />

Museumstag, in <strong>Deutschland</strong> haben sich regional<br />

unterschiedliche Traditionen von „Langen Nächten der<br />

Museen“ herausgebildet.<br />

Die aktive <strong>ICOM</strong>-Familie<br />

Dennoch ist es für <strong>ICOM</strong> ein Glücksfall, dass mit dem<br />

Internationalen Museumstag ein gemeinschaftliches Museumsprojekt<br />

existiert. Denn der weiter wachsende globale<br />

Verband mit derzeit rund dreißigtausend Mitgliedern<br />

und 118 nationalen Komitees und zudem mit einem<br />

im Verhältnis zur Größe winzigen Budget hat ein bedeutendes<br />

Problem: Es ist schwer, weltweite gemeinschaftli che<br />

Aktionen durchzuführen. Zwar haben alle <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />

einen Mitgliedsausweis und es gibt den weltweit<br />

anerkannten <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums, der über<br />

den <strong>ICOM</strong> hinaus die Standards für Definitionen, Aufgaben<br />

und Handlungsnormen in Museen setzt. Aber eine<br />

weltweite gemeinschaftliche Bewegung wird weder durch<br />

Mitglieds ausweis noch Code allein ausgelöst.<br />

Wie bei allen <strong>ICOM</strong>-Aktivitäten, so basiert auch der Erfolg<br />

des Internationalen Museumstages hauptsächlich auf<br />

dem Engagement der Mitglieder. Das jeweilige Motto wird<br />

zwar in Paris festgelegt, und die Aktivitäten werden von den<br />

Nationalkomitees koordiniert, aber es sind natürlich die<br />

Mitglieder und Museen vor Ort, ihre Freundeskreise und<br />

ihre Partner, die die Initiative mit Leben erfüllen. Eine frühzeitige<br />

Vorbereitung des Internationalen Museumstages<br />

2011 bietet die Chance, an die zahlreichen Facetten des<br />

Mottos anzuknüpfen und im Rahmen neuer Gestaltungsideen<br />

und Kooperationen selbst aktiv zu werden.<br />

Motto 2011: Museums and Memory<br />

Im Juni 2009 hat der <strong>ICOM</strong> auf Vorschlag des Internationalen<br />

Komitees für Literaturmuseen (ICLM) beschlossen,<br />

das Motto für 2011 „Museums and Memory“ zu<br />

nennen sowie einen Partner mit ins Boot zu holen. Erstmals<br />

wird der Internationale Museumstag in Kooperation<br />

mit der UNESCO, konkret mit „Memory of the World“,<br />

dem Programm für das Weltdokumentenerbe, durchgeführt.<br />

Nach Möglichkeit sollen weitere Partner gewonnen<br />

werden.<br />

Eine deutsche Übersetzung des Mottos gibt es bisher<br />

nicht. Memory ist am ehesten mit „Gedächtnis“ zu übersetzen,<br />

doch schwingt immer auch etwas „Erinnerung“<br />

mit (engl.: remembrance). Gedächtnis ist die menschliche<br />

Fähigkeit, Informationen und Eindrücke der Vergangenheit<br />

abrufbar aufzubewahren. Es sind daher wichtige Fragen,<br />

wie diese Eindrücke und Informationen aufbewahrt<br />

und zu welchem Zweck sie abgerufen bzw. erinnert werden.<br />

Diese Verbindung von Gedächtnis und Erinnerung<br />

findet sich häufig in den viel beachteten jüngeren Arbeiten<br />

zu Gedächtniskultur und Erinnerungsorten, so z. B. von<br />

Aleida Assmann und Pierre Nora.<br />

14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2010</strong>

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