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Jonathan Franzen Weiter weg - Neue Zürcher Zeitung

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Sachbuch<br />

Autobiografie Das exzentrische Leben des untergetauchten deutschen Hedge-Fund-Managers<br />

Florian Homm, vonihm selbst erzählt<br />

Rauchzeicheneines Phantoms<br />

Florian Homm: Kopf Geld Jagd. Wieich in<br />

Venezuela niedergeschossen wurde,<br />

während ich versuchte, Borussia<br />

Dortmund zu retten. Finanzbuch,<br />

München 2013. 362 Seiten, Fr.29.90,<br />

E-Book 19.30.<br />

VonSebastian Bräuer<br />

Inbegriffder<br />

Heuschrecke: der<br />

Hedge-Fund-Manager<br />

Florian Homm. Hier<br />

als Grossaktionär von<br />

Borussia Dortmund,<br />

16.November 2004.<br />

Dies ist kein normales Buch. «Wichtiger<br />

Hinweis: Der Verlag und alle an diesem<br />

Buch beteiligten Personen wissen nicht,<br />

wo sich Florian Homm aufhält», heisst<br />

es noch vor dem Inhaltsverzeichnis in<br />

fett gedruckten Buchstaben, und wer<br />

das für merkwürdig hält, dem sei gesagt:<br />

Auf den folgenden 362 Seiten ist einiges<br />

noch viel merkwürdiger.<br />

Der deutsche Hedge-Fund-Manager<br />

Homm, heute 53 Jahre alt, ist seit September<br />

2007 verschwunden. So lange<br />

vonkeiner Behörde entdeckt zu werden,<br />

wäre schon für einen weniger gefragten<br />

Menschen ein Kunststück. Aber Homm,<br />

mit seinen 2,03 Metern ein Hüne, ausgestattetmit<br />

markanten Gesichtszügen, ist<br />

von der amerikanischen Börsenaufsicht<br />

angeklagt, Bilanzen gefälscht zu haben.<br />

Private Investoren verlangen Schadensersatz:<br />

sie haben viel Geld verloren. Und<br />

sogar die US-Drogenpolizei DEA sucht<br />

Homm, angeblich unterhält er Kontakte<br />

zu südamerikanischen Drogenbossen.<br />

Als würde das nicht reichen, hat vor<br />

einigen Monaten auch noch ein kaum<br />

weniger obskurer Gegenspieler ein<br />

Kopfgeld von 1,5 Millionen Euro auf den<br />

Unternehmer ausgesetzt. Der Mann<br />

meint es ernst: Er hat ein Video ins Internet<br />

gestellt, in dem er das Geld in dicken<br />

Bündeln auf den Tisch legt.<br />

Schon vor seinem Verschwinden galt<br />

er in Deutschland als Inbegriffder skrupellosen<br />

Heuschrecke. Er verdiente an<br />

der Zerschlagung von Firmen und an<br />

fallenden Aktienkursen. Wobei er nicht<br />

davor zurückschreckte, mit der Verbreitung<br />

negativer Analysen dafür zu sorgen,<br />

dass die Kurse auch wirklich in die<br />

Tieferauschen. Am Ende rissermit seinem<br />

abrupten Abgang auch noch die eigene<br />

Firma ACMH in den Abgrund. Und<br />

verschwand mit 500000 Dollar in Aktenkoffer,<br />

Zigarrenkiste und Unterhose.<br />

Dass sojemand aus dem Untergrund<br />

heraus eine Autobiografie schreibt, in<br />

der er mit geschäftlichen und persönlichen<br />

Erfolgen prahlt, ist eine gewaltige<br />

Provokation gegenüber Anlegern und<br />

Mitarbeitern. Dasserdabei auch Details<br />

über seine Flucht verrät, zeugt von seiner<br />

Überheblichkeit. Es ist auch nicht zu<br />

beurteilen, ob sich sämtliche der teils<br />

schrillen Anekdoten wirklich so zugetragen<br />

haben. Homm schreibt im Vorwort,<br />

die Geschichte beruhe auf Tatsachen,<br />

