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01 | März – Mai 2013<br />

Mode wird sauber<br />

Große Erfolge in der Detox-Kampagne<br />

Summ mir das Lied vom Tod<br />

Umweltgifte führen zu massivem Bienensterben<br />

kampfzone Wald<br />

Industrielle Interessen gefährden die letzten Wälder. Während im Amazonas der Kahlschlag<br />

voranschreitet, ist für den indonesischen Regenwald ein Ende der Abholzung in Sicht.


Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

Viele Jahre beherrschten Kettensägen und Bulldozer den indonesischen<br />

Regenwald. Abgeholzt wurde für Zellstoff für die Papierherstellung und Palmöl,<br />

das als „pflanzliches Fett“ von unserer Lebensmittel- und Kosmetikindustrie<br />

zahllosen Produkten beigemischt wird. Die billigen Rohstoffe haben einen<br />

exorbitant hohen Preis: Zerstörung der Biodiversität, steigende CO 2 -Emissionen,<br />

gefährdete Tiger- und Orang-Utan-Populationen und ruinierte Existenzgrundlagen<br />

für die lokale Bevölkerung.<br />

Dieses traurige Kapitel der Waldzerstörung geht seinem Ende zu: Einer der<br />

größten indonesischen Waldzerstörer hat einen Rodungsstopp verkündet<br />

(Seite 11)! <strong>Greenpeace</strong> hat für dieses Ziel viele Jahre gekämpft. Endlich den<br />

nötigen Erfolg zu erzielen gibt uns die Kraft, weiter so entschlossen gegen nur<br />

scheinbar übermächtige Gegner vorzugehen. Wie im Amazonas – einem<br />

weiteren Brennpunkt der globalen Waldzerstörung. Unser Autor Martin<br />

Frimmel berichtet ab Seite 8 von den Bedrohungen, die der Wald und jene,<br />

die ihn zu schützen versuchen, ausgesetzt sind.<br />

Während die Waldvernichtung zu den sichtbaren globalen Umweltproblemen<br />

zählt, kommen andere auf vergleichsweise leisen Sohlen daher – ihre Auswirkungen<br />

sind dennoch gigantisch. Seit den 1990er-Jahren wird ein Bienensterben<br />

beobachtet, das mittlerweile riesige Ausmaße angenommen hat. Die<br />

Ursachen und Lösungen sind bekannt, nun muss schleunigst etwas unternommen<br />

werden. Denn wir sind auf Bienen und andere bestäubende Insekten für die<br />

Sicherung unserer Nahrungsmittelproduktion angewiesen (Seite 20). <strong>Greenpeace</strong><br />

startet diesen Frühling seine europaweite Bienen-Kampagne. Je mehr<br />

Menschen wie Sie uns dabei unterstützen, desto schneller werden wir erfolgreich<br />

sein – hier, im Amazonas und an allen anderen Schauplätzen der weltweiten<br />

Umweltzerstörung!<br />

Mit herzlichen Grüßen<br />

IMPRESSUM<br />

Birgit Bermann, Chefredakteurin<br />

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: <strong>Greenpeace</strong> in Zentral- und Osteuropa, Fernkorn -<br />

gasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: Erste Bank: 822 212 198 00,<br />

BLZ: 20111, www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredaktion), Florian Bolka, Martin<br />

Frimmel, Christine Gebeneter, Jasmin Karer, Julia Kerschbaumsteiner, Marcelline Langer, Lisa Ressl, Gundi Schachl,<br />

Claudia Sprinz, Petra Taylor, Jurrien Westerhof E-Mail: act@greenpeace.at Bildredaktion: Georg Mayer<br />

Artdirektion: Karin Dreher Fotos: <strong>Greenpeace</strong>, istock.com Lektorat: Johannes Payer<br />

Druck: Niederösterreichisches Pressehaus<br />

erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen<br />

gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2013.<br />

Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Entsprechende<br />

Bezeichnungen gelten ausdrücklich für beide Geschlechter.<br />

Fotos: Cover: © Daniel Beltrá/GP, Inhalt: © Marizilda Cruppe /GP, © Lance Lee/GP, © Markus Hammer, © GP/Benita Marcussen<br />

08<br />

06<br />

04 In Aktion 06 Saubere Mode liegt im Trend 08 Bis zum<br />

letzten Baum 11 Der Tiger bekommt eine Chance 12 Chips<br />

im Check 14 Zukunft sichern 15 Mythos billige Atomkraft<br />

16 Grüne Steckdosen 18 Im Gespräch mit Prof. Hermann<br />

Knoflacher 19 Kommentar: Fortschritt oder Armutszeugnis?<br />

20 Das Sterben der Bienen 22 Schwarmintelligenz<br />

20 22<br />

Inhalt


ÖSTERREICH: VW „Blue Motion“ –<br />

nur Schein statt Sein<br />

„Die Nummer 1 in Sachen Klimaschutz“ – so stellt sich der VW-Konzern<br />

gerne selbst dar. In Wirklichkeit hinterlässt VW den weltweit<br />

größten CO 2-Fußabdruck in seiner Branche. Im Jänner 2013 nutzten<br />

Österreichs Aktivisten die Wiener Automesse, um gegen die<br />

klimaschädliche Ausführung der neuen VW-Modelle anzukämpfen.<br />

Unter dem Motto „Alle reden vom Klima – VW zerstört es“ wurden<br />

die Messebesucher mit Flugblättern und schwarzen Luftballons<br />

informiert. Das neue Golf-Modell liegt mit 4,9 Litern Verbrauch weit<br />

entfernt vom versprochenen<br />

und längst machbaren<br />

3-Liter-Auto.<br />

VW täuscht mit falschen<br />

Werbeversprechen bewusst<br />

die Öffentlichkeit. <strong>Greenpeace</strong><br />

fordert von VW<br />

konkrete Umweltziele für<br />

die Konzernstrategie 2018<br />

und eine sofortige Umsetzung<br />

der „Blue Motion“-<br />

Technologien für alle<br />

VW-Modelle ohne Mehrkosten<br />

für den Kunden.<br />

PAZIFIK: Tunfisch-<br />

Plünderei im großen Stil<br />

Gefährdete Fischpopulationen in den<br />

pazifischen Meeren schrumpfen gewaltig.<br />

Regierungen versagen kläglich<br />

beim Schutz bedrohter Gebiete.<br />

Durch das Wachstum der industriellen<br />

Fischerei und den Einsatz von umweltschädlichen<br />

Fangmethoden sinken die<br />

Tunfischbestände weiter. Im Vorfeld<br />

des Treffens der Regierungen der<br />

WCPFC (Western and Central Pacific<br />

Fisheries Commission) protestierten<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten vor der koreanischen<br />

Botschaft. Mit Tunfischkostümen<br />

bekleidet, riefen die Aktivisten<br />

die Länder zum Schutz aussterbender<br />

Tunfischarten auf und forderten Meeresschutzgebiete<br />

für die vier Hochseegebiete<br />

„Pacific Commons“ mit klaren<br />

Fangverboten. Beim Treffen im Dezember<br />

2012 kam dann die folgenschwere<br />

Entscheidung: Big Player<br />

dürfen ihre großangelegten Plündereien<br />

und Überfischungen zulasten der<br />

Meere weiter betreiben. Ein Desaster<br />

für den Pazifik – eine Herausforderung<br />

für <strong>Greenpeace</strong>, weiter zu kämpfen!<br />

INDONESIEN:<br />

Citarum-Fluss, die<br />

schwarze Brühe<br />

Der Fluss Citarum war eine der<br />

Lebensadern von West-Java in Indonesien,<br />

doch wo früher Menschen<br />

badeten und ihre Kleidung wuschen,<br />

fließt heute die reinste Mülldeponie<br />

flussabwärts. Ein <strong>Greenpeace</strong>-Report<br />

verdeutlicht die Folgen der jahrelangen<br />

Verschmutzung: In Proben wurden<br />

gesundheitsgefährdende,<br />

schwer abbaubare Chemikalien<br />

gefunden. Häufig sind diese die Ursache<br />

für schwere Krankheiten, unter<br />

denen die lokale Bevölkerung<br />

leidet. <strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten protestierten<br />

dagegen, marschierten vor<br />

dem Perjuangan Rakyat Monument<br />

in Bandung auf und inszenierten<br />

eine öffentlichkeitswirksame Schein-<br />

Wahldebatte. Mit der Aktion wurde<br />

die indonesische Regierung zum<br />

sofortigen Handeln aufgefordert, um<br />

den Citarum und andere Flüsse zu<br />

schützen. „Was und wer vergiftet<br />

meinen Citarum?“, möchte ein Aktivist<br />

stellvertretend für viele wissen.<br />

ARKTIS: Ewiger Kampf ums Eis<br />

Die Eisschmelze in der Arktis schreitet unaufhörlich voran, zusätzlich<br />

gefährden hochriskante Ölbohrungen der Firma Shell in Alaska die<br />

Region. Um dagegen zu protestieren, nahmen Aktivisten aus ganz<br />

Europa Ende Jänner eine Shell-Tankstelle nahe dem Weltwirtschaftsforum<br />

in Davos ein. Angekettet und als Eisbären verkleidet, plat -<br />

zierten sie drei Tonnen Schnee vor der Tankstelle. Darüber prangte<br />

ein Banner mit der Aufschrift „Arktisches Öl – zu riskant“. Im<br />

Frühjahr stehen weitere Höhepunkte unserer Arktis-Kampagne<br />

bevor. <strong>Greenpeace</strong> startet im April 2013 eine fünftägige Expedition<br />

zum Nordpol, um eine unzerstörbare Zeitkapsel auf dem Meeresgrund<br />

zu versenken. Sie wird viele<br />

Jahrzehnte überdauern und trägt in<br />

sich die Namen von über zweieinhalb<br />

Millionen Menschen, die unsere<br />

Arktis-Petition auf www.savethearctic.<br />

org unterschrieben haben. An dieser<br />

Stelle wird auch die Flagge der<br />

Zukunft platziert, die den Anspruch<br />

der gesamten Menschheit auf eine<br />

intakte Arktis symbolisieren soll.<br />

Fotos: © Georg Mayer/GP, © Yudhi Mahatma/GP, © Pat Roque/GP, © GP/Ex-Press/Flurin Bertschinger<br />

Fotos: © Nick Cobbing/GP, © Pedro Armestre/GP, © Bente Stachowske/GP, © Bente Stachowske/GP<br />

ATOM: Schluss mit<br />

MOX-Transporten<br />

<strong>Greenpeace</strong> fordert das Ende der<br />

viel zu gefährlichen Transporte von<br />

tödlichen MOX-Brennstäben. Der<br />

Atomfrachter „Atlantic Osprey“<br />

hatte vergangenen Herbst acht<br />

hochgiftige, plutoniumhaltige<br />

Mischoxid-Brennelemente (MOX)<br />

zur Lieferung von Großbritannien<br />

an das Atomkraftwerk Grohnde in<br />

Deutschland an Bord. Mit Schlauchbooten<br />

setzten sich deutsche<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten gegen diesen<br />

Transport ein und riefen den<br />

niedersächsischen Ministerpräsidenten<br />

David McAllister auf, den<br />

Einsatz von MOX-Brennelementen<br />

im Atomkraftwerk Grohnde zu<br />

verhindern. Mit „McAllister: Plutonium<br />

stoppen“ prangerten die<br />

Aktivis ten den Politiker an. <strong>Greenpeace</strong><br />

kämpft weiter für das sofortige<br />

Verbot von MOX-Transporten.<br />

SPANIEN: „Prestige“<br />

bleibt unvergessen<br />

Im November 2002 kam es zum<br />

verheerenden Ölunglück des<br />

Frachters „Prestige“ an der Nordküste<br />

Spaniens. Das Desaster und<br />

seine Spätfolgen sind in einem<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Report beschrieben:<br />

40.000 Tonnen Öl verseuchten<br />

das Meer, 250.000 Seevögel verendeten<br />

qualvoll, 800 Strände<br />

wurden verschmutzt, und weitere<br />

25.000 Tonnen Öl werden<br />

immer noch im Wrack vermutet.<br />

Zum 10. Jahrestag protestierten<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten im<br />

