Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im ...

Entwicklungspartnerschaft ProViel
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk:
• Konzeptionelle Inhalte,
• Impulsreferate – Präsentationen,
• Unterrichtseinheiten.
Hrsg.: Gerlinde Hammer, Reiner Krebs
Bremen 2007
Gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds

Die vorliegende Handreichung „Integration interkultureller Kompetenz in die
Meisterausbildung im Handwerk: Konzeptionelle Inhalte, Impulsreferate – Präsentationen,
Unterrichtseinheiten“ wurde vom Institut IAW Universität /
Arbeitnehmerkammer Bremen und dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer
Bremen HandWERK erstellt. Beide Institutionen bildeten innerhalb der
EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Vielfalt im Arbeitsleben – ProViel“
(2005–2007) den Projektverbund „Integrationsmanagement im Handwerk / Instrumente
für ein Diversity-/Integrationsmanagement“. Mit dieser Projektpartnerschaft
sollte der Geist der „Charta der Vielfalt“ in der beruflichen Bildung
des Handwerks verankert werden. Zentraler Schwerpunkt der Projektarbeit war
die Entwicklung und Erprobung von Ausbildungsinhalten, welche wesentliche
Elemente von „Managing Diversity“ in die AEVO-Meisterkurse (Teil IV) integrieren.
Daten und Informationen
IAW
Projektleitung Gerlinde Hammer Tel.: 0049-(0)421-218-9514 E-Mail: ghammer@uni-bremen.de
Mitarbeiter/-in Dr. Brigitte Beer Tel.: 0049-(0)421-218-9693 E-Mail: bbeer@uni-bremen.de
Dr. Erich Wachtveitl Tel.: 0049-(0)421-218-9518 E-Mail: ewacht@uni-bremen.de
Postadresse Universität Bremen/IAW; FVG-Mitte; Postfach 330440; D-28334 Bremen
HandWERK
Projektleitung Reiner Krebs Tel.: 0049-(0)421-30500-313 E-Mail:
reiner.krebs@handwerkbremen.de
Mitarbeiter Klaus Netzer Tel.: 0049-(0)421-30500-434 E-Mail:
netzer.klaus@handwerkbremen.de
Postadresse HandWERK gGmbH, Schongauer Straße 2, D-28219 Bremen
Laufzeit 01.07.2005 bis 31.12.2007

3
Inhaltsverzeichnis
Einführung ................................................................................................................................ 5
Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe zur Schaffung einer
vorurteilsfreien und integrativen Betriebskultur ............................................. 11
Übersicht über Ziele und Materialien.................................................................... 11
Grundlegende Leitgedanken der „Charta der Vielfalt“ ......................................... 12
5 Argumente für die Umsetzung der „Charta der Vielfalt“................................... 14
Stichwort „Interkulturelle Kompetenz“ – eine erste Hinführung.......................... 18
Präsentation: Das übergreifende Ziel – Verankerung der „Charta der
Vielfalt“ im Handwerk .......................................................................................... 19
Präsentation: Interkulturelle Kompetenz – und ihre Integration in die
Lernfelder der AEVO ............................................................................................ 25
Kapitel 2: Integration von Diversity in die „Planung der Ausbildung“............................ 31
Übersicht über Ziele und Materialien.................................................................... 31
Wie lässt sich die Globalisierung als Chance nutzen – Bedarfsanalysen.............. 32
Präsentation: Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den handwerklichen
Betrieb – erste Umsetzungsschritte ....................................................................... 37
Unterrichtseinheit: Diversity als Faktor bei der Personalplanung......................... 43
Kapitel 3: Migrationssensible Planung und Durchführung von
Einstellungsverfahren ......................................................................................... 49
Übersicht über Ziele und Materialien.................................................................... 49
Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Planung von
Einstellungsverfahren – Durchführungshilfen....................................................... 50
Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Durchführung von
Bewerbungsgesprächen – Durchführungshilfen.................................................... 52
Präsentation: Migrationssensible Planung und Durchführung von
Einstellungsverfahren ............................................................................................ 55
Unterrichtseinheit: Durchführung von Einstellungsgesprächen............................ 63
Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen........................................................... 67
Übersicht über Ziele und Materialien.................................................................... 67
Ausbildungsabbrüche – Daten und Fakten; Hintergründe und erste
Strategien zu ihrer Vermeidung............................................................................. 68
Präsentation: Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006................... 75
Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache – konstruktive Förderung der
Sprachkompetenz ................................................................................................ 81
Übersicht über Ziele und Materialien.................................................................... 81
Der Zusammenhang von Sprache und Lernen – Schlussfolgerungen
für die Ausbildung................................................................................................. 82
Präsentation: Förderung der Sprachkompetenz von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund........................................................................................... 87

4 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Kapitel 6: Integration von Strategien interkultureller Kommunikations- und
Konfliktfähigkeit ..................................................................................................93
Übersicht über Ziele und Materialien ....................................................................93
Bewusstwerdung und Wissen – Reflexion des eigenen und fremden
„kulturellen Gepäcks“ ............................................................................................94
Einfühlen und Verstehen – Strategien interkultureller
Kommunikationsfähigkeit......................................................................................96
Analysieren und Lösen – Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit...............100
Präsentation: Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks..............105
Präsentation: Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit....................111
Präsentation: Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit..................................117
Unterrichtseinheit: Reflexion über „Fremdheit“..................................................125
Unterrichtseinheit: Kultur und Kommunikation – Einfühlen und
Verstehen .............................................................................................................133
Unterrichtseinheit: Vorurteil und Konflikt...........................................................141
Unterrichtseinheit: Sensibilisierung für migrationsspezifische
Abbruchgründe.....................................................................................................148
Literaturverzeichnis..............................................................................................................159

Einführung 5
Einführung
Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft ProViel wurde das Ausbildungsmodul
„Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk – Konzeptionelle
Inhalte, Impulsreferate, Unterrichtseinheiten“ entwickelt.
Mit dem Ausbildungsmodul soll der Geist der „Charta der Vielfalt“ 1 , 2007 vom Zentralverband
des Handwerks unterzeichnet, in der beruflichen Bildung verankert werden. „Managing
Diversity“ oder „Diversity-/Integrationsmanagement“ sind Vorgehensweisen, die „Charta der
Vielfalt“ umzusetzen und Interkulturelle Kompetenz zu erlernen.
Die Erarbeitung und Erprobung des Ausbildungsmoduls erfolgte in einer über 2 Jahre andauernden
Projektkooperation Wissenschaftlicher Mitarbeiter/-innen des Instituts IAW Universität
/ Arbeitnehmerkammer Bremen mit Ausbilderinnen und Ausbildern des Kompetenzzentrums
der Handwerkskammer Bremen HandWERK 2 .
1. Das Zielvorhaben: Integration Interkultureller Kompetenz in die beruflichen Bildung
auf Basis des Standardwerks: „Sackmann – das Lehrbuch für die Meisterprüfung. Teil
IV Berufs- und Arbeitspädagogik. Ausbildung der Ausbilder“
Das Ausbildungsmodul richtet sich an die verschiedenen Akteure im Bereich der beruflichen
Bildung im Handwerk und bietet diesen Unterstützung bei der Integration von „Interkultureller
Kompetenz“ (IK) in die Meisterausbildung an. Adressaten des Ausbildungsmoduls sind
alle, die in der „Ausbildung der Ausbilder/-innen“ tätig sind. Erstens also jene Dozentinnen
und Dozenten, die engagiert in der Meisterausbildung arbeiten und über deren Lehrtätigkeit
vermittelt die zukünftigen Meisterinnen und Meister im Handwerk erreicht werden. Zweitens
richtet es sich an jene Teilnehmer/-innen von Kursen, die sich auf die Meisterprüfung vorbereiten
und sich für die Aufgabe der Lehrlingsausbildung fit machen. Dem Ausbildungsmodul
liegt dabei der leitende Gesichtspunkt zugrunde, Interkulturelle Kompetenz als ebenso machbare
wie nützliche Ausbildungspraxis für die Handwerksbetriebe vorstellig zu machen.
Dieses Zielvorhaben impliziert Folgendes:
Wir wollen mit unserem Ausbildungsmodul erreichen, dass die „Charta der Vielfalt“ im Ausbildungsalltag
ankommt. Die „Charta der Vielfalt“ ist eine Initiative der Deutschen Wirtschaft
(Start: 2006) unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin. Mit ihr verpflichten sich Unternehmen,
„die Vielfalt in der Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Unternehmens anzuerkennen,
die darin liegenden Potenziale wertzuschätzen und für das Unternehmen gewinnbringend
einzusetzen“. Anlässlich der Bildungskonferenz 2007 der Zentralstelle für Weiterbildung
im Handwerk (ZWH) wurde die „Charta der Vielfalt“ vom Zentralverband des deutschen
Handwerks (ZdH) unterzeichnet. „Offenheit, Toleranz und Integration“ sind wesentliche
Gehalte der „Charta der Vielfalt“. Diese werden häufig als pädagogisch wertvoll und
sinnvoll eingeschätzt, aber zugleich als völlig wirklichkeitsfremd und zum Alltag eines
Handwerksbetriebs wenig passend abgelehnt. Diese Einschätzungen beruhen auf einer mangelnden
Vorstellung darüber, worin und wie eine verbesserte Integration von Beschäftigten
mit Migrationshintergrund den betrieblichen Erfolg befördert. Und auch das ist nicht so recht
1 Der Inhalt der „Charta der Vielfalt“ ist ebenso wie die darauf aufbauenden Aktivitäten der Wirtschaft unter
www.bundesregierung.de einzusehen. Wir behandeln diese ausführlich im Kapitel 1 und in der darauf bezogenen
Unterrichtseinheit.
2
Innerhalb der Projektlaufzeit wurde der operative Bildungsbereich der Handwerkskammer Bremen aus dem
Berufsförderungszentrum (BFZ) ausgegliedert und auf die Tochter der Handwerkskammer HandWERK gemeinnützige
GmbH Das Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen übertragen.

6 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
klar: wie sich Interkulturelle Kompetenz in der Alltagspraxis der betrieblichen Ausbildung
eigentlich betätigen soll. Deshalb soll hier ein Weg aufgewiesen werden, wie die „Charta der
Vielfalt“ in der Ausbildungspraxis der Handwerksbetriebe umgesetzt werden kann.
Damit definiert sich unsere Aufgabe wie folgt: Die Integration der „Charta der Vielfalt“ in die
berufliche Bildung soll als Leitbild verankert werden und in möglichst viele Bereiche der betrieblichen
Ausbildung wirksam integriert werden. Der Einbau von „Diversity“ soll möglichst
umfassend und zugleich praktikabel sein, d. h. über die Meisterausbildung laufen und diese
zugleich nicht unnötig aufblähen. Zur Lösung dieser Aufgabe haben wir uns entschlossen, an
die bisherige Meisterausbildung anzuknüpfen. Wir stellen „Interkulturelle Kompetenz“ (IK)
also nicht abgetrennt von den bisher gelehrten und gelernten Inhalten der Meisterausbildung
dar. Überdies haben wir uns dazu entschlossen, nicht primär an die bisherige durchaus bewährte
Form und Logik der Präsentation interkultureller Inhalte 3 anzuknüpfen, wie die Fachwelt
diese von verschiedenen Projekten im Bereich des interkulturellen Lernens kennt. Wir
haben stattdessen unserem Ausbildungsmodul das klassische Standardwerk der Meisterausbildung
„Sackmann – das Lehrbuch für die Meisterprüfung. Teil IV Berufs- und Arbeitspädagogik.
Ausbildung der Ausbilder“ zugrunde gelegt. Die Ausrichtung auf die Gliederung und
den knappen Anleitungsstil des Werkes soll gewährleisten, dass Interkulturelle Kompetenz in
den „gewohnten“ Lernfeldern erarbeitet und gelernt wird. Überdies bietet dies die Grundlage
dafür, dass IK zukünftig auch in das Prüfungswissen der Meisterausbildung Teil IV integriert
werden kann.
Durch dieses Vorhaben der laufenden Integration von IK werden natürlich wesentliche Lehrinhalte
des Standardwerks „Sackmann“ modifiziert. „Ausländische Jugendliche“ werden hier
bisher in einem Unterkapitel vom Umfang einer halben Seite angesprochen – im Lernfeld 5
„Förderung der Lernprozesse“ 4 . Das Standardwerk belässt es dabei, klassische Defizitannahmen
über die „Lernvoraussetzungen“ von „ausländischen Jugendlichen“ zu dementieren und
kann und will in den paar Zeilen keine positiven Qualifizierungsinhalte für interkulturelles
Arbeiten und Lernen liefern. Selbstverständlich knüpfen wir bei der Konzeptualisierung der
interkulturellen Lehrinhalte an jene Inhalte des Standardwerks an, auf die sich auch die pädagogische
Diskussion von IK positiv 5 bezieht.
2. Die Vorgehensweisen bei der Erarbeitung des Ausbildungsmoduls „Integration
interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk“
Für die beiden EQUAL-Teilprojekte „Integrationsmanagement im Handwerk / Instrumente
für ein Diversity-/Integrationsmanagement“ und die daran beteiligten Projektakteure war sowohl
das in Punkt 1 definierte Vorhaben ein Novum wie auch die Arbeitskooperation selbst.
Deshalb skizzieren wir hier kurz die wesentlichen Projektphasen und Arbeitsschritte, die zu
dem Ausbildungsmodul in seiner jetzigen Gestalt führten. Die Arbeitskooperation zwischen
IAW Bremen und HandWERK wurde Mitte des Jahres 2005 in Angriff genommen und endete
Ende 2007. Sie war ausgesprochen produktiv – auch wenn die zur Verfügung stehende Zeit
im Verhältnis zur Aufgabenstellung sehr kurz war.
3
4
5
Diese Form und Logik haben wir aufgrund ihres bewährten Charakters im Kapitel „Kommunikation und
Konflikt“ zugrunde gelegt.
Vgl. Ibe, Quant 2004. Lernfeld 5, Kap. 1 Entwicklungsstand und Lebenssituation des Auszubildenden als
Lernvoraussetzungen, 1.6 Besondere Personengruppen in der Ausbildung. In diesem Kapitel wird das Lernen
und Arbeiten mit „ausländischen Jugendlichen“ als besondere Personengruppe neben lernbeeinträchtigten
und behinderten Auszubildenden in äußerster Kürze abgehandelt.
Vgl. Esser, Schaumann, Twardy 2004. Kapitel Kommunikation. Das Standardwerk bezieht sich wie wir auf
das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun

Einführung 7
Zunächst musste natürlich ein gemeinsames Verständnis von Interkultureller Kompetenz und
„Managing Diversity“ in den verschiedenen Lernfeldern entwickelt werden.
Viele Diskussionen galten auch der Frage, ob und inwieweit die jeweiligen Implikationen
Interkultureller Kompetenz im Handwerksunternehmen überhaupt praktikabel sind. Schließlich
wollten die Dozentinnen und Dozenten keine Lehrinhalte in ihren Meisterkursen mit den
zukünftigen Meister/-innen erarbeiten, die sie selbst nicht inhaltlich vertreten können.
Und: Das Ausbildungsmodul sollte die Dozenten nicht darauf festlegen, in welcher Form sie
die Inhalte in ihren Kursen diskutieren (siehe hierzu 1.3).
a) Projektphase 1: Erarbeitung der Inhalte Interkultureller Kompetenz mit dem
Schwerpunkt der Lehrlingsausbildung (2005 – 2006)
Arbeitsschritt 1: Aufarbeitung der bisherigen interkulturellen Arbeit am Kompetenzzentrum
HandWERK/Handwerkskammer Bremen
Der erste Arbeitsschritt galt der Erhebung des bisherigen interkulturellen Erfahrungen, die die
Dozentinnen und Dozenten sowohl in der Lehrlingsausbildung wie in der Meisterausbildung
getätigt haben. Schließlich ist das Zusammenlernen und Zusammenarbeiten von Deutschen,
Deutschen mit Migrationshintergrund sowie Ausländer/-innen am Kompetenzzentrum
HandWERK, Handwerkskammer Bremen alltägliche Realität – mit der positiven Erfahrung
der Vielfalt ebenso wie der Erfahrung von interkulturellen Missverständnissen und Konflikten.
Es gehört zu den alltäglichen Herausforderungen der Ausbilder/-innen, unterschiedliche
Sozialisationserfahrungen, kulturell verschiedene Kommunikations-, Arbeits- und Lernstile
sowie Berufsperspektiven produktiv aufzunehmen und die Auszubildenden in ihren Kompetenzen
und Stärken zu fördern. Und auch das gehört zum Berufsalltag: die unterschiedlichen
Vorurteilshaltungen zwischen Deutschen und Ausländern ebenso wie zwischen einzelnen
Migrantengruppen kennen zu lernen und aufzubrechen.
Die erste Projektphase der Arbeitskooperation zwischen IAW und HandWERK hatte diesen
alltagspraktischen Hintergrund zum Erhebungs- und Diskussionsgegenstand. Dieser wurde in
verschiedenen Formen (Einzelgespräche bzw. Gruppengespräche, Interviews) erhoben und
gemeinsam besprochen und analysiert. 6 Daran waren Dozentinnen und Dozenten des Hand-
WERK beteiligt, die in der Lehrlingsausbildung wie in der Meisterausbildung arbeiteten.
Arbeitsschritt 2: Gemeinsame Erarbeitung und Diskussion der Inhalte „Interkulturelle Kompetenz
I: Kommunikation und Kultur“
Das Theorienspektrum Interkulturelle Kompetenz wurde in zwei Bereiche geteilt.
• Bereich 1 galt dem Erarbeiten „Interkultureller Kommunikations- und Konfliktbearbeitungsstrategien“.
• Bereich 2: „Migrationssensible Kompetenzfeststellung und Kompetenzentwicklung“.
In der ersten Projektphase wurde zum Schwerpunkt die Erarbeitung von Bereich 1 erklärt.
Ziel war die Verbesserung der Lern-, Kommunikations- und Konfliktkultur vor allem in der
Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU). In Fachseminaren wurde eine Erweiterung
und Vertiefung Interkultureller Kompetenz erarbeitet.
6
Vgl.: Beer, Hammer 2006 „Managing Diversity in der beruflichen Bildung – Bedarf und Bedürfnisse, Strategien
und Optimierungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Ausbilderinnen und Ausbilder des BFZ/HWK
Bremen“

