4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen pretationsebene, von der ausgehend erst begründete und mögliche Hypothesen im Hinblick auf individuelle Lernprozesse möglich sind. überindividuelle (objektive) Situationsmerkmale der Lern- und Arbeitsumwelt Übungsfirma (Strukturen, Prozesse, objektiver und normativer Rahmen) Hypothesen Anforderungspotential gegenseitige Validierung Hypothesen Anreizpotential individuelle (subjektive) Wahrnehmungs- und Beurteilungsmuster der Lern- und Arbeitssituation Übungsfirma Bewältigungsstrategien spezifische Umweltmerkmale Lernsituation Handeln Arbeitssituation spezifische Personenmerkmale Relevanzkriterien (Perspektiven, Instrumente) Relevanzkriterien (Perspektiven, Instrumente) Abbildung 66: Zusammenhang theoretischer und empirischer Arbeiten im evaluativen Kontext des Projekts Übungsfirma So gesehen wäre prinzipiell eine subjektive Lernsituationsanalyse in Analogie zur subjektiven Arbeitssituationsanalyse wünschenswert, also der Versuch einer Erfassung des Lernhandelns auf der Ebene individuell handlungswirksamer Redefinition von Situationen (vgl. z. B. UDRIS 1981; ULICH 1991, S. 81ff.). Derartige Analysezugriffe werden in Verbindung mit dem „Forschungsprogramm Subjektive Theorien“ (GROEBEN et al. 1988) ebenso diskutiert, wie im Bereich der Arbeitspsychologie unter der Rubrik „Subjektive Arbeitsanalyse“ (vgl. hierzu als Überblick ULICH 1991, S. 81ff; vgl. auch OESTERREICH/VOLPERT 1988; S. 59ff.). Auch wenn man einmal vom hohen Erhebungsaufwand und dem damals wie heute durchaus noch unbefriedigenden methodologischen Entwicklungsstand derartiger Verfahren absieht (vgl. hierzu z. B. OESTERREICH/VOLPERT 1988), liegt deren wesentliche Schwäche darin, daß sie zwar geeignet erscheinen, Situationsmerkmale auf individueller und interindividueller Ebene zu rekonstruieren, daß sie jedoch keine sicheren Rückschlüsse auf die objektiven Handlungsmerkmale und -anforderungen zulassen, wie sie durch die technologischen, organisatorischen und/oder sozialen Bedingungen des Handlungsbereiches geprägt sind. Bezogen auf die Arbeitsanalyse weisen OESTERREICH und VOLPERT (1988, S. 60) deshalb zu Recht darauf hin, daß eine subjektive Arbeitsanalyse sich immer auf eine bedingungsbezogene (objektive) Arbeitsanalyse stützen müsse: 387

Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen „Denn wie kann eine in der personenbezogenen Analyse festgestellte Vorgehensweise als personenspezifisch gekennzeichnet werden, wenn dem Untersucher nicht bekannt ist, welche Arten der Vorgehensweise von den Arbeitsbedingungen her vorgegeben sind? Es könnte ihm unterlaufen, daß er ein stets ... erforderliches Vorgehen als individuelle Eigenart eines Arbeitenden interpretiert.“ Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen haben wir uns für eine Variante der Handlungsanalyse entschieden, mit der versucht wird, Hinweise auf die Qualität des Handelns in der Lern- und Arbeitssituation Übungsfirma auf indirektem Wege zu erschließen. Ein solches Vorgehen wird im Hinblick auf die Analyse des Arbeitshandelns etwa von LEMPERT/HOFF/ LAPPE (1979, S. 281ff.) oder auch von KARG/STAEHLE (1982, S. 33ff.) empfohlen, und letztlich finden sich auch bei OESTERREICH und VOLPERT (1988, S. 54ff.) deutliche Hinweise auf eine Verknüpfung der bedingungsbezogenen (objektiven) und der personenbezogenen (subjektiven) Perspektive bei der Arbeitsanalyse. Der von uns gewählte Ansatz, der mit KARG/STAEHLE (1982, S. 33ff.) als „Duale Arbeitssituationsanalyse“ bezeichnet werden könnte, ist durch einen zweifachen Zugriff gekennzeichnet: − Zum einen wurde versucht, durch die Analyse überindividuell gültiger Charakteristika der Arbeitssituation Informationen über ihren objektiven Anforderungsgehalt zu gewinnen; hierüber wird im Kapitel 5.2 ausführlich berichtet. Im Vordergrund stand dabei die Analyse von Arbeitsaufgaben und ihrer konkreten Ausführungsbedingungen auf der Grundlage bedingungsorientiert-arbeitsanalytischer und betriebswirtschaftlicher Konzepte und Instrumente. Mit diesem Ansatz wurde zwar von individuellen Leistungsvoraussetzungen abstrahiert, „nicht jedoch vom handelnden Menschen schlechthin“ (GABLENZ- KOLAKOWIC et al. 1981, S. 218). Auf dieser Grundlage war es uns möglich, unter Einbeziehung weiterer Informationen, wie etwa über die spezifischen Vorkenntnisse und Erfahrungen der Handelnden, begründete Hypothesen über das individuell wirksame Anforderungspotential der Lern- bzw. Arbeitsaufgaben zu formulieren. − Auf einer zweiten Ebene wurde erfaßt, in welcher Weise die gegebene Lern- und Arbeitssituation Übungsfirma von den Schülern individuell wahrgenommen, erlebt und bewertet wurde; Ansatz und Ergebnisse dieses Teilprojekts werden im Kapitel 5.3 vorgestellt. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß letztlich nicht die objektiven Merkmale der Umwelt, sondern die Art und Weise, wie diese subjektiv repräsentiert und verarbeitet werden, über Qualität und Intensität individuellen Handelns entscheiden. Auf der Grundlage dieser Informationen war es uns einerseits möglich, begründete Hypothesen über das Anreizpotential der Übungsfirma zu gewinnen, d. h. darüber, inwieweit die Lernumwelt Ü- bungsfirma für die Schüler ein attraktives, motivierendes Handlungsfeld darstellte. Zugleich erlaubten sie uns Aufschlüsse darüber, in welcher Weise die Schüler objektiv gegebene Situationsmerkmale subjektiv erfassen und mit welchen Strategien und Einstellungen sie den objektiven Handlungsanforderungen begegneten und diese dadurch individuell moderierten (Bewältigungsstrategien). Schließlich erlaubte es die Erhebung individueller Aussagen über die Lern- und Arbeitssituation auch, die Ergebnisse der objektiven Analysen zu validieren und ggf. zu ergänzen. Grundlage der Erhebungen objektiver und subjektiver Daten über die Übungsfirmenarbeit wie auch der daraus abgeleiteten Hypothesen war unser in den Kapiteln 4.2 und 4.3 dargelegtes in- 388