Schlauchboot vor dem veralteten<br />

Öltanker „Searacer“ mit dem<br />

Banner „Eine neue Prestige ist<br />

möglich“. Verantwortlich für die<br />

schreckliche Katastrophe ist die<br />

Ölindustrie, Strafen gab es für sie<br />

jedoch bis heute keine.<br />

<strong>Greenpeace</strong> fordert ein umweltfreundliches<br />

Energiemodell und<br />

mehr Verantwortung seitens der<br />

spanischen Regierung. Der Appell<br />

ist klar: Lasst uns auf Erdöl verzichten,<br />

denn eine Energierevolution<br />

ist möglich!<br />

WÄLDER: Aktion gegen die<br />

Holzmaschinerie in Deutschland<br />

In Aktion<br />

Die urtümlichen Buchenwälder Deutschlands sind stark in<br />

Bedrängnis. 160 Jahre alte Bäume sind die Hüter des Klimas und<br />

wachen über die Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten.<br />

Dies schützt sie jedoch nicht vor den Kettensägen der<br />

Waldarbeiter. Deutsche <strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten nehmen das<br />

nicht kampflos hin. Im Waldgebiet Spessart setzten sie sich für<br />

die zum Einschlag bestimmten Bäume ein und stellten sich den<br />

Kettensägen der Waldarbeiter in den Weg. „Stoppt die Säge!<br />

Waldschutz jetzt!“ lautet die klare Ansage der Aktivisten.<br />

4 act<br />

act 5


Saubere Mode<br />

liegt Im Trend<br />

Fast zwei Jahre nach Beginn der Detox-Kampagne kann<br />

eine saubere Bilanz gezogen werden: Viele große Textilkonzerne<br />

wollen in Zukunft giftfrei produzieren. Der Umstieg der gesamten<br />

Modebranche ist nicht mehr weit.<br />

Von Claudia Sprinz<br />

Detox-Reports<br />

Ergebnis der <strong>Greenpeace</strong>-<br />

Untersuchungen: viel Gift<br />

in Markenkleidung.<br />

Giftige Garne<br />

Untersuchung von Damen-, Herren- und Kindertextilien<br />

von 20 Modemarken (Armani, Benetton,<br />

Blazek, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, GAP, H&M,<br />

Jack Jones, Levi’s, Mango, M&S, Metersbonwe, Only,<br />

Tommy Hilfiger, VANCL, Vero Moda, Victoria’s Secret<br />

und Zara) in 29 Ländern. Ergebnis: Alle Modemarken<br />

haben Produkte mit nachweisbaren NPE-Konzentrationen<br />

verkauft, rund zwei Drittel der<br />

untersuchten Textilien enthielten die Chemikalie<br />

NPE (Nonylphenolethoxylate). Sie kann sich im<br />

Abwasser in giftiges, langlebiges und hormonell<br />

wirksames Nonylphenol umwandeln.<br />

Der mexikanischen Kultur gilt Wasser als<br />

heilig, trotzdem sind mehr als 70 Prozent der<br />

Frischwasserreserven des mittelamerikanischen<br />

Landes verschmutzt. Ein großer Verursacher<br />

der miserablen Wasserqualität ist die<br />

Textilindustrie – mit mehr als 500.000 Beschäftigten<br />

die viertgrößte Branche des Landes.<br />

Lavamex und Kaltex sind zwei der größten<br />

Textilfabriken Mexikos und bedeutende<br />

Zulieferer von Konzernen wie beispielsweise<br />

Levi’s. <strong>Greenpeace</strong> hat bei einer Untersuchung<br />

der Abwässer beider Fabriken eine Vielzahl<br />

problematischer Chemikalien nachgewiesen.<br />

Vom Gesetz kann sich die auf sauberes<br />

Wasser angewiesene Bevölkerung allerdings<br />

keinen Schutz erwarten: Die mexikanische<br />

Textilindustrie ist nicht verpflichtet, die Öffentlichkeit<br />

über die Freisetzung gefährlicher<br />

Chemikalien zu informieren. „Wer Zugang zu<br />

diesen Informationen haben will, muss einen<br />

frustrierenden und komplizierten Behördenweg<br />

über sich ergehen lassen. In der Zwischenzeit<br />

sprudeln die Giftstoffe weiterhin<br />

Tag und Nacht aus den Abwasserrohren in<br />

die Flüsse“, sagt Pierre Terras, Chemieexperte<br />

von <strong>Greenpeace</strong> in Mexiko. Von „unantastbaren<br />

Unternehmen“ sprechen sogar schon<br />

Abgeordnete im mexikanischen Parlament,<br />

die eine Untersuchung über den San-Juan-<br />

Fluss vorgeschlagen hatten – erfolglos.<br />

Mexiko ist ein typisches Beispiel für ein<br />

Schwellenland mit einer großen Textilindustrie<br />

und sehr viel niedrigeren Umweltstandards<br />

als in Europa. Aber Umweltverschmutzung<br />

kennt keine Grenzen: Die durch industrielle<br />

Abwässer in die Flüsse des globalen Südens<br />

freigesetzten Chemikalien sind langlebig<br />

und verteilen sich über den gesamten Erdball.<br />

Sie können sogar im Blut arktischer Tiere<br />

nachgewiesen werden. <strong>Greenpeace</strong> hat daher<br />

bereits 2011 die Detox-Kampagne gestartet<br />

(act 03/2011), um auf die Freisetzung gefährlicher<br />

Chemikalien bei der Textilproduktion<br />

aufmerksam zu machen und die Modebranche<br />

zur Umstellung auf umwelt- und menschenverträgliche<br />

Substanzen zu motivieren.<br />

Fotos: © Olga Laris/GP, © Teresa Novotny/GP, © Ivan Castaneira/GP, © George Nikitin/GP<br />

Toxic Thread: Under Wraps (Mexiko)<br />

Im Abwasser von Lavamex fanden sich die<br />

Chemikalien NPE, TMDD, Benzotriazole, Tributylphospat<br />

(TBT) und Trichloranilin. Sie sind für<br />

Wasserorganismen giftig. In den Proben von Kaltex<br />

konnten TMDD, HMMM, Trichlorbenzol (TCB) sowie<br />

die Phthalate DEHP und DiBP nachgewiesen<br />

werden. Diese Substanzen sind giftig, die Phthalate<br />

fortpflanzungsschädigend.<br />

Putting Pollution on Parade (China)<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Mitarbeiter haben in den<br />

Industriegebieten Binhai und Linjiang<br />

Abwasserproben genommen.<br />

Gefunden wurden: chlorierte Aniline (giftig für<br />

Wasserlebewesen und den menschlichen Organismus;<br />

einige Aniline sind krebserregend); Perfluoroktansäure<br />

(PFOA – hochgiftig und langlebig); TMDD;<br />

Nitrobenzol und Chlornitrobenzole (bei Tieren<br />

krebserregend, möglicherweise auch beim<br />

Menschen); N-Alkylaniline (für Wasserorganismen<br />

giftig); bromierte und chlorierte Aniline; bromierte<br />

und chlorierte Benzole.<br />

Webtipp: Alle Reports unter:<br />

www.greenpeace.at/detox<br />

Mexikos Flüsse sind stark verschmutzt,<br />

70 Prozent der Wasserreserven<br />

weisen eine miserable<br />

Qualität auf. Verunreinigt wird das<br />

Wasser vor allem durch Textilfabriken,<br />

die große Konzerne beliefern.<br />

Mexikanische Models (gr. B.) haben<br />

genug und fordern im Namen der<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Kampagne saubere<br />

Kleidung ein. Auch in Wien (kl. B. l.)<br />

wurde vor einer Zara-Filiale gegen<br />

Detox-Kleidung protestiert.<br />

In mehreren Berichten (siehe Kasten) wurde<br />

seitdem nachgewiesen, dass nicht nur bei der<br />

Produktion gefährliche Chemikalien freigesetzt<br />

werden, sondern auch die Textilien<br />

selbst kontaminiert sind – und bei der ersten<br />

Wäsche die heimischen Gewässer verunreinigen.<br />

Die Kampagne entfachte den nötigen<br />

Sturm der Entrüstung: Weltweite Proteste<br />

von zehntausenden <strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten<br />