8 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Arbeitsschritt 3: Konstituierung des Interkulturellen Arbeitskreises
Zielstellung dieses von den Dozentinnen und Dozenten geforderten Arbeitskreises war die
Analyse- und Diagnosekooperation bei Fallanalysen von Problemstellungen, wie sie in der
Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung auftraten. Aus diesem Arbeitskreis heraus wurde
unter Hinzuziehung eines projektexternen Experten eine „migrationssensible Interventionskette“
entwickelt. Überdies wurden aus diesem Arbeitskreis heraus zwei Unterrichtseinheiten
entwickelt, die wir in das Ausbildungsmodul integrieren konnten.
b) Projektphase 2: Erarbeitung der Inhalte Interkultureller Kompetenz mit dem
Schwerpunkt „Integration von IK in die Meisterausbildung“ (2006 – 2007)
Arbeitsschritt 1: Konzeptualisierung der „Integration von Diversity in die Ausbilder-
Eignungsverordnung (AEVO)“ und Erarbeitung der Inhalte „Interkulturelle Kompetenz 2:
Migrationssensible Kompetenzwahrnehmung und Kompetenzentwicklung“
Der erste Arbeitsschritt galt der Identifikation der Lernfelder des Lehrbuchs Sackmann, die
im besonderen für die Integration von Diversity geeignet sind. Inhaltlicher Schwerpunkt weiterer
Lern- und Arbeitskooperation (IAW und HandWERK) war die Erarbeitung des Bereichs
„Interkulturelle Kompetenz 2: Migrationssensible Kompetenzwahrnehmung und Kompetenzentwicklung“.
Im Rahmen von zwei Fachseminaren wurde das Konzept der Integration von
IK in die Meisterausbildung im Lichte dieses Schwerpunkts erörtert. An der Arbeitskooperation
waren vor allem jene Dozentinnen und Dozenten beteiligt, die in der Meisterausbildung
tätig sind. Übergreifendes Ziel der Arbeitskooperation war zu diesem Zeitpunkt, die Dozent/-
innen an der Erarbeitung der projektierten Unterrichtseinheiten für das Ausbildungsmodul zu
beteiligen.
Arbeitsschritt 2: Erarbeitung der Konzeption des Ausbildungsmoduls – Gründung des Arbeitskreises
AEVO
In diesem Arbeitsschritt galt es zunächst, jene konzeptionellen Grundlagen für die identifizierten
Lernfelder zu diskutieren, welche die inhaltliche Basis für den Arbeitskreis „AEVO“
darstellen sollten. Der neu konstituierte Arbeitskreis „AEVO“ erarbeitete in Gruppen- und
Einzelarbeit vier Unterrichtseinheiten auf Basis der konzeptionellen Inhalte.
Arbeitsschritt 3: Erprobungsphase
In dieser Phase wurden a) die konzeptionellen Inhalte im Arbeitskreis „AEVO“, b) die Unterrichtseinheiten
in der Meisterausbildung erprobt. Die Erprobung wurde von jenen Dozent/-
innen durchgeführt, die diese erarbeitet hatten. Modifikationen wurden in Rückkopplung mit
der Projektakteurin des IAW durchgeführt, welche die Erprobung begleitete.
Arbeitsschritt 4: Mainstreaming innerhalb des Kompetenzzentrums HandWERK:
Zum Abschluss des ProViel-Projektes wurde das erarbeitete Ausbildungsmodul „Integration
von Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung“ vor allem unter dem Gesichtspunkt
der Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen allen interessierten Dozentinnen und Dozenten
vorgestellt. Geworben werden sollte für eine über das Projekt hinausgehende Bildungsarbeit
im Sinne der „Charta der Vielfalt“.
3. Aufbau des Ausbildungsmoduls „Integration interkultureller Kompetenz in die
Meisterausbildung im Handwerk (AEVO Teil IV)
Das Ausbildungsmodul richtet sich, wie oben erläutert, an dem Standardwerk der Meisterausbildung
„Sackmann – das Lehrbuch für die Meisterprüfung. Teil IV Berufs- und Arbeitspädagogik“
aus. Es baut in diesem Sinne auf dem Lehrbuch auf – und will und kann dies in kei-

Einführung 9
nem der dort vorgestellten Lehrinhalte ersetzen. Das Ausbildungsmodul orientiert sich in seiner
Gliederung an die dort vollzogene Gliederung und Anordnung der Lernfelder, welche
gemäß der „logische(n) Abfolge in der Praxis“ 7 mit der Personalplanung, Auswahl und Einstellung
der Lehrlinge beginnt und über die Lern- und Arbeitsprozesse am Arbeitsplatz / in
der Gruppe im Abschluss der Ausbildung endet.
Wir haben – auch in Reflexion auf die Kürze der Projektzeit – Interkulturelle Kompetenz
zwar in alle sieben Lernfelder integriert, diesen Lernfeldern allerdings nicht jeweils ein Kapitel
zuordnen können. Deshalb hier für alle Anwender/-innen von „Sackmann – das Lehrbuch
für die Meisterprüfung. Teil IV Berufs- und Arbeitspädagogik“ ein kurzer Überblick zur Einordnung:
Die ausgewählten Lernfelder
Lernfeld 2: „Planung der Ausbildung“
Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe zur Schaffung einer vorurteilsfreien und integrativen
Betriebskultur im Handwerk
Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung
Lernfeld 3: „Einstellung von Auszubildenden“
Kapitel 3: Migrationssensible Planung und Durchführung von Einstellungsverfahren
Lernfeld 4: „Ausbildung am Arbeitsplatz“
Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
Lernfeld 5: „Förderung des Lernprozesses“
Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache – konstruktive Förderung der Sprachkompetenz
Lernfeld 6: „Ausbildung in der Gruppe“
Kapitel 6: Integration von Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
Dem Lernfeld 1 haben wir nicht ein eigenes Kapitel gewidmet, auch wenn das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz hier abzuhandeln wäre. Bei allem Bedürfnis der Angleichung an
7
Vgl. Bourichter u. a. 2004, S. 11

10 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
„Sackmann – das Lehrbuch“ war es inhaltlich nicht wünschenswert, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
isoliert von der „Charta der Vielfalt“ darzustellen. Wir wollte das AGG
aufgrund der Thematik nicht „bloß“ als „rechtliche Rahmenbedingungen der Ausbildung“
neben anderen Gesetzen einführen. Es wird bei uns in Kapitel 1 „Diversity als Führungsaufgabe“
dargestellt.
Die Integration von IK in die Lerninhalte „Ausbildungsplan“ (Sackmann: 2.4), „Prüfungen/Prüfungsvorbereitung“
(Sackmann: 7.1.) „Ausbildungserfolgskontrollen“ (Sackmann 4.4)
erfolgt in Kapitel 4 „Strategien zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen“ und Kapitel 5
„Lernen in der Zweitsprache“. In Kapitel 4 werden sie als Hebel zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
abgehandelt.
Kapitel 5 behandelt innerhalb des Lernfeldes 5 „Förderung des Lernprozesses“ „Lernen in der
Zweitsprache“ sowie Schlüsse auf didaktische Prinzipien und Lehrverfahren (Sackmann: 4.1),
die daraus zu ziehen sind.
Die Kapitel gliedern sich in folgende Teile:
Konzeptionelle Inhalte: Die konzeptionellen Inhalte sollen die Leser/-innen bzw. Anwender/-
innen mit dem jeweiligen Inhalt von „Managing Diversity“ vertraut machen, der auf das jeweilige
Lernfeld zu beziehen ist. Sie sind insofern als Grundlage für selbst zu erstellende Unterrichtseinheiten
gedacht. Sie können auch in der Aus- und Weiterbildung von Dozenten und
Dozentinnen für „Interkulturelle Kompetenz in der beruflichen Bildung“ eingesetzt werden
und als Grundlage für Inputreferate bzw. Flipchartübungen dienen. Die konzeptionellen Inhalte
wurden von Brigitte Beer (IAW) und Erich Wachtveitl (IAW) verfasst.
Präsentationen: Die vorliegenden Präsentationsunterlagen wurden z. T. in den Arbeitskreisen
„Interkultureller Arbeitskreis“ und „Arbeitskreis AEVO“ eingesetzt, zum Teil den beteiligten
Teilnehmer/-innen als Handout zur Erinnerung ausgehändigt. Vor allem im letzteren Sinne
haben sie sich bewährt. Wir haben sie dem Ausbildungsmodul beigefügt, um die Anwender/-
innen dieses Moduls in diesem Sinne zu unterstützen. Natürlich können die Präsentationen
auch für die Impulsreferate benutzt werden. Die Präsentationen wurden von Brigitte Beer
(IAW) in Kooperation mit Tuku Roy-Niemeier (BFZ/Handwerkskammer Bremen) bzw.
Klaus Netzer (HandWERK, das Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen) erstellt.
Unterrichtseinheiten: Die hier vorgelegten Unterrichtseinheiten wurden von Dozentinnen und
Dozenten des Kompetenzzentrums HandWERK im Rahmen der Arbeitskreises „AEVO“ bzw.
„Interkultureller Arbeitskreis“ erstellt und sind namentlich gekennzeichnet. Sie zeigen, wie
und in welcher Vielfalt die vorliegenden „Konzeptionellen Inhalte“ kreativ umzusetzen sind.
Sie sind Beispiele für die „Integration der Interkulturellen Kompetenz in die Meisterausbildung“
und nicht zur mechanischen Übernahme gedacht. Sie können den Anwender/-innen
Anregungen geben, selber eine Unterrichtseinheit in diesem Sinne zu entwickeln.
Wir danken an dieser Stelle explizit allen Beteiligten für ihre produktive Mitarbeit. Ohne diese
wäre das vorliegende Ausbildungsmodul nicht zustande gekommen.
Bremen, Dezember 2007
Gerlinde Hammer
Reiner Krebs
Projektleitung IAW, Institut Arbeit und Wirtschaft
Projektleitung Kompetenzzentrum
HandWERK

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 11
Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe zur Schaffung
einer vorurteilsfreien und integrativen Betriebskultur
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel 1: Vorstellung der grundlegenden Idee von „Diversity“ und
„interkultureller Kompetenz“
In diesem Kapitel sollen innerhalb der Ausbildung der Ausbilder nach AEVO zukünftige
Betriebsinhaber/-innen, Geschäftsführer/-innen sowie Personalverantwortliche dafür sensibilisiert
und motiviert werden, wesentliche Inhalte von Diversity in ihren jeweiligen Betrieben
zu integrieren. Zu erläutern ist, was überhaupt Vielfalt meint und warum sich bereits viele
Unternehmen in Deutschland der Entdeckung und Förderung der Vielfalt ihrer Mitarbeiter/-innen
widmen.
Ziel 2: Warum Diversity in der Meisterausbildung für das Handwerk?
Positive Nutzeffekte, die eine Einführung von Integrationsmanagement
zeitigt
Welche positiven Effekte hat die Einführung von „Managing Diversity“ für die ökonomischen
Erfolge des Unternehmens?
• Als erstes wird aufgezeigt, dass ein bewusst gehandhabtes Integrationsmanagement
ermöglicht, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, 2006) umzusetzen.
• Zweitens erlaubt es den Unternehmen, die demografischen Entwicklungen und deren
Risiken im Land Bremen positiv in den Griff zu bekommen.
• Weiter geht es um die Beförderung der Unternehmenskultur sowie der Zufriedenheit
der Mitarbeiter/-innen durch eine verbesserte Kommunikations- und Konfliktkultur.
• Überdies rüstet sich das Handwerksunternehmen für die zunehmende Internationalisierung
der Marktbeziehungen durch die Wahrnehmung der vielfältigen Stärken der
eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Grundlegende Leitgedanken der „Charta der Vielfalt“
• 5 Argumente für die Umsetzung der „Charta der Vielfalt“
• Stichwort: „Interkulturelle Kompetenz“
2. Präsentationen zu den konzeptionellen Inhalten
• Präsentation: Das übergreifende Ziel – Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im
Handwerk
• Präsentation: Interkulturelle Kompetenz – und ihre Integration in die Lernfelder der
AEVO

12 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Grundlegende Leitgedanken der „Charta der Vielfalt“
Erläuterung der Begrifflichkeit von Diversity/-Integrationsmanagement
„Diversity“ heißt „Vielfalt“. Jede Belegschaft stellt ein Mosaik von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern dar. Diese bringen eine Vielfalt von beruflicher Erfahrung, Wissen und kulturellen
Hintergründen in den betrieblichen Alltag ein. Personelle Vielfalt und große Unterschiedlichkeit
von Menschen sind auch in vielen Kleinunternehmen und Handwerksbetrieben
alltäglich geworden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben unterschiedliche Staatsangehörigkeit
bzw. teilweise einen Migrationshintergrund, verschiedene berufliche Erfahrungen
und unterscheiden sich auch nach Sprachkompetenzen, Alter, Geschlecht, Religion und Kulturhintergrund.
Diversity-/Integrationsmanagement will diese Vielfalt als Vielfalt von Lebenserfahrung
und beruflichen Fähigkeiten für die Unternehmen entdecken und fördern. Hierfür
unerlässlich ist die Erarbeitung und Verstetigung von interkultureller Kompetenz.
Die Einführung von Managing Diversity ist eine neuartige Aufgabe und beabsichtigt eine
positive Integration und Förderung der Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter hinsichtlich
- Rasse und ethnischer Herkunft bzw. Nationalität
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- sexueller Orientierung und sexueller Identität.
Diversity-/Integrationsmanagement in Deutschland:
Die „Charta der Vielfalt der Unternehmen“
Diversity-/Integrationsmanagement wurde in den USA entwickelt und wird in den großen
Betrieben in Deutschland praktiziert. 8 Für das Handwerk stellt Managing Diversity eine Innovation
dar. Die Einführung von Diversity-/Integrationsmanagement wird von der Zentralstelle
für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) und vielen Handwerkskammern unterstützt.
Im Dezember 2006 wurde von der Bundesregierung und der Deutschen BP die Initiative
„Diversity als Chance. Die Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland“ gestartet.
Zu den Erstunterzeichnern zählten Daimler-Chrysler, die Deutsche Telekom, die Deutsche
Bank und die Deutsche BP.
8
Einen guten Überblick über die theoretischen Grundlagen von Diversity sowie praktische Beispiele für den
konkreten Einsatz in Betrieben geben Maad, Schwarz-Wölzl 2004.

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 13
Die Charta umreißt knapp die wesentlichen Ziele von Diversity, d.h.
• Förderung der unterschiedlichen vielfältigen Fähigkeiten der Mitarbeiter/-innen
• Förderung einer integrativen Betriebskultur durch eine Kultur der Wertschätzung
• Darstellung der Aufgaben, die sich für die Personalverantwortlichen aus diesen beiden
wesentlichen Zielen ergeben. 9
Die Charta
„Die Vielfalt der modernen Gesellschaft, beeinflusst durch die Globalisierung
und den demografischen Wandel, prägt das Wirtschaftsleben in
Deutschland. Wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn wir die
vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen. Dies betrifft die Vielfalt der Belegschaft
und die vielfältigen Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden
sowie unserer Geschäftspartner. Die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten eröffnet Chancen
für innovative und kreative Lösungen.
Die Umsetzung der ,Charta der Vielfalt’ in unserem Unternehmen hat zum
Ziel, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sollen Wertschätzung erfahren – unabhängig von
Geschlecht, Rasse, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung,
Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität. Die Anerkennung
und Förderung dieser vielfältigen Potenziale schafft wirtschaftliche
Vorteile für unser Unternehmen.
Wir schaffen ein Klima der Akzeptanz und des gegenseitigen Vertrauens.
Dies hat positive Auswirkungen auf unser Ansehen bei Geschäftspartnern,
Verbraucherinnen und Verbrauchern sowohl in Deutschland als auch in anderen
Ländern der Welt.“
9
Siehe www.bundesregierung.de

14 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
5 Argumente für die Umsetzung der „Charta der Vielfalt“
Verantwortlichkeit im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
Diversity-/Integrationsmanagement stärkt die Verantwortlichkeit im Sinne des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG): Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (18.8.2006) 10
ist eine Umsetzung der europäischen Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung. Das AGG
legt in § 1 insgesamt 6 Merkmale fest, welche die Arbeitgeber nicht zum Anlass für eine
Schlechterstellung nehmen dürfen, nämlich:
• Rasse und ethnische Herkunft
• Geschlecht
• Religion oder Weltanschauung
• Behinderung
• Alter
• sexuelle Identität
Das AGG gilt sowohl für die Beschäftigten (Auszubildende, Arbeitnehmer/-innen oder
arbeitnehmerähnliche Personen) wie für Stellenbewerber und ausgeschiedene Arbeitnehmer.
Es umgreift die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, die berufliche Aus- und
Weiterbildung sowie Bewerbungsverfahren und Neueinstellungen.
In § 3 AGG wird festgelegt, was im Einzelnen untersagt ist, nämlich:
• unmittelbare Benachteiligungen
• mittelbare Benachteiligungen
• Belästigungen („Verletzung der Würde der Person, insbesondere durch Schaffung eines
von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds“)
• sexuelle Belästigungen
• Anweisungen zu Benachteiligungen
„Sachlich bezieht sich das Gesetz auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und
Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg
• die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen
• den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung
sowie Umschulung und praktische Berufserfahrung
• Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen und
Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören
• den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste
10 Siehe Bundesministerium der Justiz, www.bundesrecht.juris.de. Die Darstellung wurde Wikipedia entnommen,
siehe www.wikipedia.com.

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 15
• die sozialen Vergünstigungen
• die Bildung
• den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit
zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.“
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor, haben die betroffenen Mitarbeiter/
-innen ein Beschwerderecht (§ 13).
„Der Arbeitgeber muss dann gegen die Beschäftigten, die gegen das Benachteiligungsverbot
verstoßen, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung
der Benachteiligung ergreifen, z. B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung (§ 12 Absatz 3),
bzw. bei einer Benachteiligung durch Dritte Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter (§ 12 Absatz
4) einleiten.
Ergreift der Arbeitgeber nicht die geeigneten Maßnahmen, um die Ungleichbehandlung zu
beseitigen, hat der Arbeitnehmer auch ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 14). Er darf also,
ohne den Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren, die Arbeit einstellen, soweit dies zu
seinem Schutz erforderlich ist.
Daneben hat der Mitarbeiter einen Schadensersatzanspruch (§ 15 Absatz 1), der sich auf Ersatz
von Vermögensschäden richtet. Der Mitarbeiter hat auch einen vom Verschulden des
Arbeitgebers unabhängigen Entschädigungsanspruch (§ 15 Absatz 2), der bei Nichtvermögensschäden
einen angemessenen Ausgleich in Geld für die erlittene Ungleichbehandlung
vorsieht. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich u. a. nach der Art und Schwere der
Interessensschädigung, dem Anlass und den Beweggründen des Arbeitgebers, der Dauer, dem
Grad des Verschuldens des Arbeitgebers sowie danach, ob es sich um einen Wiederholungsfall
handelt. Das Bundesarbeitsgericht spricht bei vergleichbaren Fällen einer Ungleichbehandlung
(nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch – diese Vorschrift wurde allerdings mit Inkrafttreten
des AGG aufgehoben) einen Entschädigungsanspruch von mindestens einem Monatsgehalt
zu. Das AGG sieht für den Fall einer Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit
einer Nichteinstellung einen Höchstbetrag von drei Monatsgehältern vor.“ (ebd.)
Aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ergibt sich die Aufgabe für Arbeitgeber und
Personalverantwortliche, ihre Unternehmenskultur kritisch zu prüfen und sich mit folgenden
Fragen zu befassen:
• Liegen Diskriminierungen vor und wer muss vor ihnen geschützt werden? Dieser
Schutzanspruch gilt sowohl für mittelbare wie unmittelbare, bewusste wie unbewusste
bzw. billigend in Kauf genommene Diskriminierung.
• Welche Belästigungs- oder Benachteiligungsmerkmale sind möglicherweise im Unternehmen
auszumachen? Wie werden in der eigenen Unternehmenskultur Benachteiligungen
gerechtfertigt?
Die Bedeutung des demografischen Wandels für das Handwerk in Bremen
Um zukünftige Geschäftserfolge zu sichern, gilt es, den demografischen Wandel als Chance
zu begreifen. In Deutschland haben 5,8 Millionen junge Menschen unter 25 Jahren einen
Migrationshintergrund 11 . Das entspricht einem Anteil von 27,2% (bei einem Anteil von
11 Das Statistische Bundesamt definiert Migrationshintergrund wie folgt: Personen mit Migrationshintergrund
sind: Ausländer, zugewanderte Ausländer bzw. Ausländer der 1. Generation, in Deutschland geborene Ausländer,
d.h. Ausländer der 2. und 3. Generation. Deutsche: zugewanderte Deutsche: Spätaussiedler sowie
eingebürgerte zugewanderte Ausländer, nicht zugewanderte Deutsche, wenn sie eingebürgerte nicht zugewanderte
Ausländer sind; wenn sie Kinder zugewanderter Spätaussiedler oder Kinder zugewanderter oder in

