Globale Entwicklung - Bildung für nachhaltige Entwicklung ...

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18.01.2014 Aufrufe

138 Wirtschaft und Nachhaltigkeit Die Wirtschaft ist mit den anderen Entwicklungsdimensionen vielfach vernetzt. Sie reagiert auf Vorleistungen der anderen Teilsysteme, ist auf sie angewiesen und ist gleichzeitig selbst Lieferant von Leistungen an diese Systeme. Das in Rio entwickelte Postulat der Gleichrangigkeit von Umwelt und Entwicklung bedeutet, dass das insbesondere auf die Natur bezogene Ziel der Bewahrung mit dem auf Wirtschaft und Gesellschaft bezogenen Anliegen des Fortschritts, der Armutsüberwindung und sonstigen Entwicklung harmonisiert werden muss. 76 Dies verweist auf unterschiedliche „Logiken“ der Entwicklungsdimensionen Umwelt und Wirtschaft. Während Nachhaltigkeit im Sinne der Ökologie auf Schutz von (natürlichen) Ressourcen zielt, ist die Wirtschaft auf deren Nutzung angewiesen, auch wenn inzwischen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch inzwischen weitgehend abgekoppelt wurde. Nachhaltige Entwicklung muss daher die unterschiedlichen Logiken der Dimensionen gleichberechtigt aufeinander abstimmen bzw. bis zu einem gewissen Grade integrieren. Dabei müssen auch die unterschiedlichen Prioritäten in Industrie- und Entwicklungsländern zu einem fairen Ausgleich gebracht werden. Weder der Umweltschutz noch die Durchsetzung sozialer Standards dürfen zulasten der verbesserten Bedürfnisbefriedigung der Menschen insbesondere in den armen Ländern gehen. Zur Überwindung der globalen ökonomischen Disparitäten fordern die Entwicklungsländer, dass die Industrieländer den Zugang zu ihren Märkten weiter öffnen, Handelshemmnisse abbauen und dass faire Regeln des internationalen Wirtschaftsaustausches geschaffen werden. Die damit verbundenen Spannungsverhältnisse angesichts der eigenen Wirtschaftsinteressen, des Arbeitsmarkts und der Sozialstandards dürfen bei einer realistischen Betrachtung der zu lösenden Konflikte auf dem Weg zur sozialen und wirtschaftlichen Kohärenz nicht ausgeklammert werden. Würden die Standards der Industrieländer auf die Entwicklungsländer übertragen, würden diese ihre Wettbewerbsvorteile verlieren. Dies ist nur ein Beispiel in diesem Kontext für das Problem, dass „gute Absichten“ keineswegs immer gute Ergebnisse hervorbringen. Ökonomik nimmt solche Probleme in den Blick. Die möglichen Konsequenzen der Endlichkeit natürlicher und nicht substituierbarer Ressourcen für längerfristige Entwicklungsprozesse und damit für das Wirtschaftswachstum werden in der Wirtschaftswissenschaft verstärkt seit den 70er Jahren (u.a. Club of Rome – Grenzen des Wachstums) diskutiert. 77 Zahlreiche Beobachtungen zeigen, dass Menschen in der Regel die kurzfristige, zeitnahe Befriedigung von Bedürfnissen höher bewerten als die zukünftige. Ebenso zeigt sich, dass sie kostenlose, frei zugängliche Ressourcen nicht sparsam nutzen, auch wenn durch eine kollektive Übernutzung der Bestand der Ressource langfristig beschädigt wird. Dies gilt auch und insbesondere für Unternehmen, deren strategische Entscheidungen bei liberalisierten Kapitalmärkten zunehmend kurzfristigeren Zeithorizonten unterliegen. Die Rahmung von Marktwirtschaften in Richtung Nachhaltigkeit ist daher eine wichtige Schnittstelle des ökonomischen mit dem politischen System: Politik muss die 76 Eisermann, D.: Die Politik der nachhaltigen Entwicklung. Der Rio-Johannesburg-Prozess. In: InWent – Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH (Hrsg.): Themendienst 13, 2003 77 D. Meadows et al: Grenzen des Wachstums, 1972 – auch bereits im 19. Jh. wurden Wachstumsgrenzen diskutiert. Siehe der Volkswirt Thomas Malthus, der 1798 die natürlichen Grenzen der Nahrungsmittelproduktion bei rapidem Bevölkerungswachstum behauptete.