und Konsumenten zeigten Wirkung. 15 globale<br />

Modekonzerne – von Puma, Nike und<br />

Adidas über H&M, C&A und Marks & Spencer<br />

bis hin zu Zara, Mango, Esprit, Benetton<br />

Levi’s, Uniqlo, Li Ning, Victoria’s Secret und<br />

zu guter Letzt G-Star – werden schrittweise<br />

bis 2020 ihre Produktionskette von gefährlichen<br />

Chemikalien säubern. Ein riesiger Erfolg!<br />

Denn allein hinter dem bei uns eher unbekannten<br />

Label Uniqlo verbirgt sich eine der<br />

zehn erfolgreichsten Modemarken der Welt.<br />

Mit seinem Mutterkonzern Fast Retailing<br />

Group, der sich ebenfalls zur giftfreien Mode<br />

bekannt hat, werden Textilien in über 2.000<br />

Geschäften weltweit sauber.<br />

<strong>Greenpeace</strong> kämpft für eine Modeindustrie,<br />

die der Verunreinigung der globalen Wasserwege<br />

durch giftige Chemikalien ein Ende<br />

setzt. Immer mehr modebegeisterte Konsumenten<br />

gelangen zur Überzeugung, dass die<br />

Bekleidung, die wir tragen, nicht die Umwelt<br />

zerstören und die Gesundheit der Menschen<br />

in den Herstellerländern gefährden darf!<br />

<strong>Greenpeace</strong> wird weiterhin hart daran arbeiten,<br />

die gesamte Branche zu „entgiften“ – und<br />

vielleicht gibt es schon diesen Modefrühling<br />

saubere Neuigkeiten vom Laufsteg . n<br />

6 act act 7


is zum<br />

letzten<br />

Paradies in Gefahr: Der Schutz des<br />

Amazonas erfordert Mut und Entschlossenheit<br />

von den Waldschützern. Der<br />

dramatische <strong>Greenpeace</strong>-Einsatz inklusive<br />

der „Rainbow Warrior“ (kl. B. u.) im<br />

Hafen von São Luis richtet sich gegen die<br />

Holzmafia und die zerstörende<br />

Roheisen-Industrie. Paulo Adario (o.),<br />

Amazonas-Kampagnenleiter von<br />

<strong>Greenpeace</strong>, erhielt für sein Engagement<br />

schon mehrfach Todesdrohungen und<br />

lebt unter Polizeischutz. Trauriger<br />

Durchschnitt: 35 Amazonas-Schützer<br />

werden jährlich ermordet.<br />

Baum<br />

Holzkohle für die Roheisenproduktion, Ackerland für Sojaplantagen<br />

und Rinderfarmen und riesige Staudämme für die<br />

Energieversorgung: Der Amazonas-Regenwald ist schwer<br />

unter Druck. Jene Menschen, die sich für seinen Schutz<br />

starkmachen, leben gefährlich.<br />

Aus Brasilien berichtet Martin Frimmel<br />

Es geht schnell: In der Morgenröte klettern<br />

die <strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten auf einen<br />

Riesenberg Roheisen, andere besetzen<br />

Kräne. Die Mutigsten entern das Frachtschiff<br />

„Clipper Hope“, das für die Beladung<br />

mit Roheisen bereitsteht, und ketten sich<br />

an die Ankerkette. Gleichzeitig läuft die<br />

„Rainbow Warrior“ vor dem Cargoschiff<br />

auf. All das passiert am 27. Mai 2012, und<br />

all das hat es noch nie gegeben im Hafen<br />

von São Luis, Nordbrasilien. In der prallen<br />

Tropensonne wartet das <strong>Greenpeace</strong>-<br />

Team auf die Bundespolizei, und die lokale<br />

Politik verhandelt mit Paulo Adario von<br />

der Amazonas-Kampagne.<br />

Die Aktivisten sitzen auf glühenden<br />

Kohlen, Wasser wird knapp. Adario sagt<br />

zur Presse: „Das Amazonas-Gebiet wird in<br />

den Schmelzofen geschüttet, Regierungen<br />

und Industrie schauen zu.“ Dann<br />

kommt doch eine Antwort: Rodrigo<br />

Kaukal Valladares möchte verhandeln.<br />

Er ist Miteigentümer des Roh eisen-Produzenten<br />

Viena – und übrigens wirklich<br />

Wiener Herkunft (der Urgroßvater gab<br />

Adolf Hitler Arbeit; als Kunstmaler pinselte<br />

dieser den Gasthof der Familie Kaukal<br />

an). Auch andere Firmen der Branche<br />

möchten eine Lösung finden für die<br />

illegale Holzkohle, die sie für das Einschmelzen<br />

und die Produktion von Roheisen<br />

verwenden und die oft aus Schutzgebieten<br />

und Indianerreservaten stammt.<br />

„Brasilien hat ein langfristiges Ziel“, sagt<br />

Fotos: 3x © Marizilda Cruppe/GP, © Rodrigo BalÈia/GP<br />

Danicley Aguiar von <strong>Greenpeace</strong>,<br />

„nämlich den netten Plan, Essen zu<br />

verbilligen, eine Neuordnung der<br />

Waldgebiete für die großen Grundbesitzer,<br />

das neue Waldgesetz mit<br />

Erleichterungen für die Agroindustrie<br />

durchzusetzen und darüber hinaus<br />

auch die Indianerreservate auszubeuten<br />

– alles, um die ganze Welt<br />

mit Nahrung zu versorgen, mit<br />

schweren Folgen für die Umwelt.“<br />

Den Anfang machte die brasilianische<br />

Diktatur in den 1960er-Jahren<br />

mit dem Slogan „Land für Menschen<br />

für Menschen ohne Land“. Da<br />

war der Wald noch zu 90 Prozent intakt.<br />

Aber nicht die Landlosen wurden<br />

das Problem, sondern bald die<br />

reichen Rinderzüchter aus Südbrasilien,<br />

die mit großzügigen staatlichen<br />

Krediten Regierungsland besetzen.<br />

Dann wurden die Holzfäller gerufen,<br />

denn mit Holz kann man gut<br />

Geld machen. Jeder Kubikmeter<br />

kostet zwischen 30 und 100 Dollar,<br />

verarbeitet bis zu 600 Dollar. 40<br />

Prozent des Amazonas-Holzes werden<br />

ausgeführt. Nach Malaysia und<br />

Indonesien ist Brasilien das drittgrößte<br />

Exportland – fast immer<br />

ohne Kontrollen, ohne Steuern oder<br />

mit Korruption. Von daher stammt<br />

ein Teil des Kapitals für die großflächige<br />

Rinderzucht. Sehr modern<br />

sind Wald-Managementpläne geworden:<br />

So offiziell bewilligt, ist illegal<br />

erworbenes Land plötzlich legal.<br />

Die indigene Bevölkerung und die<br />

Kleinbauern werden dann von den<br />

Restgebieten vertrieben oder von<br />

bezahlten Revolverhelden umgebracht.<br />

Abholzung und Gewalt gehen<br />

Hand in Hand: Es ist kein Zufall,<br />

dass in den Gemeinden Brasiliens,<br />

wo am meisten abgeholzt wird, die<br />

Gewaltrate am höchsten ist. Auch<br />

die Umweltschützer leben gefährlich.<br />

Etwa Chico Mendes, der von<br />

Rinderzüchtern umgebracht wurde,<br />

die Klosterschwester Dorothy Stang,<br />

die bis zu ihrem gewaltsamen Tod<br />

gegen Holzfirmen auftrat, und das<br />

Ehepaar José Cláudio und Maria do<br />

Espírito Santo, kleine Landwirte, die<br />

sich Holz-LKW in den Weg stellten.<br />

Sie wurden 2011 erschossen.<br />

Im Durchschnitt werden jedes<br />

Jahr 35 Menschen wegen ihres Engagements<br />

für den Schutz des Amazonas<br />

ermordet. Und die Todesdrohungen<br />

haben sich von 2010 auf<br />

2011 fast verdreifacht, berichtet die<br />

Organisation CPT. Es gibt besonders<br />

tragische Fälle – etwa Nilcilene Lima,<br />

die sich in der Großstadt Manaus<br />

versteckt halten muss. Lima zeigte<br />

die Holzmafia an, und die Antwort<br />

folgte auf dem Fuß: Sie zünden ihr<br />

8 act act 9


Haus und ihre Felder an. „Ich möchte<br />

zurück, um weiter für die Umwelt<br />

zu kämpfen. Ich gehe auch das Risiko<br />

ein zu sterben, wenn ich mir sicher<br />

bin, dass sie mich nicht foltern“,<br />

sagt die Umweltschützerin.<br />

Auch Paulo Adario, Amazonas-<br />

Kampagnenleiter von <strong>Greenpeace</strong><br />

und für seine Verdienste um den<br />

Waldschutz von der UNO ausgezeichnet,<br />

hat schwere Zeiten durchgemacht:<br />

Da gab es die telefonische<br />

Drohung: „Paulo verdient zu sterben,<br />

und er wird sterben!“ Er bekommt<br />

Polizeischutz, später eine<br />

Wachmannschaft für das Büro,<br />

Überwachungsanlagen, Kameras.<br />

Wer sich für den Wald einsetzt, legt<br />

sich mit gefährlichen Gegnern an:<br />

mit der Holzmafia und den Rinderzüchtern.<br />

Die Rinderzucht verwüstet<br />

Millionen Hektar Waldgebiet.<br />

Sie weist nur eine schlechte Produktivität<br />

auf, zerstört aber eine<br />

reiche Artenvielfalt und Wasserquellen,<br />

vertreibt indigene Völker<br />

und verändert das weltweite Klima.<br />

80 Prozent der abgeholzten Urwaldflächen<br />

wurden Rinderweiden,<br />

damit ist die Rinderzucht die erste<br />

Klimasünde Brasiliens.<br />

Gefahr durch Soja<br />

Auch die Soja-Monokulturen sind<br />

eine starke Bedrohung für den Regenwald<br />

geworden. Sie zerstören<br />

durch Abholzung und Austrocknung<br />

der Bäche nicht nur den Wald, sondern<br />

vergiften die Bevölkerung<br />

überdies mit Pestiziden. Soja ist aber<br />

auch eine wichtige Devisenquelle.<br />

„Die Monokulturen rechtfertigen<br />

riesige Infrastrukturprojekte, bei denen<br />

es als Kettenreaktion zu gewaltigen<br />

Habitatsverlusten kommt, weit<br />

über das Maß hinaus, das direkt<br />

für Soja vernichtet wird“, so Philip<br />

Fearnside vom Amazonas-Forschungsinstitut.<br />

Die Straßen, Eisenbahnen<br />

und Flussprojekte öffnen<br />

dann neue Waldgebiete für Holzfäller,<br />

Rinderzüchter und Sojafarmer.<br />

Umweltsünde „Belo Monte“<br />

Staudämme erschließen ebenfalls<br />

Waldgebiete für Kleinbauern und<br />

die Agroindustrie. Aktuelles Beispiel<br />

ist das Kraftwerk „Belo Monte“<br />

im Bundesstaat Pará: 516 Quadratkilometer<br />

Waldvernichtung und<br />

eine maximale Leistung von 11.181<br />

MW. Es wäre der drittgrößte Damm<br />

der Erde, und das ist nur der Anfang:<br />

Der Energieplan sieht vor,<br />

noch 30 Dämme im Amazonas zu<br />

Die gnadenlose Abholzung und<br />

die grausamen Machenschaften<br />

der Rinderzüchter zerstören<br />

nicht nur Millionen Hektar<br />

Waldgebiet, sondern vertreiben<br />

auch indigene Völker, bedrohen<br />

die reiche Artenvielfalt und<br />

zerstören Wasserquellen.<br />

Soja-Monokulturen, Staudämme,<br />

Eisenerzlager und hunderte<br />

Kohlemeiler (o.) stellen weitere<br />

Bedrohungen für das gefährdete<br />

Regenwaldgebiet dar.<br />

bauen. Die österreichische Firma<br />

Andritz ist bei „Belo Monte“ dabei.<br />

Hauptfolge des Kraftwerks ist ein<br />

fast totales Abzapfen der Wassermenge<br />

des Hauptstroms Xingu.<br />

„Das ist eine große Gefahr für die<br />

indigenen Völker der Region“, so<br />

der österreichische Bischof Erwin<br />

Kräutler, der vor Ort lebt. „Das<br />

Wasser wird fehlen, und die Bevölkerung<br />

muss umgesiedelt werden.“<br />

Der Bischof und alternative Nobelpreisträger<br />

ist immer aufseiten der<br />

Armen, und das hat seinen Preis:<br />

Bei einem Attentat wurde er schwer<br />

verletzt. Jetzt lebt er wieder unter<br />

Polizeischutz. Der Grund: Morddrohungen<br />

wegen „Belo Monte“.<br />

In Pará ist nicht nur der Mega-<br />

Staudamm umstritten: Der Staat<br />

muss auch gegen Abholzung in der<br />

Region Carajás vorgehen. Als große<br />

Lagerstätten von Eisenerz entdeckt<br />

wurden, explodierte die Gewalt und<br />

die Abholzung, um die Lager auszubeuten.<br />

Mit österreichischer Hilfe<br />

(Plasser & Theurer) wurde eine<br />

Güterbahn gebaut und Roheisen-<br />

Werke errichtet. Die Ersten, die<br />

draufzahlen, sind Nomadenvölker<br />

wie die Awá-Guajá. Holzfäller walzten<br />

Dörfer platt, und ihr Jagdwild<br />

verschwindet, verschreckt von den<br />

Zügen und Frachtkonvois von Erz<br />

und Eisen.<br />

Wie in einem schaurigen alten<br />

Film sieht es aus, wenn in den Werken<br />

Menschen, ja sogar Kinder<br />

Holzscheite in den Ofen schaufeln,<br />

dreckig und ohne Schutz. Hunderte<br />

Kohlemeiler werden in Windeseile<br />

hergestellt – und ganz schnell wieder<br />

verlassen, wenn die Umweltbehörde<br />

vorbeischaut. Die Roheisen-Firmen<br />

verwenden als Brennmaterial Holzkohle,<br />

meistens aus dem Urwald. „Es<br />

ist billiger, für Holzkohle illegal abzuholzen,<br />

als Holzplantagen anzulegen“,<br />

weiß der brasilianische Journalist<br />

Leonardo Sakamoto. José Cláudio<br />

und Maria do Espírito Santo kritisierten<br />

offen die Herstellung von<br />

Holzkohle. Der Umweltschützer sagte<br />

seinen eigenen Tod voraus: „Ich<br />

lebe vom Wald, ich beschütze den<br />

Wald. Deswegen lebe ich immer mit<br />

der Kugel im Kopf.“ Kurze Zeit später<br />

waren er und seine Frau tot.<br />

Auch der Autor dieser Zeilen wurde<br />

schon mit dem Tod bedroht.<br />

Zwei Gewehre wurden auf mich gerichtet,<br />

als ich die Machenschaften<br />

der Ziegeleien anzeigte. Ohne Umweltstudien<br />

zerstören sie große<br />

Waldgebiete, um Lehm abzubauen<br />

und die Hochöfen mit illegal geschlägertem<br />

Urwaldholz zu beheizen.<br />

Ein Bild der Verwüstung bleibt<br />

zurück. Doch die Natur beginnt<br />

sich zu wehren: Die Ziegeleien in<br />

den Flussgebieten leiden am meisten<br />

unter den zunehmenden Hochwasserkatastrophen.<br />

Zaghaftes Umdenken<br />

Doch noch immer denken nur wenige<br />

Unternehmer um. So etwa der<br />

Chef der Montemar-Ziegelei, Sandro<br />

Santos: „Wir möchten ein Modell<br />

entwickeln, das ohne Urwaldholz<br />

auskommt – etwa mit der Açaípalme<br />

und Gas.“ Zertifiziertes Holz von<br />

FSC ist eine andere Alternative und<br />

schlägt zwei Fliegen mit einer<br />

Klappe: In der Nähe von Manaus<br />

wird das Restholz in einem Werk<br />

verbrannt, eine Kleinstadt wird mit<br />

Energie versorgt – und Emissionszertifikate<br />

können auch noch verkauft<br />

werden.<br />

Eine Schlüsselrolle aber wird einem<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Projekt zukommen:<br />

ein totales Abholzungsverbot<br />

im brasilianischen Regenwald bis<br />

2015, durchgesetzt per Volksentscheid.<br />

Dazu braucht es die Unterschriften<br />

von 1,4 Millionen Brasilianerinnen<br />

und Brasilianern. Dann<br />

kann der Schutz des Amazonas Gesetz<br />

werden. Dafür kämpft <strong>Greenpeace</strong><br />

vor Ort und weltweit! n<br />

Fotos: © Marizilda Cruppe/GP, 2x © Markus Mauthe/GP<br />

Der Tiger bekommt eine Chance<br />

Während der Sumatra-Tiger hoffentlich<br />

bald aufatmen kann, geht es dem<br />

Drill, einer Primatenart der Familie der<br />

Meerkatzenverwandten, im afrikanischen<br />

Kamerun an den Kragen. Dort werden riesige<br />

Ölpalmenplantagen errichtet. Doch<br />

der Drill ist endemisch und kann nicht so<br />

einfach flüchten, wenn große Agrarunternehmen<br />

mit ihren Bulldozern anrücken.<br />

Zuerst aber die guten Nachrichten aus<br />

dem indonesischen Regenwald. Wir haben<br />

Sie bereits öfter über unsere Kampagne gegen<br />

Sinar Mas, den größten indonesischen<br />

Palmölhersteller, und APP (Asia Pulp & Paper),<br />

eines seiner Tochterunternehmen<br />

und ein Papier- und Zellstofffabrikant, informiert.<br />

Beide Unternehmen waren massiv<br />

in die illegale Urwaldrodung involviert.<br />

Doch bevor es für die letzten Urwaldriesen,<br />

den Sumatra-Tiger, den Orang-Utan und<br />

das Java-Nashorn ganz zu spät ist, hat APP<br />

eingelenkt. Anfang Februar verkündete<br />

APP, in Zukunft auf die Rodung neuer Urwaldflächen<br />

zu verzichten!<br />

<strong>Greenpeace</strong> hat lange für diesen Schritt<br />

gekämpft. Im Laufe der Jahre haben dank<br />

unserer Kampagne hunderte Unternehmen<br />

weltweit ihre Lieferverträge mit APP<br />

gekündigt – darunter so große Konzerne<br />

wie Mattel, Nestlé, Unilever und Hasbro.<br />

Den ersten Schritt aus der Waldzerstörung<br />

hat GAR (Golden Agri Resources) unternommen,<br />

eine Sinar-Mas-Tochter, die im<br />

Februar 2011 auf unsere Kampagne reagiert<br />

und sich dazu verpflichtet hat, jede<br />

Form von Waldzerstörung aus ihrer weltumspannenden<br />

Betriebstätigkeit zu verbannen.<br />

Nun folgt APP – ein Riesenschritt,<br />

der einen Durchbruch für einen wirklichen<br />

Waldschutz bedeuten kann. Der Leiter der<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Kampagne in Indonesien,<br />