16 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
18,6% der Migrantinnen und Migranten der Gesamtbevölkerung). Noch stärker zeigt sich die
Anteilsverschiebung bei den Kindern: Rund 33% der Kinder bis zu sechs Jahren haben einen
Migrationshintergrund.
Die Bevölkerungsentwicklung verlangt eine verstärkte Integration von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. Handwerksbetriebe, die diese unterschiedlichen Fähigkeiten
systematisch entdecken und fördern, werden daraus Wettbewerbsvorteile ziehen
können.
Die gilt vor allem für das Bundesland Bremen, das überdurchschnittlich hohe Migrationsanteile
hat. Wenn laut Statistik 12 in Bremen knapp über 40% von den unter 25-Jährigen einen
Migrationshintergrund besitzen, so wird die Dimension dieses Potenzials deutlich.
Die Globalisierung als Chance nutzen
Die Globalisierung ist als Chance zu begreifen. Die Öffnung der Märkte beinhaltet, dass
Kunden, Lieferanten und Kooperationspartner jedes Unternehmens aus den verschiedensten
Regionen und Weltgegenden kommen, wie auch die Mitarbeiter. Die Kundinnen und Kunden
haben vielfältig interkulturell geprägten Geschmack und kulturell differenzierte Wünsche.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund können ihr Wissen bei der Präsentation
des eigenen Unternehmens, bei der Werbung, bei der Überzeugungsarbeit für bestimmte
Produkte oder Serviceleistungen einbringen. Dies alles trägt nicht zuletzt zur Kundenbindung
an das Unternehmen bei. Die Vorzüge im Einzelnen:
• Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Imagegewinn
• Erschließung neuer Märkte sowie verbesserte Nutzung der bestehenden vielfältigen
Marktstrukturen
• verbesserter Umgang mit Kunden mit verschiedensten kulturellen Hintergründen
• verbesserte Kooperation mit Lieferanten oder Partnern aus anderen Kulturen
• Produktinnovationen bzw. Veränderung von Serviceleistungen
Förderung der innerbetrieblichen Arbeits- und Lernkultur
Diversity-/Integrationsmanagement hilft den Handwerksunternehmen durch die
• Erarbeitung einer gemeinsamen Lern- und Innovationskultur
• Verminderung von Konflikten und Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit
• Erhöhung der individuellen Fähigkeiten im Umgang mit Spannungen und Konflikten
in der beruflichen Ausbildung und im betrieblichen Alltag
• Gewinnung neuer Kundenkreise und Verbesserung des Betriebsimage
• Förderung der Potenziale der unterschiedlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Deutschland geborener eingebürgerter Ausländer sind; wenn sie Kinder von Ausländern sind, die bei Geburt
zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem»Jus Soli« erhalten haben; wenn sie Kinder sind, bei
denen nur ein Elternteil Migrant/Migrantin oder in Deutschland geborener Eingebürgerter oder Ausländer ist.
Vgl. Bruhns 2006
12 Vgl. Bruhns 2006

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 17
• Akzeptanz und Wertschätzung unterschiedlicher Kompetenzen auf allen betrieblichen
Ebenen
Förderung der vielfältigen Kompetenzen der Mitarbeiter/-innen
Diversity-/Integrationsmanagement hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Diversity-/Integrationsmanagement sieht den Schlüssel für den betrieblichen Erfolg im gemeinsamen
Lernen und Kooperieren. Damit eröffnet es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
neue Handlungsmöglichkeiten in den Handwerksbetrieben.
Gezielte Berücksichtigung und bewusste Förderung ermöglichen den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern
• die Identifizierung eigener berufsrelevanter Stärken und Ausbildungsdefizite
• die Förderung individueller Lernkompetenzen und Behebung von Lernschwierigkeiten
• den verbesserten Zugang zu betrieblichen Ressourcen.

18 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Stichwort „Interkulturelle Kompetenz“ – eine erste Hinführung
In den letzten Jahren – Stichwort „Globalisierung“ – gibt es vielfachen Kontakt mit anderen
Kulturen. Internationale Geschäfts- und Arbeitsbeziehungen wie Migrationsbewegungen haben
eine wechselseitige Durchdringung der Kulturen erzwungen und ermöglicht. Dies hat
unterschiedliche Wirkungen bei den Angehörigen einer bestimmten Kultur zur Folge: vergrößerte
Abschottung ebenso wie vergrößerte Offenheit, vergrößerte Unsicherheit ebenso wie
Adaption von Elementen einer anderen Kultur. Vorurteile, Ausgrenzungen und Fremdenhass
stehen innerhalb bestimmter Kulturen neben verbreitertem Wissen, Neugier auf das Fremde
und dem Bedürfnis nach wechselseitiger Integration.
„Interkulturelle Kompetenz“ beinhaltet zum einen Neugier auf und Wissen um fremde Kulturen.
Zum anderen besteht sie in praktischen Haltungen und Einstellungen im Umgang mit sich
und anderen aus der eigenen wie fremden Kultur.
„Interkulturelle Kompetenz“ besteht in der
• „Bereitschaft und Fähigkeit, sich in das Denken und Fühlen anderer Menschen hineinzuversetzen“,
• „Fähigkeit, einen Sachverhalt aus der Perspektive einer Mehr- oder Minderheit betrachten
zu können“,
• „Bereitschaft, sich mit der eigenen Sichtweise kritisch auseinander zu setzen“;
• „Mut, Unsicherheiten auszuhalten“,
• „Fähigkeit, sich der Situation und Umgebung anzupassen“,
• „Offenheit für neue Erkenntnisse und Sichtweisen“,
• „Kommunikations- und Konfliktfähigkeit“. 13
Sensibilität soll sich mit der Fähigkeit zur Differenzierung verbinden – d.h. der Fähigkeit,
Unterschiede zu erkennen und mit ihnen zu leben. „Interkulturelle Kompetenz“ ist insofern
nicht als ein Instrumentenkatalog zu verstehen, der quasi technisch vermittelbar ist und je
nach Situation effizient eingesetzt werden kann. 14 „Interkulturelle Kompetenz“ ist mit einem
„Interkulturellen Kompetenztraining“ nicht ein für allemal erworben. Sie erweitert sich im
bewussten Lernen und ist situationsbedingt neu zu reflektieren.
In diesem Sinne ist der Erwerb interkultureller Kompetenz eine lebenslange Aufgabe.
13 Schuch 2003
14 Veneto Scheib 1998, 43

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 19
Präsentation: Das übergreifende Ziel – Verankerung der „Charta der
Vielfalt“ im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Das übergreifende Ziel – Verankerung
der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Die Charta der Vielfalt –
und was ihre Umsetzung dem
Handwerk nutzt

20 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Die „Charta der Vielfalt“ …
… eine Initiative der deutschen Wirtschaft unter der
Schirmherrschaft des Kanzleramts:
Mit der Charta verpflichten sich Unternehmen,
• "die Vielfalt in der Gesellschaft innerhalb und
außerhalb des Unternehmens anzuerkennen,
• die darin liegenden Potenziale wertzuschätzen und
• für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen."
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Die „Charta der Vielfalt“ -
unterstützt durch das Handwerk
• Mit der Unterzeichnung der "Charta der Vielfalt" 2007 setzt
das Handwerk ein Zeichen für Offenheit, Toleranz und
Integration.
• Dazu erklärt Hanns-Eberhard Schleyer:
"Menschen mit Migrationshintergrund leisten einen
wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des
Handwerks. Mit knapp 500.000 ausländischen
Beschäftigten und Auszubildenden ist ihr Anteil höher als in
jedem anderen Wirtschaftszweig Deutschlands. Das enge
Miteinander in den kleinen und mittleren Betrieben bedeutet
Ideenreichtum, Kreativität, Innovationsfähigkeit und eröffnet
dem Handwerk neue Chancen auf den internationaler
werdenden Märkten.“

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 21
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Die grundlegende Idee der Charta der Vielfalt
Schaffung und Förderung eines Arbeits- und
Lernumfeldes, in dem alle Mitarbeiter/-innen
• frei von Vorurteilen/Diskriminierungen arbeiten und
lernen
• positive Wertschätzung erfahren und wechselseitig
praktizieren
• mit ihren vielfältigen Fähigkeiten im Handwerksbetrieb
gefördert und anerkannt werden
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Fünf Argumente für die Umsetzung der Charta
• Verantwortlichkeit im Sinne des AGG (Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz)
• Demografischer Wandel als positive Herausforderung
• Globalisierung als Chance
• Förderung der Unternehmenskultur als betriebliche
Ressource
• Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch
Kompetenzwahrnehmung und -entwicklung

22 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG 2006)
• untersagt Benachteiligung bei Einstellungsbedingungen
und beruflichem Aufstieg
• untersagt die „Verletzung der Würde der Person,
insbesondere durch Schaffung eines von
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen,
Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichneten Umfelds“
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Der demografische Wandel: MigrantInnen sind
in Bremen keine „Randgruppe“
• 18,6 % der Einwohner Deutschlands haben einen
Migrationshintergrund
• 27,2 % aller Kinder und Jugendlichen (0–25 Jahre)
– 33 % aller Kinder (0–6 Jahre)
• In Bremen haben knapp über 40 % aller Jugendlichen
unter 25 Jahren einen Migrationshintergrund
(Zahlen 2005)
Quelle: Bruhns 2006

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 23
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Globalisierung als Chance
• Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch
Imagegewinn
• Erschließung neuer Märkte und verbesserte Nutzung
der bestehenden vielfältigen Marktstrukturen
• verbesserter Umgang mit Kunden
mit verschiedensten kulturellen Hintergründen
• verbesserte Kooperation mit Lieferanten oder
Partnern aus anderen Kulturen
• Produktinnovationen bzw. Veränderung von
Serviceleistungen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Förderung der Unternehmenskultur
als betriebliche Ressource
• Verbesserte Konfliktprävention und Konfliktaustragung
• Förderung und Wertschätzung
der verschiedenen Kompetenzen
• Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit

24 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Das übergreifende Ziel –
Verankerung der „Charta der Vielfalt“ im Handwerk
Förderung der Mitarbeiter/ -innen
durch Kompetenzentwicklung
• verbesserte Kommunikation und Abbau von
Unsicherheiten
• Erhöhung der individuellen Fähigkeiten
im Umgang mit Spannungen und Konflikten
• Identifizierung und Förderung der berufsrelevanten
Stärken
- fachlich-interkulturell vermittelte Arbeitsstile,
- sprachliche Kompetenzen,
- interkulturelles Wissen um andere Kulturen

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 25
Präsentation: Interkulturelle Kompetenz – und ihre Integration in die
Lernfelder der AEVO
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Interkulturelle Kompetenz – und ihre
Integration in die Lernfelder der AEVO
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Teil 1:
Interkulturelle Kompetenz und
Anforderungen an die Ausbilder/-innen
• Definition „Interkultureller Kompetenz“
• Was zu erlernen ist ...

26 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Definition Kompetenz (Hutter)
„Kompetenz bezeichnet die Eigenschaft eines
Menschen, die ihn in die Lage versetzt, in gegebenen
Situationen ein Handlungsziel aufgrund
von Erfahrung, Können und Wissen zu erreichen.
Kompetent sein heißt, Situationen angemessen
zu meistern.“
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Definition nach J. Schuch (1):
Interkulturelle Kompetenz ...
• besteht in der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in
das Denken und Fühlen anderer Menschen
hineinzuversetzen;
• sie beinhaltet die Fähigkeit, einen Sachverhalt
aus der Perspektive einer Mehr- oder
Minderheit betrachten zu können;
• sie umfasst die Bereitschaft, sich mit der
eigenen Sichtweise kritisch auseinander zu
setzen;

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 27
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Definition nach J. Schuch (2):
Interkulturelle Kompetenz ...
impliziert den Mut, Unsicherheiten auszuhalten;
• enthält die Fähigkeit, sich der Situation und
Umgebung anzupassen;
• sie meint Offenheit für neue Erkenntnisse und
Sichtweisen und
• umspannt letztlich auch Kommunikations- und
Konfliktfähigkeit.
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Persönliche Kompetenzen der Ausbilder/Innen
• Wissen um eigene/fremde kulturelle Werte und
Einstellungen, bewusste Gestaltung von
geschlechtsspezifische Ausprägungen,
• Fähigkeit zum Entwickeln von Empathie für das
andere Individuum und dessen Kultur,
• Anerkennung als Chance zur Bereicherung der
eigenen Lebenswelt begreifen,
• Widersprüche und Konflikte konsensfähig austragen
und lösen können,
• Verbinden unterschiedlicher kultureller Ressourcen,
Perspektiven und Kompetenzen im Arbeits-
/Lernprozess.

28 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Teil 2:
Identifikation von Lernfeldern (AEVO)
• Migrationssensible Kompetenzfeststellung
und -entwicklung
• Interkulturelle Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Migrationssensible Kompetenzwahrnehmung
Lernfeld 2
• Betriebliche Auswahl von
Ausbildungsberufen
• Integration der Ausbildung
in das betriebliche
Führungssystem
Lernfeld 3
• Planung und
Durchführung von
Einstellungsverfahren
Integration von Diversity
• Förderung einer
integrationsfähigen
Unternehmenskultur
• Interkulturell geprägte
Bedarfsanalysen
• Prinzipien
migrationssensibler
Kompetenzfeststellung
- Einstellungstest
- Bewerbungsgespräch

Kapitel 1: Diversity als Führungsaufgabe 29
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Migrationssensible Kompetenzentwicklung
Lernfeld 5
• Entwicklungsstand /
Lebenssituation der
Auszubildenden als
Lernvoraussetzungen
• Förderung der
Kompetenzentwicklung
Integration von Diversity
• Schaffung einer
diskriminierungsfreien
Lern- und
Arbeitskooperation
• Migrationssensibilität beim
Lernen (Sprache)
• Wahrnehmung
interkulturell vermittelter
Lern- und Arbeitsstile
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Interkulturelle Kompetenz –
und ihre Integration in die Lernfelder der AEVO
Interkulturelle Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
Lernfeld 6
• Kommunikative
Grundzusammenhänge
• Erkennen und Lösen
von zwischenmenschlichen
Konflikten
Integration von Diversity
• Reflexion auf das eigene
und fremde kulturelle
Gepäck – zur Logik des
Vorurteils
• Missverständnisse und
Kommunikationsstörungen
im interkulturellen Kontext
• Konfliktwahrnehmung und
Konfliktbearbeitung

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 31
Kapitel 2: Integration von Diversity in die „Planung der
Ausbildung“
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel 1: Die auf Globalisierung ausgerichtete Bedarfsanalyse –
Personalplanung und Personalentwicklung
Aufzuzeigen ist, wie das Konzept des Integrationsmanagements konkret auf den spezifischen
Bedarf des jeweiligen Handwerksbetriebs zuzuschneiden ist. Welche Geschäftsziele und
Strategien ihrer Umsetzung verfolgt der Betrieb jetzt und zukünftig? Welche Kundinnen- und
Kundenstrukturen, Kooperationen mit Lieferanten und anderen Geschäftspartnern ist er eingegangen
und will er zukünftig in Zeiten zunehmender Globalisierung eingehen? Wie ist das
Unternehmen interkulturell ausgerichtet? Sind hier Änderungen erwünscht?
Ziel 2: Aufzeigen der vielfältigen Fähigkeiten in der Belegschaft
Thema dieser Überlegungen ist die Vielfalt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in
den jeweiligen Betrieben bereits vorhanden ist. Vor allem soll die Neugier darauf geweckt
werden, welche bisher unerkannten Potenziale bei den Mitarbeiter/-innen vorhanden sind und
wie diese zu entdecken und zu fördern sind. Und welche werden möglicherweise zukünftig
aufgrund der Bestandsaufnahme und Ermittlung zukünftigen Bedarfs in Punkt 1 gewünscht?
Ziel 3: Bewusste Bestandsaufnahme – wie funktioniert die eigene
Unternehmenskultur? Integration von Diversity in das
betriebliche Führungssystem
Im dritten Schritt ist die jeweilige Unternehmenskultur wie das bisher ausgeübte betriebliche
Führungssystem selber auf dem Prüfstand. Halten diese den Anforderungen des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stand? Welche Kommunikationsstrukturen und Konflikte
sind im eigenen Unternehmen vorhanden? Gibt es Vorurteile gegenüber verschiedener
Staatsbürgerschaft, Ethnie, Religion, aber auch gegenüber Alter, Geschlecht und sexueller
Orientierung? Wie sieht das möglicherweise aus der Perspektive der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter aus? Finden Diskriminierungen statt, wenn ja, auf welcher Ebene – Führung,
Mitarbeiter/-innen und Auszubildende?
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Wie lässt sich die Globalisierung als Chance nutzen – Bedarfsanalysen
2. Präsentation zu den konzeptionellen Inhalten
• Präsentation: Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den handwerklichen Betrieb – erste
Umsetzungsschritte
3. Unterrichtseinheit

32 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Wie lässt sich die Globalisierung als Chance nutzen –
Bedarfsanalysen
Grundzüge einer betriebsspezifischen Bedarfsanalyse
Die grundlegenden Aufgaben der Bedarfsanalyse
Für Handwerksbetriebe ist es wichtig, das Konzept Managing Diversity auf den Betrieb zuzuschneiden
und den Handlungsbedarf betriebsspezifisch zu ermitteln. 15 Auf Basis der Auswertung
der erhobenen Bedarfe werden die ersten Entscheidungen der Personalplanung und Personalentwicklung
(Entscheidung zur Ausbildung) getroffen.
1. Systematische Erhebung des interkulturellen Backgrounds der Zulieferer, Kooperationspartner
und Kundinnen und Kunden (Bedarfsanalyse 1)
2. Systematische Erhebung der Fähigkeiten, die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
vorhanden sind, sowie jener, die zukünftig im Sinne von Managing Diversity gebraucht
und gewollt sind (Bedarfsanalyse 2)
3. Systematische Erhebung der Kommunikations- und Konfliktstrukturen innerhalb des
Unternehmens und des darauf bezogenen Ausbildungsbedarfs (Bedarfsanalyse 3)
Vorgehensweise
Für die Bedarfsanalyse gilt:
• Orientierung am betrieblichen Bedarf (Anwendungsorientierung)
• Orientierung an den Erfahrungen, Interessen und dem interkulturellen Background der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Mitarbeiterorientierung)
Die Bestandsaufnahme wird bei der Initiierung im eigenen Betrieb sowohl von den Personalverantwortlichen
wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getroffen. Befragungen zu den
einzelnen Themenkomplexen sind ein wichtiges Element der Bedarfsanalyse und gut geeignet
für die Planung der daraus folgenden nächsten Schritte. Überdies werden alle im Unternehmen
auf diese Weise mit der Idee von Managing Diversity vertraut gemacht, d. h. für diesen
Prozess sensibilisiert und motiviert. Die Erhebung kann in Form von schriftlichen Befragungen,
Gesprächsinterviews oder innerhalb von Workshops erfolgen.
15 Die Bestandsaufnahmen folgen der Konzeptualisierung von Schwarz-Wölzl 2005, sind dabei um das AGG
ergänzt, z. T. anders gegliedert und vereinfacht.

