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4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

− Das Handeln im sozial-normativen Rahmen der Schule. Hiermit sind das die einzelnen<br />

Unterrichts-Settings verbindende „Meso-System“ angesprochen, ebenso jedoch Handlungen,<br />

die sich außerhalb des Unterrichts, jedoch im Rahmen der Schule abspielen<br />

(Pausen, Schülermitverwaltung etc.). Wesentlich ist dabei, daß den Schülern<br />

Rollendefinitionen <strong>und</strong> Handlungsnormen vermittelt werden, auf die hin sie ihr Handeln<br />

ausrichten (gleich ob anpassend oder sich widersetzend). Auf dieser Ebene der Betrachtung<br />

tritt der Aspekt der institutionellen Eingeb<strong>und</strong>enheit des Lernhandelns deutlich zutage: die<br />

Handlungsmöglichkeiten der Schüler werden nicht allein in der je aktuellen Interaktion der<br />

Lehr-Lern-Situation definiert, sondern sie sind in hohem Maße vorherbestimmt,<br />

vorgeformt, der eigenen Gestaltung unzugänglich. Diese formal-bürokratische Vorformung<br />

des Lehr-Lern-Prozesses ergibt sich aus der Organisationsstruktur der Schule<br />

(Klassenprinzip, Fächerung, 45-Minuten-St<strong>und</strong>e, Hierarchie der Ämter etc.), aber auch aus<br />

den expliziten Handlungsvorgaben (Lehrplan, Schulordnung) <strong>und</strong> den internalisierten<br />

Rollenvorschriften, wie sie <strong>von</strong> Lehrern <strong>und</strong> Schülern befolgt werden (vgl. hierzu bezogen<br />

auf das Lehrerhandeln Hofer 1986, S. 354ff.). RUMPF (1971, S.65) kennzeichnet<br />

schulisches Handeln <strong>von</strong> Lehrern <strong>und</strong> Schülern als bürokratisches oder zumindest<br />

bürokratisch überformtes Handeln:<br />

„Das System honoriert auf allen Stufen - vom Ministerialbeamten über den Direktor<br />

<strong>und</strong> den Lehrer bis zum Schüler - den, der keine Probleme <strong>und</strong> Schwierigkeiten bei<br />

der Ausführung der Vorschriften hat oder zu haben vorgibt, <strong>und</strong> den, der sich die<br />

Schulwelt nicht ganz anders denkt, als sie ist. Wer unauffällig seine Pflicht tut - <strong>und</strong><br />

dazu gehört es auch, sich keine Scherereien mit Vorgesetzten zu machen -, der darf<br />

auf günstige <strong>Beurteilung</strong> bei den Oberen hoffen, er hat gewisse Aussichten, selbst<br />

einmal zu diesen Oberen zu gehören“.<br />

Der Frage nach den sozialisatorischen Konsequenzen dieser bürokratischen Überformung<br />

des Lernhandelns kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl. dazu z. B. FEND<br />

1980). Für unseren Zusammenhang bleibt festzuhalten, daß das Lernhandeln - wie auch das<br />

Lehrhandeln - in ein Gefüge <strong>von</strong> Handlungsvorgaben <strong>und</strong> Rollenvorschriften eingeb<strong>und</strong>en<br />

ist; es ist aber auch festzuhalten, daß dieses Gefüge immer noch erhebliche<br />

Handlungsspielräume für die Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses bereitstellt <strong>und</strong> daß<br />

selbst einschränkende Bedingungen dann zu sozialisatorisch wertvollen Erfahrungen<br />

führen können, wenn sie Gegenstand unterrichtlicher Reflexion werden (vgl. STEINHOFF<br />

1981).<br />

- Das Handeln im sozial-normativen Rahmen des Schul- <strong>und</strong> Bildungssystems. Die soeben<br />

angesprochenen institutionellen Rahmenbedingungen schulisch organisierten Lernens sind<br />

letztlich Ausdruck dafür, daß Schule <strong>und</strong> Unterricht im gesellschaftlichen Auftrag <strong>und</strong><br />

unter staatlicher Kontrolle stattfinden <strong>und</strong> daß damit für die gesellschaftliche Reproduktion<br />

bedeutsame Zwecke verfolgt werden. Der Beamtenstatus der Lehrerschaft, die Regelung<br />

der Bildungsorganisation über Schulgesetze, die staatlich Verordnung <strong>von</strong> Lehrplänen <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt die staatliche Schulaufsicht sind Ausdruck dieses Sachverhalts.<br />

Wenn hier nochmals gesondert auf den sozial-normativen Rahmen des Schul- <strong>und</strong><br />

Bildungssystems für das Lernhandeln hingewiesen wird, dann deshalb, weil diese Ebene<br />

auch in der sinngebenden Handlungsorientierung des einzelnen Schülers existent ist. Am<br />

offensichtlichsten dürfte dieser Zusammenhang im Kontext des Berechtigungswesens<br />

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