Bustar Maitar, vergleicht das Einlenken<br />

von APP mit einem Süchtigen, der sich in<br />

einer Entzugsklinik einschreibt. Ein großer<br />

Erfolg – doch ob man sauber bleibt, zeigt<br />

sich erst mit der Zeit. Deshalb wird <strong>Greenpeace</strong><br />

die Umsetzung der globalen Waldschutzpolitik<br />

von GAR und APP sehr kritisch<br />

verfolgen.<br />

Neuer Brennpunkt Afrika<br />

Doch der Palmölrausch, der die lokale Bevölkerung<br />

und die lokale Tier- und Pflanzenwelt<br />

schwer in Mitleidenschaft zieht,<br />

hat neben Indonesien leider schon weitere<br />

Länder erfasst. Im afrikanischen Kamerun<br />

APP verzichtet auf die Rodung neuer Urwaldflächen.<br />

<strong>Greenpeace</strong> hat lange für diesen Schritt gekämpft.<br />

Ein Riesenerfolg für<br />

unsere Waldkampagne:<br />

Einer der größten Urwaldzerstörer,<br />

das indonesische<br />

Unternehmen<br />

APP, will in Zukunft auf<br />

Rodungen neuer Waldflächen<br />

verzichten!<br />

<strong>Greenpeace</strong> wird die<br />

Einhaltung dieser Ankündigung<br />

überprüfen –<br />

und nimmt neue Palmölunternehmen<br />

in<br />

Kamerun ins Visier.<br />

Von Jasmin Karer<br />

will Herakles, ein US-Unternehmen, Ölpalmen<br />

auf 730 Quadratkilometern – eine Fläche,<br />

fast doppelt so groß wie das Bundesland<br />

Wien – anbauen. Unweit der geplanten<br />

Plantage liegen der Korup-Nationalpark<br />

und weitere Naturreservate, in denen<br />

zum Beispiel auch die seltenen und sehr<br />

scheuen Drills leben. Zudem ist der Südwesten<br />

Kameruns, wo Herakles bereits mit<br />

gewinnbringenden Aussichten die ersten<br />

Ölpalmen gepflanzt hat, einer der 25 Biodiversitäts-Hotspots<br />

der Erde. Hier leben<br />

neben den Drills zahlreiche bedrohte Arten<br />

wie Waldelefanten und Nigeria-Schimpansen.<br />

Ihnen droht dasselbe Schicksal<br />

wie dem Sumatra-Tiger, dem Orang-Utan<br />

oder dem Java-Nashorn in Indonesien:<br />

Ihr Lebensraum wird durch massive<br />

Wald rodungen zu klein für ihr Überleben.<br />

Wenn große Unternehmen mit ihren<br />

Maschinen anrücken, zerstören sie aber<br />

nicht nur die Lebensgrundlage der Tiere –<br />

auch die Bevölkerung vor Ort muss weichen<br />

und in neue Gebiete vorrücken. Das<br />

hat neue Konflikte und Zerstörungen zur<br />

Folge. <strong>Greenpeace</strong> fordert daher Unternehmen<br />

wie Herakles auf, ihre Sucht nach<br />

Palmöl und Profit schnell in den Griff zu<br />

bekommen und ihr umweltzerstörendes<br />

Handeln rasch zu verändern. Was APP zustande<br />

brachte, sollte auch Herakles möglich<br />

sein! n<br />

10 act act 11<br />

Foto: © WWF


Web-Tipp:<br />

Chips im<br />

Check<br />

Chips glatt, geriffelt, lose oder gestapelt? Natur, mit Paprika oder<br />

Käse? Liebhaber von Chips-Produkten haben die<br />

Qual der Wahl – sollten dabei aber die Ökobilanz nicht<br />

außer Acht lassen. Von Gundi Schachl<br />

Die Liste dieser und weiterer getesteten<br />

Chips-Produkte mit umfangreichen Details<br />

gibt es online auf marktcheck.at. Hier sind<br />

auch die E-Nummern und ihre (Neben-)<br />

Wirkungen näher erläutert. Produkte mit<br />

tierischen Zutaten werden auch beim<br />

„Tierschutz“ bewertet, was sich auf die<br />

Reihung der Produkte auswirkt.<br />

www.marktcheck.at/chipscheck<br />

marktcheck.at ist der Online-Einkaufsratgeber<br />

von <strong>Greenpeace</strong> und elf Partnerorganisationen.<br />

Auf der Plattform finden sich Tipps<br />

und Infos zu nachhaltigem Konsum sowie<br />

Anregungen, selber aktiv zu werden.<br />

Kernstück der Seite ist eine Produkt-Datenbank<br />

mit mehr als 6.000 Lebensmitteln und<br />

Kosmetika, bewertet nach ökologischen,<br />

sozialen und Tierschutz-Kriterien.<br />

Der Online-Einkaufsratgeber von<br />

<strong>Greenpeace</strong> marktcheck.at hat sich die<br />

Chips-Produkte in den Regalen der Supermärkte<br />

genau angeschaut: Was steckt drin<br />

in den Knabbereien, die eigentlich nur aus<br />

fritierten Kartoffelscheiben bestehen sollten?<br />

Leider auch Palmöl, Geschmacksverstärker<br />

und Gentechnik – bereits beim ersten<br />

Chips-Test 2010 hat marktcheck.at<br />

einige Kritikpunkte bei dem beliebten<br />

Snack gefunden und auf die damit verbundenen<br />

Umweltprobleme aufmerksam gemacht.<br />

Das österreichische Unternehmen<br />

Kelly zeigte sich damals beim Einsatz von<br />

Palmöl gesprächsbereit und sicherte zu,<br />

bei Kelly’s Chips nur mehr Sonnenblumenöl<br />

zu verwenden und auf Geschmacksverstärker<br />

(Glutamat) zu verzichten. Wie<br />

die aktuelle Chips-Untersuchung zeigt,<br />

konnte Kelly sein Versprechen fast erfüllen<br />

und greift nur bei einer Sorte auf Palmöl<br />

in Kleinstmengen zurück.<br />

Doch trotz dieser Vorbildwirkung setzen<br />

immer noch viele Hersteller auf den<br />

Umweltsünder Palmöl – eindeutig deklariert<br />

wird das auf der Verpackung jedoch<br />

so gut wie nie. Enthält die Zutatenliste nur<br />

einen Begriff wie „pflanzliches Fett“ oder<br />

„pflanzliches Öl“, versteckt sich dahinter<br />

höchstwahrscheinlich Palmöl. In den letzten<br />

Jahren hat der Rohstoff weltweit einen<br />

Boom erlebt und findet sich in einer sehr<br />

großen Anzahl an verarbeiteten Lebensmitteln.<br />

Für die industrielle Produktion<br />

sind seine Vorteile äußerst profitabel:<br />

Palmöl ist leicht zu verarbeiten, in großen<br />

Mengen erhältlich und – leider zu – billig.<br />

Bei den Chips ohne spezielle Geschmacksrichtung<br />

hat der Konsument die größte<br />

Chance, palmölfrei zu snacken – immer<br />

mehr Hersteller verwenden für die Produkte<br />

im „Sackerl“ Sonnenblumenöl und<br />

deklarieren dies auch stolz auf der Verpackung.<br />

Fotos: © Georg Mayer/GP, © istockphoto.com<br />

Dass weniger oft mehr ist, zeichnet sich<br />

auch beim Chips-Check ab. Tendenziell<br />

gilt: je exotischer die Geschmacksrichtung,<br />

desto schlechter das Abschneiden.<br />

Bei einigen Produkten findet sich in der<br />

Zutatenliste auch Käse bzw. Molkepulver<br />

in größeren Mengen. Da es sich dabei um<br />

konventionell hergestellte Zutaten handelt,<br />

besteht der Verdacht, dass die Kühe<br />

mit Gentech-Soja gefüttert wurden. Fazit:<br />

Chips-Liebhaber sind gut beraten, bei den<br />

Klassikern nur mit Salz zu bleiben – hier<br />

konnten auch die Eigenmarken der Supermärkte<br />

ein „Gut“ ergattern.<br />

Chips aus der Dose<br />

Weit hinten im aktuellen Chips-Test landeten<br />

die sogenannten Stapelchips à la<br />

Pringles. Sie sind mit den Klassikern aus<br />

geschnittenen Kartoffeln nicht wirklich<br />

vergleichbar, denn sie werden aus einem<br />

Teig aus Kartoffelpüreepulver ausgestanzt<br />

und in Form gestochen. Stapelchips sind<br />

stark verarbeitete Produkte, was sich naturgemäß<br />

auch in der Länge der Zutatenliste<br />

niederschlägt. Hier kritisiert <strong>Greenpeace</strong><br />

vor allem den Geschmacksverstärker<br />

E 621, der aus gesundheitlicher Sicht<br />

nicht empfehlenswert ist. Auch wegen der<br />

aufwändigen Verpackung wurden die Stapelchips<br />

abgewertet. Denn der Materialeinsatz<br />

ist beachtlich: beschichteter Karton<br />

für die Rolle, Metall am Boden, oben<br />

eine beschichtete Folie und dann noch ein<br />

Plastikdeckel drauf.<br />

Ebenfalls ein dickes Minus mussten<br />

manche Hersteller für die Transportbilanz<br />

ihrer Chips aus der Dose einstecken. Negativer<br />

Rekordhalter bei diesem Bewertungspunkt<br />

sind Mister-Potato-Stapelchips<br />

bei Penny und die Spar-Eigenmarke:<br />

Beide werden in Malaysia hergestellt. Auf<br />

der Packung der Spar-Potato-Crisps ist sogar<br />

noch extra angegeben: „Hergestellt<br />

aus deutschen Kartoffelflocken“. Aber<br />

auch der Marktführer bei den Stapelchips<br />

schneidet hier schlecht ab: Die Pringles-<br />

Produkte werden aus Belgien in die heimischen<br />

Supermärkte transportiert.<br />

Knabber-Fazit<br />

Ein „Hervorragend“ konnte keines der<br />

Produkte im Check erreichen. Wie schon<br />

bei der ersten Chips-Untersuchung 2010<br />

kritisiert <strong>Greenpeace</strong> auch diesmal, dass<br />

es kein einziges Bio-Produkt aus Österreich<br />

gibt. Die zwei Bio-Chips im Check<br />

stammen aus der Schweiz und aus den<br />

Niederlanden. Generell schneiden Chips-<br />

Produkte in Dosen und Produkte, die auf<br />

exotische Geschmacksrichtungen setzen,<br />

schlechter ab. Wer sich also bei Chips & Co<br />

nicht zurückhalten kann, ist mit den klassischen<br />

Chips mit Salz und einem vergleichsweise<br />

kleinen „Transportrucksack“<br />

am besten beraten. n<br />

!<br />

hervorragend<br />

gut<br />

kritisch<br />

ungenügend<br />

Produkt<br />

Gekauft bei<br />

Ökologie<br />

Inhaltsstoffe (Zutaten)<br />

Palmöl (Verdacht)<br />

Gentechnik<br />

Transport<br />

Verpackung<br />

Swiss bina Food<br />

Bio Chips<br />

Nature<br />

denn's<br />

Trafo<br />

Bio Kartoffel<br />

Chips Naturel<br />

denn's<br />

! !<br />

nein nein nein nein nein nein nein nein nein<br />

! !<br />

Sunsnacks<br />

Kartoffel Chips<br />

Salz<br />

Hofer<br />

Clever<br />

Chips<br />

Billa<br />

Kelly's<br />

Chips Classic<br />

Zielpunkt<br />

Crusti Croc<br />

Salz Chips<br />

Lidl<br />

Spar<br />

Chips gesalzen<br />

Spar<br />

Kelly's<br />

Chips Paprika<br />

Zielpunkt<br />

funny-frisch<br />

Chipsfrisch<br />

gesalzen<br />

Spar<br />

Lorenz<br />

Naturals Classic<br />

Zielpunkt<br />

Lorenz<br />

Naturals mit<br />

steirischem<br />

Kürbiskernöl<br />

Merkur<br />

Pringles<br />

Original<br />

Spar<br />

Sunsnacks<br />

Stapelchips<br />

Paprika<br />

Hofer<br />

Kettle Chips<br />

Mature Cheddar<br />

& Red Onion<br />

Billa<br />

Kelly's<br />

Chips Sour<br />

Cream<br />

nein ja ja nein nein ja ja ja ja<br />

Spar<br />

Mister Potato<br />

Crisps – Original<br />

flavour<br />

Penny<br />

Spar<br />

Potato Crisps<br />

Original<br />

Spar<br />

Pringles<br />

Xtreme<br />

Cheese & Chilli<br />

Billa<br />

Die Bewertung<br />

der Produkte<br />

erfolgt nach dem<br />

Ampelschema: Die<br />

Bestnote „Grün!“<br />

bedeutet „hervorragend“,<br />

„Grün“ steht<br />

für „gut“, Orange<br />

heißt „kritisch“, und<br />

„Rot“ entspricht<br />

„ungenügend“.<br />

Stand: Jänner 2013<br />

act 13


Zukunft<br />

sichern<br />

Was möchte ich meinen Nächsten<br />

weitergeben? Was will ich über das<br />

eigene Dasein hinaus bewirken?<br />

Das sind elementare Fragen, die<br />

uns alle eines Tages beschäftigen.<br />

Nuklearenergie ist billig<br />

– dieser Glaubenssatz<br />

wird von Atombefürwortern<br />

nach wie vor<br />

strapaziert. Doch was<br />

kostet ein Atomkraftwerk<br />

„schlüsselfertig“,<br />

