4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen Als wesentliche Merkmale einer solchen vollständigen oder auch ganzheitlichen Handlung nennt ULICH (1991, S. 163; vgl. auch VOLPERT 1987, S. 18): "(1) Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Ziele eingebettet werden können, (1) selbständige Handlungsvorbereitungen im Sinne der Wahrnehmung von Planungsfunktionen, (2) Auswahl der Mittel einschließlich der erforderlichen Interaktionen zur adäquaten Zielerreichung, (3) Ausführungsfunktionen mit Ablauffeedback zur allfälligen Handlungskorrektur, (4) Kontrolle mit Resultatfeedback und der Möglichkeit, Ergebnisse der eigenen Handlungen auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen zu überprüfen.“ Diese Konkretisierungen machen zugleich deutlich, daß das Konzept der Regulationserfordernisse in enger Beziehung steht zum von HACKER eingeführten Konzept der "Freiheitsgrade" und zum ULICHschen Konzept des Handlungsspielraums. Nach HACKER sind Freiheitsgrade im Zuge der Aufgabenbearbeitung dann gegeben, wenn das geforderte Arbeitsergebnis auf verschiedene Art, d. h. mit unterschiedlichen Aktionsprogrammen erreicht werden kann. "Dabei existiert sehr häufig auch nicht nur eine Optimalvariante, sondern eine Reihe strukturell unterschiedlicher, gleich günstiger Varianten. Wir bezeichnen diese Möglichkeiten zum unterschiedlichen aufgabenbezogenen Handeln als ‘Freiheitsgrade’. Freiheitsgrade (FG) in diesem Sinne können in der Produktion vorliegen hinsichtlich - Verfahrenswahl, - Mitteleinsatz, - zeitlicher Organisation von Aufgabenbestandteilen ... Keine FG liegen - der gesellschaftlichen Intention nach - dagegen vor hinsichtlich des zu erreichenden Produkts und der einzuhaltenden Bedingungen (Zeitaufwand, einsetzbare Werkstoffmenge, einzuhaltende Sicherheitsvorschriften), also hinsichtlich der Aufgabe“ (HACKER 1978, S. 72). „FG bieten mindestens die Möglichkeit zu Entscheidungen für verschiedene entworfene Varianten des Arbeitswegs, denen wiederum der Möglichkeit nach die kognitive Analyse der verschiedenen Möglichkeiten (Orientierung) vorausgeht. FG sind mit anderen Worten Kristallisationspunkte für regulative psychische Komponenten der Arbeitstätigkeit und determinieren die Beschaffenheit der psychischen Struktur" (HACKER 1978, S. 72f.). Bezogen auf das Modell OESTERREICHs sind Freiheitsgrade als Verzweigungen oder "Eingriffspunkte" im objektiven Handlungsfeld, also dem Feld alternativer, zielführender Handlungswege, zu rekonstruieren, an denen unterschiedliche Entscheidungen über die Fortführung des Arbeitsweges möglich sind (OESTERREICH 1981, S. 126). Die Summe derartiger Freiheitsgrade im Rahmen einer Aufgabe bezeichnet HACKER als den Handlungsspielraum dieser Aufgabe, wobei er wiederum zwischen einem "objektiven" und einem "subjektiven Handlungsspielraum" unterscheidet (1978, S. 73). Letzterer entspricht der mentalen Repräsentation des Handlungsfeldes auf seiten des Handlungssubjekts, also seinem inneren oder operativen Modell (vgl. ebenda). 323