er habe lediglich gewisse Namen<br />

und Orte geändert, um juristische Auseinandersetzungen<br />

zu vermeiden. In<br />

einer früheren Version soll allerdings<br />

auch noch gestanden haben, er habe ein<br />

paar Dingeerfunden, um den «allgemeinen<br />

Unterhaltungswert» zu steigern.<br />

Das wäre nicht schlimm. Es ist nämlich<br />

unterhaltsam, wie sich Homm zeitlebens<br />

aus Prinzip nicht an gesellschaftliche<br />

Konventionen hält. Wie erals Jugendlicher<br />

bei einem Kurzbesuch in<br />

einer Nervenheilanstalt die teils schwerkranken<br />

Patienten dazu gebracht haben<br />

will, «Scheissfaschisten, Psychoterroristen»<br />

zu skandieren. Oder wie er, injungen<br />

Jahren ein begnadeter Basketballer,<br />

angeblich bei einem Freundschaftsspiel<br />

in Detroit zusammen mit der NBA-Legende<br />

Earvin «Magic» Johnson aufläuft.<br />

Wobei sie das gegnerische Team natürlich<br />

nicht besiegen, sondern demütigen.<br />

Die Elite-Uni Harvard absolviert er, obwohl<br />

in dieser Zeit mit Drogengeschäften<br />

beschäftigt, praktisch im Schlaf.<br />

LARS BARON/GETTY IMAGES<br />

Medizin Streiflichter auf Leben und Werk vonBurghölzli-Direktor Eugen Bleuler (1857–1939)<br />

Psychiatrie-Pionierwärenochzuentdecken<br />

Rolf Mösli (Hrsg.): EugenBleuler –Pionier<br />

der Psychiatrie. Römerhof, Zürich 2012.<br />

228 Seiten, Fr.44.–.<br />

VonWilli Wottreng<br />

Der Schweizer PsychiaterEugen Bleuler<br />

(1857–1939) war eine komplexe, spannende<br />

Persönlichkeit. Ein Arzt, der aus<br />

der Praxis lernte und Theorien suchte,<br />

die dem Erlebten entsprachen. Ein<br />

Mensch, der zugleich in sich verschlossen<br />

war, aber offen für das Leiden der<br />

Mitmenschen in seinen Kliniken. Bleuler<br />

hat den Begriff der Schizophrenie<br />

22 ❘ NZZamSonntag ❘ 24.Februar 2013<br />

entwickelt, welcher die Patienten in<br />

ihrem Leiden widerspiegeln sollte und<br />

der sie nicht wie der bisherigeAusdruck<br />

Demenz abqualifizierte. Doch in der<br />

Praxis hat erBehandlungsmethoden –<br />

etwa die Malaria-Fieberkur – zugelassen,<br />

die den Charakter von Menschenversuchen<br />

hatten.<br />

Die Persönlichkeit Bleulershätte eine<br />

bessereBiografieverdient als das vorliegende<br />

Werk. Genau genommen handelt<br />

es sich nicht um eine Biografie, auch<br />

nicht um eine Darstellung seines Wirkens,<br />

sondern um Textelemente und<br />

Dokumente, die einzeln für sich Interesse<br />

beanspruchen können, aber sich<br />

weder zu einer Biografie noch zu einem<br />

impressionistischen Panoramabild der<br />

psychiatrischen Welt fügen.<br />

Da findet sich etwa ein subtiler Text<br />

des einstigen «Burghölzli»-Direktors<br />

Daniel Hell über Herkunft und junge<br />

Jahre Bleulers, der Neugier weckt über<br />

den weiteren Lebens<strong>weg</strong>–welcher dann<br />

nicht geschildert wird. Denn über weite<br />

Strecken wird die Person Bleulers verlassen<br />

und das Gewicht auf die Wiedergabe<br />

von Pflegerberichten über ihr Tun<br />

in der Klinik gelegt. Eingestreutsind ansprechende<br />

Fotodokumente. Anschaulich<br />

auch die Ausführungen über die<br />

Ehefrau Hedwig Bleuler-Waser, die eine

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