139 Rahmenbedingungen, unter denen die Akteure ihre Ziele verfolgen, entsprechend den ökologischen, ökonomischen und entwicklungspolitischen Erfordernissen gestalten. Dies ist nur zu erwarten, wenn Bürger dies mitinitiieren und unterstützen. Ein Beispiel für diesen Dreiklang der Rahmengestaltung kann in der Einführung eines (weltweiten) Emissionsshandelssystems gesehen werden, bei dem die Kostenzurechnung auf die Verursacher mit einem Nord-Süd-Ressourcentransfer gekoppelt werden kann. Nach Einigung auf eine insgesamt reduzierte Menge an Emissionsrechten können Südländer bei einer geeigneten (z.B. gleichen Pro-Kopfverteilung) Anfangsverteilung gegenwärtig noch nicht benötigte Emissionsrechte den Industrieländern zu Knappheitspreisen zur Verfügung stellen und diesen damit Zeit zur Entwicklung zukunftsverträglicherer Entwicklungspfade einräumen. Wer dies als modernen Ablasshandel diskreditiert, erschwert die Suche nach Ansätzen, Konflikte zwischen Ökologie, Ökonomie und Entwicklung kooperativ entschärfen wollen. Ökonomie als unverzichtbares Element des Lernbereichs Globale Entwicklung Begreift man globale Entwicklung als eine Herausforderung an den Bildungsprozess, wie dies die Dokumente der UN-Konferenzen in Rio de Janeiro und Johannesburg betonen, so muss Bildung die Vernetzung wie auch die jeweilige Spezifik der Teilsysteme nachhaltiger Entwicklung – und damit der Ökonomie – zum Gegenstand des Lernens machen. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung kann daher nicht ohne eine fachlich fundierte ökonomische Bildung auskommen. Ökonomische Bildung kann ebenso vor einer Verabsolutierung des Ökonomischen schützen wie helfen, die Einbettung ökonomischen Handelns – des ökonomischen Systems – in Politik, Gesellschaft und Umwelt zu erkennen. Ökonomische Bildung hilft zu unterscheiden, wo individuelle Moral und Verantwortung als Problemlösung ausreicht und wo sie an systemische Grenzen stößt 78 , wo betriebswirtschaftliche Handlungsmaximen eine Rolle spielen, wo volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen zu betrachten sind und wo heute weltwirtschaftliche Strukturen in der Globalisierung wirksam sind und der Gestaltung bedürfen. Ökonomische Bildung ist bislang in nur wenigen deutschen Ländern ein eigenes Unterrichtsfach. Vielmehr ist sie zumeist Teil eines Integrationsfaches, in dem mehrere Fachperspektiven auch auf die Fragen der globalen Entwicklung angewendet werden. Im Integrationsfach besteht die Chance, die Unterschiedlichkeit fachlicher Weltzugänge und Problemperspektiven von Ökonomie und den anderen wissenschaftlichen Disziplinen aufzuzeigen – ebenso wie ihre gegenseitigen Bezugs- und Ergänzungsmöglichkeiten. Interdisziplinäres Arbeiten kann damit eine transparentere Grundlage erhalten. Für den ökonomischen Bereich kann es allerdings nicht darum gehen, Schülerinnen und Schüler derart zu Expertinnen und Experten zu machen, dass sie z.B. Standortentscheidungen internationaler Unternehmen umfassend analysieren können. Doch sollten sie generell die aus ökonomischer Perspektive wichtigen Parameter von Handlungs- und Entscheidungssituationen in den Blick nehmen und auf dieser Basis begründet Stellung beziehen können. Sie sollten ökonomische Fragen auch in ihren ökologischen, sozialen oder politischen Zusammenhängen beurteilen können. Dabei spielen auch ihr eigener lebensweltlicher Kontext, ihre eigene Handlungsperspektive, ihr eigener Kontakt mit ökonomischen und anderen Globalisierungsprozes- 78 Bayertz, K.: Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung. In: ders. (Hrsg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem?, Darmstadt 1995, S. 3-71

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Wirtschaft und Nachhaltigkeit<br />

