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4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

soll angedeutet werden, daß hierüber die klassische Aporie der Erziehung, der dialektische<br />

Widerspruch <strong>von</strong> Anpassung <strong>und</strong> Widerstand, <strong>von</strong> Bewältigung <strong>und</strong> Gestaltung, seinen<br />

konkreten Ausdruck in jeder einzelnen Lernhandlung findet. Mit KANT läßt sich dieser<br />

erziehungstheoretisch-philosophische Referenzpunkt unserer Fragestellung wie folgt fassen:<br />

„Eines der größten Probleme der Erziehung ist, wie man die Unterwerfung unter den<br />

gesetzlichen Zwang mit der Fähigkeit, sich seiner Freiheit zu bedienen, vereinigen<br />

könne. Denn Zwang ist nötig! Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“<br />

(1971, S. 695).<br />

Wir geben dieser Überlegung hier deshalb so viel Raum, weil wir es für sinnvoll halten, Lernumwelten<br />

danach zu unterscheiden, ob <strong>und</strong> in welchem Maße sie dieses notwendige Gleichgewicht<br />

nach der einen oder anderen Seite verschieben <strong>und</strong> dem Lernenden damit wesentliche<br />

Erfahrungen mit seiner Umwelt <strong>und</strong>/oder mit sich selbst eröffnen oder verweigern.<br />

In diesem Zusammenhang nimmt der Begriff der „Erfahrung“ eine zentrale Rolle ein <strong>und</strong> tritt<br />

zu den bereits eingeführten <strong>Konzept</strong>en des „Lernhandelns“ <strong>und</strong> der „Lernsituation“ hinzu. Wir<br />

wollen uns bei der Explikation dieses Begriffs an der <strong>Konzept</strong>ion des amerikanischen pragmatischen<br />

Pädagogen <strong>und</strong> Bildungsreformers John DEWEY orientieren. Nachdem dieser in der<br />

erziehungswissenschaftlichen Literatur lange Zeit lediglich als historisch bedeutsame Persönlichkeit<br />

behandelt bzw. eben nicht mehr behandelt wurde, ist es insbesondere den Arbeiten<br />

<strong>von</strong> BOHNSACK (1976), BONNE (1978) <strong>und</strong> KRÜGER/LERSCH (1982) sowie einigen Hinweisen<br />

bei AEBLI (1980; 1981) zu verdanken, daß die Nähe DEWEYs zu einer interaktionistischkognitiven<br />

Lernkonzeption herausgearbeitet <strong>und</strong> seine Relevanz für entsprechende didaktische<br />

Überlegungen erneut deutlich wurde.<br />

DEWEYs Erfahrungsbegriff stellt den Versuch dar, eine Synthese aus dem idealistischen Erfahrungskonzept<br />

PLATONs <strong>und</strong> dem passivischen Erfahrungsbegriff des neuzeitlichen<br />

Empirismus (LOCKE) zu entwerfen. KRÜGER/LERSCH (1982, S. 173) weisen darauf hin, daß<br />

Erfahrung <strong>von</strong> DEWEY „weder ausschließlich als aktiv-tätiger noch allein als passiv-sinnlicher<br />

Vorgang gefaßt“ werde, sondern daß er vielmehr „die aktive Handlung <strong>und</strong> die sinnliche<br />

Rückmeldung als zwei Phasen eines Prozesses der Erfahrung“ ansehe. Wie der Prozeß der<br />

Kompetenzbildung bei PIAGET sei auch der Erwerb <strong>von</strong> Erfahrungen bei DEWEY „in<br />

konstruktive <strong>und</strong> zugleich adaptive Handlungszusammenhänge zwischen Subjekt- <strong>und</strong><br />

Umweltstrukturen eingeb<strong>und</strong>en, die DEWEY als aktive <strong>und</strong> passive Phase der Erfahrung <strong>und</strong><br />

PIAGET als Prozesse der Akkomodation <strong>und</strong> Assimilation bezeichnet hat“ (ebenda, S. 175).<br />

Entsprechend heißt es in DEWEYs Hauptwerk „Demokratie <strong>und</strong> Erziehung“ (1915, deutsch<br />

1964, S. 186):<br />

„Das Wesen der Erfahrung kann nur verstanden werden, wenn man beachtet, daß<br />

dieser Begriff ein passives <strong>und</strong> ein aktives Element umschließt, die in besonderer<br />

Weise miteinander verb<strong>und</strong>en sind. Die aktive Seite der Erfahrung ist Ausprobieren,<br />

Versuch - man macht Erfahrungen. Die passive Seite ist ein Erleiden, ein<br />

Hinnehmen. Wenn wir etwas erfahren, so wirken wir auf dieses Etwas zugleich ein,<br />

so tun wir etwas damit, um dann die Folgen unseres Tuns zu erleiden. Wir wirken<br />

auf den Gegenstand ein, <strong>und</strong> der Gegenstand wirkt auf uns <strong>zur</strong>ück.“<br />

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