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 33
Die Durchführung der Bedarfsanalyse –
3 Bestandsaufnahmen und erste Entscheidungen
Bestandsaufnahme 1:
Märkte, Kundinnen und Kunden, Kooperationspartner, Lieferanten und Vertriebswege,
Werbung
Was sind die Zielsetzungen des Unternehmens?
• Kundenbindung
• Erschließung neuer Märkte sowie neuer Kunden und Kundinnen
• Steigerung der Umsätze
• Kostenreduktion
• …
Mit welcher Strategie werden die Ziele verfolgt?
• Marktexpansion
• Internationalisierung
• Technologieführerschaft und Innovationsgeschwindigkeit
• Imagewandel – Nachhaltigkeitspositionierung
• …
Welche Besonderheiten kennzeichnen die Kunden und Kundinnen?
• Alter
• Einkommen
• Geschlecht
• Bildung
• kulturelle Herkunft
• Sprachen
• Änderungen erwartet / Änderungen erwünscht
Welche Besonderheiten kennzeichnen die Lieferanten und Kooperationspartner
• In welchen Ländern/Kulturen operiert das Unternehmen?
• Welche Strukturen und kulturellen Background haben die Zulieferunternehmen?
• Mit welchen anderen Gewerken kooperiert das Unternehmen? Ist hier Diversity gegeben?
• Änderungen erwartet / Änderungen erwünscht

34 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Bestandsaufnahme 2:
Kompetenzen und Qualifikationen
Die betriebliche Ausbildungsstruktur im Lichte des AGG: Diskriminierung und Benachteiligung
• Aus- und Weiterbildung im Sinne des AGG: Wer wird wie viel gefördert, gibt es eine
zu beseitigende Benachteiligung im Sinne des AGG?
Die Ausbildungsstruktur im Lichte von Managing Diversity
• Erhebung der sozio-demografischen Merkmale der Belegschaft. Änderungen erwartet,
Änderungen erwünscht?
• Wie viele neue Mitarbeitende wird das Unternehmen in den nächsten 5 bis 10 Jahren
haben? Auf welchem Qualifikationsniveau werden wie viele gebraucht? (Hilfskräfte,
Angelernte, Fachleute etc.) Welche Fähigkeiten (Sprachen, Computerkenntnisse, Service
etc.) werden in den nächsten 5 bis 10 Jahren gebraucht?
• Welche Talente und Fähigkeiten haben die bereits beschäftigten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter?
• Werden die Talente und Fähigkeiten gewusst und hinreichend anerkannt? Stichworte:
Sprachliche Ressourcen, individuelle Lernbiografien mit z. T. nicht anerkannten Abschlüssen,
informelles interkulturell vermitteltes Wissen um diverse Kundenwünsche /
Geschmack / Gewohnheiten und darauf zu beziehende Werbungstechniken, Umgangsformen
und Verhandlungstechniken, Organisations- und Improvisationstalent … Weitere
Vorkenntnisse und interkulturell vermittelte Arbeitsstile?
• Existiert eine bewusste Förderung der Vermittlung der Fachsprache im Unternehmen?
• Sind die Karrieremöglichkeiten der Beschäftigten offen für alle Gruppen?
• Ist das Unternehmen attraktiv für potenzielle Bewerber und Bewerberinnen aus „Minderheitengruppen“?
Erhebung des Ausbildungsbedarfs der Führungsebene –
Geschäftsleiter, Ausbilder/Moderatoren, Gruppenleiter (fachlich-methodisch, sozial )
• Förderung der Neugier auf die Diversities im Unternehmen, ihr informelles Wissen,
das außerhalb der klassischen Lernorte Beruf und Schule erworben worden ist.
• Förderung migrationssensibler Wahrnehmung unterschiedlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten,
die sich innerhalb des Handwerksunternehmens betätigen oder betätigen
könnten.
• Beseitigung von Lernbarrieren und Förderung der Entwicklungspotenziale der Mitarbeiter/-innen.
Erhebung des Qualifizierungsbedarfs der Mitarbeiter/-innen
• Förderung der Fähigkeit zur positiven Selbsteinschätzung
• Motivation zur Fortentwicklung interkulturellen Wissens

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 35
Bestandsaufnahme 3:
Mitarbeiterzufriedenheit und Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur im Lichte des AGG:
Diskriminierung, Benachteiligung und Belästigung
• Haben die Mitarbeiter zu beseitigende Benachteiligungen (Arbeits- und Entgeltbedingungen)
im Sinne des AGG erfahren?
• Haben die Mitarbeiter zu beseitigende Belästigungen im Sinne des AGG erfahren
(„Verletzung der Würde der Person, insbesondere durch Schaffung eines von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichneten Umfelds“)?
Die Unternehmenskultur im Lichte von Managing Diversity
• Gibt es Gruppen, die weniger integriert sind? Frauen, Ältere, Migrantinnen und
Migranten, gibt es dadurch bedingte Fluktuationen?
• Werden unterschiedliche Religionsriten und damit verbundene Essgewohnheiten im
Unternehmen gewusst? Anerkannt?
• Kommt es zu Konflikten zwischen verschiedenen Abteilungen aus Gründen von Vorurteilen
und Rassismen? Gibt es Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen von
Migranten?
• Verlassen Mitarbeiter/-innen das Unternehmen, weil sie zu wenig Anerkennung erfahren?
Erhebung des Ausbildungsbedarfs der Führungsebene – Geschäftsleiter, Ausbilder/Moderatoren,
Gruppenleiter (fachlich-methodisch, sozial)
• Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft zu einem integrativen Führungsstil
• Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation,
Wahrnehmung von interkulturell überlagerten Problemen
• Fähigkeit, die Entstehung und die Verlaufsformen von Konflikten und ihren interkulturellen
Überlagerungen einordnen und analysieren zu können – Moderatorentraining?
Erhebung des Qualifizierungsbedarfs der Mitarbeiter/-innen
• Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft zu interkultureller Kommunikation und Kooperation
– Selbst- und Fremdwahrnehmung, Stereotype und Vorurteile, Interessensartikulation
und Kommunikationsfähigkeit
• Förderung der Fähigkeit zur Konfliktwahrnehmung und Konfliktbearbeitung

36 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Erste Entscheidungen und Umsetzungsschritte
Wir empfehlen die Planung in Anlehnung an den Zielekatalog der „Charta der Vielfalt der
Unternehmen“) in folgender konzentrierten Form:
• Überprüfung der Personalprozesse, inwieweit „diese den vielfältigen Fähigkeiten und
Talenten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrem Leistungsanspruch gerecht
werden“ und geeignet sind, die „Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb
ihres Unternehmens anzuerkennen, die darin liegenden Potenziale wertzuschätzen
und für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen“ (Bestandsaufnahme 1 und
2).
• Treffen der Entscheidung zur Ausweitung der innerbetrieblichen Kompetenzen durch
Neueinstellung und Ausbildung von Lehrlingen (Bestandsaufnahme 1 und 2)
• Schaffung und Pflege einer Unternehmenskultur, „die von gegenseitigem Respekt und
Wertschätzung jedes Einzelnen geprägt ist“ (Bestandsaufnahme 3)

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 37
Präsentation: Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Teil 1:
Die grundlegenden Aufgaben der Bedarfsanalyse

38 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Erhebungen des Jetztzustands . . .
Kurzfristige und mittelfristige Planungen
• der interkulturelle Background der Zulieferer,
Kooperationspartner, der Kunden und Kundinnen
• vorhandene und zukünftig gebrauchte Fähigkeiten der
Mitarbeiter/ -innen
• Kommunikations- und Konfliktstrukturen innerhalb des
Unternehmens
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Bedarfsanalyse 1:
Die Globalisierung als Chance nutzen
Zielsetzungen und Strategien – jetzt und zukünftig
erwartet / angestrebt
• die vielfältige interkulturelle Struktur der Kunden,
Lieferanten, Kooperationspartner
• Produkte und Serviceleistungen
• Unternehmenspräsentation / Werbung

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 39
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Bedarfsanalyse 2:
Die Vielfalt der Mitarbeiter/ -innen
• Die betriebliche Einstellungspolitik und
Ausbildungskultur - Diskriminierung und
Benachteiligung?
• Welche Talente und Fähigkeiten fördert das
Handwerksunternehmen bzw. will sie fördern?
– Muttersprache und Zweitsprache
– interkulturelles kommunikatives Wissen
um Kunden, Lieferanten etc.
(Werbung, Produkte / Service, Verhandlung)
– interkulturelle Lern- und Arbeitsstile
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Bedarfsanalyse 3:
Innerbetriebliche Kommunikations- und Konfliktkultur
• Die Unternehmenskultur - Diskriminierungen und
Belästigungen?
• Gibt es Kommunikations- und Konfliktstrukturen
– zwischen den Hierarchien (interkulturelle Probleme)?
– innerhalb der Belegschaft (interkulturelle Probleme)?

40 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Teil 2:
Identifikation betrieblicher Handlungsfelder
und erste Umsetzungsschritte
• Ziel 1: Migrationssensible Optimierung der
Personalprozesse
• Ziel 2: Verbesserung der innerbetrieblichen
Kommunikation und Konfliktkultur
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Handlungsfelder für die Verwirklichung
von Ziel 1 der „Charta der Vielfalt“
• Auswertung der Bedarfsanalyse 1:
Globalisierung als Chance
• Auswertung der Bedarfsanalyse 2:
zu entdeckende und zu fördernde Fähigkeiten bei den
Mitarbeiter/-innen
• Entscheidung über migrationssensible Lehrlingsausbildung
und Neueinstellungen von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund
• Weiterbildung für eine verbesserte Nutzung der
vielfältigen Kompetenzen

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 41
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Prinzipien einer Bedarfsanalyse für den
handwerklichen Betrieb – erste Umsetzungsschritte
Handlungsfelder für die Verwirklichung
von Ziel 2 der Charta der Vielfalt
• Auswertung der Bedarfsanalyse 3
Problembereiche bei Kommunikation und
Konfliktkultur?
• Motivation und Sensibilisierung im Unternehmen für
eine verbesserte Integration
• innerbetriebliche interkulturelle Weiterbildung
für die Personalverantwortlichen?
für die Mitarbeiter/- innen?

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 43
Unterrichtseinheit: Diversity als Faktor bei der Personalplanung
Bärbel Schnieders-Focken (HandWERK)
Zeitaufwand:
Zielgruppe:
2 – 3 Unterrichtsstunden
Berufs- und Arbeitspädagogik im Rahmen der AEVO- bzw. Meistervorbereitung
Lernziele:
Die Teilnehmer/-innen sollen ...
• den Begriff „Vielfalt“ (Diversity) kennen
• für die Wertschätzung der individuellen Qualifikation sensibilisiert werden
• das Potential der Vielfalt der eigenen Mitarbeiter erkennen und nutzen können
• die Ziele von Diversity-Managing erkennen und in die Personalplanung mit einbeziehen
können
• die Inhalte der Charta kennen
• Möglichkeiten der Umsetzung von Vielfalt als Chance für den Handwerksbetrieb erkennen.
Didaktische Vorüberlegungen:
In der zunehmenden globalisierten Welt der wirtschaftlichen Tätigkeiten sind auch Handwerksbetriebe
mehr und mehr gezwungen, in grenzüberschreitenden Märkten Fuß zu fassen.
Die Betriebsinhaber werden dadurch gezwungen, Angebote zu entwickeln, die den jeweiligen
Bedürfnissen der Kunden in anderen Ländern und Orten entsprechen. Hierauf müssen sie
nicht nur technologisch bzw. wirtschaftlich-finanziell reagieren, sondern auch in personalpolitischer
Hinsicht. Was für „große“ Betriebe bereits selbstverständlich ist, muss der angehende
Handwerker bzw. Betriebsinhaber sich noch aneignen, um auf Kundenwünsche adäquat reagieren
zu können. Die Personalentwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen wird bislang
jedoch sehr stiefmütterlich behandelt. Dabei ist sie in der globalisierten Welt eine der
Schlüsselfaktoren schlechthin. Insofern ist es nur konsequent, das Problem der Personalentwicklung
verstärkt aufzugreifen und in die Ausbildung der Ausbilder mit einzubeziehen.
Die „Personalentwicklung beinhaltet alle Maßnahmen, die der beruflichen Entwicklung aller
Beschäftigten eines Betriebes dienen ... Die Hauptaufgabe der Personalplanung ist die Ermittlung
des qualitativen und des quantitativen Personalbedarfs.“ (vgl. Sackmann, S. 62 f)
Mittelfristiger und langfristiger Personalbedarf lässt sich grundsätzlich durch die eigene Ausbildung
von Lehrlingen decken, durch eine konsequente Fort- und Weiterbildung der eigenen
Mitarbeiter oder durch Neueinstellungen.
Bei der Personalauswahl gewinnt neben den klassischen Instrumenten in den letzten Jahren
ein weiteres Element, die „Vielfalt“, zunehmend an Bedeutung.

44 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Im Rahmen dieser Unterrichtseinheit soll auf die „Vielfalt“ und die damit verbundenen Vorteile,
sowohl für den Betrieb als auch für das gesellschaftliche Individuum, eingegangen werden.
Die Teilnehmer werden sich mit „Diversity-Grundlagen“ zur Schaffung einer vorurteilsfreien
und integrativen Betriebskultur vertraut machen.
Zunächst geht es darum, sich den Begriff „Vielfalt“ (Diversity) zu erschließen. Es soll deutlich
gemacht werden, dass in einem Betrieb durch die unterschiedlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
eine Vielfalt von Qualifikationen vorhanden ist.
Das Anwenden von „Vielfalts-Management“ verleiht dem Betrieb die Möglichkeit festzustellen,
dass die eigenen Mitarbeiter/innen über bisher unerschlossene Fähigkeiten und Fertigkeiten
verfügen. Damit wird die Vielfalt nicht nur toleriert, sondern erhält eine besondere Wertschätzung
innerhalb des Betriebes.
Wichtig erscheint zunächst die Begriffserklärung, um sich mit der Thematik vertraut zu machen.
Danach sollen sich die Teilnehmer/innen mit den Rahmenbedingungen des Betriebes und den
Kompetenzen und Qualifikationen von momentanen und zukünftigen Mitarbeitern/-innen
auseinander setzen.
Diese Überlegungen sollen weiterhin dazu führen, dass die Teilnehmer/-innen dafür sensibilisiert
werden, die Vielfalt der Qualifikationen als eine Chance für den Betrieb zu erkennen und
nutzbringend anzuwenden. Die daraus entwickelte verbindliche Wertschätzung der individuellen
Fähigkeiten der Mitarbeiter/-innen kann somit Bestandteil einer vorausschauenden Unternehmenspolitik
und der Personalplanung werden.
Nach der Durchführung dieser Unterrichtseinheit ist den Teilnehmern/-innen klar, dass der
interkulturelle Hintergrund von Kunden/Kundinnen sowie von Geschäfts- und Kooperationspartnern
zentraler Ausgangspunkt von „Diversity-Managing“ ist. (vgl. Beer, Hammer 2007).
Wichtig ist zu erkennen, dass es um mehr als nur um die Umsetzung von Vorschriften aus
dem Antidiskriminierungsgesetz geht.
Dieser Prozess wird unterstützt von der „Charta der Vielfalt“, die davon ausgeht, dass Betriebe
zukünftig nur dann wirtschaftlich erfolgreich sind, wenn sie die vorhandene Vielfalt von
Mitarbeitern/-innen erkennen und nutzen. So eröffnen sich Chancen für innovative und kreative
Lösungen.
Die Zielsetzungen der Charta sollen als Abschluss eine Brücke schlagen zu den Umsetzungsund
Anwendungsmöglichkeiten in einem Handwerksbetrieb.

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 45
Methodik:
Thema Sozialform Medieneinsatz
Zeit
Rückblick auf die Grundlagen der Personalplanung
(Lernerfolgssicherung)
Einführung des Begriffes „Vielfalt“
(Diversity)
Bestandsaufnahme (Arbeitsblatt 1)
Welche Qualifikationen ergeben sich
aus der Bestandsaufnahme für die Betriebe?
a) sprachliche Qualifikationen
b) Talente und Fähigkeiten
Charta: Möglichkeiten der Umsetzung
der in der Charta formulierten Zielsetzungen
in Handwerksbetriebe
Darbietend
vortragend
(durch Dozentin)
Darbietend
vortragend
(durch Dozentin)
Lernauftrag mit Gruppenarbeit
fragend-entwickelnd
mit anschließender
Diskussion
Lesephase mit anschließender
Diskussion
Folie
Tafelbild
Arbeitsblatt
Flipchart
Flipchart
Arbeitsblatt „Charta“

46 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Arbeits- und Aufgabenblatt (Bedarfsanalyse)
1. Was sind die Zielsetzungen des Unternehmens?
2. Welche Vielfalt charakterisiert die Kunden/innen?
3. Welche interkulturellen Besonderheiten kennzeichnen
die Lieferanten und Kooperationspartner?

Kapitel 2: Integration von Diversity in die Planung der Ausbildung 47
Ergebnisblatt (Bedarfsanalyse)
Was sind die Zielsetzungen des Unternehmens?
• Kundenbindung
• Erschließung neuer Märkte und Kunden/innen
• Steigerung der Umsätze
• Kostenreduktion
Welche Vielfalt charakterisiert die Kunden/innen?
• Alter
• Einkommen
• Geschlecht
• Bildung
• Kulturelle Herkunft
• Sprachen
Welche interkulturellen Besonderheiten kennzeichnen die Lieferanten
und Kooperationspartner?
• In welchen Ländern/Kulturen operiert das Unternehmen?
• Welche Strukturen und kulturellen Background haben
die Zuliefererunternehmen?
• Mit welchen anderen Gewerken kooperiert das Unternehmen,
ist hier Diversity gegeben?

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 49
Kapitel 3: Migrationssensible Planung und Durchführung
von Einstellungsverfahren
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel 1: Reflexion des Anforderungsprofils mit Bezug auf die interkulturell
ausgerichtete Bedarfsanalyse
Die Einbeziehung der Ergebnisse der interkulturell ausgerichteten Bedarfsanalyse (Kapitel 2)
soll das Anforderungsprofil öffnen für interkulturell vermittelte Kompetenzen, über die vor
allem Jugendliche mit Migrationshintergrund verfügen. Was verstehen wir unter interkulturell
vermittelten Kompetenzen? Welches spezifische Wissen um Kundinnen und Kunden,
Lieferanten und andere Geschäftspartner ist beim Handwerksbetrieb konkret erwünscht und
soll in das Anforderungsprofil eingehen?
Ziel 2: Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Bewertung der
Bewerbungsunterlagen und Planung des Einstellungsgesprächs
Einstellungsverfahren stellen eine große Hürde für Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund
dar. Das liegt auch daran, dass die Bewerber/-innen häufig auf formelle – in Deutschland
anerkannte erworbene Abschlüsse geprüft werden. Das grenzt zum einen jene aus, deren
Abschlüsse hier nicht anerkannt werden. Zum anderen schlagen sich sprachliche Defizite bei
bestimmten Fächern meist in schlechteren Noten nieder. Noten präsentieren überdies unzureichend
die in den verschiedenen Lebensbiografien erworbenen sozialen und personalen
Kompetenzen. Die Einnahme eines Perspektivenwechsels bei der Bewertung der Bewerbungsunterlagen
hilft auch für die Planung des Einstellungsgesprächs.
Ziel 3: Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Durchführung des
Einstellungsgesprächs
Im dritten Schritt werden die migrationssensiblen Gesichtspunkte bei der Durchführung des
Einstellungsgesprächs vorgestellt. Diese betreffen die Vorstellung des eigenen Unternehmens
und die auch auf andere Lernorte als die Schule ausgerichtete Erkundung von Interessen,
Neigungen und Kompetenzen. Und sie schließen eine besondere Sensibilität für die situativen
Bedingungen eines Einstellungsgesprächs ein.
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Planung von Einstellungsverfahren
• Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Durchführung von Bewerbungsgesprächen
2. Präsentation zu den konzeptionellen Inhalten:
• Migrationssensible Planung und Durchführung von Einstellungsverfahren
3. Unterrichtseinheit

50 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Planung von
Einstellungsverfahren – Durchführungshilfen
Für die betrieblichen Ausbilder/-innen ist es wichtig zu ermitteln, ob die Bewerber/-innen
geeignet für die Berufswahl wie auch für das eigene Unternehmen sind. Die Feststellung dieser
Eignung ist wesentliches Ziel der Einstellungsverfahren.
Im allgemeinen wird im Handwerk auf Grundlage einer schriftlichen Bewerbung (Anschreiben,
Lebenslauf, Zeugnis, Lichtbild) eine Vorauswahl für den in Frage kommenden Personenkreis
getroffen und die engere Auswahl durch persönliche Gespräche entschieden. Die Bewerbungsgespräche
haben für beide Seiten – den Bewerberkreis wie den Kreis der Entscheider/-
innen eine hohe Bedeutung. Häufig sind das Erstgespräch und der Ersteindruck für die Bewertung
und Auswahl entscheidend.
Reflexion des Anforderungsprofils
Das Anforderungsprofil für den jeweiligen Ausbildungsplatz bzw. für die zu besetzende Stelle
beruht auf der interkulturell ausgerichteten Bedarfsanalyse und Personalplanung (siehe Lernfeld
2). Auf der Seite der Personalverantwortlichen sollte darauf aufbauend ein klares Anforderungsprofil
erarbeitet werden. Erst auf dieser Basis lässt sich ein reeller Abgleich von geforderten
Kompetenzen zum Wissen, Wollen und Können der Bewerber/-innen vollziehen.
Strukturieren Sie die Anforderungen gemäß der einzelnen Kompetenzgruppen und ordnen Sie
z. B. zu Fachkompetenz interkulturell vermittelte Kenntnisse wie handwerkliches Geschick,
interkulturell vermittelte Kenntnis der Kundenwünsche betreffs technischem Handling, Service,
Reparatur, Marketing etc. hinzu.
• Fachkompetenz umfasst die fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die auszubilden
bzw. vorauszusetzen sind und je nach Arbeits- und Lernfeld z.B. technisches Verständnis,
räumliche Auffassungsgabe, mathematische Fähigkeiten, Farbensinn, Feinmotorik
etc. einschließen können. Interkulturelle Differenzierungen: spezifisches
Fachwissen bei Beratung, Vertragsabschluss, Kundenbetreuung ...
• Methodenkompetenz umfasst die Fähigkeit, Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen methodisch
kreativ und angemessen zu gestalten. Hierzu gehören vor allem systematischplanerische
Herangehensweisen an die Aufgabenstellungen.
• Sozialkompetenz wird allgemein als die Fähigkeit bezeichnet, sich mit anderen konstruktiv
auseinandersetzen zu können, also soziale und personale Situationen „im Interesse
anderer“ zu erfassen. Hierzu zählen Teamfähigkeit, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit,
Hilfsbereitschaft und Konfliktfähigkeit. Interkulturelle Differenzierungen:
spezifische „Verkehrsformen“ bei Beratung, Vertragsabschluss, Kundenbetreuung
....
• Personale Kompetenz meint die Fähigkeit, eigene Begabungen, Motivationen und
Leistungsvorhaben zu entfalten und zu reflektieren. Hierzu zählen Leistungsbereitschaft,
Ausdauer, Hartnäckigkeit, Konzentration, Zielstrebigkeit wie auch Verantwortungsbewusstsein
und Selbstständigkeit.
Und treffen Sie eine Unterscheidung: Welche Kompetenzen sind a) notwendig, welche sind
b) erwünscht?

