4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen 3. Werten 3.1 Akzeptieren eines Wertes 3.2 Bevorzugung eines Wertes 3.3 Bindung an einen Wert 4. Wertordnung 4.1 Durchdringung und Einordnung eines Wertes 4.2 Organisation eines Wertsystems 5. Bestimmtsein durch Werte 5.1 Verallgemeinertes Wertsystem, übergreifende Einstellungen 5.2 Bildung einer Weltanschauung (3) Psychomotorische Lernziele, „die Wert legen auf eine muskuläre oder motorische Fertigkeit, auf den Umgang mit Material oder Gegenständen oder auf eine Handlung, die neuromuskuläre Koordination erfordert“ (KRATHWOHL/BLOOM/MASIA 1975, S. 6). Eine Ausarbeitung dieser Dimension haben BLOOM und Mitarbeiter nie realisiert. Es liegt allerdings eine Vielzahl von Klassifikationsversuchen anderer Autoren vor, von denen der Entwurf von DAVE (1968) die größte Aufmerksamkeit gefunden hat. Grob zusammengefaßt enthält er folgende Hierarchiestufen (nach MEYER 1976, S. 151f.; vgl. ACHTENHAGEN 1984, S. 132ff.): 1. Imitation „Wenn der Lernende mit einer beobachtbaren Handlung konfrontiert wird, beginnt er, diese Handlung nachzuahmen“. 2. Manipulation „Entwicklung von Fertigkeiten beim Befolgen von Anweisungen, Ausführen selektiver Handlungen und Festigung des Handlungsablaufs mit fortschreitender Übung“. 3. Präzision „Auf dieser Stufe werden Genauigkeit und Maßverhältnisse beim Reproduzieren bedeutsam. Der Lerner wird allmählich vom Modell unabhängig.“ 4. Handlungsgliederung. „Hier kommt es darauf an, eine Serie von Handlungen zu koordinieren, indem die geeignete Abfolge und ein harmonisches Zusammenwirken verschiedener Handlungen hergestellt wird.“ 5. Naturalisierung „Auf dieser Stufe erreicht die Handlungsfertigkeit den höchsten Grad der Beherrschung, und sie wird mit geringstmöglichem Aufwand psychischer Energie ausgeführt“. Zweifellos sind diese Lernzieltaxonomien Ausdruck eines behavioralen Lernkonzepts und ihr Entstehungszusammenhang - der Auftrag zur Entwicklung von Tests zur Vereinheitlichung amerikanischer College- und Hochschulprüfungen - unterstreicht die ihr eigene Orientierung an isolierbaren, meßbaren, operational definierten Lernergebnissen (vgl. MEYER 1976, S. 106). Ebenso ist mittlerweile allgemein anerkannt, daß diese Taxonomie der Komplexität und Ganzheitlichkeit menschlichen Lernens und menschlicher Lernergebnisse nicht gerecht wird. Insbesondere die künstliche Trennung von kognitiven und psychomotorischen Lernzielen ist 233
Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen als Reproduktion des klassischen Dualismus von Denken und Handeln, der Trennung in weltabgewandte theoretische Wesensschau und Schulung der geistigen Kräfte einerseits und nützliches, zweckrationales und damit „minderwertiges“ praktisches Tun andererseits, zu bewerten. Interessanter Weise berufen sich die Autoren zur Rechtfertigung der Taxonomie auch auf die „griechische Philosophie“ und deren Unterteilung in „Erkenntnis, Streben und Fühlen; Denken, Wollen und Handeln“ (KRATHWOHL/BLOOM/MASIA 1975, S. 7). Kritische Einwände in Richtung auf eine ganzheitliche Sicht des Menschen, die vor allem auf den engen Zusammenhang von kognitiven und affektiven Faktoren verweisen, werden mit Hinweis auf einige Forschungsbefunde und das pragmatische Anliegen der Taxonomie affirmativ zurückgewiesen (ebenda). Daß diese Separierung der Lernergebnisse in drei Dimensionen nicht nur als analytischer Zugriff auf einen im Prinzip ganzheitlich verstandenen Lernprozeß gesehen wird, zeigt sich daran, daß die Ausarbeitung der psychomotorischen Dimension von der Arbeitsgruppe offenbar als wenig bedeutsam für den schulischen Einsatzbereich angesehen und schließlich auch nie realisiert wurde. BLOOM schreibt diesbezüglich (1974, S. 21): „Obwohl wir von seiner (der psychomotorischen Dimension, T.T.) Existenz wissen, wird dazu in Höheren Schulen oder Colleges so wenig getan, daß wir nicht glauben, daß die Entwicklung einer Klassifikation für diese Lernziele gegenwärtig sehr nützlich wäre“. Auch in bezug auf den Zusammenhang kognitiver und affektiver Lernergebnisse ist die Separierung durchaus nicht nur analytischer Natur. Zwar leugnen die Verfasser nicht, daß es Wechselwirkungen zwischen kognitiven und affektiven Aspekten gibt. Sie zeigen sich jedoch skeptisch gegenüber der Annahme, „daß mit der Entwicklung kognitiver Lernziele eine korrespondierende Entwicklung in den entsprechenden affektiven Verhaltensweisen einhergeht“ und favorisieren eine Position, derzufolge „sich affektive Verhaltensweisen entwickeln, wenn den Schülern die dafür geeigneten Erfahrungen vermittelt werden, ebenso wie sich auch kognitive Verhaltensformen aus geeigneten Erfahrungen entwickeln“ (vgl. KRATHWOHL/BLOOM/MASIA 1975, S. 18). Ein dritter Kritikansatz bezieht sich schließlich darauf, daß die vorgelegte Lernzieltaxonomie trotz ihrer vorwiegend pragmatisch ausgerichteten Begründungsansätze von bestimmten psychologischen Modellannahmen ausgeht, die als impliziter Theoriehintergrund der Lernzieltaxonomie anzusehen sind. Wir haben gerade einige der theoretischen Implikationen angesprochen. Dieser Theoriehintergrund, wird jedoch nicht expliziert; Versuche, die „psychologischen Basis-Sätze“ der Taxonomie theoretisch und empirisch abzusichern, sind gescheitert (FREY 1971, S. 188ff.; vgl. MEYER 1976, S. 102). Trotz dieser Einwände hat die BLOOMsche Lernzieltaxonomie beachtliche praktische Wirkung entfaltet. Dies wäre unproblematisch, wenn sich der Einfluß auf den ursprünglichen Einsatzbereich beschränkte, also auf die Systematisierung von Prüfungsitems und die nachträgliche Ordnung von Lernzielen. Hier mag sie in der Tat ausgesprochen hilfreich sein. Bedenklich wird der Einfluß der Lernzieltaxonomie hingegen, wenn sie als Suchraster und Begründungsersatz bei der Lernzielformulierung oder gar als Stufenmodell bei der 234
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