und wer stemmt die<br />

Kosten tatsächlich?<br />

AKW-Baustellen in<br />

Frankreich, Finnland und<br />

der Slowakei verraten<br />

die teure Realität.<br />

Von Julia Kerschbaumsteiner<br />

Petra Taylor<br />

Immer häufiger kommt es vor, dass Menschen<br />

auf uns zukommen, weil sie erwägen,<br />

<strong>Greenpeace</strong> in ihrem Testament zu berücksichtigen.<br />

Es ist eine persönliche und sensible<br />

Entscheidung, wer im Nachlass bedacht<br />

wird, und bedarf sorgfältiger Überlegungen.<br />

Gemeinsam mit unserem langjährigen<br />

Rechtsberater Dr. Josef Unterweger, der auch<br />

für tiefgehende juristische Beratung zuständig<br />

ist, haben wir einen Ratgeber verfasst, der<br />

detailliert zu diesem Thema Auskunft gibt.<br />

„Mein letzter Wille“ beantwortet die wichtigsten<br />

rechtlichen Fragen rund um das Thema<br />

Testament und Nachlass.<br />

Wir schicken Ihnen den Ratgeber<br />

gerne kostenlos zu. Unsere zuständige<br />

Mitarbeiterin Petra Taylor beantwortet<br />

Ihre Fragen gerne unter der Telefonnummer<br />

01/545 45 80-85 oder per Mail an<br />

petra.taylor@greenpeace.at.<br />

Die häufigsten Fragen zum Thema<br />

Testament beantwortet Dr. Josef<br />

Unterweger für uns gleich hier:<br />

Der Baum des Weiter -<br />

lebens im <strong>Greenpeace</strong>-Büro:<br />

Menschen, die <strong>Greenpeace</strong><br />

in ihrem Testament<br />

bedacht haben, werden<br />

als Blätter verewigt.<br />

Josef Unterweger<br />

Kann man beim Aufsetzen eines Testamentes<br />

Fehler machen?<br />

Das Testament muss klar und verständlich<br />

sein. Zudem müssen die gesetzlichen Formvorschriften<br />

eingehalten werden. Wichtig ist<br />

auch, dass es auffindbar ist. Deshalb ist es<br />

empfehlenswert, sich beim Aufsetzen des<br />

Testamentes beraten zu lassen und eine Registrierung<br />

des Testamentes zu beauftragen.<br />

Entscheide ich allein, wer erbt?<br />

Jede Person ist über ihr Vermögen allein verfügungsberechtigt.<br />

Wenn aber Kinder, ein<br />

Ehegatte oder ein eingetragener Partner vorhanden<br />

sind, haben diese Personen Anrecht<br />

auf einen Pflichtteil. Den pflichtteilsberechtigten<br />

Personen steht ein Anteil am Erbe zu,<br />

auch wenn sie im Testament nicht erwähnt<br />

werden.<br />

Kann ich meinen Nachlass mehreren Begünstigten<br />

zuwenden?<br />

Letztwillige Zuwendungen können an mehr<br />

als eine Person erfolgen.<br />

Sind Erbschaften von der Steuer befreit?<br />

Ja, Erbschaften sind seit 2008 steuerfrei.<br />

Was ist die häufigste Motivation, eine gemeinnützige<br />

Organisation im Testament zu<br />

berücksichtigen?<br />

Eine letztwillige Verfügung ermöglicht es,<br />

über den Tod hinaus für eine gute Sache<br />

wirksam zu sein. Erblasserinnen und Erblasser<br />

können etwas an die Gesellschaft zurückgeben,<br />

etwas Gutes tun und möchten auf diese<br />

Weise einen Beitrag leisten für eine gute<br />

Sache.<br />

Was sollte ich noch bedenken?<br />

Letztwillige Verfügungen werden nie zu früh<br />

gemacht, aber häufig zu spät! n<br />

Fotos: ©GP/Teresa Novotny, ©Dan Taylor, ©GP/Georg Mayer, © Andreas Varnhorn/GP<br />

Mythos billige Atomkraft<br />

Regierungen und Betreiber können<br />

Atomenergie günstig anpreisen, weil in offiziellen<br />

Kostenschätzungen die versteckten<br />

Kosten kategorisch heruntergespielt<br />

oder ignoriert werden. Diese sind vielfältig:<br />

Brennstoff-Kreislauf, Abfallmanagement,<br />

der Rückbau nuklearer Einrichtungen,<br />

Sicherheit, Infrastruktur, staatliche<br />

Garantien und Haftpflicht sind dabei nur<br />

einige Stichwörter. Die exorbitanten Kosten,<br />

die Atomkraftwerke tatsächlich verursachen,<br />

werden von der Bevölkerung finanziert.<br />

Wie die Katastrophe von Fukushima<br />

verdeutlicht hat, springen Staaten<br />

bei den Folgekosten eines Unglücks ein.<br />

So wurde die verantwortliche Betreiberfirma<br />

Tepco nach dem Super-GAU verstaatlicht<br />

– und rund 9,8 Milliarden Euro aus<br />

Mitteln der öffentlichen Hand flossen in<br />

das marode Unternehmen.<br />

Flamanville, Olkiluoto, Mochovce<br />

Keine Frage, so ein Atomkraftwerk ist teuer.<br />

Auch ein Flug zum Mond kostet richtig<br />

viel Geld. Der Druckwasserreaktor (EPR),<br />

der derzeit im französischen Flamanville<br />

gebaut wird, übersteigt aktuell bereits die<br />

Kosten für sieben Flüge zum Mond und zurück.<br />

Die französische Betreiberfirma EDF<br />

musste kürzlich nicht nur einräumen, dass<br />

sich die Baukosten auf 8,5 Milliarden Euro<br />

verdreifacht haben, sondern auch, dass die<br />

Fertigstellung auf 2016 verschoben werden<br />

muss. Eigentlich sollte die Anlage am<br />

Ärmelkanal schon heute etwas mehr als<br />

zwei Millionen Haushalten Strom liefern.<br />

Für das Geld, das für den EPR ausgegeben<br />

wird, hätten 3.000 Windräder installiert<br />

werden können, die 3,5 Millionen Haushalte<br />

mit sauberem Strom versorgen.<br />

Kostenexplosion<br />

Der Druckwasserreaktor, der momentan<br />

als das Nonplusultra der AKW-Konstruktion<br />

gehandelt wird, treibt aber nicht nur<br />

EDF den Schweiß auf die Stirn. 2.500 Kilometer<br />

weiter nördlich wiederholt sich das<br />

Kostendebakel auf der finnischen AKW-<br />

Baustelle Olkiluoto. Dort wurden die Kosten<br />

ebenfalls auf rund acht Milliarden Euro<br />

nach oben korrigiert. Der AKW-Neubau,<br />

für den vom französisch-deutschen Konsortium<br />

aus Areva und Siemens nicht einmal<br />

mehr ein Eröffnungsdatum genannt<br />

wird, entwickelt sich zum finanziellen Desaster<br />

für die Investoren – zumal der finnische<br />

Auftraggeber das Konsortium bereits<br />

auf 1,8 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt<br />

hat. Und auch unser Nachbarland<br />

schlägt sich mit einer sündteuren AKW-<br />

Baustelle herum. Nach <strong>Greenpeace</strong>-Berechnungen<br />

hat die Bauverzögerung in<br />

Mochovce die slowakische Bevölkerung<br />

schon jetzt 490 Millionen Euro gekostet.<br />

Die Beispiele zeigen, dass der Mythos<br />

der billigen Atomenergie einer realen Betrachtung<br />

nicht standhält. Werden Folgekosten<br />

beim Austritt radioaktiver Strahlung,<br />

Folgekosten der Prozesskette des<br />

Abbaus und der Weiterverarbeitung von<br />

Uran, Kosten als Folge terroristischer Anschläge,<br />

Proliferation von Plutonium und<br />

Folgekosten und -risiken von Endlagern<br />

in die Kalkulationen einberechnet, so<br />

zeigt sich: Atomstrom ist extrem teuer.<br />

Eine Kilowattstunde Atomstrom kostet<br />

dann 16,4 Cent. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde<br />

Ökostrom ist bereits ab 7,17<br />

Cent zu haben – und wird zunehmend billiger.<br />

Um den Ausbau erneuerbarer Energiequellen<br />

in Österreich voranzutreiben,<br />

wird auch Ökostrom aus Windkraft, Biomasse<br />

und Photovoltaik sowie neuen<br />

Wasserkraftanlagen bis zu einer bestimmten<br />

Leistung gefördert.<br />

Die Mehrkosten für Ökostrom sind jedoch<br />

transparent gestaltet und dienen<br />

dem Ausbau von sauberen, nachhaltigen<br />

Technologien, die ohne schmutzige Geheimnisse<br />

auskommen.<br />

Erneuerbare Energiequellen wie Wasser,<br />

Sonne und Wind sind gemeinsam mit der<br />

effizienten Nutzung von Energie der einzig<br />

gangbare Weg, um unseren Energieverbrauch<br />

langfristig sicher, kostengünstig<br />

und sauber zu decken. Regierungen, die<br />

weiterhin auf teure und hochgefährliche<br />

Atomenergie setzen, müssen endlich damit<br />

aufhören, die Interessen von riesigen Energiekonzernen<br />

durchzusetzen, und zu Vertretern<br />

von zukunftsorientierten Gesellschaften<br />

werden. n<br />

14 act act 15


Wahr ist: Die Welt ein wenig verbessern<br />

geht ganz einfach!<br />

Foto: © Simon Lim/GP<br />

schen Kraftwerke sukzessive ersetzen. Mit<br />

den Einnahmen aus den bestehenden<br />

Stromverträgen, also dem Bezahlen der<br />

Stromrechnung, können diese Anbieter in<br />

neue Photovoltaikanlagen, Windrad-Parks<br />

oder Biomasseanlagen investieren – und<br />

künftig noch mehr grünen Strom produzieren.<br />

Damit kommen wir einer Energiewende<br />

immer näher. Mehr Grünstrom und<br />

weniger fossile Energie bedeutet weniger<br />

CO 2 -Emissionen und damit einen geringeren<br />

Temperaturanstieg. Und der muss<br />

dringend gebremst werden, wenn wir so<br />

einmalige Gebiete wie die Arktis für die Zukunft<br />

sichern wollen.<br />

Stromwechseln – ein Kinderspiel!<br />

Nur 1,5 Prozent (!) der Österreicher wechseln<br />

pro Jahr ihren Stromanbieter – das<br />

macht Österreich damit europaweit zu einem<br />

Schlusslicht unter den Stromwechslern.<br />

Der Wechsel zum grünen Strom hat<br />

nochmal mit ein paar Vorurteilen zu<br />

kämpfen, die bei den Stromverbrauchern<br />

für Skepsis sorgen. So heißt es, dass Grünstrom<br />

teurer als der herkömmliche Atomoder<br />

Kohlestrom-Mix wäre. Das ist falsch!<br />

Ein Blick auf den Tarifkalkulator der Energiebehörde<br />

E-Control zeigt, dass Grünstrom<br />

sehr wohl preislich mit anderen<br />

Stromprodukten konkurrieren kann. Ein<br />

weiteres Vorurteil lautet, Grünstrom sei<br />

nicht so „effizient“ wie herkömmlicher<br />

Strom. Das ist ebenfalls falsch! Die Qualität<br />

des Stroms unterscheidet sich nicht.<br />

Behauptet wird auch, dass man für<br />

Ökostrom eigene Stromzähler und Kabel<br />

verlegen müsse: nochmal ganz falsch! Die<br />

bestehende Infrastruktur funktioniert<br />

selbstverständlich auch bei nachhaltig erzeugtem<br />

Strom. Besonders hartnäckig erweist<br />

sich das Gerücht, dass bei einem<br />

Stromwechsel die Gefahr bestehe, dass der<br />

Strom abgestellt würde. Und das ist ganz<br />

falsch. Die Energieversorger sind verpflichtet,<br />

jedem Haushalt eine durchgehende<br />

Stromversorgung zu gewährleisten<br />

– der Wechsel zu einem neuen Energieversorger<br />

geschieht ohne wahrnehmbare Veränderung<br />

für den Verbraucher. Der neue,<br />

ökologische Stromanbieter übernimmt<br />

alle Formalitäten. Wahr ist: Die Welt ein<br />

wenig verbessern geht ganz einfach – online,<br />

direkt beim Stromanbieter und neuerdings<br />

auch im Supermarkt! Hofer bietet<br />

gemeinsam mit der oekostrom AG einen<br />

speziellen Grünstromtarif österreichweit<br />

in seinen Filialen an. Zwar ist die Aktion<br />

aufgrund der immensen Nachfrage schon<br />

ausverkauft, doch es soll bald zu einer<br />

Folgeaktion kommen. <strong>Greenpeace</strong> unterstützt<br />

diese Aktion, und wir hoffen, dass<br />

weitere Einzelhandelsunternehmen diesem<br />

Beispiel nacheifern, um Stromwechseln<br />

noch einfacher zu gestalten.<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Stromcheck<br />

