4. Konzept zur analytischen Rekonstruktion und zur Beurteilung von ...

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konkret C elem entar konkret D kom plex konkret Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen elementar KOMPLEXIONS- HIERARCHIE komplex Abbildung 35: Zusammenhang von Bewegungen in Komplexions- und Abstraktionshierarchien Wenn bei der Interpretation des Schaubilds in Feld C angesetzt wird, so läßt sich sagen: − Durch die Einbettung konkreter, elementarer Begriffe (bzw. Handlungs- oder Wahrnehmungselemente) in Komplexionshierarchien (C → D) erhalten sie ihren Funktions- und Sinnbezug in Handlungs-, Wahrnehmungs- und Erklärungszusammenhängen. − Durch die Einbettung konkreter Phänomene in Abstraktionshierarchien (C → A) werden diese generalisierbar und übertragbar. Da abstrakte Begriffe, Bilder und Operationen auf die Kernstruktur reduzierte Schemata mit Leerstellen sind, werden mehr Phänomene integrierbar. Zugleich werden - da der abstrakte Kern akzentuiert wird - komplexe Zusammenhänge auf höheren Abstraktionsebenen besser deutlich und es eröffnen sich Bezüge zu anderen Abstraktionshierarchien. − Erkennende Orientierung in und Gestaltung von Lebenssituationen erfordern das Konstruieren und Rekonstruieren komplexer Zusammenhänge. Insofern dies überwiegend als Transfer bekannter Schemata erfolgt, kommt der Abstraktion eine wichtige Rolle zu. Andererseits setzt der Abstraktionsprozeß Erfahrungen in komplexen Zusammenhängen voraus und ist nur im Dienste der Komplexbildung sinnvoll. Abstrakta, die sich nicht im Zuge der wahrnehmenden Orientierung, des Deutens und des Problemlösens zu bewähren haben, können nicht als subjektiv bedeutsam erfahren werden. Die curriculare und didaktische Relevanz dieser Aussagen wird deutlicher, wenn wir die klassischen didaktischen Konzeptionen des induktiven versus deduktiven Lehrverfahrens bzw. des elementenhaft-synthetischen versus ganzheitlich-analytischen Vorgehens auf unsere Matrix beziehen: Abstraktion deduktiv vs. A B induktiv C D ganzheitlich- analytisch elementenhaftsynthetisch vs. Komplexion Abbildung 36: Didaktische Lehrgangstypen als Bewegungen in Abstraktions- und Komplexionshierarchien Wir können mit DÖRNER (1987, S. 117) vier Formen der Veränderung kognitiver Strukturen unterscheiden: 1. „Komplexionsbildung“, entsprechend dem elementenhaft-synthetischen Verfahren (C → D oder A → B). 2. „Komplexionszerlegung“, entsprechend dem ganzheitlich-analytischen Verfahren (D → C oder B → A). 285

Kapitel 4: Zur Rekonstruktion und Beurteilung von Lernprozessen 3. „Bildung von Abstrakta“, entsprechend dem induktiven Vorgehen vom Besonderen zum Allgemeinen (C → A; D → B). 4. „Zerlegung von Abstrakta“, entsprechend einem deduktiven Vorgehen vom Allgemeinen zum Besonderen (A → C; B → D). Beziehen wir dieses systematischen Überlegungen nunmehr auf unser curriculares Interesse an der Qualität des Lernhandelns zurück, so fällt unmittelbar ins Auge, daß dem Wechselspiel von konkret-gegenständlich handelnder Erfahrungsbildung und begrifflich-abstrakter Reflexion im Zuge des Lernhandelns zentrale Bedeutung zukommt. Zugleich wird jedoch deutlich, daß unsere Unterscheidung von gegenstandsbezogenem Handeln und abstraktbegrifflicher Reflexion angesichts alltäglicher Unterrichtserfahrung relativ künstlich wirkt. Wir sehen die Ursache darin, daß im konventionellen Unterricht weitgehend von vornherein in sekundären Verhaltenssystemen, also auf abstrakt-begrifflicher Ebene bei Dominanz darstellender Tätigkeitsformen, operiert wird. Der entsprechende Unterricht weist somit häufig ein Defizit an signifikanter, d. h. subjektiv informationshaltiger und bedeutsamer Erfahrung auf; der Reflexion fehlt auf subjektiver Ebene das empirische Korrelat. Die Ursache hierfür liegt meist nicht allein in der Modalität des Gegenstandsbezugs, sondern stärker noch darin, daß die begriffliche Systematisierung losgelöst von pragmatisch bedeutsamen Handlungs- und Problemzusammenhängen erfolgt. Mit anderen Worten: In solchem Unterricht dominiert die Bewegung in Abstraktionshierarchien ohne daß dies instrumentell auf die für die Lebensgestaltung allein relevante Erzeugung von Komplexionen bezogen wäre. Jenseits solcher spezifischer Defekte stellt sich die grundsätzliche curriculare Frage, in welcher zeitlichen Abfolge Prozesse der gegenständlich-handelnden Erfahrungsbildung, der begrifflich-abstrakten Reflexion und der Systematisierung organisiert werden können. Hiermit verbinden sich die Fragen nach dem Wechsel der Repräsentationsform, dem Wechsel der Tätigkeitsart und entsprechend auch der Sozial- und Kommunikationsform im Zeitablauf, die insgesamt den Problemkreis der Mikrosequenzierung des Lernhandelns bzw. des Unterrichts umfassen. Die logisch vorangehende Frage nach der Abfolge der Lerngegenstände und der ihnen adäquaten Handlungsformen bzw. die Frage nach der angemessenen Reihenfolge bei der Erschließung komplexer Lerngegenstände, wird unter dem Stichwort Makrosequenzierung thematisiert. Allgemein soll dabei unter „Sequenzierung“ oder „Sequenzenbildung“ in Anlehnung an EIGENMANN (1975, S. 204) „eine vorbereitende Organisation des Unterrichtsprozesses in Form einer Strukturierung der Unterrichtsinhalte, des Verhaltens und des Unterrichtsprozesses zum Zwecke der Verbesserung des Lernens“ verstanden werden. Über den Prozeß der Sequenzierung soll sichergestellt werden, daß die „Lernbereiche nicht in sich isoliert unterrichtet“ werden, sondern daß Strukturen erkannt und „dank des strukturellen Gefüges“ die Funktion und Bedeutung einzelner Zielangaben im übergreifenden Zusammenhang erkennbar werden. Die Frage nach der didaktisch und lernpsychologisch sinnvollen Sequenzierung läßt sich insgesamt dahingehend zuspitzen, auf welchem Wege pragmatisch bedeutsame, komplexe 286