Die Wirtschaft ist mit den anderen <strong>Entwicklung</strong>sdimensionen vielfach vernetzt. Sie<br />

reagiert auf Vorleistungen der anderen Teilsysteme, ist auf sie angewiesen und ist<br />

gleichzeitig selbst Lieferant von Leistungen an diese Systeme.<br />

Das in Rio entwickelte Postulat der Gleichrangigkeit von Umwelt und <strong>Entwicklung</strong><br />

bedeutet, dass das insbesondere auf die Natur bezogene Ziel der Bewahrung mit<br />

dem auf Wirtschaft und Gesellschaft bezogenen Anliegen des Fortschritts, der Armutsüberwindung<br />

und sonstigen <strong>Entwicklung</strong> harmonisiert werden muss. 76 Dies verweist<br />

auf unterschiedliche „Logiken“ der <strong>Entwicklung</strong>sdimensionen Umwelt und Wirtschaft.<br />

Während Nachhaltigkeit im Sinne der Ökologie auf Schutz von (natürlichen)<br />

Ressourcen zielt, ist die Wirtschaft auf deren Nutzung angewiesen, auch wenn inzwischen<br />

das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch inzwischen weitgehend<br />

abgekoppelt wurde. Nachhaltige <strong>Entwicklung</strong> muss daher die unterschiedlichen Logiken<br />

der Dimensionen gleichberechtigt aufeinander abstimmen bzw. bis zu einem<br />

gewissen Grade integrieren. Dabei müssen auch die unterschiedlichen Prioritäten in<br />

Industrie- und <strong>Entwicklung</strong>sländern zu einem fairen Ausgleich gebracht werden. Weder<br />

der Umweltschutz noch die Durchsetzung sozialer Standards dürfen zulasten der<br />

verbesserten Bedürfnisbefriedigung der Menschen insbesondere in den armen Ländern<br />

gehen.<br />

Zur Überwindung der globalen ökonomischen Disparitäten fordern die <strong>Entwicklung</strong>sländer,<br />

dass die Industrieländer den Zugang zu ihren Märkten weiter öffnen, Handelshemmnisse<br />

abbauen und dass faire Regeln des internationalen Wirtschaftsaustausches<br />

geschaffen werden. Die damit verbundenen Spannungsverhältnisse angesichts<br />

der eigenen Wirtschaftsinteressen, des Arbeitsmarkts und der Sozialstandards<br />

dürfen bei einer realistischen Betrachtung der zu lösenden Konflikte auf dem Weg<br />

zur sozialen und wirtschaftlichen Kohärenz nicht ausgeklammert werden. Würden die<br />

Standards der Industrieländer auf die <strong>Entwicklung</strong>sländer übertragen, würden diese<br />

ihre Wettbewerbsvorteile verlieren. Dies ist nur ein Beispiel in diesem Kontext für das<br />

Problem, dass „gute Absichten“ keineswegs immer gute Ergebnisse hervorbringen.<br />

Ökonomik nimmt solche Probleme in den Blick.<br />

Die möglichen Konsequenzen der Endlichkeit natürlicher und nicht substituierbarer<br />

Ressourcen für längerfristige <strong>Entwicklung</strong>sprozesse und damit für das Wirtschaftswachstum<br />

werden in der Wirtschaftswissenschaft verstärkt seit den 70er Jahren (u.a.<br />

Club of Rome – Grenzen des Wachstums) diskutiert. 77<br />

Zahlreiche Beobachtungen zeigen, dass Menschen in der Regel die kurzfristige,<br />

zeitnahe Befriedigung von Bedürfnissen höher bewerten als die zukünftige. Ebenso<br />

zeigt sich, dass sie kostenlose, frei zugängliche Ressourcen nicht sparsam nutzen,<br />

auch wenn durch eine kollektive Übernutzung der Bestand der Ressource langfristig<br />

beschädigt wird. Dies gilt auch und insbesondere für Unternehmen, deren strategische<br />

Entscheidungen bei liberalisierten Kapitalmärkten zunehmend kurzfristigeren<br />

Zeithorizonten unterliegen.<br />

Die Rahmung von Marktwirtschaften in Richtung Nachhaltigkeit ist daher eine wichtige<br />

Schnittstelle des ökonomischen mit dem politischen System: Politik muss die<br />

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Eisermann, D.: Die Politik der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong>. Der Rio-Johannesburg-Prozess. In: InWent – Internationale<br />

Weiterbildung und <strong>Entwicklung</strong> gGmbH (Hrsg.): Themendienst 13, 2003<br />

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D. Meadows et al: Grenzen des Wachstums, 1972 – auch bereits im 19. Jh. wurden Wachstumsgrenzen diskutiert.<br />

Siehe der Volkswirt Thomas Malthus, der 1798 die natürlichen Grenzen der Nahrungsmittelproduktion bei<br />

rapidem Bevölkerungswachstum behauptete.

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