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 51
Gesichtspunkte migrationssensibler Bewertung von Bewerbungsunterlagen und die
Planung des Vorstellungsgesprächs
1. Vollziehen Sie einen Perspektivenwechsel und versetzen Sie sich in die Lage ihrer Bewerber/-innen
Jugendliche haben wenig Erfahrung mit Einstellungsverfahren, von denen aufgrund der angespannten
Situation auf dem Ausbildungs-/Arbeitsmarkt viel für sie abhängt. Sie sind vor allem
beim Vorstellungsgespräch nervös und fühlen sich in einer Selektions- und Prüfungssituation.
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind hier besonders nervös, sie gehen von der gesellschaftlich
vermittelten Erfahrung aus, überwiegend „schlechtere Karten“ zu haben und möglicherweise
mit Vorurteilen konfrontiert zu werden.
2. Überlegen Sie gezielt die Bedeutung von Noten und Abschlüssen in Relation zu Ihrem
Anforderungsprofil
Noten und Abschlüsse sind ein Auskunftsmittel, aber eben auch nur eines. Vor allem bei Jugendlichen
mit Migrationshintergrund schlagen sich häufig sprachliche Defizite bei bestimmten
Fächern in schlechteren Noten nieder – ohne dass deshalb ein geringeres Wissen oder
Können vorläge. 16
Noten präsentieren nicht jene speziellen personalen und sozialen Kompetenzen, die individuell
bei den Bewerber/-innen vorliegen. Gerade diese können auch außerhalb der Schule und
der beruflichen Bildung erworben worden sein.
Und: Bedenken Sie den interkulturellen Background, über den Jugendliche mit Migrationshintergrund
verfügen! Hierzu gehören sprachliche Ressourcen und Wissen um spezifische
interkulturell vermittelte Kundenwünsche hinsichtlich Geschmack, Verarbeitungsmethoden,
Serviceleistungen, Kommunikation etc.
3. Überprüfen Sie Ihre Kriterien einer gelungenen Präsentation der Bewerber/-innen
Bei der Bewertung von Bewerbungsunterlagen und Einstellungsgesprächen wird häufig von
kulturell eingeengten Bildern einer gelungenen Präsentation der Bewerber/-innen ausgegangen.
Bedenken Sie: Jugendlichen mit Migrationshintergrund fehlen bisweilen die sprachlichen
Mittel und häufig liegen bei ihnen Hemmungen in der „Kunst“ der Selbstdarstellung vor.
Die Frage „passt der/die zu uns“ sollte sich von einer positiven Einstellung zur Vielfalt leiten
lassen und nicht die bisherige Zusammensetzung der Belegschaft zum Kriterium machen.
4. Planen Sie die Mittel und Instrumente für das Einstellungsverfahren
• Vorstellungsgespräch (unstrukturiert und strukturiert)
• Überprüfung der Referenzen
• Arbeitsproben, Probezeit, Praktika erwünscht?
• Intelligenztests, Integritätstests?
• Test zum Berufswissen?
• Assessment Center (Übersetzung: Einschätzungs- und Beurteilungszentrum, Inbegriff
unterschiedlich kombinierter überwiegend handlungsorientierter Auswahlverfahren)?
16 Vgl. Granato 2005

52 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Sollten Sie neben den Vorstellungsgesprächen bestimmte Einstellungstests durchführen: Geben
Sie Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei der Durchführung bestimmter Tests oder
Arbeitsproben nicht zu enge Zeitvorgaben, ihr vorhandenes Wissens zeigen zu können! 17
Migrationssensible Gesichtspunkte bei der Durchführung von
Bewerbungsgesprächen – Durchführungshilfen
Thematische Strukturierung des Einstellungsgesprächs:
Fragen zu Berufswunsch, Kompetenzen, Interessen, Neigungen
der Bewerber/-innen
Vorstellung des eigenen Handwerksbetriebs und der integrativen Unternehmenskultur
Die Vorstellung des eigenen Unternehmens sollte den Bewerber/-innen ermöglichen, sich ein
klareres Bild vom Unternehmen zu machen. Präsentieren Sie die beruflichen Anforderungen
sowie mögliche Arbeits- und Lernsituationen und geben Sie den Bewerber/-innen die Gelegenheit,
hierzu Fragen zu stellen.
• Die Vorstellung des eigenen Unternehmens wird entweder bereits am Anfang – oder
zur Vertiefung der Kompetenzfeststellung platziert. Bei Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund
kann es sinnvoll sein, diese nach einer kurzen „Aufwärmphase“ an
den Anfang zu stellen, um die Gesprächssituation zu entkrampfen.
• Verweise auf die Prinzipien einer integrativen Unternehmenskultur sollen bei den Bewerbungskandidaten
Neugier auf das Unternehmen wecken und ihnen die Sicherheit
geben, nicht mit Vorurteilen konfrontiert zu werden.
Fragen zur Berufswahl und Wahl des Ausbildungsunternehmens
Ein wichtiger Bestandteil von Bewerbungsgesprächen ist die Erkundung der Berufswünsche,
der Berufswahl und der Wahl des Ausbildungsunternehmens.
• Die Berufsvorstellungen der Jugendlichen sind zum einen von der Vorstellung der Attraktivität
geprägt. Diese Vorstellungen bilden sich aus über eigene Interessen und
Neigungen im Vergleich zu anderen Berufen. Informationen, die die Jugendlichen sich
selbst organisiert haben bzw. aus dem Familien- und Freundeskreis sowie medialer
Darstellung stammen, prägen die Vorstellungen wesentlich mit. Zum anderen werden
in dieser Lebensphase die Berufswünsche bereits realistisch formuliert, d.h. die Jugendlichen
bilden ihre Vorstellungen daran aus, was für sie grundsätzlich vom Standpunkt
des Schulabschlusses wie der Arbeitsmarktsituation erreichbar erscheint.
• Eindeutige Schlüsse auf die wirklichen Interessen sind aus der Erkundigung der Berufswahl
vor allem in Zeiten eines großen Drucks auf die Ausbildungs- und Arbeitsmärkte
nicht zu ziehen.
17 Vgl. Hieronymus, Hutter u.a. 2006. Die Autoren zeigen an mehreren Beispielen, dass klassische Eignungstests
monokulturell ausgerichtet sind, da sie z.B. verschiedene Rechentechniken nicht einbezögen, die von
Jugendlichen mit Migrationshintergrund verwandt werden. Ende 2006 haben die Autoren die Modulzusammenstellung
„Azubi-Auswahl mit Zukunft“ präsentiert, welche erstmalig „Interkulturelle Einstellungsverfahren
für gewerblich-technische Berufe“ enthält: Diese beziehen sich auf ein Anforderungsprofil, das
gemeinsam mit Vertretern der Hamburger KFZ- und Metallinnungen sowie mit betrieblichen Vertretern aus
dem KFZ-, Metall- und Elektrobereich entwickelt worden ist.

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 53
Fragen zu diesem Komplex sollten als Erkundigungshorizont Folgendes umfassen:
• Verlauf der Berufswahl und Begründung der Entscheidung,
• die Rolle der Schule wie die anderer Lernorte für den Entscheidungsprozess,
• Interessen und Neigungen, die im Zusammenhang mit der Berufswahl stehen,
• Erfahrungswissen/Vorerfahrungen aus dem Umkreis der Familie bzw. der jeweiligen
Kultur (Autoreparatur, Dachbau, Aushilfen in familiären Betrieben etc.),
• Kenntnisse des Ausbildungsunternehmens sowie des beruflichen Alltags.
Fragen zu Kompetenzen, Interessen, Neigungen
Von Interesse sind sowohl berufsrelevante Kompetenzen wie auch Einstellungen und Verhaltensweisen.
Wesentlicher Hebel für die Erkundigung sind die Selbsteinschätzungen der
Bewerber/-innen. Diese sollen ihre Stärken – ggfs. auch ihre Schwächen – in fachlicher und
methodischer Hinsicht darstellen und Auskunft über ihre fachlichen, sozialen und personalen
Fähigkeiten geben.
• Geeignet sind Fragestellungen, die an der gesamten Lebens-, Lern- und Arbeitsbiografie
ausgerichtet sind.
• Auch situative Fragen („Wie würden Sie in dieser konkreten Situation handeln“) sind
gut geeignet zu ermitteln, mit welchen Zielen und Mitteln die Jugendlichen in vergleichbaren
Situationen / Kommunikationen / Konflikten agieren würden.
• Soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und personale Kompetenzen können allerdings
auch indirekt erkundet werden, z.B. durch die Frage: „Worauf freuen sich die
Bewerber/-innen bei ihrer Ausbildung bzw. Anstellung? – Was befürchten sie dort?
• Ein wesentliches Feld der Erkundung von Kompetenzen stellt der Umkreis von Interessen
und Hobbys dar, da deren Betätigung ihrerseits Wissen, Geschicklichkeit, Organisationsfähigkeit,
Kommunikation etc. erfordert. Diese darauf aufbauenden Kompetenzen
werden vielfach von den Jugendlichen nicht als eigene Stärken gewusst.
Zu beachten ist vor allem bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund Folgendes:
• Es gilt eine ruhige und entspannte Gesprächssituation herzustellen, bei der die Jugendlichen
ihre Nervosität und Hemmung verlieren.
• Die Jugendlichen sind zur Darstellung eigener Stärken zu ermuntern. Hierzu gehören
nicht nur die Beurteilung der eigenen Deutschkenntnisse, sondern auch die der zusätzlichen
sprachlichen Ressourcen aus dem jeweiligen Migrationshintergrund. Bei der
Beurteilung der Sprachkenntnisse gilt: Die gesagten Inhalte sollten klar verständlich
sein, dieses Ausdrucksvermögen lässt Schlüsse über die Klarheit eigener Interessen,
verstandene Inhalte und die Berufswahl zu – nicht der korrekte Gebrauch der Grammatik!
• Bedenken Sie: Vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind die Techniken der
Selbstdarstellung fremd und ungewohnt, sie halten sie zum Teil auch für „Angeberei“.
Sie werden deshalb fälschlicherweise vielfach als „schüchtern“ und wenig „durchsetzungsfähig“
beurteilt. Deshalb gilt: Keine vorschnellen Entscheidungen, d.h. trennen
Sie die Beobachtung von der Bewertung!
• Insgesamt gilt es, bei biografischen Fragenkomplexen migrationssensibel vorzugehen:
Aus vielfacher Diskriminierungserfahrung heraus werden von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund Vorurteile über das familiäre Umfeld bzw. eigene Reli-

54 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
gion/Sitte und das eigene Kommunikations- und Konfliktverhalten erwartet bzw. unterstellt.
Biografische Fragen und Fragen nach bestimmten Situationen in Konflikten
sollen sich deshalb klar auf die jeweilige Kompetenzfeststellung beziehen.
• Beachten Sie die „unzulässigen Fragen“.

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 55
Präsentation: Migrationssensible Planung und Durchführung von
Einstellungsverfahren
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
• Der Begriff der Kompetenz
• Erkundung von Kompetenzen
• migrationssensible Einstellungsgespräche
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Teil 1:
Einführung in den Begriff der Kompetenz
• Kompetenz und Qualifikation
• Kompetenzgruppen

56 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Kompetenz ist . . .
... in gegebenen Situationen ein Handlungsziel
aufgrund von Erfahrung, Können und Wissen
zu erreichen.
Kompetent sein heißt, Situationen
angemessen zu meistern.
(nach Hutter 2004)
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Kompetenz und Qualifikation –
Versuch einer Abgrenzung
Kompetenz
• geht über abprüfbare Qualifikationen
(Prüfungswissen, Abschlüsse) hinaus
• beinhaltet (interkulturell geprägtes) Erfahrungswissen
im Erfassen und Lösen von Aufgaben
• bezieht sich auf die Handlungsfähigkeit der
Auszubildenden
• umfasst die Selbstorganisationsfähigkeit

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 57
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Die Kompetenzgruppen
Fach- und Methodenkompetenz
Fachkompetenz
Methodenkompetenz
• sachgerechte und kreative
Aufgabenerfassung
• sachgerechte und kreative
Bearbeitung von Aufgaben
• Aktivierung des
Erfahrungswissens
• sachgerechte und kreative
Arbeitsplanung
• sachgerechter und
kreativer Einsatz von
Wissen und Arbeitsmitteln
• Aktivierung des
Erfahrungswissens
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Die Kompetenzgruppen
soziale und personale Kompetenz
Soziale Kompetenz
Personale Kompetenz
• Fähigkeit zum
Perspektivenwechsel
• Kommunikationsfähigkeit
• Kooperationsfähigkeit
• Konfliktfähigkeit
• Eigeninitiative /
Selbstständigkeit
• Kreativität
• Ausdauer / Hartnäckigkeit
• Reflexion auf / Zutrauen in
die eigenen Fähigkeiten
• Verantwortungsbewusstsein

58 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
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Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Teil 2:
Erkunden von Kompetenzen
nach: Die Kompetenzbilanz allgemein und für Migranten -
Deutsches Jugendinstitut München / Migranet. 2003
www.fluequal-kompetenzbilanz.de
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Die Lebensgeschichte der Jugendlichen
als Lernbiographie
Formelle Lernorte
Informelle Lernorte
• Kindergarten
• Schulen und Abschlüsse
• Berufsbildung
• Berufe / Jobs / Praktika
• Berufliche Weiterbildung
• Familie (Eltern,
Großeltern, Verwandte)
• Freunde
• Vereine, Klubs, politische
Parteien
• Initiativen, Ehrenämter

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 59
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Erkunden … Identifizieren …
Die Biographie der Jugendlichen als Lerngeschichte
• Stationen der Biographie
• Tätigkeiten, Erfahrungen, Kenntnisse, Fertigkeiten,
Interessen
• Persönliche Lebenserfahrungen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Beispiel: Lernerfahrungen an den
Lernorten Schule/Arbeitswelt
Schule
Berufe
Jobs, Praktika, Aushilfen
Mitarbeit in
Familienbetrieben
Berufliche Ausbildung
• Kulturtechniken wie Rechnen, Lesen,
Schreiben, Allgemeinbildung
• Sprachen, PC, Führerschein
• Handwerkliches Geschick wie
Schweißen, Löten, Restaurieren,
• Zeichnungen für die Werkstattarbeit
erstellen
• Präsentationen erstellen, dekorieren
• Sich abstimmen / Planen /
Organisieren
• Kooperieren und Zusammenarbeiten
• Ausdauer, Zielstrebigkeit

60 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Beispiel: Lernerfahrungen am Lernort Familie
Familienfeste
Haushalt
Betreuung der Geschwister,
Großeltern
Mitarbeit im Familienbetrieb
Reisen / Umbrüche bezogen
auf das eigene
Herkunftsland /
das der Eltern etc.
Krankheiten
• kulturelle Vielfalt, Gebräuche, Musik
• Sprachen, kulturelle Bildung ...
• Kochen, an unterschiedlicher Kultur
ausgerichtete Krankenpflege ...
• organisieren
• sich einfühlen
• Schweißen, löten, restaurieren,
• (interkulturelle) Verkaufs- und
Einkaufstechniken
• Selbstständigkeit
• Kooperieren und Zusammenarbeiten
• Ausdauer
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Beispiel: Lernerfahrungen durch
Hobbys und Interessen
Musik, Tanzen, Malen,
Zeichnen, Lesen, Film,
Reisen, Theaterspielen,
Dichten ....
Fahren mit dem Auto,
Fahrrad, Motorrad ...
Fußball, Schwimmen, Joggen
Garten, Natur, Tiere
• Instrumente, Singen,
Notenlesen, Kenntnis und
Erfahrung in mehreren
Kulturen
• Planen / Organisieren
• Sprachen, PC, Reparieren
• Ausdauer
• Verantwortung übernehmen
• andere unterhalten
• sich einfühlen
• Verantwortungsbewusstsein
• Pflanzenkunde
• motorische Geschicklichkeit

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 61
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Teil 3:
Migrationssensible Überlegungen für das
Einstellungsgespräch
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Perspektivenwechsel einnehmen
Hemmungen und Ängste aufbrechen
• Angst vor der Prüfungssituation nehmen
• Befürchtungen vor Vorurteilen auflösen
• aufzeigen, dass interkulturelle Vielfalt geschätzt wird
• die Jugendlichen ermuntern, über die eigenen
Fähigkeiten und ihre Betätigung zu sprechen

62 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Vorstellung des Unternehmens
Präsentation als Betrieb, der ...
• sich fit macht für die zunehmende
Internationalisierung des Kundenkreises, der
Lieferanten/Geschäftspartner
• die vielfältigen Fähigkeiten und Potenziale der
Mitarbeiter/-innen fördert
• gutes Betriebsklima fördert durch wechselseitige
Anerkennung und Respekt
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Migrationssensible Planung und
Durchführung von Einstellungsverfahren
Abgleich von Kompetenz und Ausbildungsplanung
• Persönliche Ziele/Perspektiven erkunden
• Einschätzungen und Abgleichungen – wie passen
Kompetenzen, Interessen und Berufswünsche mit der
getroffenen Berufswahl / angebotenen Lehrstelle aus
Sicht der Jugendlichen zusammen?
• Wie aus Sicht des Unternehmens / des
Anforderungsprofils?
• Reflexion auf mögliche eigene Vor-Urteile
• Reflexion auf die Bedeutung von Lernen und
Fortbildung

