4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen setzt sind, kann kein einheitliches Verhalten der verschiedenen Subsysteme und Elemente der Unternehmung erwartet werden; die Einheit der Unternehmung als aktionsfähiges Wirtschaftssubjekt mit einheitlicher Willensäußerung hängt vom Vorhandensein solcher Gesamtziele ab“ (ULRICH 1970, S. 186). Davon ausgehend wollen wir uns schwerpunktmäßig der Systematisierung jener Prozesse zuwenden, die darauf gerichtet sind, originäre Zielentscheidungen in einer „Mehrzahl vielstufiger Arbeitsprozesse“ zu konkretisieren, zu manifestieren und zu sichern (vgl. ebenda). Aus dieser Sicht wird „das ganze Unternehmungsgeschehen als Komplex von Prozessen der Willensbildung und Willensdurchsetzung“ aufgefaßt; sie hebt die Führungsvorgänge im Gesamtbereich der Unternehmung hervor und schließt lediglich rein ausführende Handlungen aus (vgl. ebenda). Bezogen auf das aufgabenanalytische Konzept KOSIOLs bedeutet dies, daß rangund phasenanalytische Aspekte in unsere Betrachtung einbezogen werden (vgl. KOSIOL 1972, S. 75); bezogen auf die Analyse der Informationsprozesse in der Unternehmung, daß vertikale Informationsströme innerhalb der Komplexitätshierarchie von Aufgaben herausgehoben werden. Zunächst gilt es, unser Verständnis des Führungsbegriffs näher zu explizieren; wir orientieren uns dabei wiederum an der systemtheoretischen Konzeption ULRICH’s. Dieser definiert „Unternehmensführung“ in einem sehr extensiven Sinne als „Gesamtheit aller Bestimmungshandlungen in der Unternehmung ..., d. h. jener Vorgänge, welche das zukünftige Verhalten des Systems Unternehmung festlegen. Da das Verhalten des Gesamtsystems sich in den zahllosen Handlungen seiner verschiedenen produktiven Elemente äußert, umfaßt der Begriff Unternehmensführung alle Handlungen, welche das Verhalten der einzelnen Organe oder Systemelemente bestimmen“. Mit dieser Bestimmung sind also lediglich - wie bereits angesprochen - „die bereits vorbestimmten „ausführenden Tätigkeiten“ ausgeschlossen (vgl. ULRICH 1970, S. 318). Wichtig ist es, daß Führung hier also nicht in einem institutionell-hierarchischen Sinne auf höheren Funktionsstufen verortet ist, daß sie auch nicht auf „Menschenführung“ reduziert wird, sondern in einem handlungslogischen Sinne interpretiert ist als antizipative Festlegung zukünftigen Verhaltens, die grundsätzlich alle Aktionsbereiche in der Unternehmung umfaßt. ULRICH begründet diese im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang durchaus unübliche Begriffsweite u. a. mit einem Argument, dem gerade unter dem uns leitenden pädagogischen Interesse erhebliche Relevanz zukommt: „Es scheint uns wichtig zu sein, daß wir den gleichartigen Charakter von Vorgängen hervorheben, auch wenn sie an ganz unterschiedlichen Stellen der hierarchischen Ordnung stattfinden und inhaltlich auch durchaus von unterschiedlicher Bedeutung sind“ (ebenda). Zu ergänzen wäre dies noch durch den Hinweis, daß auf diesem Wege eine Prästabilisierung herkömmlicher und durchaus problematischer Hierarchiestrukturen vermieden wird. In weitergehender inhaltlicher Ausdifferenzierung unterscheidet ULRICH Führungstätigkeit, die auf das Gesamtsystem bezogen ist von solcher, die innerhalb funktional abgegrenzter Subsysteme stattfindet. Führung eines Subsystems oder Funktionsbereiches bedeutet danach „Bestimmung der Vorgänge in einem solchen gedanklich abgegrenzten Teilgebiet der Unterneh- 365

Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen menstätigkeit, ohne daß dies als reales Subsystem institutionalisiert zu sein braucht“ (ULRICH 1970, S. 321). In diesem Sinne ist Führung als Handlungselement in den einzelnen von uns im Vorhergehenden analysierten Leistungs- und Versorgungssystemen als integraler Bestandteil enthalten. Als Gesamtführung der Unternehmung werden jene Bestimmungsvorgänge bezeichnet, „welche sich nicht in einem anderen Teilbereich lokalisieren lassen. Es handelt sich demgemäß um Führungsvorgänge, welche sich nicht bloß auf das Verhalten eines Subsystems auswirken, sondern auf dasjenige der Unternehmung als Ganzes“ (ebenda). Um die Beziehung zwischen diesen Führungsebenen näher bestimmen zu können und um den Bereich der Gesamtführung substantiell auszudifferenzieren, soll nochmals auf Grundlagen der Allgemeinen Systemtheorie zurückgegriffen werden: auf Aussagen zum Verhalten dynamischer Systeme, insbesondere auf die in der Kybernetik hervorgehobenen Prozesse des Steuerns, Regelns und Anpassens. Im Zusammenhang mit der Diskussion der allgemeinen Systemeigenschaften der Unternehmung haben wir diese als offenes, dynamisches sowie zweck- und zielorientiertes System gekennzeichnet. „Das Verhalten eines solchen Systems ist von außen als Aktivität des Gesamtsystems, im „Innern“ als Komplex von Aktivitäten der Subsysteme und Elemente in Form von Prozessen erkennbar“ (ULRICH 1970, S. 119). Bei der Durchführung dieser Aktivitäten besitzen System wie Subsysteme gewisse „Freiheitsgrade des Verhaltens“, die sich auch auf die Zielbestimmung erstrecken können. In komplexen, dynamischen Systemen mit vielen Elementen und großem Beziehungsreichtum zwischen ihren Teilen und zu ihrem jeweiligen Subsystem ist das Verhalten des Systems oder seiner Subsyssteme unbestimmbar und nur in Form stochastischer Aussagen auf längere Sicht vorherzusagen. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil offene Systeme ständig in Gefahr stehen, von ihrer Umwelt in unerwünschter Weise beeinflußt zu werden bzw. gar in dieser Umwelt aufzugehen. Anders gewendet: das System läuft grundsätzlich Gefahr, seine Zweck- und Zielsetzung zu verfehlen bzw. in existentielle Bedrohung zu geraten. Diese Ausführungen dürften für das System Unternehmung von intuitiver Plausibilität sein. Vor diesem Hintergrund lautet die Grundfrage der Kybernetik: Wie kann sichergestellt werden, daß ein System zielorientiert handelt und dabei störende Umwelteinflüsse abschirmt oder kompensiert? Oder: Wie kann bei offenen, dynamischen und komplexen Systemen Stabilität im Sinne eines „Fließgleichgewichts“ (BERTALANFFY 1951; vgl. ULRICH 1987, S. 113) gesichert werden? Stabilität ist dabei als eine Verhaltensweise offener Systeme gegenüber ihrer Umwelt dadurch gekennzeichnet, „daß dem System ein bestimmtes Ziel bekannt ist, das es unter allen Umständen zu erreichen oder nicht zu verlassen sucht“ (LINDEMANN 1973, Sp. 1444). Stabilität ist in diesem Sinne nicht als Statik mißzuverstehen, sondern bedeutet, daß das System unter dem Einfluß von Störgrößen gar nicht oder nur in bestimmten Grenzen und kurzzeitig von vorgegebenen Sollwerten abweicht, bzw. zum Sollstand zurückgeführt wird (vgl. BAUMANN 1978, S. 28). In der Allgemeinen Systemtheorie werden drei Möglichkeiten der Stabilitätssicherung unterschieden: 366

Kapitel 4: <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

menstätigkeit, ohne daß dies als reales Subsystem institutionalisiert zu sein braucht“ (ULRICH<br />

1970, S. 321). In diesem Sinne ist Führung als Handlungselement in den einzelnen <strong>von</strong> uns im<br />

Vorhergehenden analysierten Leistungs- <strong>und</strong> Versorgungssystemen als integraler Bestandteil<br />

enthalten.<br />

Als Gesamtführung der Unternehmung werden jene Bestimmungsvorgänge bezeichnet, „welche<br />

sich nicht in einem anderen Teilbereich lokalisieren lassen. Es handelt sich demgemäß um<br />