Der aktuelle Stromcheck von <strong>Greenpeace</strong><br />

bietet Wechselwilligen zusätzliche Informationen<br />

über den Strommix bestehender<br />

Produkte, bei dem die besten Anbieter für<br />

nachhaltigen Strom ausgewiesen wurden<br />

(siehe Grafik). AAE Naturstrom und die<br />

oekostrom AG sind unter den österreichischen<br />

Strom liefer anten für private Endverbraucher<br />

nach wie vor das Maß aller Dinge.<br />

Beide weisen einen einwandfreien Strommix<br />

auf, der sich zu 100 Prozent aus erneuerbarer<br />

Energie zusammen setzt und dessen<br />

Ausbau aktiv fördert, sie arbeiten<br />

transparent und lassen ihre Finger vom<br />

Graustrom. So soll Strom sein! n<br />

webtipp: www.greenpeace.at/stromcheck<br />

Grüne Steckdosen<br />

Erneuerbare Energie<br />

(Sonne, Wasser, Wind)<br />

Anbieter von <strong>Greenpeace</strong> empfohlen<br />

AAE Naturstrom<br />

Erneuerbare Energie<br />

(Sonne, Wasser, Wind)<br />

Fossile Energie<br />

(Kohle, Gas) Atomenergie Stromnachweise<br />

Die Energiewende kann nur geschafft werden, wenn die Endnutzer mehr Sensibilität<br />