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 63
Unterrichtseinheit: Durchführung von Einstellungsgesprächen
Ralph Niemeier (HandWERK)
Didaktische und methodische Überlegungen zur Unterrichtseinheit
„Durchführung von Einstellungsgesprächen“
Zeitaufwand:
Zielgruppe:
ca. 4 Unterrichtsstunden
Teilnehmer und Teilnehmerinnen der AEVO- bzw.
Meistervorbereitung
In der Bundesrepublik Deutschland leben viele Menschen mit einem Migrationshintergrund.
Daraus folgt, dass sich die Anzahl der Bewerbungen für Ausbildungsplätze von jungen Menschen
mit Migrationshintergrund erhöhen wird. Selbstverständlich erreichen auch die Handwerksbetriebe
solche Bewerbungen. Da in der Regel auf einen Ausbildungsplatz mehrere
Bewerbungen eingehen, sind die Handwerksmeister und Ausbilder in kleinen und mittleren
Betrieben gezwungen, den geeigneten Bewerber bzw. die geeignete Bewerberin auszuwählen.
Die Frage der Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern ergibt zunächst einmal aus dem
Anforderungsprofil. Hierbei gilt es zu überlegen, welche Anforderungen sich aus der Struktur
des Betriebes und seiner Kunden ergeben (siehe Unterrichtseinheit Personalplanung; Bärbel
Schnieders-Focken).
Der nächste Schritt bei der Einstellung von Auszubildenden ist die Sichtung der Bewerbungsunterlagen.
Aufgrund dieser Unterlagen wird eine erste Auswahl getroffen, und zwar dahingehend,
welche Bewerberin bzw. welcher Bewerber zu einem Einstellungsgespräch eingeladen
werden. Das bedeutet, dass den Bewerbungsunterlagen eine hohe Bedeutung zukommt.
Mangelhafte und unvollständige Bewerbungsunterlagen haben zur Folge, dass ein Einstellungsgespräch
gar nicht erst stattfindet. (Aus diesem Grund wurden die beiden Bewerbungsunterlagen
für die Unterrichtseinheit „Einstellungsgespräch“ geändert.)
Gerade in kleinen und mittleren Handwerksbetrieben ist dieses Einstellungsgespräch von immenser
Bedeutung für die Entscheidung des Meisters, welcher Bewerberin bzw. welchem
Bewerber er den Ausbildungsplatz anbietet. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Meister
und Ausbilder auf ein solches Einstellungsgespräch vorzubereiten. Dazu gehört es auch, die
Meister und Ausbilder für die Vielfalt eines jeden Bewerbers bzw. einer jeden Bewerberin zu
sensibilisieren.
Also bedarf es bei der Vorbereitung eines Einstellungsgespräches der Entwicklung von Fragen
hinsichtlich der speziellen Fähigkeiten der einzelnen Bewerberinnen und Bewerbern, die
selbstverständlich den Migrationshintergrund berücksichtigen und positiv aufgreifen. Aus
diesem Grund ist die Entwicklung solcher Fragen Bestandteil der Unterrichtseinheit „Durchführung
von Einstellungsgesprächen“.
Auf Basis der im Unterricht in Gruppenarbeit entwickelten Fragen sollen die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen Einstellungsgespräche durchführen. Dieses soll in Rollenspielen geschehen.
Dadurch werden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in die Lage versetzt, ein Einstellungsgespräch
aus der Sichtweise des Bewerbers bzw. der Bewerberin wahrzunehmen. Das trägt
dazu bei, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen für die Gefühle und Ängste der Bewerber und
Bewerberinnen zu sensibilisieren. Diese Vorgehensweise erscheint mir sinnvoller als lediglich
Fragen zu entwickeln und diese schriftlich festzuhalten ohne eine praktische Umsetzung.

64 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Die Ergebnisse dieser Einstellungsgespräche sowie die Gefühle und Empfindungen der Teilnehmer
und Teilnehmerinnen sollen schriftlich festgehalten und in der Gesamtgruppe diskutiert
werden.
Zum Abschluss dieser Unterrichtseinheit erhalten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine
Zusammenfassung der Ergebnisse einschließlich der geäußerten Gefühle und Empfindungen,
um sie so in die Lage zu versetzen, diese Ergebnisse in die betriebliche Praxis umzusetzen.
Methodik
Thema Sozialform Medien
Rückblick auf die Inhalte
und deren Bedeutung in
den Bewerbungsunterlagen
Vortrag (Dozent)
Einführung des Begriffs
"Vielfalt" (Diversity)
Vortrag (Dozent)
in Absprache mit
anderen Dozenten
Bewerbungsunterlagen
zweier Bewerber
Diskussion in der
Gesamtgruppe
im Internet verfügbar
unter
http://www.ausbil¬
dung-meistern.de
Änderungsvorschläge
beachten
(s.u.)
Entwicklung von Fragen für
die Einstellungsgespräche
Gruppenarbeit
Durchführung der Einstellungsgespräche
Gruppenarbeit
Festhalten der Ergebnisse
Diskussion in der
Gesamtgruppe

Kapitel 3: Migrationssensible Einstellungsverfahren 65
Vorbemerkung zum Material zur Unterrichtseinheit
Zugrunde liegt dieser Unterrichtseinheit auch die Auseinandersetzung mit den Fallanalysen,
die im Rahmen des Projekts KVPP am Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk an
der Universität zu Köln entwickelt worden sind 18 . Die beiden Bewerbungen, die dieser Unterrichtseinheit
zugrunde liegen, sind entnommen aus http://www.ausbildung-meistern.de.
Allerdings wurden einige Änderungen vorgenommen, die ich im Folgenden begründe.
1. Der Name „Willi Weißnicht“ wurde geändert in „Martin Lüdemann“, da mir der Name
„Weißnicht“ doch herabwürdigend erscheinen kann.
2. Die versäumten Stunden von „Willi Weißnicht“ bzw. Martin Lüdemann wurden von
18 auf 28 erhöht, um ein gleichmäßigeres Verhältnis zu den Fehlstunden des anderen
Bewerbers herzustellen.
3. Der Name „Ramsi Kamikaze“ wurde geändert in „Ramsi Hany“, da der Name „Kamikaze“
meiner Meinung nach negativ besetzt ist und deshalb zu einer Benachteiligung
dieses Bewerbers führen könnte.
4. Die versäumten Stunden von „Ramsi“ wurden von 94 auf 18 reduziert, die unentschuldigten
Fehlstunden wurden von 53 auf 10 reduziert, weil die extrem hohe Fehlstundenzahl
meines Erachtens nach dazu führt, dass dies im Einstellungsgespräch ein
zentrales Thema wird und somit die Frage des Migrationshintergrundes in den Hintergrund
gerät.
5. Die Deutsch-Note von Ramsi wurde von „mangelhaft“ in „ausreichend“ geändert,
damit „Ramsi“ nicht von vornherein benachteiligt wird.
6. Zusätzlich wurde der Bewerbung von „Ramsi Hany“ ein Anschreiben beigefügt, damit
die Bewerbung den formalen Vorgaben entspricht und der Bewerbung von „Willi
Weißnicht“ bzw. „Martin Lüdemann“ gleichgestellt ist.
18 Vgl. Schaumann, Brücken 2000

66 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Ramsi Hany Ludwigstr. 68
53333 Holzhausen
Telefon 02222/74338
Tischlerei Hans Hölzer
Holzstr. 2-4
53333 Holzhausen
Holzhausen, 14. Juli 2005
Bewerbung um eine Lehrstelle als Tischler
Sehr geehrter Herr Hölzer,
ich habe bei der Bundesagentur für Arbeit Ihre Anzeige gesehen.
Ich möchte mich auf diese Anzeige hin bei Ihnen als Lehrling bewerben.
Ich habe in diesem Jahr meinen Hauptschulabschluss nach Klasse 10 gemacht.
In der 10. Klasse habe ich ein Schulpraktikum in einer Schreinerei gemacht, die Bescheinigung
liegt bei.
Die Arbeit in dieser Schreinerei hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe gemerkt,
dass mir das Bearbeiten wie Formen, Gestalten und Verarbeiten von Holz sehr gut
gefällt.
Deswegen möchte ich gerne Tischler werden.
Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Ramsi Hany
Anlagen:
Lebenslauf mit Foto
Abschlusszeugnis Klasse 10
Bescheinigung über das Schulpraktikum

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 67
Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel 1: Sensibilisierung für die Gefahr von Ausbildungsabbrüchen
In einem ersten Schritt wird die hohe Zahl von Ausbildungsabbrüchen im Handwerk allgemein
sowie die Entwicklung im Land Bremen vorgestellt. Im zweiten Schritt sollen die wesentlichen
Konfliktpunkte, die seitens der Auszubildenden genannt werden, dokumentiert
werden. Deutlich soll werden, wie wichtig die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen
durch die Betriebsinhaber/-innen für alle Jugendlichen, besonders aber auch für Auszubildende
mit Migrationshintergrund, in der betrieblichen Ausbildung ist.
Ziel 2: Verbesserte Integration der Ausbildungsanforderungen in den
betrieblichen Ausbildungsalltag im Handwerk
Vorgestellt wird anhand von Umfrageergebnissen, wie die Auszubildenden den Ausbildungsalltag
mit den Rahmenbedingungen, welche das Lernen betreffen, erfahren. Die zukünftigen
Meister sollen verstehen, wie wichtig die Integration der Ausbildungsanforderungen
in die „Ausbildung am Arbeitsplatz“ (Lernfeld 4) für die Auszubildenden ist. Die Rolle
des betrieblichen Ausbildungsplans in der betrieblichen Ausbildung im Handwerk sollte gestärkt
werden. Ebenso sollten die Lernanforderungen, die sich aus der Zwischen- und Abschlussprüfung
ergeben, besser integriert werden. Eine verbesserte Kooperation mit außerbetrieblichen
Lernorten ist notwendig.
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Ausbildungsabbrüche – Daten und Fakten; Hintergründe und erste Strategien zu ihrer
Vermeidung
2. Präsentation zu den konzeptionellen Inhalten
• Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
3. Unterrichtseinheit: siehe das entsprechende Modul „Ausbildungsabbruch“ in Kapitel 6

68 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Ausbildungsabbrüche – Daten und Fakten; Hintergründe und erste
Strategien zu ihrer Vermeidung
Eine Schlüsselfunktion für eine gelungene Integration von Diversity in den Arbeits- und
Lernprozess kommt den betrieblichen Ausbilder/-innen zu. Dies gilt vor allem für das Handwerk
und innerhalb des Handwerks für die Klein- und Kleinstbetriebe. In diesem Kapitel
werden jene Hebel vorgestellt, welche der handwerkliche Betrieb zur Verminderung von Ausbildungsabbrüchen
auf seiner Seite hat.
Die Entscheidung zu einer vorzeitigen Lösung von Ausbildungsverträgen beruht überwiegend
auf einer Unzufriedenheit mit der Ausbildungssituation. Die Folgen hierfür können dramatisch
sein. Nicht immer gelingt den Jugendlichen eine berufliche Neuorientierung, d.h. ein
Wechsel in ein anderes Ausbildungsverhältnis. 19 Vor allem für Jugendlichen mit Migrationshintergrund
beinhaltet die Vertragslösung die Gefahr, arbeitslos zu werden bzw. ohne Berufsabschluss
arbeiten zu müssen. Dabei ist unstrittig, dass ihre Integrationsmöglichkeiten auf
einem ohnehin angespannten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt deutlich geringer sind.
Aber auch für die Ausbildungsbetriebe ist eine vorzeitige Vertragsauflösung ein Bruch, welcher
sich als „Fehlinvestition“ darstellt. Dies gilt vor allem für jene Ausbildungsbetriebe, die
mit der innerbetrieblichen Ausbildung die vielfältigen Potenziale ihrer Belegschaft entdecken
und fördern wollen (siehe Kapitel 2). Sie investieren in die Ausbildung von Lehrlingen und
damit auch in die Internationalisierung ihrer Geschäftsbeziehungen.
Die qualitativen Daten, die sich auf Einstellungen, Unzufriedenheit und Wünsche der Auszubildenden
beziehen, sind der Bremer Studie „Ausbildungsrealität – Anspruch und Wirklichkeit“2006
20 bzw. der EMNID-Studie 2002 21 entnommen – die allgemeinen Daten, soweit
nicht anders vermeldet, dem Bericht azubi 1996-2006, Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung
und Jugendberufshilfe.
1. Ausbildung und Ausbildungsabbrüche in Deutschland und im Land
Bremen / Allgemein und für das Handwerk
Folgende Statistiken sind vor dem Hintergrund zu reflektieren, dass laut EMNID-Studie 22
knapp 2/3 der Vertragslösungen auf den Wunsch der Jugendlichen zurückgingen. Und auch
folgendes Ergebnis ist mit zu bedenken: Knapp drei Viertel der Jugendlichen sahen den Abbruch
des Ausbildungsverhältnisses im Nachhinein als vermeidbar an.
19 Die EMNID-Studie wurde im Auftrag des Westdeutschen Handwerkskammertags durchgeführt. Im Jahre
2000 wurden 400 Ausbildungsabbrecher/-innen nach dem 1. Ausbildungsjahr befragt, des Weiteren 300 betriebliche
Ausbilder/-innen sowie 310 Lehrkräfte, die an Berufskollegs unterrichten. Vgl. Westdeutscher
Handwerkskammertag, 2002. Nach der EMNID-Studie blieben ca. 35 % der Jugendlichen ohne Berufsabschluss.
Siehe EMNID, Westdeutscher Handwerkskammertag 2002
20 Vgl. Quante-Brandt u.a. 2006, „Ausbildungsrealität – Anspruch und Wirklichkeit. Studie zum Wandel von
Wahrnehmungen und Einstellungen Auszubildender im Ausbildungsverlauf, 1/2006“. Diese Studie wurde
innerhalb des Projekts „Ausbildung – bleib dran“ von der Akademie für Arbeit und Politik der Universität
Bremen als Längsschnittstudie durchgeführt. Für die Erhebung wurden insgesamt 660 Fragebögen während
der Probezeit (davon 146 MigrantInnen), 536 zum Zeitpunkt der Zwischenprüfung (davon 87 MigrantInnen)
413 zur Abschlussprüfung (davon 59 MigrantInnen) ausgewertet. In dieser Längsschnittstudie wurden von
überwiegend denselben Auszubildenden die Fragebögen ausgefüllt.
21 Siehe Fn. 1
22 Vgl. EMNID, Westdeutscher Handwerkskammertag 2002

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 69
Die Zahl gelöster Ausbildungsverträgen in Deutschland ist insgesamt hoch.
• Die Lösungsquote betrug 23 in den Jahren 1996 – 2006 um die 20%.
• 2000 – 2002 wurden Werte um 24% erreicht.
• 2005 und 2006 sanken diese relativ auf 19,8 bzw. 19,9% 24 .
Im Land Bremen sind die Lösungsquoten – außer im Jahr 2006 – generell höher:
• Die Lösungsquote stieg von 25,4% im Jahre 1996 auf 28% (2001), 2005 betrug diese
21,4% und 2006 19,6%.
Die Zahlen gelöster Ausbildungsverträge im Handwerk:
• Dort betrug die Lösungsquote in Deutschland 1996 25,4%.
• Sie erreicht 2002 mit 30,1% ihren Höhepunkt.
• Sie betrug 2006 23,7%.
Deutlich höher wiederum ist die Lösungsquote im Handwerk im Land Bremen im Vergleich
zum Bundesschnitt.
• Im Land Bremen beträgt die Zahl vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge im Handwerk
in den Jahren 1997 bis 2002 zwischen 40% und 47%.
• Die Tendenz ist seit 2001 abnehmend und betrug 2006 30,1%.
• Überdies liegt die Lösungsquote im Bremer Handwerk deutlich höher als die für alle
Ausbildungsverträge des Landes Bremen, diese betrug 2006 19,6%.
Statistiken, die diese Angaben für Jugendliche mit Migrationshintergrund spezifizieren, liegen
leider nicht vor. Allerdings gibt es einen deutlichen Hinweis aus der Bremer Studie 25 :
• Die Vertragslösungsquote betrug im Befragungszeitraum für die Gesamtgruppe von
660 Auszubildenden - davon waren 146 MigrantInnen - ca. 37%. 413 der Auszubildenden
schloss die Ausbildung ab, davon allerdings nur noch 59 MigrantInnen. Die
Vertragslösungsquote betrug bei dieser Personengruppe also ca. 60%
Vor allem in jenen Unternehmen, zu denen Jugendliche mit Migrationshintergrund größeren
Zugang haben, ist die Quote der Vertragslösungen der Bremer Studie zufolge besonders groß.
• Die Auszubildenden waren bei der Befragung (Bremer Studie) in ihrer Gesamtverteilung
zu 41,5% in Kleinstbetrieben (Betriebsgröße 1 – 10) beschäftigt, von den
MigrantInnen waren es 49%.
• Die Anzahl der Vertragslösungen betrug bei den Kleinstbetrieben 45%. Es bestätigt
sich so weiter der Zusammenhang „Je kleiner der Ausbildungsbetrieb, desto höher die
Quote der Vertragslösung“ (Granato 2003).
• 47% von den Vertragslösungen bei den Kleinstbetrieben wurden von MigrantInnen
vollzogen.
23 Die Lösungsquoten sind vom BiBB erstellt und dem Bericht des BIAJ entnommen, vgl. Schröder, BIAJ 2007
24 Vgl. Schröder, BIAJ 2007
25 Vgl. Quante, Brandt u. a. 2006

70 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Zeitpunkte der Vertragslösungen im Land Bremen – Besonderheiten im Handwerk
• Im ersten Ausbildungsjahr lösten 2006 im Land Bremen 51,5% der „Vertragslöser“
den Vertrag, von ihnen etwa 28,5% in der Probezeit. Im Handwerk waren dies 44,5%,
davon 35,8% in der Probezeit.
• Im zweiten Ausbildungsjahr lösten 2006 im Land Bremen 26,4% den Vertrag, im
Handwerk 21,7%
• Im dritten Ausbildungsjahr lösten 2006 im Land Bremen 18,9% den Vertrag, weitere
3,3% lösten ihren Vertrag im vierten Ausbildungsjahr. Im Handwerk verteilen sich die
Abbrüche im Ausbildungsverlauf wie folgt: 26,0%, lösten den Vertrag im dritten und
7,8% im vierten Ausbildungsjahr.
2. Wesentliche Konfliktpunkte aus der Sicht der Auszubildenden –
migrationsspezifische Besonderheiten
Die Gründe für Ausbildungsabbrüche sind prinzipiell drei Bereichen zuzuordnen 26 , welche im
konkreten Fall jeweils unterschiedlich gewichtet eine Rolle spielen und zusammentreffen
können.
• Lernort Betrieb
• Lernort Schule
• Private Probleme der Jugendlichen
Wir behandeln hier vor allem die Konfliktpunkte, die sich auf den Lernort Betrieb beziehen.
Damit die Ausbilder/-innen der Gefahr von Ausbildungsabbrüchen wirksam begegnen können,
müssen sie bereit sein, Ausbildungskonflikte frühzeitig wahrzunehmen und konstruktiv
auszutragen. Wie bei jeder konstruktiven Konfliktbearbeitung 27 ist ein Perspektivenwechsel 28
gedanklich vorzunehmen. Dazu ist es hilfreich, folgendes zu wissen:
• Welche Schwierigkeiten äußern die Auszubildenden im Prozess der beruflichen Entwicklung?
• Welche Wünsche und Unzufriedenheiten äußern spezielle Jugendliche mit Migrationshintergrund
zum Lernort Betrieb?
a) materielle Interessenskonflikte
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Bremer Studie dargestellt, die sich auf die Unzufriedenheit
der Auszubildenden mit dem Verhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt beziehen.
Dieses wird vielfach als Missverhältnis empfunden – unabhängig davon, ob dies zu einem
Ausbildungsabbruch führt oder nicht.
26 Vgl. EMNID, Westdeutscher Handwerkskammertag 2002
27 Siehe Kapitel 5
28 Bei Ausbildungsabbrüchen werden die Ausbilder/-innen von den Jugendlichen als Gegenpartei empfunden.
So sehen sich auch die betrieblichen Ausbilder/-innen selbst. Typisch für die Bewertung der Ausbildungsabbrüche
sind bei ihnen wie bei den Jugendlichen einseitige Schuldzuweisungen, vgl. EMNID, Westdeutscher
Handwerkskammertag 2002

