4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...
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Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen − als Herausbildung von Heuristiken, Algorithmen und Techniken als Verallgemeinerung und Formalisierung spezifischer Problemlösungen (z. B. Suchstrategien zur Lokalisierung von Fehlern); − als Rückgriff auf Handlungsnormen, auf Konventionen, Heuristiken, Algorithmen und Techniken bei der Bearbeitung konkreter Aufgaben (DIN-Normen, Gesetzestexte, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Kalkulationsschema, Zinsformeln, Durchschreibebuchführung etc.); − als Automatisierung von Algorithmen, als Standardisierung bestimmter Handlungsabläufe etc. (Computerbedienung, Formularausfüllen, Standardformulierungen in Briefen). Ob all dies tatsächlich geschieht, ob vor allem die individuelle Überprüfung handlungsrelevanter Orientierungsmuster und Hypothesen und damit auch die Erweiterung und Differenzierung individuellen Wissens und Könnens tatsächlich stattfindet, hängt in hohem Maße davon ab, ob innerhalb dieser Arbeit in der Übungsfirma ein eher exploratives oder ein eher erfolgssicherndes Vorgehen dominiert. Ein eher exploratives Vorgehen wäre - in Analogie zum Erkenntnisinteresse erklärender Wissenschaft - vorwiegend daran ausgerichtet, das Wissensnetz zur Erfassung, Deutung und Erklärung empirischer Phänomene besser, d. h. ausgreifender und engmaschiger zu knüpfen und dabei vorhandene „Fehler“ oder „Lücken“ zu beseitigen. Es orientierte sich daran, neue Realitäts- und Handlungsbereiche zu erschließen, neue Fähigkeiten zu erwerben - und dies heißt letztendlich, die eigenen Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten zu erweitern. Ein solches Vorgehen beträte absichtsvoll Neuland, es ginge das Risiko des Scheiterns ein, ja es suchte geradezu - im Sinne des POPPERschen Falsifikationismus - über möglichst strenge Bewährungsprüfung die Widerlegung seiner Annahmen und damit den Fortschritt seiner Erkenntnis. Demgegenüber wäre ein vorwiegend erfolgssicherndes Vorgehen primär am unmittelbaren Gelingen der intendierten Handlung orientiert, wobei die Frage nach der generellen Gültigkeit der zugrundeliegenden Annahmen von eher untergeordneter Bedeutung wäre. Hinsichtlich der Gültigkeit des individuellen Wissens und Könnens dominierte das Kriterium der hinreichenden praktischen Bewährung. In dieser Hinsicht wäre eine Analogie zum Bereich technologischer Theorien festzustellen. Obwohl diese Orientierungen wohl kaum je und schon gar nicht in der Übungsfirmenarbeit in idealtypischer Strenge auftreten, eignen sie sich doch zur Verdeutlichung charakteristischer Tendenzen. Diese spiegeln zugleich den Akzent des arbeitsanalogen Lernhandelns wider, der im ersten Fall auf dem inneren Ergebnis, auf der Ausbildung relativ flexibler Fähigkeiten und Einstellungen liegt, in der zweiten Variante hingegen auf dem äußeren Produkt, sei es in Form materieller Ergebnisse oder in Form von relativ situationsspezifischen Handlungs- und Orientierungsmustern. 307
Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen 4.3.3 Systematisierung, Generalisierung, Übertragung und Überprüfung von Erfahrungen aus der Übungsfirma - Lernen am Modell Auch über den Begriff des „Lernens am Modell“ soll auf eine spezifische Perspektive verwiesen werden, die sich mit dem Lernort Übungsfirma verbindet. In Abgrenzung zum Lernen im Modell geht es hier darum, das dynamische Modell Übungsfirma (oder auch einzelne Aspekte oder Ausschnitte) aus der Distanz des außenstehenden Beobachters zum Gegenstand systematischer Wahrnehmung, Deutung und Erklärung zu machen. Das Modell Übungsfirma wird damit zum Objekt des Lernhandelns, sein Original bzw. Bezugssystem wird zum Lerngegenstand, auf dessen Aneignung das Lernhandeln intentional gerichtet ist. Wir haben diese Perspektive unter Bezugnahme auf die Systematik NEUGEBAUERs ausführlich beschrieben. Dies muß nicht notwendig außerhalb des zeitlichen oder räumlichen Rahmens der Übungsfirmenarbeit geschehen. Auch im unmittelbaren Kontext der Übungsfirmenarbeit kann es möglich (und sinnvoll!) sein, vorübergehend aus der Rolle und aus dem Modellkontext herauszutreten, reflexive Distanz zu suchen und aus dieser Perspektive heraus die Handlungsund Prozeßerfahrungen zu ordnen, sie auf den Begriff zu bringen, zu systematisieren und schließlich die Generalisierbarkeit bzw. Übertragbarkeit der Erfahrungen im Modell kritisch zu reflektieren. Ausschlaggebend für die Zuordnung ist also letztlich die Distanz zum funktional gebundenen Rollenhandeln innerhalb des Modells sowie die subjektive Zielsetzung, die sich mit der Reflexion verbindet. Das Lernen am Modell ist durch die Absicht gekennzeichnet, Bezüge des funktionalen Modells zu seinen theoretischen oder empirisch-sinnlichen Bezugssystemen herzustellen. Stärker aus der Subjektperspektive heraus formuliert, geht es darum zu prüfen, ob die modellinduzierten Erfahrungen mit dem Vorwissen, dem Alltagsverständnis, mit parallelen Erfahrungsfeldern und schließlich auch parallel erworbenen fachtheoretischen Inhalten in Übereinstimmung