Führungsvorgänge, welche sich nicht bloß auf das Verhalten eines Subsystems auswirken,<br />

sondern auf dasjenige der Unternehmung als Ganzes“ (ebenda).<br />

Um die Beziehung zwischen diesen Führungsebenen näher bestimmen zu können <strong>und</strong> um den<br />

Bereich der Gesamtführung substantiell auszudifferenzieren, soll nochmals auf Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Allgemeinen Systemtheorie <strong>zur</strong>ückgegriffen werden: auf Aussagen zum Verhalten dynamischer<br />

Systeme, insbesondere auf die in der Kybernetik hervorgehobenen Prozesse des Steuerns,<br />

Regelns <strong>und</strong> Anpassens.<br />

Im Zusammenhang mit der Diskussion der allgemeinen Systemeigenschaften der Unternehmung<br />

haben wir diese als offenes, dynamisches sowie zweck- <strong>und</strong> zielorientiertes System gekennzeichnet.<br />

„Das Verhalten eines solchen Systems ist <strong>von</strong> außen als Aktivität des Gesamtsystems,<br />

im „Innern“ als Komplex <strong>von</strong> Aktivitäten der Subsysteme <strong>und</strong> Elemente in Form <strong>von</strong><br />

Prozessen erkennbar“ (ULRICH 1970, S. 119). Bei der Durchführung dieser Aktivitäten besitzen<br />

System wie Subsysteme gewisse „Freiheitsgrade des Verhaltens“, die sich auch auf die<br />

Zielbestimmung erstrecken können.<br />

In komplexen, dynamischen Systemen mit vielen Elementen <strong>und</strong> großem Beziehungsreichtum<br />

zwischen ihren Teilen <strong>und</strong> zu ihrem jeweiligen Subsystem ist das Verhalten des Systems oder<br />

seiner Subsyssteme unbestimmbar <strong>und</strong> nur in Form stochastischer Aussagen auf längere Sicht<br />

vorherzusagen. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil offene Systeme ständig in<br />

Gefahr stehen, <strong>von</strong> ihrer Umwelt in unerwünschter Weise beeinflußt zu werden bzw. gar in<br />

dieser Umwelt aufzugehen. Anders gewendet: das System läuft gr<strong>und</strong>sätzlich Gefahr, seine<br />

Zweck- <strong>und</strong> Zielsetzung zu verfehlen bzw. in existentielle Bedrohung zu geraten. Diese Ausführungen<br />

dürften für das System Unternehmung <strong>von</strong> intuitiver Plausibilität sein.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lautet die Gr<strong>und</strong>frage der Kybernetik: Wie kann sichergestellt werden,<br />

daß ein System zielorientiert handelt <strong>und</strong> dabei störende Umwelteinflüsse abschirmt oder<br />

kompensiert? Oder: Wie kann bei offenen, dynamischen <strong>und</strong> komplexen Systemen Stabilität<br />

im Sinne eines „Fließgleichgewichts“ (BERTALANFFY 1951; vgl. ULRICH 1987, S. 113) gesichert<br />

werden? Stabilität ist dabei als eine Verhaltensweise offener Systeme gegenüber ihrer<br />

Umwelt dadurch gekennzeichnet, „daß dem System ein bestimmtes Ziel bekannt ist, das es<br />

unter allen Umständen zu erreichen oder nicht zu verlassen sucht“ (LINDEMANN 1973, Sp.<br />

1444). Stabilität ist in diesem Sinne nicht als Statik mißzuverstehen, sondern bedeutet, daß<br />

das System unter dem Einfluß <strong>von</strong> Störgrößen gar nicht oder nur in bestimmten Grenzen <strong>und</strong><br />

kurzzeitig <strong>von</strong> vorgegebenen Sollwerten abweicht, bzw. zum Sollstand <strong>zur</strong>ückgeführt wird<br />

(vgl. BAUMANN 1978, S. 28).<br />

In der Allgemeinen Systemtheorie werden drei Möglichkeiten der Stabilitätssicherung unterschieden:<br />

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