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4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

als Reproduktion des klassischen Dualismus <strong>von</strong> Denken <strong>und</strong> Handeln, der Trennung in<br />

weltabgewandte theoretische Wesensschau <strong>und</strong> Schulung der geistigen Kräfte einerseits <strong>und</strong><br />

nützliches, zweckrationales <strong>und</strong> damit „minderwertiges“ praktisches Tun andererseits, zu<br />

bewerten.<br />

Interessanter Weise berufen sich die Autoren <strong>zur</strong> Rechtfertigung der Taxonomie auch auf die<br />

„griechische Philosophie“ <strong>und</strong> deren Unterteilung in „Erkenntnis, Streben <strong>und</strong> Fühlen;<br />

Denken, Wollen <strong>und</strong> Handeln“ (KRATHWOHL/BLOOM/MASIA 1975, S. 7). Kritische Einwände<br />

in Richtung auf eine ganzheitliche Sicht des Menschen, die vor allem auf den engen<br />

Zusammenhang <strong>von</strong> kognitiven <strong>und</strong> affektiven Faktoren verweisen, werden mit Hinweis auf<br />

einige Forschungsbef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> das pragmatische Anliegen der Taxonomie affirmativ<br />

<strong>zur</strong>ückgewiesen (ebenda).<br />

Daß diese Separierung der Lernergebnisse in drei Dimensionen nicht nur als analytischer Zugriff<br />

auf einen im Prinzip ganzheitlich verstandenen Lernprozeß gesehen wird, zeigt sich<br />

daran, daß die Ausarbeitung der psychomotorischen Dimension <strong>von</strong> der Arbeitsgruppe<br />

offenbar als wenig bedeutsam für den schulischen Einsatzbereich angesehen <strong>und</strong> schließlich<br />

auch nie realisiert wurde. BLOOM schreibt diesbezüglich (1974, S. 21):<br />

„Obwohl wir <strong>von</strong> seiner (der psychomotorischen Dimension, T.T.) Existenz wissen,<br />

wird dazu in Höheren Schulen oder Colleges so wenig getan, daß wir nicht glauben,<br />

daß die Entwicklung einer Klassifikation für diese Lernziele gegenwärtig sehr<br />

nützlich wäre“.<br />

Auch in bezug auf den Zusammenhang kognitiver <strong>und</strong> affektiver Lernergebnisse ist die Separierung<br />

durchaus nicht nur analytischer Natur. Zwar leugnen die Verfasser nicht, daß es<br />

Wechselwirkungen zwischen kognitiven <strong>und</strong> affektiven Aspekten gibt. Sie zeigen sich jedoch<br />

skeptisch gegenüber der Annahme, „daß mit der Entwicklung kognitiver Lernziele eine<br />

korrespondierende Entwicklung in den entsprechenden affektiven Verhaltensweisen<br />

einhergeht“ <strong>und</strong> favorisieren eine Position, derzufolge „sich affektive Verhaltensweisen<br />

entwickeln, wenn den Schülern die dafür geeigneten Erfahrungen vermittelt werden, ebenso<br />

wie sich auch kognitive Verhaltensformen aus geeigneten Erfahrungen entwickeln“ (vgl.<br />

KRATHWOHL/BLOOM/MASIA 1975, S. 18).<br />

Ein dritter Kritikansatz bezieht sich schließlich darauf, daß die vorgelegte Lernzieltaxonomie<br />

trotz ihrer vorwiegend pragmatisch ausgerichteten Begründungsansätze <strong>von</strong> bestimmten psychologischen<br />

Modellannahmen ausgeht, die als impliziter Theoriehintergr<strong>und</strong> der<br />

Lernzieltaxonomie anzusehen sind. Wir haben gerade einige der theoretischen Implikationen<br />

angesprochen. Dieser Theoriehintergr<strong>und</strong>, wird jedoch nicht expliziert; Versuche, die<br />

„psychologischen Basis-Sätze“ der Taxonomie theoretisch <strong>und</strong> empirisch abzusichern, sind<br />

gescheitert (FREY 1971, S. 188ff.; vgl. MEYER 1976, S. 102).<br />

Trotz dieser Einwände hat die BLOOMsche Lernzieltaxonomie beachtliche praktische Wirkung<br />

entfaltet. Dies wäre unproblematisch, wenn sich der Einfluß auf den ursprünglichen Einsatzbereich<br />

beschränkte, also auf die Systematisierung <strong>von</strong> Prüfungsitems <strong>und</strong> die nachträgliche<br />

Ordnung <strong>von</strong> Lernzielen. Hier mag sie in der Tat ausgesprochen hilfreich sein. Bedenklich<br />

wird der Einfluß der Lernzieltaxonomie hingegen, wenn sie als Suchraster <strong>und</strong><br />

Begründungsersatz bei der Lernzielformulierung oder gar als Stufenmodell bei der<br />

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