4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen abstrahiert, die außerhalb der Funktions- und Handlungslogik des Modells selbst liegen, wie z. B. von Aspekten der curricularen Einbettung der Übungsfirmenarbeit, pädagogisch motivierten Eingriffen in das Geschehen, Fragen der Benotung usw. Im Rahmen einer solchen Betrachtung lassen sich drei Systemebenen unterscheiden: a) Die Übungsfirma als modelliertes Unternehmen, die als zielorientierte und zweckgerichtetes System verstanden wird, als produktives, wertschöpfendes, soziales System (ULRICH 1970), als „wirtschaftliches Aktionszentrum“ im Sinne KOSIOLs (1972) bzw. als kollektives Handlungssubjekt mit spezifischen Außenbeziehungen und einer ausgeformten Binnenstruktur. b) Die modellierte Umwelt der Übungsfirma, auf die die (betriebswirtschaftliche) Zwecksetzung des Leistungsprozesses gerichtet ist und die ihrerseits die Setzung und Realisierung der Ziele beeinflußt. Im von uns untersuchten Fall wird sie überwiegend durch andere Übungsfirmen und durch die Zentralstelle des Deutschen Übungsfirmenringes gebildet. Sowohl für das Unternehmen Übungsfirma als auch für dessen Umwelt gilt, daß die darin enthaltenen Elemente sowohl gegenständlichsinnlich als auch symbolisch repräsentiert sein können. Ausschlaggebend für ihre Einbeziehung in die Betrachtung ist allein, daß sie - innerhalb der Funktionslogik des Modells liegend - handlungswirksam werden. c) Die dritte und für unsere Betrachtung zentrale Systemebene bildet schließlich der einzelne Funktionsträger innerhalb des kollektiven Handlungsverbandes Übungsfirma. Wesentlich ist hier, daß der Schüler als Funktions- bzw. Rolleninhaber angesprochen wird, also gewissermaßen als aktives Element innerhalb des Modells. Damit sind allerdings noch keine Aussagen über die Reichweite und Rigidität der jeweiligen Rolle verbunden; diese ergeben sich erst aus den spezifischen, systemimmanenten organisatorischen Regelungen. Als unmittelbare Konsequenz folgt jedoch, daß das Handeln der einzelnen Schüler im Ziel-, Zweck-, und Bedingungszusammenhang des betrieblichen Systems verortet ist, der wiederum von ihnen - allerdings in gewissen Grenzen - auch definierbar und veränderbar ist. Diese Ausdifferenzierung verdeutlicht, was unter dem eingangs verwendeten Terminus „Handlungs- und Erfahrungsfeld“ zu verstehen ist. In Anlehnung an BOESCH (1976, S. 37) und LANTERMANN (1980, S. 131) ist damit die Gesamtheit der äußeren und inneren Determinanten gemeint, die auf das Handeln einer Person [oder allgemeiner eines Systems, T.T.] einwirken können. Es hat eine zeitlich übergreifende Struktur, konkretisiert in den verschiedenen Handlungsbereichen und in den grundsätzlichen Handlungsmöglichkeiten einer Person [bzw. eines Systems, T.T.]“ (LANTERMANN 1980, S. 131). Als Elemente kommen „ökonomisch, ökologisch, materiell, kulturell oder sozial faßbare Ereignisse“ in Betracht, die spezifische „Barrieren, Erleichterungen, Aufforderungen, Begrenzungen“ aber auch Inhalte bzw. Objekte von Handlungen darstellen (ebenda, S. 136). Als Abgrenzungskriterium kann dabei die dominierende thematische und intentionale Ausrichtung des Handelns herangezogen werden, hier also die Orientierung an wirtschaftlichen Sach- und Formalzielen. 303

Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen Vor diesem Hintergrund kann nunmehr auch das idealtypische Merkmal der Geschlossenheit des funktionalen Modells genauer bestimmt werden: Geschlossenheit erweist sich im wesentlichen darin, daß die einzelnen Elemente und Beziehungen des Modells ihre Bedeutung in bezug auf den wirtschaftlichen Systemzweck erfahren, sowie in der dynamischen Dimension des Modells darin, daß das Handeln auf zielgerichtete und erwartungsgesteuerte Veränderungen von Systemparametern gerichtet ist und daß schließlich Rückmeldungen auf das Handeln sich aus der Dynamik des Modells selbst ergeben. Dieses hat somit für den Lernenden - zumindest idealtypisch - den Charakter einer in kalkulierbarer Weise „antwortenden“, d. h. informations- und bedeutungshaltigen Umwelt. (2) Bezogen auf das in dieser Weise als „ökonomisch aspektiert“ beschriebene Handlungsund Erfahrungsfeld kann das Handeln der Schüler als kaufmännisches Arbeitshandeln thematisiert werden. Damit soll nicht verdeckt werden, daß das Finalziel bzw. das zentrale Motiv aller Aktivität innerhalb der Übungfirma im Lernen bzw. in der Persönlichkeitsentwicklung liegt. Ausschlaggebend für diese Charakterisierung ist jedoch, daß das Handeln innerhalb des durch die Modellgestaltung gesetzten Rahmens Ablaufmechanismen folgen muß, die der Struktur von Arbeitshandlungen entsprechen und sich deutlich von tradierten Formen schulischen Lernhandelns unterscheiden. Unter Verzicht auf eine systematische Diskussion des Arbeitsbegriffs (vgl. dazu z. B. BECK/BRATER/DAHEIM 1980; SCHMALE 1983; FREI/UDRIS 1990) soll die Plausibilität dieser Sichtweise über eine kurze Argumentationsskizze gestützt werden. Als zentrales Merkmal von Arbeitshandeln ist die spezifische Intentionalität seines Umwelt- und Gegenstandsbezugs anzusehen: das objektiv dominierende und damit Struktur und Verlauf der Handlung bestimmende Ziel des Arbeitshandelns liegt in der Erzeugung und Bereitstellung wirtschaftlicher Güter, d. h. in der planmäßigen Veränderung der gegenständlichen und/oder sozialen Umwelt im Interesse der direkten oder indirekten Bedürfnisbefriedigung (vgl. LEMPERT/HOFF/LAPPE 1979, S. 1; vgl. RUBINSTEIN 1971, S. 707ff.). Das Arbeitshandeln des Menschen ist also durch eine „technisch-instrumentelle Beziehung zwischen ihm und seinen Arbeitsmitteln sowie dem Arbeitsgegenstand geprägt“ (SIMON 1980, S.73). Die Freiheitsgrade des Handelns sind wesentlich durch das angestrebte objektive Ergebnis der Arbeit und deren gegenständliche Bedingungen festgelegt. Zwar führt jede Arbeitstätigkeit neben der Veränderung der Umwelt auch zu einer Veränderung der handelnden Person. Die Planung, Durchführung und Bewertung der Arbeitshandlung orientiert sich aber primär an ihrem äußeren Ergebnis, ihrem Produkt, und daran, dieses Produkt in möglichst wirtschaftlicher Weise zu erzeugen. Demgegenüber ist der Umweltbezug des Lernhandelns dadurch geprägt, daß Elemente der Umwelt und darauf bezogene Handlungen nach Maßgabe von Zielen ausgewählt und strukturiert werden, die als Kompetenzen oder Einstellungen formulierte Persönlichkeitsparameter der Handelnden betreffen. Auch wenn gleiche äußere Produkte erbracht werden, ist der Handlungsprozeß doch anderen Optimierungskriterien 304

Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kann nunmehr auch das idealtypische Merkmal der Geschlossenheit<br />

des funktionalen Modells genauer bestimmt werden: Geschlossenheit erweist<br />

sich im wesentlichen darin, daß die einzelnen Elemente <strong>und</strong> Beziehungen des Modells<br />

ihre Bedeutung in bezug auf den wirtschaftlichen Systemzweck erfahren, sowie in der<br />

dynamischen Dimension des Modells darin, daß das Handeln auf zielgerichtete <strong>und</strong><br />

erwartungsgesteuerte Veränderungen <strong>von</strong> Systemparametern gerichtet ist <strong>und</strong> daß<br />

schließlich Rückmeldungen auf das Handeln sich aus der Dynamik des Modells selbst<br />

ergeben. Dieses hat somit für den Lernenden - zumindest idealtypisch - den Charakter<br />

einer in kalkulierbarer Weise „antwortenden“, d. h. informations- <strong>und</strong><br />

bedeutungshaltigen Umwelt.<br />

(2) Bezogen auf das in dieser Weise als „ökonomisch aspektiert“ beschriebene Handlungs<strong>und</strong><br />