Kapitel 4: Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen Die Schwäche dieses Konzepts im Verhältnis zum Ansatz der Regulationsebenen liegt primär darin, daß es vor allem zur Analyse stark repetitiver und wenig komplexer Arbeitsaufträge geeignet ist. Im Falle komplexerer Aufträge - nach dem VERA-Konzept: im Falle von Aufgaben mit relativ hohen Regulationserfordernissen - ist die Zahl der objektiven Freiheitsgrade kaum noch auszuzählen. Ein Auszählen ist zudem aufgrund der fehlenden Homogenität der Freiheitsgrade problematisch. Diese ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Freiheitsgrade unterschiedlicher Ebenen in einem komplexionshierarchischen Verhältnis zueinander stehen, daß also Freiheitsgrade höherer Ebenen eine Mehrzahl Freiheitsgrade auf untergeordneten E- benen beinhalten. Im Gegensatz zu HACKER unterscheidet ULICH (1972, S. 266) zwei Dimensionen des Handlungsspielraums, die er - in der horizontalen Dimension als "Tätigkeitsspielraum" und - in der vertikalen Dimension als "Entscheidungs- und Kontrollspielraum" bezeichnet. Der "Tätigkeitsspielraum" umfaßt die Anzahl und die Varietät der unterscheidbaren Arbeitsvollzüge, die durch Job-rotation (Aufgabenwechsel) und Job-enlargement (Aufgabenerweiterung) vergrößert werden kann. Der Tätigkeitsspielraum ist mithin ein Indikator für die Monotonie bzw. den Abwechslungsreichtum der Arbeit. Der "Entscheidungs- und Kontrollspielraum" thematisiert demgegenüber den Aspekt der Ganzheitlichkeit der Handlungsregulation im Sinne der Integration von Planungs-, Ausführungs- und Kontrollkomponenten des aufgabenbezogenen Handelns. Der Entscheidungs- und Kontrollspielraum bezieht sich mithin auf das Ausmaß vertikaler Arbeitsteilung. Er kann durch Job-enrichment (Aufgabenanreicherung) erhöht werden. Eine ergänzende dritte Dimension, der "Interaktionsspielraum", ist von ALIOTH (1980) vorgeschlagen worden. Hiermit soll der soziale Aspekt der Arbeit, die Chance zu aufgabenbezogener Kooperation und Kommunikation thematisiert werden. Der Interaktionsspielraum kann durch die Einrichtung teilautonomer Arbeitsgruppen erhöht werden (vgl. ALIOTH 1980; vgl. BAITSCH/FREI 1980, S. 14ff.). Der Ansatz ULICHs scheint uns durchaus vereinbar mit dem Regulationsmodell von OESTER- REICH. Letzteres leistet über die hierarchische Definition der Regulationsebenen insbesondere eine Präzisierung der Dimension des Entscheidungs- und Kontrollspielraums. Dem Tätigkeitsspielraum als Maß für die Anzahl und Varietät von Arbeitsvollzügen wird primär im Vorfeld des eigentlichen Einstufungsverfahrens, bei der Definition der Arbeitsaufgaben als Untersuchungseinheit, Aufmerksamkeit geschenkt. Allerdings weist OSTERLOH (1983 , S. 246f.) wohl zu Recht darauf hin, daß Tätigkeitsspielraum und Entscheidungs- und Kontrollspielraum nicht als voneinander unabhängige Größen zu erfassen sind. Schließlich dürfte auch der Aspekt des Interaktionsspielraums im Handlungsregulationsmodell OESTERREICHs mitgedacht sein. Dies wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß ein Ansteigen der Regulationserfordernisse in arbeitsteilig organisierten Handlungszusammenhängen in zunehmendem Maße Abstimmungs- und Koordinierungsprozesse erfordert. Am deutlichsten wird dies auf den Ebenen 4 und 5. 324