Kapitel 4: Zur <strong>Rekonstruktion</strong> <strong>und</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong> Lernprozessen<br />

3. „Bildung <strong>von</strong> Abstrakta“, entsprechend dem induktiven Vorgehen vom Besonderen<br />

zum Allgemeinen (C → A; D → B).<br />

<strong>4.</strong> „Zerlegung <strong>von</strong> Abstrakta“, entsprechend einem deduktiven Vorgehen vom<br />

Allgemeinen zum Besonderen (A → C; B → D).<br />

Beziehen wir dieses systematischen Überlegungen nunmehr auf unser curriculares Interesse an<br />

der Qualität des Lernhandelns <strong>zur</strong>ück, so fällt unmittelbar ins Auge, daß dem Wechselspiel<br />

<strong>von</strong> konkret-gegenständlich handelnder Erfahrungsbildung <strong>und</strong> begrifflich-abstrakter<br />

Reflexion im Zuge des Lernhandelns zentrale Bedeutung zukommt. Zugleich wird jedoch<br />

deutlich, daß unsere Unterscheidung <strong>von</strong> gegenstandsbezogenem Handeln <strong>und</strong> abstraktbegrifflicher<br />

Reflexion angesichts alltäglicher Unterrichtserfahrung relativ künstlich wirkt.<br />

Wir sehen die Ursache darin, daß im konventionellen Unterricht weitgehend <strong>von</strong> vornherein<br />

in sek<strong>und</strong>ären Verhaltenssystemen, also auf abstrakt-begrifflicher Ebene bei Dominanz<br />

darstellender Tätigkeitsformen, operiert wird. Der entsprechende Unterricht weist somit<br />

häufig ein Defizit an signifikanter, d. h. subjektiv informationshaltiger <strong>und</strong> bedeutsamer<br />

Erfahrung auf; der Reflexion fehlt auf subjektiver Ebene das empirische Korrelat. Die<br />

Ursache hierfür liegt meist nicht allein in der Modalität des Gegenstandsbezugs, sondern<br />

stärker noch darin, daß die begriffliche Systematisierung losgelöst <strong>von</strong> pragmatisch<br />

bedeutsamen Handlungs- <strong>und</strong> Problemzusammenhängen erfolgt. Mit anderen Worten: In<br />

solchem Unterricht dominiert die Bewegung in Abstraktionshierarchien ohne daß dies<br />

instrumentell auf die für die Lebensgestaltung allein relevante Erzeugung <strong>von</strong> Komplexionen<br />

bezogen wäre.<br />

Jenseits solcher spezifischer Defekte stellt sich die gr<strong>und</strong>sätzliche curriculare Frage, in<br />

welcher zeitlichen Abfolge Prozesse der gegenständlich-handelnden Erfahrungsbildung, der<br />

begrifflich-abstrakten Reflexion <strong>und</strong> der Systematisierung organisiert werden können. Hiermit<br />

verbinden sich die Fragen nach dem Wechsel der Repräsentationsform, dem Wechsel der<br />

Tätigkeitsart <strong>und</strong> entsprechend auch der Sozial- <strong>und</strong> Kommunikationsform im Zeitablauf, die<br />

insgesamt den Problemkreis der Mikrosequenzierung des Lernhandelns bzw. des Unterrichts<br />

umfassen.<br />

Die logisch vorangehende Frage nach der Abfolge der Lerngegenstände <strong>und</strong> der ihnen adäquaten<br />

Handlungsformen bzw. die Frage nach der angemessenen Reihenfolge bei der<br />

Erschließung komplexer Lerngegenstände, wird unter dem Stichwort Makrosequenzierung<br />

thematisiert.<br />

Allgemein soll dabei unter „Sequenzierung“ oder „Sequenzenbildung“ in Anlehnung an<br />

EIGENMANN (1975, S. 204) „eine vorbereitende Organisation des Unterrichtsprozesses in<br />

Form einer Strukturierung der Unterrichtsinhalte, des Verhaltens <strong>und</strong> des Unterrichtsprozesses<br />

zum Zwecke der Verbesserung des Lernens“ verstanden werden. Über den Prozeß der<br />

Sequenzierung soll sichergestellt werden, daß die „Lernbereiche nicht in sich isoliert<br />

unterrichtet“ werden, sondern daß Strukturen erkannt <strong>und</strong> „dank des strukturellen Gefüges“<br />

die Funktion <strong>und</strong> Bedeutung einzelner Zielangaben im übergreifenden Zusammenhang<br />

erkennbar werden.<br />

Die Frage nach der didaktisch <strong>und</strong> lernpsychologisch sinnvollen Sequenzierung läßt sich<br />

insgesamt dahingehend zuspitzen, auf welchem Wege pragmatisch bedeutsame, komplexe<br />

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