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4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

unbestritten. Es käme nun jedoch darauf an, abzuklären, worin diese besonderen<br />

Leistungen <strong>und</strong> diese Defizite liegen - die Idealisierung des Lernortes Betrieb dürfte<br />

demgegenüber ebenso fruchtlos sein, wie dessen pauschale Abwertung.<br />

(d)<br />

Die Tendenz <strong>zur</strong> unkritischen Idealisierung des Lernortes Betrieb verweist darauf,<br />

daß <strong>und</strong> inwieweit der <strong>von</strong> uns kritisierte Modellierungsansatz der Übungsfirma<br />

Ausdruck einer bildungspolitischen Kampfposition ist. Systematisch betrachtet<br />

zeigt dies, daß in der Modellierung theoretische Vorannahmen <strong>und</strong> pragmatische<br />

Forschungsanliegen in wechselseitiger Bezogenheit zum Ausdruck kommen. Im<br />

Mittelpunkt des pragmatisch-bildungspolitischen Anliegens des Verfassers <strong>und</strong> der<br />

wirtschaftspädagogischen „Schule“, der er zu<strong>zur</strong>echnen ist, steht die Abwehr aller<br />

Tendenzen „einer Verschulung“ der Berufsausbildung sowie einer Verringerung<br />

des betrieblichen Anteils <strong>und</strong> des betrieblichen Einflusses auf die Berufsausbildung.<br />

Indem er die Übungsfirma aus diesem Blickwinkel betrachtet, gewinnt die Frage<br />

danach, weshalb die Übungsfirma den Lernort Betrieb im Dualen System nicht<br />

ersetzen kann, übermäßige Bedeutung, auch wenn diese Ersatzfunktion in<br />

Konkurrenz zum Lernort Betrieb im Rahmen des dualen Systems tatsächlich nie im<br />

Mittelpunkt der praktischen Übungsfirmenarbeit stand. Übrigens auch nicht bei der<br />

exemplarisch untersuchten Heidelberger Übungsfirma. Zugleich - <strong>und</strong> dies ist das<br />

Fatale - versperrt dieser Modellierungsansatz systematisch den Weg <strong>zur</strong><br />

Beantwortung der Frage nach dem originären Leistungspotential der Übungsfirma<br />

als eigenständiger Lernort <strong>zur</strong> Ergänzung <strong>und</strong> Unterstützung <strong>von</strong> Lernprozessen an<br />

anderen Lernorten (vgl. hierzu REETZ 1977; 1984b; 1986a; TRAMM 1984; 1991;<br />

1996; ACHTENHAGEN/TRAMM 1993).<br />

(3) Die Ausrichtung der <strong>analytischen</strong> Modellierung des Übungsfirmengeschehens am beabsichtigten<br />

„Vergleich zwischen den Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsplätzen<br />

<strong>und</strong> den Arbeitsplätzen in der ÜF“ (SCHMIEG 1977, S. 56) führt zu einer systematischen<br />

Ausblendung des lernenden Subjekts <strong>und</strong> seines individuellen Handelns aus der Betrachtung.<br />

Analysiert <strong>und</strong> verglichen werden lediglich Anforderungsmerkmale der<br />

Arbeitsplätze im Betrieb <strong>und</strong> in der Übungsfirma. Diese werden ohne weitere<br />

Einbeziehung individueller Merkmale, intervenierender Umweltvariablen oder gar des<br />

konkreten Interaktionsprozesses als Determinanten des Lernpotentials gedeutet: „Es wird<br />

... der Kausalzusammenhang unterstellt, daß wenn wesentliche Differenzen bei diesem<br />

Anforderungsvergleich auftreten, die Studenten dann die für die betriebliche Praxis<br />

notwendigen Qualifikationen nicht erwerben können“ (ebenda).<br />

Beachtenswert ist dabei, daß diese Anforderungen nicht etwa differenziert als Merkmale<br />

der Arbeitsaufgaben bzw. des Prozesses der Aufgabenerfüllung beschrieben werden, sondern<br />

als unmittelbar korrespondierende „Berufsfähigkeiten“ bzw. „Qualifikationen“. Es<br />

wird also unmittelbar vom Funktionskomplex Betrieb bzw. Übungsfirma auf die als relevant<br />

angenommenen psychischen Dispositionen bzw. Fähigkeiten geschlossen. Hierbei<br />

zeigt es sich dann allerdings, daß diese Dispositionen wiederum das Subjekt nur in seiner<br />

Dimension als sich verhaltenden Funktionsträger thematisieren; die kognitiven Prozesse<br />

<strong>und</strong> Strukturen, die diesen Leistungen zugr<strong>und</strong>e liegen, bleiben außerhalb der Betrachtung.<br />

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