gebracht werden können, oder ob innerhalb des Modells oder zwischen dem Modell und den anderen Erfahrungs- und Wissensbereichen Widersprüche auftreten. Wir gehen davon aus, daß Schüler diese Perspektive in jedem Falle einnehmen. Schon der Hinweis eines Schülers, eine bestimmte Praxis der Korrespondenz, die Gestaltung des Belegschaftseinkaufes oder auch die Stärke der Belegschaft seien „unrealistisch“, ist nichts weiter als der Ausdruck von Reflexionsprozessen aus der Perspektive des Lernens im Modell. Wenn derartige Überlegungen nicht mehr nur beiläufig erfolgen, sondern wenn die entsprechenden Fragestellungen in bewußt zielgerichteter Weise verfolgt werden, gewinnt das Lernen am Modell die Qualität eines Lernhandelns am Modell. Unter Bezugnahme auf NEUGEBAUER lassen sich zwei wesentliche Aspekte des Lernens am Modell unterscheiden. Der erste Aspekt betrifft den Prozeß der Aussagen-Supposition, also die Verallgemeinerung von Erfahrungen aus dem Modellkontext und ihre Übertragung auf das Bezugssystem bzw. auf Konkretionen des Bezugssystems (z. B. reale Betriebe, wenn als Bezugssystem ein im Sinne der Betriebswirtschaftslehre idealtypischer Betrieb angenommen wird). Im Vordergrund stehen hierbei die Prozesse der begrifflichen Abstraktion, über den die Inklusionsfähigkeit ursprünglich singulärer Aussagen schrittweise erhöht wird, und der Ausbildung begrifflicher 308
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Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />
− als Herausbildung <strong>von</strong> Heuristiken, Algorithmen <strong>und</strong> Techniken als Verallgemeinerung<br />
<strong>und</strong> Formalisierung spezifischer Problemlösungen (z. B. Suchstrategien <strong>zur</strong><br />
Lokalisierung <strong>von</strong> Fehlern);<br />
− als Rückgriff auf Handlungsnormen, auf Konventionen, Heuristiken, Algorithmen<br />
<strong>und</strong> Techniken bei der Bearbeitung konkreter Aufgaben (DIN-Normen,<br />
Gesetzestexte, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Kalkulationsschema,<br />
Zinsformeln, Durchschreibebuchführung etc.);<br />
− als Automatisierung <strong>von</strong> Algorithmen, als Standardisierung bestimmter Handlungsabläufe<br />
etc. (Computerbedienung, Formularausfüllen, Standardformulierungen in<br />
Briefen).<br />
Ob all dies tatsächlich geschieht, ob vor allem die individuelle Überprüfung handlungsrelevanter<br />
Orientierungsmuster <strong>und</strong> Hypothesen <strong>und</strong> damit auch die Erweiterung <strong>und</strong><br />
Differenzierung individuellen Wissens <strong>und</strong> Könnens tatsächlich stattfindet, hängt in<br />
hohem Maße da<strong>von</strong> ab, ob innerhalb dieser Arbeit in der Übungsfirma ein eher exploratives<br />
oder ein eher erfolgssicherndes Vorgehen dominiert.<br />
Ein eher exploratives Vorgehen wäre - in Analogie zum Erkenntnisinteresse erklärender<br />
Wissenschaft - vorwiegend daran ausgerichtet, das Wissensnetz <strong>zur</strong> Erfassung, Deutung<br />
<strong>und</strong> Erklärung empirischer Phänomene besser, d. h. ausgreifender <strong>und</strong> engmaschiger zu<br />
knüpfen <strong>und</strong> dabei vorhandene „Fehler“ oder „Lücken“ zu beseitigen. Es orientierte sich<br />
daran, neue Realitäts- <strong>und</strong> Handlungsbereiche zu erschließen, neue Fähigkeiten zu erwerben<br />
- <strong>und</strong> dies heißt letztendlich, die eigenen Handlungs- <strong>und</strong> Erkenntnismöglichkeiten<br />
zu erweitern. Ein solches Vorgehen beträte absichtsvoll Neuland, es ginge das<br />
Risiko des Scheiterns ein, ja es suchte geradezu - im Sinne des POPPERschen Falsifikationismus<br />
- über möglichst strenge Bewährungsprüfung die Widerlegung seiner Annahmen<br />
<strong>und</strong> damit den Fortschritt seiner Erkenntnis.<br />
Demgegenüber wäre ein vorwiegend erfolgssicherndes Vorgehen primär am unmittelbaren<br />
Gelingen der intendierten Handlung orientiert, wobei die Frage nach der<br />
generellen Gültigkeit der zugr<strong>und</strong>eliegenden Annahmen <strong>von</strong> eher untergeordneter<br />
Bedeutung wäre. Hinsichtlich der Gültigkeit des individuellen Wissens <strong>und</strong> Könnens<br />
dominierte das Kriterium der hinreichenden praktischen Bewährung. In dieser Hinsicht<br />
wäre eine Analogie zum Bereich technologischer Theorien festzustellen.<br />
Obwohl diese Orientierungen wohl kaum je <strong>und</strong> schon gar nicht in der Übungsfirmenarbeit<br />
in idealtypischer Strenge auftreten, eignen sie sich doch <strong>zur</strong> Verdeutlichung<br />
charakteristischer Tendenzen. Diese spiegeln zugleich den Akzent des arbeitsanalogen<br />
Lernhandelns wider, der im ersten Fall auf dem inneren Ergebnis, auf der Ausbildung<br />
relativ flexibler Fähigkeiten <strong>und</strong> Einstellungen liegt, in der zweiten Variante hingegen<br />
auf dem äußeren Produkt, sei es in Form materieller Ergebnisse oder in Form <strong>von</strong> relativ<br />
situationsspezifischen Handlungs- <strong>und</strong> Orientierungsmustern.<br />
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