Erfahrungsfeld kann das Handeln der Schüler als kaufmännisches Arbeitshandeln<br />

thematisiert werden. Damit soll nicht verdeckt werden, daß das Finalziel bzw. das<br />

zentrale Motiv aller Aktivität innerhalb der Übungfirma im Lernen bzw. in der Persönlichkeitsentwicklung<br />

liegt. Ausschlaggebend für diese Charakterisierung ist jedoch, daß<br />

das Handeln innerhalb des durch die Modellgestaltung gesetzten Rahmens Ablaufmechanismen<br />

folgen muß, die der Struktur <strong>von</strong> Arbeitshandlungen entsprechen <strong>und</strong> sich<br />

deutlich <strong>von</strong> tradierten Formen schulischen Lernhandelns unterscheiden.<br />

Unter Verzicht auf eine systematische Diskussion des Arbeitsbegriffs (vgl. dazu z. B.<br />

BECK/BRATER/DAHEIM 1980; SCHMALE 1983; FREI/UDRIS 1990) soll die Plausibilität<br />

dieser Sichtweise über eine kurze Argumentationsskizze gestützt werden.<br />

Als zentrales Merkmal <strong>von</strong> Arbeitshandeln ist die spezifische Intentionalität seines Umwelt-<br />

<strong>und</strong> Gegenstandsbezugs anzusehen: das objektiv dominierende <strong>und</strong> damit Struktur<br />

<strong>und</strong> Verlauf der Handlung bestimmende Ziel des Arbeitshandelns liegt in der Erzeugung<br />

<strong>und</strong> Bereitstellung wirtschaftlicher Güter, d. h. in der planmäßigen Veränderung der gegenständlichen<br />

<strong>und</strong>/oder sozialen Umwelt im Interesse der direkten oder indirekten Bedürfnisbefriedigung<br />

(vgl. LEMPERT/HOFF/LAPPE 1979, S. 1; vgl. RUBINSTEIN 1971, S.<br />

707ff.).<br />

Das Arbeitshandeln des Menschen ist also durch eine „technisch-instrumentelle Beziehung<br />

zwischen ihm <strong>und</strong> seinen Arbeitsmitteln sowie dem Arbeitsgegenstand geprägt“<br />

(SIMON 1980, S.73). Die Freiheitsgrade des Handelns sind wesentlich durch das angestrebte<br />

objektive Ergebnis der Arbeit <strong>und</strong> deren gegenständliche Bedingungen<br />

festgelegt.<br />

Zwar führt jede Arbeitstätigkeit neben der Veränderung der Umwelt auch zu einer Veränderung<br />

der handelnden Person. Die Planung, Durchführung <strong>und</strong> Bewertung der Arbeitshandlung<br />

orientiert sich aber primär an ihrem äußeren Ergebnis, ihrem Produkt,<br />

<strong>und</strong> daran, dieses Produkt in möglichst wirtschaftlicher Weise zu erzeugen.<br />

Demgegenüber ist der Umweltbezug des Lernhandelns dadurch geprägt, daß Elemente<br />

der Umwelt <strong>und</strong> darauf bezogene Handlungen nach Maßgabe <strong>von</strong> Zielen ausgewählt<br />

<strong>und</strong> strukturiert werden, die als Kompetenzen oder Einstellungen formulierte<br />

Persönlichkeitsparameter der Handelnden betreffen. Auch wenn gleiche äußere<br />

Produkte erbracht werden, ist der Handlungsprozeß doch anderen Optimierungskriterien<br />

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