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 71
An erster Stelle der Kritikpunkte stehen die geringen Ausbildungsvergütungen, dies verweist
auf den Interessengegensatz, den es hier zwischen dem ausbildenden Betrieb und den Jugendlichen
gibt und der beiden Seiten bewusst sein sollte.
Bereits an zweiter Stelle steht die Nichtbezahlung der Überstunden. Fast 40 % geben an, die
geleisteten Überstunden nicht vergütet zu bekommen, wozu der Betrieb nach § 17 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz
verpflichtet ist 29 .
Vergleichsweise hoch ist auch die Angabe über unpünktliche Bezahlung der Ausbildungsvergütung.
25% haben zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung ihre Bezahlung unpünktlich erhalten.
Regelverletzungen dieses Typs führen zu Ausbildungskonflikten - auch wenn sie nicht zu
Ausbildungsabbrüchen führen müssen. Ökonomische Regelverletzungen destabilisieren die
Auszubildenden in ihrer eigenen materiellen Lage; sie lassen bei diesen das Gefühl der Ohnmacht
entstehen. Diese Konfliktpunkte sind zu vermeiden bzw. zu entschärfen, wenn der ausbildende
Betrieb die rechtlichen Bestimmungen des Ausbildungsvertrages einhält. Auch
Handwerksunternehmen mit Sorgen um die eigene betriebliche Existenz sollten nicht die
Auszubildenden dafür haftbar machen. 30
Die Bremer Studie diskutiert den Zusammenhang von Pflichtverletzungen der Betriebe zu
Pflichtverletzungen seitens der Jugendlichen wie z. B. Unpünktlichkeit. Unpünktlichkeit
nimmt im Längsschnitt im Verhältnis zur Nichtzahlung der Überstunden zu. Dies zeigt auf,
dass die Nichteinhaltung der formalen Rahmenbedingungen durch die Betriebe Stoff für Ausbildungskonflikte
generiert.
b) Ausbildungskooperation und ausbildungsbezogene Konfliktpunkte –
migrationsspezifische Besonderheiten
Im Handwerk (und innerhalb desselben vor allem bei Klein- und Kleinstbetrieben) wird in
Form konkreter Arbeitsaufträge gelernt. „Learning by doing” gilt als Prinzip. Die Kooperation
mit den betrieblichen Ausbilder/-innen wird der Bremer Studie zufolge überwiegend positiv
beurteilt.
Gesamtheit der Befragten
Fachlich gute Anleitung Probezeit 81%, Abschlussprüfung ca. 66%
Gemeinsame Besprechung der Aufgaben Probezeit 76%, Abschlussprüfung ca. 64%
Ausreichendes Eingehen auf Fragen Probezeit 81%, Abschlussprüfung ca. 62%
Zugestehen von Fehlern Probezeit 70%, Abschlussprüfung ca. 64%
Jugendliche mit Migrationshintergrund
Zugestehen von Fehlern Probezeit 70%, Abschlussprüfung ca. 56%
Die Bewertung durch die Jugendlichen mit Migrationshintergrund sinkt zur Abschlussprüfung
von 70% zur Probezeit auf 56% zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung ab – damit um 8 Prozentpunkte
mehr als beim Gesamtsample.
Fachlich gute Anleitung
Probezeit 76% (5 Prozentpunkte weniger als
Gesamtsample)
29 36% der Jugendlichen geben dies als einen der maßgeblichen Gründe für die Vertragslösung in der EMNID-
Studie an.
30 Siehe Präsentation „Daten und Fakten – Hintergründe“

72 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Gemeinsame Besprechung der Aufgaben: „Im Vergleich zum Gesamtsample fallen die Bewertungen
der MigrantInnen bei ,Aufgaben werden
gemeinsam besprochen’ (…) um etwa 10
Prozentpunkte niedriger aus“ (Zeitpunkt Abschlussprüfung)
(S. 52 f.).
Zugleich empfinden Jugendlichen mit Migrationshintergrund stärker „Anerkennung durch die
Betriebe“ als die Gesamtgruppe (5 Prozentpunkte). Deshalb ist die relativ geringere Erfahrung
von Fehlertoleranz bzw. Besprechungen und Anleitung eher nicht auf direkte Diskriminierungserfahrungen
im Betrieb zurückzuführen. Wir schließen, wie die Verfasser der Bremer
Studie, dass die Ausbilder/-innen – möglicherweise aufgrund von wirklichen oder unterstellten
Sprachschwierigkeiten – weniger mit den Jugendlichen mit Migrationshintergrund kommunizieren
als mit den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.
„Migrantinnen sind in Bezug auf die Kommunikationsmöglichkeiten über ihre
geleistete Arbeit schlechter gestellt als die deutschen Auszubildenden, aber sie
empfinden trotzdem stärker die Anerkennung durch die Betriebe“ (S. 54)
Für die Jugendlichen (mit und ohne Migrationshintergrund) unklar bleibt vielfach der Zusammenhang
von Lerninhalte und zu leistenden Arbeitstätigkeiten. Unzufrieden werden sie
vor allem dann, wenn die Anforderungen an das Lernen durch die Zeitpunkte Zwischen- und
Abschlussprüfung steigen. Das Gefühl „ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben zu müssen“,
verstärkt sich vielfach zum Zeitpunkt der Zwischen- und Abschlussprüfung. Arbeitshetze und
Leistungsdruck werden zunehmend als Überforderung wahrgenommen.
Kritisiert werden folgende Punkte, und zwar ansteigend nach der Zwischenprüfung im Ausbildungsverlauf:
• „ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben zu müssen“ 31
• „ständige Arbeitshetze“
- „hoher Leistungsdruck“ 32
„Hohen Leistungsdruck“ empfinden die Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker als die
Gesamtgruppe zum Zeitpunkt der Probezeit wie zur Zwischenprüfung – nicht jedoch zur Abschlussprüfung.
3. Verbesserte Integration der Ausbildungsanforderungen in den
betrieblichen Ausbildungsalltag
Die berufliche Bildung obliegt im Handwerk, speziell in den Klein- und Kleinstbetrieben zumeist
dem bzw. der Betriebsinhaber/- in, bzw. Meistern und Gesell/-innen. Sie ist im Unterschied
zur Lehrlingsausbildung in Großbetrieben personenzentriert. Die Jugendlichen erfahren
dies vielfach als persönliche Abhängigkeit, Ausbildungskonflikte als persönliche Konflikte
mit den betrieblichen Ausbilder/-innen. Abhilfe bei Klein- und Kleinstbetrieben schafft
Transparenz und Klarheit über den Ausbildungsverlauf im Verhältnis zu den Ausbildungsanforderungen.
Wichtig erscheint dies vor allem bei der Ausbildung von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund.
31 48 % der Jugendlichen nennen die „Ausübung ausbildungsfremder Tätigkeiten“ als wesentlichen Grund ihrer
Vertragslösung, siehe EMNID, Westdeutscher Handwerkskammertag 2002
32 Vgl. Präsentation „Daten und Fakten – Hintergründe“

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 73
Untransparent bleiben im betrieblichen Ausbildungsalltag, wie die oben angegebenen Konfliktpunkte
zeigen, folgende Zusammenhänge:
• der Zusammenhang von Arbeiten und Lernen im Ausführen konkreter Arbeitsaufträge
• der Zusammenhang von Gelerntem im Betrieb und den theoretischen Anteilen in der
Berufsschule
• der Zusammenhang von Gelerntem zu den Prüfungsanforderungen
Ausbildungsverläufe gelingen dann, wenn die Jugendlichen diese Zusammenhänge bewusst
erfahren und selber beeinflussen und auch steuern können. Nicht nur für die Ausbilder/-innen
ist es wichtig, die Ausbildung zu planen. 33 Nicht minder wichtig ist, dass die Auszubildenden
für sich wissen, wie sie das Erreichen der Ausbildungsziele realisieren können. Sie sollen sich
bei aller Flexibilität im Erfüllen wechselnder Auftragslagen praktisch darauf verlassen können,
dass ihr Ausbildungsinteresse vom Betrieb gestützt wird. Eine Schlüsselfunktion für die
Planung und Kommunikation der Planung kommt den betrieblichen Ausbilder/-innen zu, d. h.
ihrer Bereitschaft, diese erfahrbar zu machen. 34
• Zu stärken ist die Rolle des betrieblichen Ausbildungsplans in der Ausbildung. Wichtig
ist die Kommunikation über inhaltliche Anforderungen an praktisches Können und
theoretisches Wissen. Auch sollte den Auszubildenden die Systematik in der Erarbeitung
vertraut sein. Wichtig ist die gemeinsame Klärung über den Zeitrahmen, in der
diese Erarbeitung erfolgen kann. Der Bremer Studie zufolge wird der Ausbildungsplan
von den Ausbilder/-innen zu wenig als Steuerungs- und Kommunikationsmittel genutzt.
65 % der Befragten kennen den Ausbildungsplan (Probezeit), 35 % kennen ihn
folglich nicht – wobei sich die Aussagen der Jugendlichen mit bzw. ohne Migrationshintergrund
kaum unterscheiden. Lediglich 53 % der Befragten können beurteilen, ob
sie nach dem Ausbildungsplan unterrichtet werden oder nicht. Die übrigen Befragten
zeigten sich unsicher.
• Zu verbessern ist die Integration der Lernanforderungen, die sich aus der Zwischenund
Abschlussprüfung ergeben. Unsicherheit, inwieweit das Gelernte den Prüfungsanforderungen
entspricht, spiegelt sich in Prüfungsangst wider. 24 % der Jugendlichen
geben der EMNID-Studie zufolge an, dass Prüfungsangst ausschlaggebend für
die Vertragslösung war, was aus der Sicht der Ausbilder/-innen bestätigt wird – 22 %
halten die Prüfungsangst für ausschlaggebend. Der Bremer Studie zufolge geben unabhängig
vom Vollzug eines Ausbildungsabbruchs 60 % der Befragten an, Prüfungsangst
zu haben. Zur Verminderung der Prüfungsangst ist es überdies wichtig, die Kooperation
der Lernorte (Berufsschulen, Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung) zu
verbessern.
Vermehrte Kommunikation in der Ausbildung über die Ausbildungsinhalte und Ausbildungsanforderungen
erscheint um so notwendiger, als sich Jugendliche mit Migrationshintergrund
der Bremer Studie 35 zufolge bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Lehrbetrieb deutlich
mehr „alleingelassen“ fühlen als die anderen Probanden.
• Mehr Erklärungen über die zu verrichtende Arbeit wünschen 44% von den
MigrantInnen – im Unterschied zur geschlechtsspezifischen Aufschlüsselung. 35 %
„Männer“ bzw. 36 % „Frauen“ wünschen „mehr Erklärungen“.
33 Vgl. Bourichter, Richtarsky 2004, S. 85
34 Vgl. Ibe, Quant, S. 239
35 Vgl. Quante-Brandt u. a. 2006, S. 44

74 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
• Mehr Anleitungshilfen für die praktische Arbeit wünschen 43 % von den
MigrantInnen im Unterschied zu 32 % „Männer“ bzw. 36 % „Frauen.
Diese Bedürfnisse einer verbesserten Ausbildungskooperation verweisen auch auf die Problematik
des Lernens in der Zweitsprache.

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 75
Präsentation: Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
(Quelle: Quante-Brandt 2006)
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten
1996 – 2006
(Bremen / Deutschland – Handwerk / allgemein)
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge
50
40
Prozent
30
20
10
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Bund
Handwerk Deutschland
Land Bremen
Handwerk Bremen

76 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge
(Handwerk) im Land Bremen
60
50
Prozent
40
30
20
10
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
1. Ausbildungsjahr 2. Ausbildungsjahr
3. Ausbildungsjahr 4. Ausbildungsjahr
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Gründe für Abbruch der Ausbildung
mangelnde Qualität in ÜLU
Unterforderung
formale Probleme (Vertrag…)
Konflikt mit Gesellen
Fehlverhalten d. Azubis im Betr.
schwere körperl. Arbeit
Überforderung
häufige Überstunden
mangelnde Qualität betriebl. Ausbildg
mangelnde Fähigkeiten Ausbilder
berufsfremde Tätigkeiten
Konflikte mit Ausbildern
Azubi
Ausbilder
Quelle: EMNID 2002
0 10 20 30 40 50 60
Anzahl (%)

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 77
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Konfliktpunkte bezogen auf die materielle
Ausbildungssituation im Verlauf der Ausbildungsjahre
der schlechte Verdienst
Keine Vergütung der
Überstunden
die Überstunden
unpünktliche Zahlung der
Ausbildungsvergütung
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Prozent
Probezeit Zwischenprüfung Abschlußprüfung
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Konfliktpunkte bezogen auf Aufgaben und
Aufgabenbewältigung im Verlauf der Ausbildungsjahre
Sie erleben ständige Arbeitshetze
Sie bekommen Ärger, w enn Sie
Aufgaben nicht lösen können
Sie führen häufig
ausbildungsfremde Tätigkeiten
aus
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Prozent
Probezeit Zwischenprüfung Abschlußprüfung

78 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge bei Frauen
der Beruf entspricht nicht
ihren Vorstellungen
der Ausbildungsbetrieb
entspricht nicht ihren
Vorstellungen
Sie finden die
Arbeitsbedingungen
unattraktiv
Sie haben Ärger im
Ausbildungsbetrieb
Probezeit
Zwischenprüfung
Abschlußprüfung
Sie haben gesundheitliche
Probleme
aus privaten Gründen
0 10 20 30 40 50 60
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge bei Männern
der Beruf entspricht nicht
ihren Vorstellungen
der Ausbildungsbetrieb
entspricht nicht ihren
Vorstellungen
Sie finden die
Arbeitsbedingungen
unattrektiv
Sie haben Ärger im
Ausbildungsbetrieb
Probezeit
Zwischenprüfung
Abschlußprüfung
Sie haben gesundheitliche
Probleme
aus privaten Gründen
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Kapitel 4: Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen 79
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Ausbildungsabbrüche: Daten und Fakten 1996 – 2006
Anregungen zur Diskussion
Eigene Erfahrungen
• Gründe für Ausbildungsabbrüche im Handwerk?
• Ausbildungsabbrüche im 2., 3. und 4. Ausbildungsjahr?
• migrationsspezifische Besonderheiten?
Perspektivenwechsel
• die Gründe aus der Sicht der Auszubildenden
• migrationsspezifische Besonderheiten

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 81
Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache – konstruktive
Förderung der Sprachkompetenz
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel:
Konstruktive Förderung der Sprachkompetenz vor allem in der
Fachtheorie
Die Lernprozesse von Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden vielfach durch
sprachliche Überforderungen vor allem in der Fachtheorie gehemmt. Viele in Deutschland
aufgewachsene Jugendliche mit Migrationshintergrund unterscheiden sich im Gebrauch der
Alltagssprache kaum von den anderen Jugendlichen. Dies führt vielfach zu dem Fehlschluss,
das Verstehen der Fachsprache ergäbe sich von selbst. Aufgezeigt wird in diesem Kapitel
• der Zusammenhang von Sprache und Lernen (Lernfeld 5)
• die Bedeutung der gewählten Verfahren und Formen des Lehrens (Lernfeld 4)
• die Wichtigkeit der Berichtshefte für die Förderung der Lernprozesse (Lernfeld 4)
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Lernen in der Zweitsprache – konstruktive Förderung der Sprachkompetenz
2. Präsentation zu den konzeptionellen Inhalten
• Förderung der Sprachkompetenz von Jugendlichen mit Migrationshintergrund

82 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Der Zusammenhang von Sprache und Lernen – Schlussfolgerungen
für die Ausbildung
Wir denken und lernen in Sprache. Das heißt, Sprache ist sowohl als Lernvoraussetzung zu
verstehen wie als Lernresultat. Neu Gelerntes setzt sich vielfach in neue Wörter, Begriffe
um und erweitert die Sprachkompetenz. Lernen umfasst allerdings mehr, als die jeweiligen
neuen Begriffe oder Definitionen zu kennen. Es geht darum, deren allgemeinen Gehalt erfasst
und verstanden zu haben. Diese Verstandesleistung ist inhaltliche Voraussetzung, das neue
Wissen auf vergleichbare bzw. sich ändernde Arbeitssituationen anwenden zu können 36 . Der
hier erörterte Zusammenhang gilt gleichermaßen für das Lernen in der eigenen Muttersprache
wie in einer Zweitsprache. Besonderheiten des Lernens in der Zweitsprache werden dargestellt.
1. Der Zusammenhang von Sprache und Lernen
Das Diskussionsbeispiel „Dampfsterilisation“
„Der Dampfsterilisator oder Autoklav ist wie ein Dampfdrucktopf im Haushalt aufgebaut.
Beim Erhitzen erreicht der eingeschlossene Dampf 121 °C unter einem Druck von 2 bar. Dadurch
werden alle Mikroorganismen, auch die Bakteriensporen, abgetötet.“ 37
Fasst man Lernen als Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung, so sind deren
wesentliche Komponenten
• Aufnahme der Informationen: Die Informationen sind zu identifizieren und einzuordnen
und werden dabei mit dem eigenen Vorwissen verknüpft. Dieser Vorgang kann zu
erneuter Informationssuche (z. B. Nachfragen) führen. Im aufgeführten Beispiel wird
das Wissen um das Funktionieren eines Dampfdrucktropfes aktiviert. Unterstellt ist
hier das Vorwissen um Temperatur und Druck. Neu ist der Zusammenhang zu „Abtöten
der Mikroorganismen“.
• Verarbeiten von Informationen: Die Informationen werden in Wissen transformiert,
also nicht nur gelesen, sondern auch verstanden. Hierfür wird Wissen/Vorwissen/Erfahrungswissen
(in welcher Sprache auch immer) aktiviert, um die erhaltenen
Informationen zu „verarbeiten”. Der Fortschritt zu „Wissen“ besteht in unserem
Beispiel in der Bestimmung des Zusammenhangs: Das „Abtöten der Mikroorganismen“
hat im Erhitzen auf 121 °C seinen Grund.
• Wissen kann mittels Erinnerung abgerufen werden.
36 Vgl. hierzu die Erläuterungen in „Sackmann, das Lehrbuch für die Meisterprüfung“. Die geistigen Tätigkeiten
„Abstraktionsfähigkeit“ und „Übertragungsfähigkeit“ werden im Unterkapitel „Prüfung der Lernvoraussetzungen“
abgehandelt. Ibe, Quant 2004, S. 207
37 Dieses Beispiel eines Lerninhaltes mit der Abbildung eines Autoklaven und seiner Bestandteile sowie deren
Wortnamen wurde einer Lehreinheit von „Sprachtraining-Beruf“ entnommen, siehe Ohm 2006;
www.sprachtraining-beruf.de. Wir benutzen dieses Beispiel im Folgenden, um einige grundsätzliche Erläuterungen
zur Sprache darzulegen.