für grünen Strom entwickeln. Angebote für günstigen Strom aus erneuerbaren<br />

Quellen gibt es mittlerweile genug – wann greifen die Konsumenten zu?<br />

Ich wette, Sie können mir sagen, woher<br />

die Milch und das Gemüse kommen, das<br />

Sie im Supermarkt oder auf dem Markt<br />

kaufen. Bei manchen von Ihnen hängen<br />

wahrscheinlich auch ökologisch verträglich<br />

produzierte Textilien im Kleiderschrank.<br />

Bei anderen Produkten tappen<br />

die meisten bezüglich der Umweltverträglichkeit<br />

noch im Dunkeln. Ich wette – wieder<br />

–, nur die wenigsten wissen über die<br />

Zusammensetzung des Stroms, den sie<br />

beziehen, Bescheid. Der kommt einfach<br />

aus der Steckdose und hat auf den ersten<br />

Blick keine Farbe, kein Label, keine Ursprungsbezeichnung<br />

– und trotzdem ist<br />

Strom nicht gleich Strom!<br />

Festzustellen, welche Art von Strom Sie<br />

beziehen, ist ganz einfach: Werfen Sie mal<br />

einen Blick auf ihre letzte Stromrechnung.<br />

Diese weist die atomaren, fossilen oder erneuerbaren<br />

Quellen aus, von denen er<br />

stammt.<br />

Auf den Mix kommt es an<br />

Früher waren diese Informationen kaum<br />

zu finden, schon gar nicht auf der Stromrechnung.<br />

Dank des jahrelangen Engagements<br />

von <strong>Greenpeace</strong> besserte sich die Situation<br />

kontinuierlich. Vor kurzem sind<br />

wir einen wirklich großen Schritt weitergekommen:<br />

Künftig muss jede Kilowattstunde<br />

Strom, die den Verbrauchern verkauft<br />

wird, mit einem Ursprungsnachweis (Zertifikat)<br />

versehen werden. Das ist ein erster,<br />

wichtiger Schritt für mehr Transparenz,<br />

denn bis jetzt hatte Strom „kein Mascherl“.<br />

Von Marcelline Langer<br />

<strong>Greenpeace</strong> konnte darüber hinaus erreichen,<br />

dass die österreichischen Energieversorgungsunternehmen<br />

(EVU) ab 2015<br />

keinen Atomstrom mehr an ihre Kunden<br />

liefern und das mit Nachweisen garantieren.<br />

Österreich ist hiermit das erste Land,<br />

das nicht nur auf Atomkraftwerke verzichtet,<br />

sondern darüber hinaus den Import<br />

von Atomstrom stoppt. Das ist eine<br />

schlechte Nachricht für die AKW-Betreiber<br />

in unseren Nachbarstaaten – mit Österreich<br />

machen sie kein Geschäft mehr.<br />

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von<br />

neuen Stromanbietern, die Strom aus 100<br />

Prozent erneuerbaren Energien (z. B. Sonne<br />

und Biomasse) produzieren und verkaufen.<br />

Die neuen Energiequellen können<br />

die bestehenden CO 2 -intensiven thermi-<br />

oekostrom AG<br />

VKW<br />

BEWAG<br />

Salzburg AG<br />

TIWAG<br />

STEWEAG-STEG<br />

Energie AG<br />

EVN<br />

Wien Energie<br />

KELAG<br />

Verbund Haushalt<br />

Verbund<br />

Industriekunden<br />

Durchschnitt<br />

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %<br />

16 act act 17


Interview<br />

Foto: ©GP/Georg Mayer<br />

Wie sieht unsere Zukunft aus – Mensch<br />

oder Auto oder Mensch und Auto? Das<br />

kommt darauf an. Ich kann da nur mit Paracelsus<br />

sprechen: Alles ist Gift, es kommt<br />

immer auf die Dosis an. Und unsere Autodosis<br />

ist derzeit viel zu hoch.<br />

Wie kommen wir zu einer verträglichen<br />

Verkehrsdosis? Indem man Alternativen<br />

schafft. Und die sieht so aus, dass es weniger<br />

lustig ist, Auto zu fahren, als etwas anderes<br />

zu tun.<br />

Ich habe den Weg zu Ihnen mit der U-<br />

Bahn zurückgelegt. Das war o. k., ja – aber<br />

lustig? Nein. Mit dem Auto wäre es noch weniger<br />

lustig gewesen. Sie hätten keinen<br />

Parkplatz gefunden, und wenn doch, dann<br />

müssten Sie etwas zahlen. Noch lange nicht<br />

das, was es wirklich kostet, aber einen kleinen<br />

Teil davon. Und das führt bei den meisten<br />

Autofahrern schon zu unangenehmen<br />

Gefühlen.<br />

Mobilität kann nicht nur über Gebühren<br />

geregelt werden. Nein, sicher nicht. Die<br />

Gebührenschraube ist eine Symptombehandlung,<br />

es muss über die Struktur geredet<br />

werden. Wenn Sie mit dem Auto<br />

Hermann Knoflacher (geboren 1940 in Villach)<br />

ist emeritierter Professor und ehemaliger Vorstand des Instituts<br />

für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der TU Wien.<br />

Er realisierte zahlreiche Gesamtverkehrskonzepte, u. a. in Wien,<br />

Graz und Hamburg. Er ist Mitglied des Club of Rome und des Club<br />

of Vienna und globaler Fußgehervertreter der Vereinten Nationen.<br />

Im April erscheint sein neues Buch: „Zurück zur Mobilität –<br />

Anstöße zum Umdenken“, Ueberreuter Verlag.<br />

hierherfahren wollen und wissen, es gibt<br />

hier keinen Parkplatz, dann werden Sie zu<br />

Hause nicht mit dem Auto wegfahren.<br />

Aber natürlich ist es besser, wenn Sie zu<br />

Hause auch keinen Parkplatz vor der<br />

Haustüre haben.<br />

Welche Strukturen müssen verändert<br />

werden? Die Bauordnung! Wir haben noch<br />

eine alte „Reichsgaragenordnung“ von<br />

Adolf Hitler. Die Präambel schreibt vor,<br />

dass zu jeder Wohnung und zu jedem Gewerbebetrieb<br />

für die bestehende und in<br />

Zukunft zu erwartende Anzahl an Autos<br />

Abstellplätze geschaffen werden müssen.<br />

Die Tiroler Bauordnung schreibt sogar<br />

drei Stellplätze vor – für eine Wohnung!<br />

Welche Strukturen halten Sie für wichtig?<br />

Ich halte das für richtig, was für die<br />

Menschen gesund, sicher ist und für die<br />

Zukunft weniger riskant ist. Ein Autofahrer<br />

kann jemanden überfahren, er erzeugt<br />

Lärm und Abgase und nimmt allen anderen<br />

den Lebensraum weg. Ein unmenschliches<br />

Verhalten. Das Auto hat in einem Umfeld<br />

menschlicher Werte mit Ausnahme<br />

seiner zentralen Funktionen nichts verloren:<br />

für jene, die sich physisch nur eingeschränkt<br />

bewegen können, für Transportaufgaben<br />

und für Noteinsätze. Wenn ein<br />

Politiker sagt: „Vorrang für den öffentlichen<br />

Verkehr“, und das ernst nimmt, bedeutet<br />

das, dass die Wege zu und vom geparkten<br />

Auto länger sein müssen als zur<br />

Haltestelle des öffentlichen Verkehrs.<br />

Sonst lügt er die Menschen bewusst an.<br />

„Unsere<br />

Autodosis<br />

ist viel<br />

zu hoch“<br />

Verkehrswissenschaftler<br />

Prof. Hermann Knoflacher<br />

über Mobilität, das<br />

Autovirus und warum<br />

in der Bauordnung die<br />

Lösung für die Verkehrsprobleme<br />

liegt.<br />

Interview: Birgit Bermann<br />

Tut das die Politik in Österreich? Natürlich!<br />

Die versteht schon lange nicht mehr,<br />

was sie tut. Sie glaubt zum Beispiel an den<br />

Unsinn von Zeiteinsparungen oder an Berechnungen<br />

über wirtschaftlichen Nutzen<br />

durch hohe Geschwindigkeiten. Eine völlige<br />

Absurdität.<br />

Haben Sie keine Angst vor wütenden<br />

Autofahrern? Hätte ich die jemals gehabt,<br />

gäbe es in Wien keine Fußgängerzone, keine<br />

Radwege und in vielen anderen Städten,<br />

wo ich geplant habe, ebenfalls keine Fußgängerzone,<br />

keine verkehrsberuhigten Zonen,<br />

kein Tempo 30.<br />

Was macht die Faszination Auto aus?<br />

Es ist der Körperenergieverbrauch. Der<br />

findet im ältesten Teil unseres Gehirns<br />

statt, dem Hypothalamus. Dort dringt das<br />

Auto ein. Das Auto will eine für das Auto<br />

angenehme Umwelt, und genau das haben<br />

wir in den letzten hundert Jahren gebaut,<br />

eine Welt für Autos und nicht für Menschen.<br />

Wenn die Menschen vom Autovirus<br />

befallen sind, sehen sie die Welt so,<br />

wie es das Auto gerne hätte.<br />

Was passiert, wenn wir uns vom Virus<br />

Auto geheilt haben? Dann beherrschen wir<br />

das Auto, nicht das Auto uns. Ich habe das<br />

empirisch und in der Praxis x-mal nachgewiesen:<br />

Erzeuge ich eine autofreie Umgebung,<br />

dann können die Menschen leichter<br />

auf das Auto verzichten. Ich habe Städte erlebt,<br />

die bis heute leiden, weil sie diese Therapie<br />

nicht anwenden wollen – und im Wesentlichen<br />

ihre Stadt sterben lassen. n<br />

Fortschritt oder<br />

Armutszeugnis?<br />

„Umweltfreundlicher, sozialer, sicherer und effizienter“ – so stellt sich<br />

Verkehrsministerin Doris Bures im neuen Gesamtverkehrsplan die Zukunft<br />

des Verkehrs vor. Wird jetzt alles besser? Von Jurrien Westerhof<br />

Um diese knifflige Frage zu beantworten,<br />

werfen wir zuerst mal einen<br />

Blick auf den vorigen Generalverkehrsplan<br />

von Ministerin Forstinger<br />

(FPÖ). Zentrale Begriffe anno 2002<br />

waren: „Infrastrukturbedürfnisse“,<br />

„Wettbewerbsfähigkeit“ und „Wirtschaftsstandort“<br />

– in Gedanken sieht<br />

man die LKW vorbeidonnern.<br />

Damals wollte man „hochrangige<br />

Straßenverbindungen so rasch wie<br />

Eine vernünftige Verkehrspolitik<br />

sieht definitiv anders aus!<br />

möglich ausbauen“, heuer lesen wir:<br />

„Der Schlüssel liegt im Ausbau des öffentlichen<br />

Verkehrs.“ Beherrschen<br />

jetzt bald radfahrende Mütter mit<br />

Kindern das Straßenbild, und werden<br />

Sattelschlepper verboten?<br />

Nein – denn hinter vielen der jetzigen<br />

Ankündigungen steht nicht sehr<br />

viel Substanz. Der öffentliche Verkehr<br />

hat zwar deutlich an Bedeutung gewonnen,<br />

aber das meiste Geld wird<br />

laut Plan weiter in sündteure und unnötige<br />

Eisenbahntunnels gesteckt. An<br />

den 2002 angekündigten Autobahnprojekten<br />

wird ebenfalls weiter festgehalten<br />

– obwohl der Straßenverkehr<br />

seit 2006 stagniert. Und die von Ministerin<br />

Bures angekündigte Verringerung<br />

des Energieverbrauches und der<br />

CO 2 -Emissionen im Verkehr wird<br />

auch so erreicht werden – weil die Autos<br />

allmählich sparsamer werden.<br />

Grund hierfür ist übrigens, dass sich<br />

<strong>Greenpeace</strong> vor Jahren intensiv dafür<br />

eingesetzt hat, dass die Autohersteller<br />

verpflichtet werden, das zu tun, was<br />

sie seit langem könnten – nämlich<br />

sparsamere Autos bauen!<br />

Was wirklich gebraucht wird, ist<br />

ein rascher Ausbau der Schnellbahnverbindungen<br />

um die Städte – und<br />

der bleibt für hunderttausende<br />

Pendler weiterhin ein Traum, der<br />

nicht erfüllt werden wird. Die nötigen<br />

Mittel dafür werden nämlich im<br />

Koralm- und Semmeringtunnel vergraben.<br />

Und es kommt noch schlimmer:<br />

Weiteren Bahnstrecken droht<br />

die Stilllegung. Solange der LKW-<br />

Verkehr weiterhin mit günstigem<br />

Diesel und fehlenden Kontrollen gefördert<br />

wird, Güterzüge aber mit hohen<br />

Schienenmauten belastet sind,<br />

wird es nicht gelingen, den Güterverkehr<br />

auf die Bahn zu verlagern.<br />

Sinnlose Projekte<br />

Bei der Verkehrspolitik prallen viele<br />

Interessen und Wünsche aufeinander.<br />

Niederösterreich will z. B. unbedingt<br />

die Nordautobahn weiter bis<br />

zur tschechischen Grenze ausbauen –<br />

auch wenn die bisherige Strecke mangels<br />

Verkehr einer Geisterautobahn<br />

gleicht und die Autobahn an der<br />

Grenze aufhören würde. Dasselbe<br />

Niederösterreich hat vor einigen Jahren<br />

aber viele Regionalbahnschienen<br />

von den ÖBB übernommen – und<br />

zahlreiche Strecken sofort stillgelegt.<br />

Eine vernünftige Verkehrspolitik<br />

sieht definitiv anders aus!<br />

Niederösterreichische Interessen<br />

dürften auch hinter der Entscheidung<br />

stehen, Pendlern in Zukunft<br />

mit zwei Euro pro Kilometer und<br />

Jahr entgegenzukommen. Wer also<br />

50 Kilometer von der Arbeit entfernt<br />

wohnt, bekommt ab 2013 dafür 100<br />

Euro ausgezahlt – auch wenn die<br />

Strecke im Porsche Cayenne zurückgelegt<br />

wird. Im Wahljahr 2013 ein<br />

nettes Zuckerl für die Wähler, umweltpolitisch<br />

ist es das falsche Signal.<br />

150 Millionen Euro kostet das den<br />

Staat. 27 Millionen Euro gibt das<br />

Land Niederösterreich jährlich für die<br />

Finanzierung des regionalen Bahnverkehrs<br />

aus, und immer noch drohen<br />

Strecken gesperrt zu werden.<br />

Positive Ansätze<br />

Positiv im aktuellen Generalverkehrsplan<br />

ist das steuerfreie Jobticket.<br />

Diese „Öffi-Variante“ des steuerbegünstigten<br />

Dienstautos macht es<br />

für Arbeitgeber attraktiver, ihren<br />

Mitarbeitern eine Jahreskarte zum<br />

Beispiel für die Bahn anzubieten.<br />

Und gelingt es wirklich, eine flächendeckende<br />

Versorgung mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln umzusetzen,<br />

dann wäre das ein großer Sprung vorwärts<br />

– denn man kann nicht ernsthaft<br />

von Autobenutzern verlangen,<br />

auf Bus oder Bahn umzusteigen,<br />

wenn weit und breit kein Bus oder<br />

keine Bahn fährt.<br />

In Vergleich zum Asphaltierprogramm<br />

von 2002 ist der jetzige Verkehrsplan<br />

eine deutliche Verbesserung.<br />

Die entscheidende Frage wird<br />

aber sein, was davon tatsächlich umgesetzt<br />

wird – oder ob die österreichischen<br />

Verkehrspolitik nur am Papier<br />

ein Fortschritt ist und in der Praxis<br />

ein Armutszeugnis abgibt. n<br />

Foto: ©GP/Kurt Prinz<br />

Kommentar<br />

Jurrien<br />

Westerhof<br />

ist Klima- und<br />

Energieexperte<br />

bei <strong>Greenpeace</strong><br />

CEE.<br />

18 act act 19


lisierten, nicht nachhaltigen Landwirtschaft.<br />

Immer monotonere<br />

Landschaften, der Einsatz von<br />

Pestiziden, der Verlust von intakten<br />

Ökosystemen, aber auch Parasiten<br />

sind die Hauptgründe dafür.<br />

Der Zusammenhang zwischen Bienensterben<br />

und Pestizideinsatz<br />

wird mittlerweile durch immer<br />

mehr Studien bestätigt.<br />

Besonders gefährlich sind zum<br />

Beispiel Neonikotinoide, eine<br />

Gruppe von Insektiziden, die unter<br />

anderem zur Saatgutbehandlung<br />

eingesetzt wird. Sie haben auf die<br />

Bienen eine nikotinähnliche Wirkung<br />

und beeinflussen das Nervenleitsystem<br />

der Tiere. Die Auswirkungen<br />

reichen von Koordinationsverlust<br />

über Flügellähmung bis hin<br />

zum Tod. Die Gifte können die Immunabwehr<br />

der Bienen schwächen<br />

und sie anfälliger für Krankheiten<br />

und Jahr für Jahr wieder mit Neonikotinoiden<br />

gebeiztes Saatgut<br />

ausgebracht wird. Zwar gibt es einige<br />

Auflagen für die Anwendung<br />

einiger Pestizide, notwendig wäre<br />

aber ein Verbot zumindest der für<br />

die Bienen gefährlichsten Pestizide<br />

und die konsequente Einführung<br />

einer Fruchtfolge auf den Feldern.<br />

Das bedeutet, dass nicht einfach<br />

mehrere Jahre hintereinander die<br />

gleiche Pflanze, wie zum Beispiel<br />

Mais, angebaut werden darf, sondern<br />

verschiedene Pflanzen abgewechselt<br />

werden.<br />

Um auf das eingangs erwähnte<br />

Zitat zurückzukommen: Wenn es<br />

um die Bienen tatsächlich so<br />

schlecht steht – was bedeutet das<br />

für den Menschen? Bienen sind<br />

maßgeblich am landwirtschaftlichen<br />

Ernteerfolg beteiligt. Sie bestäuben<br />

sehr viele Kulturpflanzen,<br />

wir weiterhin am Gebrauch dieser<br />

Pestizide fest, wird auch das massive<br />

Bienensterben weitergehen. Ein<br />

Blick nach China könnte uns dann<br />

wie ein Blick in unsere Zukunft erscheinen.<br />

Dort werden nämlich<br />

bereits jetzt aufgrund des Rückgangs<br />

der Bienenvölker ganze<br />

Plantagen von Menschenhand bestäubt.<br />

Wäre das auch für Österreich<br />

vorstellbar – Obstplantagen-<br />

Bestäuber als neuer Wirtschaftszweig?<br />

Die Zyniker unter uns<br />

könnten sich zumindest über viele<br />

neue Arbeitsplätze freuen.<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Kampagne<br />

