4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen Auf makrosequentieller Ebene werden bei BRUNER die Prinzipien der Orientierung an Wissenschaftsstrukturen sowie der Gedanke des Spiralcurriculum wirksam. Insofern es sich dabei um den Aufbau eines Gefüges von generativ wirksamen Basiskonzepten handelt, trägt das Vorgehen Merkmale des elementenhaft-synthetischen Verfahrens. Über die angestrebte Problemorientierung, die immer eine gedankliche Vorwegnahme des angestrebten Zielzustands impliziert, fließen hier jedoch erkennbar auch Elemente ganzheitlichanalytischen Vorgehens ein. Deutlich wird dies insbesondere, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Problemlösungen immer auf das Herstellen von Beziehungen zwischen Elementen hinzielen, also Komplexionen erzeugen. Der Prozeß der Problemlösung kann nur in Gang kommen, wenn der Zielkomplex zumindest als Bewußtsein einer Soll-Ist-Diskrepanz psychische Realität darstellt. Am klarsten tritt das analytische Moment bei der sogenannten „top-down“-Strategie der Problemlösung zutage. Insgesamt ist das makrosequentielle Konzept BRUNERs wohl als schrittweise - d. h. elementenhaft-synthetisch vorgehende - Ausdifferenzierung ganzheitlicher Vorformen in Richtung auf zunehmende Komplexität angemessen zu kennzeichnen. AEBLI (1978, S. 304ff.; 1987, S. 297ff.) diskutiert das Problem der Sequenzierung von Lehrgängen und Lernprozessen unter dem Stichwort der „vertikalen“ bzw. „diachronen Stoffanordnung“. Er stellt dabei vier „Ordnungsgesichtspunkte“ vor, die wir - in veränderter Reihenfolge unserem Strukturschema angepaßt - kurz referieren wollen. Der mikrosequentiellen Perspektive entsprechen die Prinzipien: − „Zunehmende Differenzierung“. Dieses Prinzip setzt sich aus zwei Grundsätzen zusammen: • Der Unterricht soll seinen Ausgangspunkt bei „konkrete(n), anschauliche(n), im Alltag sich stellende(n) oder doch in den Begriffen des Alltags formulierbare(n) Problem(en)“ finden (AEBLI 1987, S. 298). • Innerhalb der Unterrichtseinheit muß das Problem differenziert und analysiert werden, denn „in der Folge soll ja ein Vorgang, ein Gegenstand, aber auch eine eigene Handlung besser verstanden, klarer strukturiert werden“ (ebenda). Als Voraussetzung für diesen Prozeß sieht AEBLI die Abstraktion. − „Vertiefung und Abstraktion“. Hierbei handelt es sich um das schrittweise Vorstoßen zur Kernstruktur, zu den grundlegenden Elementen und Relationen eines Begriffs, einer Handlung, eines Sachverhaltes. „Im Zuge dieser Vertiefung vollzieht sich immer eine Abstraktion. Indem ein Begriff aber abstrakter wird, verallgemeinert er sich auch. Damit kann er auch auf weitere Bereiche der Wirklichkeit angewendet werden und vermag er diese Bereiche seinerseits zu klären und zu deuten“ (AEBLI 1987, S. 302). Wir erkennen hier, ähnlich wie bei BRUNER, den induktiven Grundansatz: Das Ziel besteht zwar in der Bildung eines Komplexes (Problemlösung); dieser Prozeß vollzieht sich jedoch als Problemanalyse und -differenzierung als Bewegung auf der Dimension „konkret-abstrakt“. Erstaunlicherweise spricht AEBLI an dieser Stelle den Aspekt der Re-Konkretisierung - sei es als Deduktion oder Analogie bei der Suche nach Problemlösungen, sei es als praktische Überprüfung oder Transfer des Lösungsschemas - nicht explizit an. Für wie bedeutsam er tatsäch- 289

Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen lich diese Phase hält, läßt sich jedoch am Aufbau seiner „Zwölf Grundformen des Lehrens“ (1983) erkennen, worin er vier Funktionen im Lernprozeß als Gliederungsprinzip verwendet: − „Problemlösenden Aufbau von Handlungen, Operationen und Begriffen“; − das „Durcharbeiten von Handlungsplänen, Operationen und begrifflichen Systemen“, wodurch diese aus dem Kontext gelöst werden sollen, in dem sie aufgebaut wurden. Es dient somit dazu, die Beweglichkeit des Denkens und Handelns zu erhöhen, es ist vorstellbar als ein Pendeln zwischen Abstraktion und Konkretion; − „Üben und Wiederholen“ als dritte Phase dienen der Konsolidierung und Automatisierung des Wissens und Könnens; − „Anwenden“ schließlich ist als typischer Fall der Rekonkretisierung anzusehen: Im Effekt vergleichbar zu dem was - so AEBLI (1983, S. 360) - im behavioristischen Kontext als Transfer bezeichnet wird, gilt es hier, relativ neue Phänomene, Situationen oder Begriffe unter vorhandene Schemata zu subsumieren. Wo dies gelingt, wo ein neuer Fall unter ein bekanntes Schema assimiliert wird, hat sich das Schema praktisch bewährt und zugleich über neue potentielle Teilnehmer erweitert. Wo dies nicht gelingt, entsteht ein Problem, das zu einem neuen Aufbauschritt herausfordert (Akkomodation im Sinne PIAGETS). Schon diese sehr geraffte Darstellung macht deutlich, daß Handlungen oder Probleme nicht nur Ausgangspunkt der Sequenz, sondern zugleich ihr Endpunkt sind. Die vier Phasen kennzeichnen eine Bewegung in der Dimension konkret-abstrakt, über die Komplexionen erzeugt, stabilisiert und flexibilisiert werden. AEBLI (1983, S. 381) selbst faßt diesen mikrosequentiellen Lernzyklus folgendermaßen zusammen: „Die vier Phasen, die durch vier Funktionen des Aufbaus, des Durcharbeitens, des Übens und der Anwendung definiert sind, werden in immer neuen Drehungen einer Spirale durchlaufen. Wenn sie jedoch wieder bei der Phase des Aufbaus ankommt, hat sie sich ein Stück weit gehoben. Der neue Aufbauprozeß nimmt alle vorhandenen Elemente in sich auf und erreicht eine neue Stufe der Komplexität“. Dies Zitat weist bereits darauf hin, daß die Makrosequenzierung als Aufbauprozeß in der Dimension elementar-komplex verstanden wird. AEBLI führt dies in zwei Prinzipien näher aus: − „Konzentrische Erweiterung der Erfahrungskreise“ Unter Berufung auf PESTALOZZI führt AEBLI (1987, S. 299) hierzu aus, daß im Laufe des Curriculum die räumliche und psychische Distanz der Themen zum Standort des Lernenden wächst: „Man behandelt Probleme und führt Begriffe und Konzepte ein, die immer weiter von den einfachen Vorstellungen und Erfahrungen des Alltags entfernt sind“. Dies deutet auf eine diagonale Bewegung in unserem Schaubild 34 hin: die Themen werden zunehmend komplexer, aber zugleich auch abstrakter. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, daß dadurch der Bezug zu konkreten Phänomenen und Handlungen als mikrosequentielles Prinzip aufzugeben ist. − „Aufbau als Ordnungsprinzip“ Unter diesem Prinzip bezieht sich AEBLI (1987, S. 299) auf den sachlogischen Aufbau der Fächer bzw. der korrespondierenden Wissenschaftsdisziplinen, der das „grundlegende Prinzip der Anordnung der Stoffe innerhalb der einzelnen Fächer“ darstelle. Eine erste 290

Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

Auf makrosequentieller Ebene werden bei BRUNER die Prinzipien der Orientierung an<br />

Wissenschaftsstrukturen sowie der Gedanke des Spiralcurriculum wirksam. Insofern es sich<br />

dabei um den Aufbau eines Gefüges <strong>von</strong> generativ wirksamen Basiskonzepten handelt, trägt<br />

das Vorgehen Merkmale des elementenhaft-synthetischen Verfahrens. Über die angestrebte<br />

