4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...
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Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen Merkmalsausprägungen konkreten individuellen Lernhandelns tatsächlich nur spezifisch subjektbezogen möglich ist und daß auch dabei die bekannten methodischen Probleme bzw. grundsätzlichen Erkenntnisgrenzen in Rechnung zu stellen sind, die sich beim Bezug auf mentale Zustände oder Prozesse des Menschen ergeben. Dennoch unterliegt der Erfolg des Lernhandeln eben auch überindividuellen Einflußgrößen, die sich im Zuge der Aufgabendefinition etwa im Bereich der Merkmale des Lerngegenstandes und des Modus seiner Repräsentation, im Bereich der materiellen und sozialen Randbedingungen des Handelns manifestieren und die sich in durchaus regelhafter Weise auf die Inhalts- und Prozeßmerkmale individuellen Lernhandelns auswirken. Wir gehen bei unserem Versuch der Ausdifferenzierung der Qualitätsdimension des Lernhandelns von der Annahme aus, daß Lernhandeln kategorial u. a. durch eine Reihe lernerfolgsrelevanter, variabler Merkmale gekennzeichnet ist, die entsprechend ihrer unterschiedlichen Ausprägung seine jeweilige Qualität bestimmen. Aus der spezifischen Kombination dieser Variablenausprägungen ergibt sich die Möglichkeit, die Qualität des Lernhandelns zu beurteilen und (vorsichtige) Hypothesen hinsichtlich der zu erwartenden Lerneffekte zu formulieren. Diese Merkmale lassen sich als Spezifikationen jeweils einzelnen oder auch mehreren der genannten Strukturkomponenten des Lernhandelns zuordnen. Bei unserem Systematisierungsversuch wollen wir jedoch nicht schematisch dieser analytisch begründeten Struktur folgen, sondern vom Erfahrungskonzept DEWEYs ausgehen, das wir zur Erläuterung des adaptivkonstruktiven Charakters des Lernhandelns im Kapitel 4.2.3.2 eingeführt haben. Unter Rückgriff auf die bei DEWEY identifizierten Qualitätskriterien der erfahrungsbildenden Interaktion unterscheiden wir analytisch drei Qualitätsdimensionen des Lernhandelns: 1. Die inhaltlich-gegenständliche Qualität des Lernhandelns betrifft die Fragestellung, welche inhaltlichen Erfahrungen den Lernenden in einer bestimmten Lernumwelt ermöglicht werden; welche Phänomene, Objekte, Vorgänge, Begriffe, Zusammenhänge, Normen etc. (Lerngegenstände) den Schülern in welcher Form und in welchem inhaltlich-strukturellen Zusammenhang (Lernobjekte) und unter welchen äußeren Umständen (gegenständliche und soziale Lernumwelt) zugänglich gemacht werden. 2. Die formale Prozeßqualität des Lernhandelns bezieht sich auf die Fragestellung, wie anspruchsvoll die Handlungsanforderungen, die die Schüler im Zuge des Lernhandelns zu bewältigen haben, unter handlungsstrukturellem Aspekt sind. Das Anspruchsniveau kann dabei in Anlehnung an das im Kapitel 4.2.3 entwickelte formale Handlungsstrukturmodell systematisiert werden. 3. Das Reflexions- und Systematisierungsniveau des Lernhandelns betrifft den Fragekomplex, in welchem Maße im Zuge des Lernhandelns ein Wechselspiel von handlungsund problembezogener Erfahrungsbildung und begrifflich-abstrakter Reflexion und Systematisierung realisiert werden kann. 267
Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen 4.2.4.2 Zur inhaltlich-gegenständlichen Qualität des Lernhandelns Im Kapitel 4.2.2.2 hatten wir menschliches Lernhandeln als Modus der adaptiv-konstruktiven Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt interpretiert und es unter anderem durch die Merkmale der Zielorientiertheit und der Gegenständlichkeit gekennzeichnet: Lernhandeln ist auf die Aneignung definierter Lerngegenstände gerichtet, und dieser aktive Aneignungsprozeß vollzieht sich in der zielorientiert-handelnden Auseinandersetzung mit Repräsentanten dieser Lerngegenstände (Lernobjekte). Die inhaltlich-gegenständliche Qualität des Lernhandelns wird somit durch drei Faktorenkomplexe bestimmt: (1) Mit welchen Lerngegenständen wird der Schüler konfrontiert? (2) Wie werden diese Lerngegenstände im Unterricht repräsentiert? (3) Wie werden diese Lerngegenstände bzw. ihre Objektivationen (Lernobjekte) in das Lernhandeln einbezogen? Zu (1): Art der Lerngegenstände Der erste Faktorenkomplex betrifft die Frage nach dem Inhalt, dem Lehrstoff bzw. der Thematik des Unterrichts, wobei zu beachten ist, daß der Unterrichtsgegenstand nicht etwa vorgefunden, sondern über Prozesse der didaktischen Transformation bzw. Reduktion relevanter Bildungsinhalte modelliert wird (vgl. hierzu PREISS 1992; ACHTENHAGEN et al. 1992; WITT 1995). Die inhaltsakzentuierende Beschreibung derartiger Lerngegenstände unabhängig von der Oberflächenstruktur der konkreten Lernobjekte dürfte nur auf der Grundlage fachdidaktischer Konzepte bereichsspezifisch möglich sein. WIENOLD/ACHTENHAGEN haben im Bereich des Englischanfangsunterrichts das Beschreibungssystem SYNTAKO entwickelt (vgl. Wienold et. al. 1985); im ökonomischen Lernfeld liegen Ansätze von WITT (1988; 1992; 1995) und von PREIß (1990; im Erscheinen) vor. Die Beurteilung von Lerngegenständen kann vorwiegend unter zwei Aspekte erfolgen: 1. unter curricularem Aspekt im Hinblick auf ihr qualifikatorisches Potential, wobei als Bewertungskriterien etwa die von ROBINSOHN (1967, S. 47) genannten Kategorien „Bedeutung eines Gegenstandes im Gefüge der Wissenschaft“, „Leistung eines Gegenstandes für Weltverstehen“ und Funktion eines Gegenstandes in spezifischen Verwendungssituationen des privaten und öffentlichen Lebens“ in Betracht kommen könnten; 2. unter inhaltsstrukturellem Aspekt im Hinblick auf immanente Kriterien wie Begründetheit, Informationshaltigkeit, Ideologiegehalt, Widerspruchsfreiheit, innere Kohärenz im Sinne von Integriertheit bzw. Vernetztheit u. a.m. In bezug auf die Lerngegenstände des Wirtschaftslehreunterrichts wird entsprechend kritisiert: − Die Dominanz weitgehend unverbundenen handelstechnischen und juristischen Detailwissens, die lediglich in höheren Schulformen durch wiederum wenig integriertes Faktenwissen relativiert wird, das „einzelnen betriebswirtschaftlichen ‘Teillehren’ entnommen ist“ (DUBS 1985, S. 469; vgl. REETZ 1984a, S. 191ff.). − Der mangelnde Realitätsbezug und die fehlende Praxisbedeutsamkeit der Lerninhalte. Auffallend ist insbesondere der Mangel an gehaltvollen empirischen Informationen über Sach- 268
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<strong>4.</strong>2.<strong>4.</strong>2 Zur inhaltlich-gegenständlichen Qualität des Lernhandelns<br />
Im Kapitel <strong>4.</strong>2.2.2 hatten wir menschliches Lernhandeln als Modus der adaptiv-konstruktiven<br />
Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt interpretiert <strong>und</strong> es unter anderem durch die<br />