Kapitel 4: <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

Die Schwäche dieses <strong>Konzept</strong>s im Verhältnis zum Ansatz der Regulationsebenen liegt primär<br />

darin, daß es vor allem <strong>zur</strong> Analyse stark repetitiver <strong>und</strong> wenig komplexer Arbeitsaufträge geeignet<br />

ist. Im Falle komplexerer Aufträge - nach dem VERA-<strong>Konzept</strong>: im Falle <strong>von</strong> Aufgaben<br />

mit relativ hohen Regulationserfordernissen - ist die Zahl der objektiven Freiheitsgrade kaum<br />

noch auszuzählen. Ein Auszählen ist zudem aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Homogenität der Freiheitsgrade<br />

problematisch. Diese ist vor allem darauf <strong>zur</strong>ückzuführen, daß die Freiheitsgrade<br />

unterschiedlicher Ebenen in einem komplexionshierarchischen Verhältnis zueinander stehen,<br />

daß also Freiheitsgrade höherer Ebenen eine Mehrzahl Freiheitsgrade auf untergeordneten E-<br />

benen beinhalten.<br />

Im Gegensatz zu HACKER unterscheidet ULICH (1972, S. 266) zwei Dimensionen des Handlungsspielraums,<br />

die er<br />

- in der horizontalen Dimension als "Tätigkeitsspielraum" <strong>und</strong><br />

- in der vertikalen Dimension als "Entscheidungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraum"<br />

bezeichnet.<br />

Der "Tätigkeitsspielraum" umfaßt die Anzahl <strong>und</strong> die Varietät der unterscheidbaren Arbeitsvollzüge,<br />

die durch Job-rotation (Aufgabenwechsel) <strong>und</strong> Job-enlargement (Aufgabenerweiterung)<br />

vergrößert werden kann. Der Tätigkeitsspielraum ist mithin ein Indikator für die Monotonie<br />

bzw. den Abwechslungsreichtum der Arbeit. Der "Entscheidungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraum"<br />

thematisiert demgegenüber den Aspekt der Ganzheitlichkeit der Handlungsregulation<br />

im Sinne der Integration <strong>von</strong> Planungs-, Ausführungs- <strong>und</strong> Kontrollkomponenten des aufgabenbezogenen<br />

Handelns. Der Entscheidungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraum bezieht sich mithin auf<br />

das Ausmaß vertikaler Arbeitsteilung. Er kann durch Job-enrichment (Aufgabenanreicherung)<br />

erhöht werden. Eine ergänzende dritte Dimension, der "Interaktionsspielraum", ist <strong>von</strong><br />

ALIOTH (1980) vorgeschlagen worden. Hiermit soll der soziale Aspekt der Arbeit, die Chance<br />

zu aufgabenbezogener Kooperation <strong>und</strong> Kommunikation thematisiert werden. Der Interaktionsspielraum<br />

kann durch die Einrichtung teilautonomer Arbeitsgruppen erhöht werden (vgl.<br />

ALIOTH 1980; vgl. BAITSCH/FREI 1980, S. 14ff.).<br />

Der Ansatz ULICHs scheint uns durchaus vereinbar mit dem Regulationsmodell <strong>von</strong> OESTER-<br />

REICH. Letzteres leistet über die hierarchische Definition der Regulationsebenen insbesondere<br />

eine Präzisierung der Dimension des Entscheidungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraums. Dem Tätigkeitsspielraum<br />

als Maß für die Anzahl <strong>und</strong> Varietät <strong>von</strong> Arbeitsvollzügen wird primär im Vorfeld<br />

des eigentlichen Einstufungsverfahrens, bei der Definition der Arbeitsaufgaben als Untersuchungseinheit,<br />

Aufmerksamkeit geschenkt. Allerdings weist OSTERLOH (1983<br />

, S. 246f.) wohl zu Recht darauf hin, daß Tätigkeitsspielraum <strong>und</strong> Entscheidungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraum<br />

nicht als <strong>von</strong>einander unabhängige Größen zu erfassen sind.<br />

Schließlich dürfte auch der Aspekt des Interaktionsspielraums im Handlungsregulationsmodell<br />

OESTERREICHs mitgedacht sein. Dies wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß<br />

ein Ansteigen der Regulationserfordernisse in arbeitsteilig organisierten Handlungszusammenhängen<br />

in zunehmendem Maße Abstimmungs- <strong>und</strong> Koordinierungsprozesse erfordert.<br />

Am deutlichsten wird dies auf den Ebenen 4 <strong>und</strong> 5.<br />

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