Problemorientierung, die immer eine gedankliche Vorwegnahme des angestrebten<br />

Zielzustands impliziert, fließen hier jedoch erkennbar auch Elemente ganzheitlich<strong>analytischen</strong><br />

Vorgehens ein. Deutlich wird dies insbesondere, wenn man sich<br />

vergegenwärtigt, daß Problemlösungen immer auf das Herstellen <strong>von</strong> Beziehungen zwischen<br />

Elementen hinzielen, also Komplexionen erzeugen. Der Prozeß der Problemlösung kann nur<br />

in Gang kommen, wenn der Zielkomplex zumindest als Bewußtsein einer Soll-Ist-Diskrepanz<br />

psychische Realität darstellt. Am klarsten tritt das analytische Moment bei der sogenannten<br />

„top-down“-Strategie der Problemlösung zutage. Insgesamt ist das makrosequentielle <strong>Konzept</strong><br />

BRUNERs wohl als schrittweise - d. h. elementenhaft-synthetisch vorgehende -<br />

Ausdifferenzierung ganzheitlicher Vorformen in Richtung auf zunehmende Komplexität<br />

angemessen zu kennzeichnen.<br />

AEBLI (1978, S. 304ff.; 1987, S. 297ff.) diskutiert das Problem der Sequenzierung <strong>von</strong> Lehrgängen<br />

<strong>und</strong> Lernprozessen unter dem Stichwort der „vertikalen“ bzw. „diachronen Stoffanordnung“.<br />

Er stellt dabei vier „Ordnungsgesichtspunkte“ vor, die wir - in veränderter Reihenfolge<br />

unserem Strukturschema angepaßt - kurz referieren wollen. Der mikrosequentiellen<br />

Perspektive entsprechen die Prinzipien:<br />

− „Zunehmende Differenzierung“. Dieses Prinzip setzt sich aus zwei Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

zusammen:<br />

• Der Unterricht soll seinen Ausgangspunkt bei „konkrete(n), anschauliche(n), im Alltag<br />

sich stellende(n) oder doch in den Begriffen des Alltags formulierbare(n) Problem(en)“<br />

finden (AEBLI 1987, S. 298).<br />

• Innerhalb der Unterrichtseinheit muß das Problem differenziert <strong>und</strong> analysiert werden,<br />

denn „in der Folge soll ja ein Vorgang, ein Gegenstand, aber auch eine eigene Handlung<br />

besser verstanden, klarer strukturiert werden“ (ebenda). Als Voraussetzung für diesen<br />

Prozeß sieht AEBLI die Abstraktion.<br />

− „Vertiefung <strong>und</strong> Abstraktion“. Hierbei handelt es sich um das schrittweise Vorstoßen <strong>zur</strong><br />

Kernstruktur, zu den gr<strong>und</strong>legenden Elementen <strong>und</strong> Relationen eines Begriffs, einer Handlung,<br />

eines Sachverhaltes. „Im Zuge dieser Vertiefung vollzieht sich immer eine Abstraktion.<br />

Indem ein Begriff aber abstrakter wird, verallgemeinert er sich auch. Damit kann er<br />

auch auf weitere Bereiche der Wirklichkeit angewendet werden <strong>und</strong> vermag er diese Bereiche<br />

seinerseits zu klären <strong>und</strong> zu deuten“ (AEBLI 1987, S. 302).<br />

Wir erkennen hier, ähnlich wie bei BRUNER, den induktiven Gr<strong>und</strong>ansatz: Das Ziel besteht<br />

zwar in der Bildung eines Komplexes (Problemlösung); dieser Prozeß vollzieht sich jedoch<br />

als Problemanalyse <strong>und</strong> -differenzierung als Bewegung auf der Dimension „konkret-abstrakt“.<br />

Erstaunlicherweise spricht AEBLI an dieser Stelle den Aspekt der Re-Konkretisierung - sei es<br />

als Deduktion oder Analogie bei der Suche nach Problemlösungen, sei es als praktische Überprüfung<br />

oder Transfer des Lösungsschemas - nicht explizit an. Für wie bedeutsam er tatsäch-<br />

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