Merkmale der Zielorientiertheit <strong>und</strong> der Gegenständlichkeit gekennzeichnet: Lernhandeln ist<br />
auf die Aneignung definierter Lerngegenstände gerichtet, <strong>und</strong> dieser aktive Aneignungsprozeß<br />
vollzieht sich in der zielorientiert-handelnden Auseinandersetzung mit Repräsentanten dieser<br />
Lerngegenstände (Lernobjekte). Die inhaltlich-gegenständliche Qualität des Lernhandelns<br />
wird somit durch drei Faktorenkomplexe bestimmt:<br />
(1) Mit welchen Lerngegenständen wird der Schüler konfrontiert?<br />
(2) Wie werden diese Lerngegenstände im Unterricht repräsentiert?<br />
(3) Wie werden diese Lerngegenstände bzw. ihre Objektivationen (Lernobjekte) in das<br />
Lernhandeln einbezogen?<br />
Zu (1): Art der Lerngegenstände<br />
Der erste Faktorenkomplex betrifft die Frage nach dem Inhalt, dem Lehrstoff bzw. der Thematik<br />
des Unterrichts, wobei zu beachten ist, daß der Unterrichtsgegenstand nicht etwa vorgef<strong>und</strong>en,<br />
sondern über Prozesse der didaktischen Transformation bzw. Reduktion relevanter<br />
Bildungsinhalte modelliert wird (vgl. hierzu PREISS 1992; ACHTENHAGEN et al. 1992; WITT<br />
1995). Die inhaltsakzentuierende Beschreibung derartiger Lerngegenstände unabhängig <strong>von</strong><br />
der Oberflächenstruktur der konkreten Lernobjekte dürfte nur auf der Gr<strong>und</strong>lage fachdidaktischer<br />
<strong>Konzept</strong>e bereichsspezifisch möglich sein. WIENOLD/ACHTENHAGEN haben im Bereich<br />
des Englischanfangsunterrichts das Beschreibungssystem SYNTAKO entwickelt (vgl. Wienold<br />
et. al. 1985); im ökonomischen Lernfeld liegen Ansätze <strong>von</strong> WITT (1988; 1992; 1995) <strong>und</strong><br />
<strong>von</strong> PREIß (1990; im Erscheinen) vor.<br />
Die <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lerngegenständen kann vorwiegend unter zwei Aspekte erfolgen:<br />
1. unter curricularem Aspekt im Hinblick auf ihr qualifikatorisches Potential, wobei als Bewertungskriterien<br />
etwa die <strong>von</strong> ROBINSOHN (1967, S. 47) genannten Kategorien „Bedeutung<br />
eines Gegenstandes im Gefüge der Wissenschaft“, „Leistung eines Gegenstandes<br />
für Weltverstehen“ <strong>und</strong> Funktion eines Gegenstandes in spezifischen Verwendungssituationen<br />
des privaten <strong>und</strong> öffentlichen Lebens“ in Betracht kommen könnten;<br />
2. unter inhaltsstrukturellem Aspekt im Hinblick auf immanente Kriterien wie<br />
Begründetheit, Informationshaltigkeit, Ideologiegehalt, Widerspruchsfreiheit, innere<br />
Kohärenz im Sinne <strong>von</strong> Integriertheit bzw. Vernetztheit u. a.m.<br />
In bezug auf die Lerngegenstände des Wirtschaftslehreunterrichts wird entsprechend kritisiert:<br />
− Die Dominanz weitgehend unverb<strong>und</strong>enen handelstechnischen <strong>und</strong> juristischen Detailwissens,<br />
die lediglich in höheren Schulformen durch wiederum wenig integriertes<br />
Faktenwissen relativiert wird, das „einzelnen betriebswirtschaftlichen ‘Teillehren’<br />
entnommen ist“ (DUBS 1985, S. 469; vgl. REETZ 1984a, S. 191ff.).<br />
− Der mangelnde Realitätsbezug <strong>und</strong> die fehlende Praxisbedeutsamkeit der Lerninhalte. Auffallend<br />
ist insbesondere der Mangel an gehaltvollen empirischen Informationen über Sach-<br />
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