Kapitel 4: <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

pretationsebene, <strong>von</strong> der ausgehend erst begründete <strong>und</strong> mögliche Hypothesen im Hinblick<br />

auf individuelle Lernprozesse möglich sind.<br />

überindividuelle<br />

(objektive)<br />

Situationsmerkmale<br />

der Lern- <strong>und</strong> Arbeitsumwelt<br />

Übungsfirma<br />

(Strukturen, Prozesse,<br />

objektiver <strong>und</strong> normativer<br />

Rahmen)<br />

Hypothesen<br />

Anforderungspotential<br />

gegenseitige<br />

Validierung<br />

Hypothesen<br />

Anreizpotential<br />

individuelle<br />

(subjektive)<br />

Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />

<strong>Beurteilung</strong>smuster der<br />

Lern- <strong>und</strong> Arbeitssituation<br />

Übungsfirma<br />

Bewältigungsstrategien<br />

spezifische<br />

Umweltmerkmale<br />

Lernsituation<br />

Handeln<br />

Arbeitssituation<br />

spezifische<br />

Personenmerkmale<br />

Relevanzkriterien<br />

(Perspektiven, Instrumente)<br />

Relevanzkriterien<br />

(Perspektiven, Instrumente)<br />

Abbildung 66:<br />

Zusammenhang theoretischer <strong>und</strong> empirischer Arbeiten im evaluativen Kontext des<br />

Projekts Übungsfirma<br />

So gesehen wäre prinzipiell eine subjektive Lernsituationsanalyse in Analogie <strong>zur</strong> subjektiven<br />

Arbeitssituationsanalyse wünschenswert, also der Versuch einer Erfassung des Lernhandelns<br />

auf der Ebene individuell handlungswirksamer Redefinition <strong>von</strong> Situationen (vgl. z. B. UDRIS<br />

1981; ULICH 1991, S. 81ff.). Derartige Analysezugriffe werden in Verbindung mit dem „Forschungsprogramm<br />

Subjektive Theorien“ (GROEBEN et al. 1988) ebenso diskutiert, wie im Bereich<br />

der Arbeitspsychologie unter der Rubrik „Subjektive Arbeitsanalyse“ (vgl. hierzu als<br />

Überblick ULICH 1991, S. 81ff; vgl. auch OESTERREICH/VOLPERT 1988; S. 59ff.). Auch wenn<br />

man einmal vom hohen Erhebungsaufwand <strong>und</strong> dem damals wie heute durchaus noch unbefriedigenden<br />

methodologischen Entwicklungsstand derartiger Verfahren absieht (vgl. hierzu z.<br />

B. OESTERREICH/VOLPERT 1988), liegt deren wesentliche Schwäche darin, daß sie zwar geeignet<br />

erscheinen, Situationsmerkmale auf individueller <strong>und</strong> interindividueller Ebene zu rekonstruieren,<br />

daß sie jedoch keine sicheren Rückschlüsse auf die objektiven Handlungsmerkmale<br />

<strong>und</strong> -anforderungen zulassen, wie sie durch die technologischen, organisatorischen <strong>und</strong>/oder<br />

sozialen Bedingungen des Handlungsbereiches geprägt sind. Bezogen auf die Arbeitsanalyse<br />

weisen OESTERREICH <strong>und</strong> VOLPERT (1988, S. 60) deshalb zu Recht darauf hin, daß eine subjektive<br />

Arbeitsanalyse sich immer auf eine bedingungsbezogene (objektive) Arbeitsanalyse<br />

stützen müsse:<br />

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