Wenn wir in Europa diesem Horrorszenario<br />

entgehen möchten,<br />

führt an einer nachhaltigen Landwirtschaft<br />

kein Weg vorbei. Nur<br />

ökologischer Anbau kann dem<br />

Sterben der Bienen entgegenwir-<br />

Der Rückgang der Bienen gefährdet auch unsere Nahrungsmittelsicherheit.<br />

Halten wir weiter an Pestiziden fest, wird auch ihr Sterben weitergehen.<br />

Massives Bienensterben: Die<br />

industrielle Landwirtschaft trägt<br />

einen großen Teil dazu bei.<br />

Durch den Einsatz von Pestiziden,<br />

wie zum Beispiel Neonikotinoiden,<br />

werden die Bienen<br />

orientierungslos, leiden an<br />

Flügellähmung und sterben.<br />

Ganze Bienenvölker verschwinden,<br />

und die Obst- und<br />

Gemüseernten erleiden enorme<br />

Einbußen.<br />

„Geben wir Bienen<br />

eine Chance!“<br />

Harald Singer ist Imkermeister,<br />

Biologe und Ehrenpräsident des<br />

Österreichischen Erwerbsimkerbundes<br />

und des Europäischen<br />

Berufsimkerbundes. Seit über<br />

einem Jahrzehnt registriert er<br />

schwere Schäden unter den<br />

Bienen.<br />

Welche Bedeutung haben Bienen?<br />

Die Bienen haben eine ökologische und<br />

ökonomische Bedeutung. Ein Drittel der<br />

globalen Lebensmittelproduktion und<br />

zwei Drittel der Nahrungsmittelpflanzen<br />

sind von Bestäuberinsekten abhängig.<br />

Honigbienen und Wildbienen sind ein<br />

Indikator für das gesamte Ökosystem. Sie<br />

zeigen den Grad der Umweltbelastung.<br />

Wie sind Ihre Erfahrungen als Imker<br />

mit dem Bienensterben?<br />

Einerseits gibt es spontanes Sterben von<br />

Sammelbienen und ganzen Bienenvölkern.<br />

Zum anderen schleichende Vergiftungssymptome<br />

wie Bienenverluste, Drohnenverluste<br />

und Königinnenausfälle.<br />

Seit wann gibt es Probleme?<br />

Probleme mit Agrochemikalien gibt es seit<br />

deren Ausbringung. 1995 wurden starke<br />

Bienenverluste durch Spritzmittelschäden<br />

dokumentiert. Seit 1999 nehmen die<br />

Schäden massiv zu, und 1999 wurden bei<br />

abgestorbenen Bienen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe<br />

nachgewiesen.<br />

Was sind die Ursachen?<br />

Das Bienensterben hat mehrere Faktoren.<br />

Pflanzenschutzmittel werden zunehmend<br />

dafür verantwortlich gemacht. Dadurch<br />

geschwächte Bienenvölker sind Viren,<br />

Bakterien, Pilzen und Parasiten wie der<br />

Varroamilbe ausgeliefert und sterben dann<br />

häufig an Sekundärinfektionen.<br />

Was bedeuten Bienen für Sie?<br />

Honigbienen sind für mich und meine<br />

Familie der Lebensinhalt. Sie sind faszinierende,<br />

komplexe Organismen. Bienen<br />

haben zum Glück uns Imker als Fürsprecher.<br />

Sie zeigen uns ein Artensterben ungeheuren<br />

Ausmaßes. Wenn wir Menschen<br />

das nicht in den Griff bekommen, wird<br />

eine ökologische und ökonomische Katastrophe<br />

auf uns zukommen. Honigbienen<br />

sind unersetzlich und für das Überleben<br />

notwendig. Geben wir den Bienen und<br />

damit uns selbst eine Chance für die<br />

Zukunft!<br />

Das Sterben<br />

der Bienen<br />

Umweltgifte und eine industrialisierte Landwirtschaft<br />

wirken sich auf Bienenvölker zunehmend<br />

verheerend aus – unter ihnen hat ein Massensterben<br />

begonnen. Lösungen gibt es. <strong>Greenpeace</strong> fordert in<br />

einer europaweiten Kampagne deren rasche Umsetzung.<br />

Von Christine Gebeneter<br />

Wenn die Bienen aussterben, haben<br />

die Menschen noch vier Jahre zu leben.“<br />

Das Albert Einstein zugeschriebene Zitat<br />

wird in den letzten Jahren oft bemüht,<br />

wenn es um das Thema Bienen geht.<br />

Aber weshalb? Sind unsere Bienen tatsächlich<br />

in so großer Gefahr? Die Antwort<br />

lautet: Ja! Und das, obwohl wir mit<br />

ökologischer Landwirtschaft eigentlich<br />

wirksam gegensteuern könnten.<br />

Die Situation ist dramatisch: Seit Ende<br />

der 1990er-Jahre wird insbesondere in<br />

Nordamerika und Europa ein Massensterben<br />

unter den Bienen beobachtet. Jedes<br />

Jahr beklagen allein in Österreich<br />

Dutzende Imker den Verlust ihrer Bienenvölker.<br />

Die Gründe für das weltweite<br />

Bienensterben sind vielfältig, und die<br />

meisten davon wurzeln in der industria-<br />

und Parasiten, wie etwa die gefürchtete<br />

Varroamilbe, machen. Oder sie<br />

finden gleich überhaupt nicht mehr<br />

nach Hause, denn Neonikotinoide<br />

vernebeln den Orientierungssinn.<br />

Als Folge verschwinden ganze Völker<br />

spurlos. In Italien, Frankreich,<br />

Norwegen, Deutschland und Slowenien<br />

wurden Neo nikotinoide bereits<br />

mit dem Massensterben von<br />

Bienen in Verbindung gebracht und<br />

zumindest teilweise verboten. Auf<br />

EU-Ebene gibt es immerhin erste<br />

kleine Schritte in Richtung Bienenschutz.<br />

Rund um Österreich wird also<br />

schon gehandelt, während bei uns<br />

das Problem des massiven Bienensterbens<br />

immer noch kleingeredet<br />

wie Obstbäume und unzählige Gemüsesorten.<br />

Laut FAO sind rund<br />

zwei Drittel unserer Kulturpflanzen<br />

von bestäubenden Insekten<br />

abhängig.<br />

Lebensnotwendige Bienen<br />

Neben den Bienen fungieren auch<br />

andere Tiere wie Vögel, Schmetterlinge<br />

und Insekten als Bestäuber.<br />

Werden diese Bestäuber durch den<br />

Einsatz von Pestiziden gefährdet,<br />

führt das auf lange Sicht zu einer<br />

geringeren Vielfalt unserer Lebensmittel<br />

und von natürlich vorkommenden<br />

Pflanzen. Übersetzt<br />

bedeutet das: Der Rückgang der<br />

Bienen gefährdet auch unsere<br />

Nahrungsmittelsicherheit. Halten<br />

ken. Vernünftige Fruchtfolgen<br />

können den Einsatz großräumiger<br />

Chemiekeulen ersetzen und damit<br />

auch die Ausbreitung von Schädlingen<br />

eindämmen. Wir dürfen<br />

nicht länger tatenlos zusehen, wie<br />

immer mehr Bienen sterben.<br />

<strong>Greenpeace</strong> hat Anfang dieses Jahres<br />

eine europaweite Kampagne<br />

zum Schutz der Bienen gestartet<br />

und fordert als ersten Schritt zur<br />

Bienenrettung, die für die wertvollen<br />

Insekten gefährlichsten Pestizide<br />

sofort von unseren Feldern zu<br />

verbannen. Ein Verbot ist zwar nur<br />

ein kleiner Schritt in Richtung<br />

nachhaltige Landwirtschaft. Für<br />

die Biene ist es aber ein Meilenstein.<br />

n<br />

20 act act 21


Schwarmintell igenz<br />

Es gibt Kampagnen,<br />

die gewinnt man mit<br />

einer Unterschriftenpetition.<br />

Für andere<br />

ist ein ganzes Feuerwerk<br />

an Maßnahmen<br />

notwendig. In<br />

jedem Fall brauchen<br />

wir jeden einzelnen<br />

Unterstützer – lassen<br />

Sie sich von uns<br />

mobilisieren!<br />

Von Florian Bolka<br />

Ein Stück Welt retten kann so einfach<br />

sein: Der Nationalpark Cabo<br />

Pulmo an der mexikanischen Westküste<br />

ist ein geschütztes Naturparadies<br />

und UNESCO-Weltkulturerbe.<br />

Ein viel zu schönes Kleinod,<br />

um es hunderttausenden Besuchern<br />

jährlich vorzuenthalten,<br />

dachte sich die Tourismusindustrie.<br />

Es kam, wie es kommen musste:<br />

2011 genehmigt die Regierung ein<br />

Urlaubsresort mit 27.000 Zimmern<br />

direkt neben dem Nationalpark.<br />

Aber es kam auch, wie es kommen<br />

soll: Um Cabo Pulmo zu erhalten,<br />

hat <strong>Greenpeace</strong> in Mexiko in<br />

nur drei Monaten 222.000 Unterschriften<br />

gesammelt und so dessen<br />

dauerhaften Schutz erreicht.<br />

Was war geschehen? Dass nachhaltiger<br />

Schutz der Meere den Interessen<br />

der Allgemeinheit mehr entspricht<br />

als eine intensive Bewirtschaftung<br />

der Küste, von der nur<br />

wenige profitieren – so viel war<br />

auch vor dem Einlenken der verantwortlichen<br />

Politiker klar. Aber<br />

auch, dass die Interessen der Mehrheit<br />

sehr leicht ignoriert werden<br />

können, wenn sie nicht gebündelt<br />

zum Ausdruck kommen. Eine Unterschrift<br />

unter einer Petition mag<br />

Ihnen nicht viel vorkommen – gemeinsam<br />

mit zehn- oder hunderttausenden<br />

anderen in den Händen<br />

einer Organisation wie <strong>Greenpeace</strong><br />

wird sie zum alles entscheidenden<br />

Druckmittel. Oder um es ganz plastisch<br />

auszudrücken: Aus vielen kleinen<br />

Fischen wird ein großer Hai.<br />

Hinter diesem Prozess steckt viel<br />

Aufwand. Ein sehr wichtiger Teil<br />

unserer Arbeit bei <strong>Greenpeace</strong><br />

dreht sich um die Mobilisierung<br />

von Ihnen und weltweit Millionen<br />

Menschen. Damit wir die Umwelt<br />

durch gezielte Kampagnen erfolgreich<br />

schützen können, bedarf es<br />

des Engagements von sehr vielen.<br />

Zwar kann nicht jede Unterschrift<br />

zu einem Kampagnensieg führen,<br />

aber es gibt kaum Kampagnensiege<br />

ohne die Unterstützung durch viele<br />

einzelne kleine Fische.<br />

Das Schöne an Unterschriften<br />

ist: Sie funktionieren auch über<br />

Ländergrenzen hinweg. Im Sommer<br />

2012 wurde der Plan Südkoreas<br />

bekannt, wieder in den sogenannten<br />

„wissenschaftlichen“<br />

Walfang einzusteigen. Um das zu<br />

verhindern, legte <strong>Greenpeace</strong> den<br />

Fokus auf internationalen Druck.<br />

Und tatsächlich – nach Unterschriften<br />

von über 100.000 Menschen<br />

weltweit ließ Südkorea seine Walfang-Pläne<br />

fallen.<br />

Von klassisch zu 2.0<br />

Die digitale Vernetzung hat die Mobilisierung<br />

einfacher und komplizierter<br />

zugleich gemacht – denn<br />

heute sind viele Puzzleteile und ihr<br />

optimales Zusammenspiel notwendig.<br />

Ein Beispiel dafür ist unsere<br />

2011 gestartete „How Big is Yours“-<br />

Kampagne in der Türkei gegen<br />

die Überfischung des Mittelmeers<br />

durch den Fang zu kleiner Fische.<br />

Die Menschen für das Thema Meeresschutz<br />

zu sensibilisieren und sie<br />

dann noch zu einer Aktion zu mobilisieren<br />

hört sich einfach an, bedarf<br />

aber ausgeklügelter Planung. In die<br />

Kampagne wurden Spiel-Mechanismen<br />

implementiert, um mit einem<br />

Augenzwinkern zuerst einmal<br />

Bewusstsein zu schaffen: Wie groß<br />

ist deiner? – gemeint war der Fisch<br />

am Teller, am Markt oder im Supermarktregal.<br />

Im Laufe der Kampagne<br />

war ein Teil der bereits mobilisierten<br />

Menschen bereit, den<br />

Illustration: Karin Dreher<br />

nächsten Schritt zu tun: Kontakt zu<br />

den verantwortlichen Politikern<br />

durch Faxe und Anrufe im türkischen<br />

Umweltministerium aufzunehmen.<br />

Und siehe da, persönliche<br />

Ansprache zahlt sich aus: Das Thema<br />

landete auf der politischen<br />

Agenda. Eine große Anzeige in einer<br />

populären türkischen Zeitung –<br />

finanziert von 1.500 Unterstützern<br />

– war eine weitere Mobilisierungsleistung<br />

und wurde kurz vor der<br />

entscheidenden Sitzung platziert.<br />

Das Ergebnis all dieser Anstrengungen,<br />

zehntausende Menschen zu<br />

unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten<br />

Aktionen innerhalb einer<br />

Kampagne zu bewegen: Drei bedrohte<br />

Fischarten erhielten gesetzlichen<br />

Schutz!<br />

Wenn es jetzt um die Rettung einer<br />

ganzen Region geht, sind die<br />

Maßstäbe noch größer und die Herausforderungen<br />

noch gewaltiger:<br />

Für den Schutz der Arktis vor Ausbeutung<br />

durch gierige Rohstoffkonzerne<br />

muss eine ganze Bewegung<br />

geschaffen werden. In weniger<br />

als einem Jahr hat <strong>Greenpeace</strong> es<br />

erreicht, dass weltweit über zwei<br />

Millionen Menschen unsere Arktis-<br />

Petition unterschrieben haben –<br />

das Fundament unserer Arbeit.<br />

Zehntausende haben durch Gespräche,<br />

Vorträge und in sozialen Netzwerken<br />

die Arktis zum öffentlichen<br />

Thema gemacht, Tausende haben<br />

uns mit kreativen Werken unterstützt<br />

und so andere sensibilisiert<br />

und viele Hunderte sich an unseren<br />

zahlreichen Aktionen beteiligt –<br />

und damit das Thema in die Medien<br />

gebracht. Jetzt gilt es, das Tempo zu<br />

halten und einen langen Atem zu<br />

haben – denn die Gegner der Arktis<br />

sind mächtig. Sie müssen den<br />

Druck all dieser Menschen lange<br />

und deutlich spüren, bis sie ihre gefährlichen<br />

Projekte zur Zerstörung<br />

der Arktis aufgeben.<br />

<strong>Greenpeace</strong> in Österreich ist Teil<br />

dieser Bewegung, und anders als<br />

unsere Kollegen in den Arktis-Anrainerstaaten<br />

müssen wir einen anderen<br />

Mobilisierungsweg einschlagen.<br />

Uns beschäftigt die Frage: Wie<br />

mobilisiert man breitenwirksam<br />

weit abseits der Arktis für ihren<br />

Schutz? Wie kann man in Österreich<br />

einen Beitrag für die internationale<br />

Kampagne leisten? Indem<br />

man Entschlossenheit und Willen<br />

zeigt und damit wieder international<br />

Menschen inspiriert!<br />

Österreich für die Arktis<br />

Im Februar haben wir unser Mobilisierungsprojekt<br />

„We are Fish“ gestartet,<br />

das unserer Bewegung ein<br />

Gesicht gibt. Neugierig? Wir haben<br />

uns gefragt, wie viele der rund<br />

100.000 österreichischen act-Empfänger<br />

mobilisierbar<br />

sind,<br />

um dieses Projekt<br />

zu realisieren:<br />

Helfen Sie<br />

mit unter www.<br />

greenpeace.at/WeAreFish oder<br />

scannen Sie den QR-Code.<br />

Nicht jede Unterschrift kann zu einem Kampagnensieg führen, aber es gibt kaum<br />

Kampagnensiege ohne die Unterstützung vieler einzelner kleiner Fische.<br />

Ob Unterschriften, Anrufe, Abstimmungen,<br />

finanzielle Unterstützung,<br />

kreative Taten, aktionistischer<br />

Einsatz oder alles zusammen – es<br />

gibt für jeden Möglichkeiten, sich<br />

einzubringen. Wichtig ist, dass wir<br />

es tun – und manchmal auch langfristig<br />

dabeibleiben. Auch wenn Sie<br />

beim Telefonieren, beim E-Mailen,<br />

beim Faxen und/oder beim Unterschreiben<br />

unmittelbar auf sich gestellt<br />

sind – es gibt eine große Zahl<br />

an Menschen, die hinter Ihnen steht<br />

und bereit ist, mithilfe einer Organisation<br />

wie <strong>Greenpeace</strong> einen großen<br />

Haifisch zu formen! n<br />

22 act<br />

act 23


<strong>Greenpeace</strong> leistet gute Arbeit<br />

als weltweite Lobby gegen<br />

die Ausbeutung unseres<br />

Planeten und ist eine der<br />

ersten Adressen in Sachen<br />

finanzieller Unterstützung.<br />

Peter Miklas<br />

Ich habe mich schon gegen<br />

Atomkraftwerke eingesetzt,<br />

meine Motivation ist die<br />

Erhaltung der Erde für die<br />

Nachkommen!<br />

Gertrud Kaminger<br />

<strong>Greenpeace</strong> ist hochkompetent<br />

und erreicht eine hohe<br />

Öffentlichkeitswirksamkeit.<br />

Ich unterstütze <strong>Greenpeace</strong><br />

schon lange und werde es<br />

auch weiterhin tun.<br />

Nicolette Waechter<br />

30<br />

Jahre<br />

in Österreich<br />

Wir haben nur diesen einen<br />

Planeten, und um diesen<br />

zu schützen, ist eine kleine<br />

Spende das Mindeste, was<br />

man tun kann.<br />

Gunhart Stix<br />

Ich bin dabei und hoffe, dass<br />

<strong>Greenpeace</strong> noch lange so<br />

engagiert dafür kämpft, dass<br />

wir Menschen nicht den Ast<br />

absägen, auf dem wir alle<br />

gemeinsam sitzen.<br />

Clara Luzia<br />

Das ist der einzige<br />

Planet, den wir haben, und<br />

wir werden vielleicht noch<br />

im Wohlstand leben, aber<br />

was ist mit unseren Kindern<br />

und deren Kindern?<br />

Jacob Vogt<br />

Drei Jahrzehnte erfolgreiche Umweltschutzarbeit in<br />

Österreich verdanken wir vor allem unseren vielen<br />

Unterstützern und Unterstützerinnen! Wir freuen<br />

uns, wenn Sie uns und anderen umweltbewussten<br />

Menschen zu unserem Jubiläum erzählen,<br />

aus welchen Gründen Sie <strong>Greenpeace</strong> fördern!<br />

Unter www.greenpeace.at/30jahre<br />

Ihr Foto und Zitat hochladen<br />

und mit anderen <strong>Greenpeace</strong>-<br />

Unterstützern teilen!<br />

DANKE!<br />

Jetzt spenden: Erste Bank, 822 212 198 00, BLZ 20111 oder unter www.greenpeace.at<br />

Jetzt spenden: PSK, KNR. 7.707.100, BLZ 60.000 oder unter www.greenpeace.at

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