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 83
a) Lernen als Prozess der Informationsaufnahme
Für die unmittelbare Informationsaufnahme ist der sinnliche Modus – Hören, Sehen, taktile
Wahrnehmung – außerordentlich wichtig. Die Informationen sind aktiv
• wahrzunehmen,
• zu identifizieren,
• als wichtig/unwichtig, nützlich/unnütz, interessant/uninteressant je nach Aufgabe und
Interesse einzustufen.
Die Informationsaufnahme findet nicht auf dem Hintergrund einer „tabula rasa“ statt. Sie
steht in enger Kopplung zu Vorwissen und Erfahrungswissen. Sie baut auf vorausgegangene
informationsverarbeitende Aktivitäten der Akteure auf. Wahrnehmen ist eine aktive Verbindung
von neu aufgenommenen Informationen und gewussten bzw. bereits verarbeiteten Informationen.
Eine solche „Verbindung“ ist z. B. die positive Identifikation und Abgleichung
der erhaltenen neuen Information mit bereits erfahrenen bzw. gewussten (z. B. hier: „Dampfdrucktopf“).
Ist der Dampfdrucktopf nicht mehr in Mode oder in bestimmten Kulturen nicht
gebräuchlich, ist die Analogie nicht hilfreich für das Abrufen von Vorwissen.
Wesentlich für eine gelungene Informationsaufnahme sind
• inhaltliches Vorwissen und darauf bezogene Präsentation der Informationen,
• vorhandene Neigungen und Interessen,
• auf die Aufnahmefähigkeit zugeschnittene Aufgaben.
b) Lernen als Prozess der Informationsverarbeitung
Die erhaltenen Informationen sind in ihrem objektiven Gehalt nicht nur zu „lesen“, sondern
inhaltlich zu verarbeiten und zu begreifen. Entscheidend ist, dass die bereitgestellten Informationen
von den Auszubildenden begriffen und kommuniziert, verknüpft, aufeinander bezogen
und auf die konkrete Aufgabenstellung hin zugeschnitten und aufbereitet werden. Nur dann
bedeutet Informationsverarbeitung einen Wissenszuwachs, der Unsicherheiten reduziert, den
Erkenntnisstand der Auszubildenden über den bestimmten Sachverhalt vergrößert und diese
zur Aufgabenbewältigung befähigt.
Wie nun geht Informationsverarbeitung vor sich?
Die Vorgänge der menschlichen Informationsverarbeitung sind mit der Verarbeitung von Bildern
und gedanklichen Vorstellungen verknüpft.
• Bei einem Wahrnehmungsbild ist der Gegenstand oder eine Abbildung des Gegenstandes
(Foto, Modell) präsent und wird sinnlich wahrgenommen. In unserem Beispiel
wird der Autoklav in seinem Aufbau abgebildet sowie seine funktionellen Bestandteile
wie Thermometer, Sicherheitsventil, Druckanzeiger, Zeitschaltuhr usw.
• Die gedanklichen Vorstellungen (Vorstellungsbilder) umfassen die Vorstellung in
Abwesenheit des Gegenstandes. Vorstellungsbilder bedürfen nicht (mehr) der sinnlichen
Wahrnehmung über Anschauung, Hören, Tasten etc. zu ihrer Identifikation. Bei
Vorstellungsbildern ist die gedankliche Leistung über das sinnliche Wahrnehmen aktiv
hinausgegangen. Die unmittelbare Gegenwart der Sache bzw. ihr Abbild ist nicht
nötig, um sie sich vorzustellen: Die Eigenschaften von Dingen sind wissentlich vorhanden
und werden als dieses Wissen bei der Informationsverarbeitung aktiviert. In
unserem Beispiel wird zwar die Zeitschaltuhr abgebildet, was diese ist und tut, ist allerdings
der Abbildung nicht zu entnehmen und als Vorwissen vorhanden. Ebenso las-

84 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
sen sich die Größen „Grad“ und „bar“ nicht abbilden. Ist die inhaltliche, gedankliche
Verknüpfung z. B. von bar und Druck nicht vorhanden, muss diese erklärt werden.
Fehlt nur die sprachliche Verknüpfung, so muss hier lediglich übersetzt werden.
• Das vorhandene Vorwissen wird durch die zusätzlichen Informationen erweitert bzw.
korrigiert. In der Verarbeitung der Vorstellungsbilder werden diese nach ihrem inhaltlichen
Gehalt gedanklich aufeinander bezogen und beurteilt.
• Diese kognitiven Prozesse vollziehen sich sprachlich.
c) Die Rolle der Aufmerksamkeit beim Lernen
Sowohl für die Informationsaufnahme wie die Informationsverarbeitung ist die Aufmerksamkeit
eine wesentliche Bestimmungsgröße.
Aufmerksamkeit wird bei der Informationsaufnahme durch die Aufgabenstellung und ihre
Präsentation erzeugt und durch das Vorwissen aufrechterhalten.
Auch die geistigen Tätigkeiten der Informationsverarbeitung bedürfen der Aufmerksamkeit
bei
• Erinnern der Vorstellungsbilder,
• Abgleichen und Prüfen der Inhalte,
• Festhalten der gezogenen Urteile bzw. Schlüsse.
Aufmerksamkeit ist als interessengeleitet zu bestimmen. Ist das Interesse nur bedingt vorhanden,
erscheint die Konzentration auf die Informationen als ermüdende – und nicht als beflügelnde
– Anspannung.
Überdies hat die Aufmerksamkeit – die sich als Anspannung des Geistes in Zeit abspielt –
neben der interessengeleiteten Komponente (Motivation) auch eine physiologische Voraussetzung.
Ist beim Kognitionsakt der Geist bereits ermüdet, werden die Informationsprozesse
insgesamt negativ beeinflusst.
d) Die Rolle der Erinnerung / des Gedächtnisses beim Lernen
Informationsverarbeitung setzt neu erhaltene Informationen in Beziehung zu vorhandenem
Wissen. Dieses Wissen ist im „erinnernden“ Gedächtnis präsent. Erinnern ist eine aktive geistige
Leistung. Er-innern im „eigentümlichen Sinne des Wortes“ ist das unwillkürliche Hervorrufen
des Inhalts, der bereits der „unserige“, „innerliche“ ist.
Das bedeutet für die Informationsverarbeitung zweierlei:
• „Informationen, die aktuell nicht gegeben werden und somit nicht wahrnehmbar sind,
können mittels des Gedächtnisses aus dem Wissensbestand ergänzt werden”;
• ·es findet eine ständige „Rückkopplung” 38 statt.
Vom „erinnernden“ Gedächtnis zu unterscheiden ist das „mechanische“ Gedächtnis. Beim
Auswendiglernen, Behalten von Texten, Zahlenkombinationen, lexikalischem Wissen kommt
es auf inhaltliches Begreifen nicht oder nur bedingt an. Gefragt ist die Merkleistung, für welche
das gedankliche Assoziieren von Inhalten sogar störend sein kann.
Das heißt für die Rolle des Gedächtnisses bei kognitiven Prozessen Folgendes:
38 Vgl. Dutke 1994

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 85
• Sachverhalte – z. B. wie funktioniert ein Dampfsterilisator – werden einerseits so gut
erinnert, wie sie begriffen worden sind. Lernen in diesem Sinne ist die Verbindung
neuer Informationen mit Vorwissen und dessen weitere Entwicklung.
• Andererseits können z. B. alle Komponenten des Dampfsterilisators ohne jegliche
Kenntnis z. B. der physikalischen Prozesse auswendig gelernt werden. Gelernt und erinnert
werden dann nur deren Wortnamen und ggf. ihre Funktion (mechanisches Gedächtnis).
• Es liegt auf der Hand, dass Zweitsprachler hier ein Handicap haben. Aber eben nur für
das „Auswendiglernen“.
Dem Vergessen anheim fallen tendenziell Informationsgehalte, an deren Aneignung kein Interesse
besteht bzw. bei denen zuviel Vorwissen vorausgesetzt worden ist. Vergessensfähig sind
vor allem gegenüber bestimmten Inhalten gleichgültige Sachverhalte wie Zahlen(-kolonnen)
und Statistiken etc. Aber auch sprachlich nicht hinreichend erfasste bzw. inhaltlich nicht begriffene
Sachverhalte werden leicht vergessen.
Analog zur Aufmerksamkeit hat die Erinnerungsleistung eine physiologische Komponente.
Auch hier ist die geistige Wachheit wesentliche Determinationsgröße.
2. Die Bedeutung der Verfahren des Lehrens für das Lernen in der
Zweitsprache – Tipps für Ausbilder/-innen
Vielfach stehen aufgrund von Verstehensschwierigkeiten die in der beruflichen Bildung behandelten
Inhalte für eine Informationsverarbeitung nicht zur Verfügung. Dies betrifft das
Verstehen von Arbeitsaufträgen, Bedienungs- und Einbauanleitungen oder Unfallverhütungsvorschriften.
Mangelnde sprachliche Kompetenz in der Zweitsprache behindert die Informationsaufnahme
– und damit die Informationsverarbeitung.
Fachausbildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund ist vielfach Sprachausbildung und
sollte auch als diese verstanden und praktiziert werden.
Dabei ist festzuhalten:
• Die geforderten und betätigten Leistungen bei der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung
sind bei Auszubildenden, die in ihrer eigenen Muttersprache lernen,
identisch mit jenen, die in der Zweitsprache lernen.
• Auch für Muttersprachler sind jene Fachbegriffe „böhmische Dörfer“, die neue Inhalte
transportieren. Gleichwohl hilft Muttersprachlern die Assoziation/Erinnerung der
Wortverwendung in anderen Zusammenhängen bzw. von Wortbestandteilen weiter
(z. B. „Kühlschmierung“).
a) Migrationssensible Sprachverwendung
Wichtig ist für die Ausbilder/-innen, Bescheid zu wissen über die Sprachkenntnisse ihrer
Auszubildenden – wie auch über das interkulturell vermittelte Vorwissen, das diese in ihren
Beruf einbringen. Hilfreich ist es, sich den Unterschied zwischen dem Beherrschen der Umgangssprache
und dem Lernen in einer Zweitsprache klar machen.
• Worterläuterung durch Veranschaulichung: In unserem Beispiel ist es möglich, dass
z. B. das Wort „Ventil“ dem Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Zweitsprache
Deutsch nicht bekannt ist. Aber er kann die Bedeutung und Funktion desselben
in seiner Muttersprache kennen. Die Abbildung des Ventils ermöglicht in diesem
Falle die Erschließung der Wortbedeutung „Ventil“.

86 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
• Worterläuterung durch Bildung eines Satzes: Der Satz „,Reinigung’ besteht in der
,Beseitigung einer Verunreinigung’“ ist eine schlechte Erläuterung. Der Ersatz eines
nicht verstandenen Wortes/Begriffes durch einen noch schwierigeren Begriff aus der
gleichen Wortfamilie hilft nicht weiter. Zu erläutern wäre: In dem Hauptwort Reinigung
steckt die Eigenschaft „rein“, „sauber“, Reinigung ist also das Beseitigen von
Schmutz.
• Vermeidung komplizierter Satzstrukturen: Beispiel: „Aufgabe der Pflegekraft ist der
Erwerb aktuellen Wissens, um Patienten mit einem erhöhten Sturzrisiko zu identifizieren
und entsprechende Interventionen einleiten zu können und (!) bei Bedarf zusätzliche
notwendige Strukturen (?) einzufordern und fachlich zu begründen“.39 Zur Vereinfachung:
Warum soll die Pflegekraft aktuelles Wissen erwerben? Was ist zusätzlich
einzufordern? In welcher Situation? Das genaue Stellen der Fragen konkretisiert
zugleich die Antworten!
b) Bevorzugter Einbau darbietender und entwickelnder Lehrverfahren
Darbietende Lehrverfahren 40 haben für Lernende in der Zweitsprache den Vorzug, dass die
Erläuterung von Funktion und Arbeitsweise von ihnen per Lehrfilm bzw. Schaubilder wahrgenommen
werden kann und damit ihr Vorwissen und Erfahrungswissen zeitgleich zur Aufnahme
der neuen Information aktiviert wird. Dabei sollte von den Ausbilder/-innen darauf
geachtet werden, dass die neuen Fachbegriffe fallen und erlernt werden können.
Entwickelnde Lehrverfahren verfestigen den Gebrauch der Fachbegriffe in der Zweitsprache
und damit die Sicherheit, wie eine gestellte Aufgabe zu bearbeiten und eine bestimmte Arbeit
zu verrichten ist. Dies erscheint umso notwendiger, als sich Jugendliche mit Migrationshintergrund
der Bremer Studie 41 zufolge deutlich „mehr Erklärungen“ und „Anleitungshilfen“
(siehe Kapitel 4) wünschen.
c) Benutzung der Berichtshefte für die Förderung der Lernprozesse und Kontrolle der
Lernfortschritte und Lernschwierigkeiten
Im Handwerk (und innerhalb desselben vor allem bei Klein- und Kleinstbetrieben) wird in
Form konkreter Arbeitsaufträge gelernt. Auskunft über den Erfolg der Lernprozesse geben die
Berichtshefte (bzw. Ausbildungsnachweise), wenn und soweit diese von den betrieblichen
Ausbildern dafür genutzt werden, Lernfortschritten und Lernschwierigkeiten auf die Spur zu
kommen.
„Über die Berichtshefte bekommen wir heraus, was verstanden worden ist, was inhaltlich
nicht verstanden ist und wo Sprachprobleme vorliegen.“ 42
Leider wird von den betrieblichen Ausbilder/-innen das Berichtsheft oft noch unzureichend
für eine inhaltliche Erfolgskontrolle genutzt.
39 Auch dieses Beispiel stammt von Ohm 2006; siehe www.sprachtraining-beruf.de.
40 Vgl. Lernfeld 4, „Grundlegende Lehrverfahren (Aktionsformen), Hintz, Kramer 2004, S. 142
41 Vgl. Quante-Brandt u.a. 2006
42 Ausbilder/-innen des HandWERK, zitiert nach Beer, Hammer 2006

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 87
Präsentation: Förderung der Sprachkompetenz von Jugendlichen
mit Migrationshintergrund
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Zusammenhänge von Lernen und Sprache
1. Lernen als Prozess der Informationsaufnahme und
Informationsverarbeitung
2. Förderung der Lernprozesse durch Stärkung der
Sprachkompetenz

88 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Die Bedeutung der Sprache für das Lernen
Wir lernen in Sprache:
• Lernvoraussetzung – Verstehen von Inhalten
(Fachsprache)
• Lernbetätigung - Nachdenken und Kapieren
• Lernkommunikation – Sprechen über Verstehen,
Kapieren und Umsetzen von ....
• Lerngedächtnis – Erinnern von Wissen und Vorwissen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Beispiel
„Der Dampfsterilisator oder Autoklav ist
wie ein Dampfdrucktopf im Haushalt
aufgebaut. Beim Erhitzen erreicht der
eingeschlossene Dampf 121° C unter
einem Druck von 2 bar. Dadurch werden
alle Mikroorganismen, auch die
Bakteriensporen, abgetötet.“

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 89
Druckanzeiger
Sicherheitsventil
Thermometer
Zeitschaltuhr
Türverriegelung
Heizung
Wasser
Luftablass
Wasserdampf, strömend: 121°C, 2 bar Druck
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Informationsaufnahme
• Identifikation und Einordnung der Information
• Sprachliches Verstehen des Inhalts der Information -
z. B. Zusammenhänge von Hitze, Druck, Sterilisieren
• Kopplung mit Vorwissen, das sowohl naturwiss.
allgemein wie kulturell geprägt sein kann
(Dampfdrucktopf)

90 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Informationsverarbeitung
• Aktivierung des Vorwissens und des
Erfahrungswissens
• Verknüpfung desselben mit der neuen Information
• Transformation der Informationen in neues Wissen
(wie wird das Abtöten der Mikroorganismen bewirkt)
• Begreifen der Allgemeinheit des Verarbeiteten
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Lernen in der Zweitsprache – wo liegt der
kleine Unterschied?
• unzureichende Aktivierung des Vorwissens bei
unbekannter Sprachbedeutung (Fachbegriffe)
• zu wenig Einbezug v. a. des kulturell geprägten
Vorwissens
• Bindung der Aufmerksamkeit an
Übersetzungsleistungen

Kapitel 5: Lernen in der Zweitsprache 91
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Unterstützung des Lernens in der
Zweitsprache in der Ausbildung
• darbietende Lehrverfahren
(z.B. Funktionszeichnungen)
• migrationssensible Sprachverwendung
• Aktivierung des kulturell geprägten Vor- und
Erfahrungswissen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Förderung der Sprachkompetenz
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Förderung der Lernprozesse durch
Stärkung der Sprachkompetenz
• Nachfragen, ob Fachinhalte verstanden worden sind
• Fördern von Nachfragen
• Untersuchung von Sprachschwierigkeiten
(Berichtshefte)
• Besprechung und Rückkopplung

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 93
Kapitel 6: Integration von Strategien interkultureller
Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
Übersicht über Ziele und Materialien
Ziel 1: Reflexion des eigenen und fremden „kulturellen Gepäcks“
Die zukünftigen Meister sollen dazu befähigt werden, Vorurteile gegen „Fremdes“ zu erkennen und
aufzubrechen. In einem ersten Schritt geht es um die Sensibilisierung, d. h. das Erkennen der eigenen
Vielfalt wie das der Auszubildenden in der Gruppe. Es werden Wege vorgestellt, Stereotypen und
Vorurteile produktiv aufzulösen und Neugier auf fremde Kulturen zu erwecken.
Ziel 2: Erarbeitung von Strategien zu „interkultureller
Kommunikationsfähigkeit“
Auf Basis kommunikationstheoretischer Grundlagen soll erlernt werden, „interkulturelle Überlagerungen“
zu erkennen und produktiv zu behandeln. Die Sensibilisierung für unterschiedliche verbale
und nonverbale Ausdrucksformen soll die zukünftigen Ausbilder/-innen befähigen, mögliche Missverständnisse
auf den verschiedenen Ebenen der Kommunikation zu bearbeiten. Auf diese Weise
kann interkulturellen Konflikten im Betrieb vorgebeugt werden.
Ziel 3: Erarbeitung von Strategien zu „interkultureller Konfliktfähigkeit“
Im Zentrum des dritten Teils steht die Befähigung zur Konfliktanalyse und Konfliktbearbeitung. Eine
Einführung in die Konflikttheorie soll dazu befähigen, verschiedene Konflikttypen zu analysieren und
„interkulturelle Überlagerungen“ herauszuarbeiten. Nicht jeder Konflikt, der zwischen Jugendlichen
in der Ausbildung auftritt, ist ein „interkultureller Konflikt“ – auch wenn die jeweiligen Konfliktparteien
vielfach zu dieser Gleichsetzung tendieren. Auf dieser Basis werden Konfliktlösungsstrategien
vorgestellt und Fallbeispiele analysiert.
Materialien:
1. Konzeptionelle Inhalte:
• Bewusstwerdung und Wissen – Reflexion des eigenen und fremden „kulturellen
Gepäcks“
• Einfühlen und Verstehen – Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
• Analysieren und Lösen – Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
2. Präsentationen zu den konzeptionellen Inhalten
• Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
• Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
• Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
3. Unterrichtseinheiten:
• Reflexion über „Fremdheit“ (Mellentin)
• Kultur und Kommunikation – Einfühlen und Verstehen (Mellentin)
• Vorurteil und Konflikt (Gössele)
• Sensibilisierung für migrationsspezifische Abbruchgründe (Becker)

94 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Bewusstwerdung und Wissen – Reflexion des eigenen und fremden
„kulturellen Gepäcks“
Motto:
• Ein Bewusstsein von der eigenen Vielfalt erleichtert die offene Reflexion auf andere
Individuen und Gruppen.
• Eine Reflexion auf eigene Änderungen betreffs Normen und Werte (z.B. Vergleich
Kindheit/Jugend/Erwachsenenalter) erleichtert das Erkennen von deren Relativität und
das Aufbrechen von Vorurteilen und Stereotypen
• Eine Reflexion auf das eigene kulturelle Gepäck macht neugierig auf das fremde kulturelle
Gepäck.
Erinnerung: Dimensionen von Diversity – Unterschiede und Ähnlichkeiten
Jedes Individuum unterscheidet sich von anderen – jedes Individuum kennt auch „Diverses“
in sich, ist also eine „personelle Vielfalt“ 43 . Entsprechend hat jede Individualität Gemeinsamkeiten
mit anderen z.B. nach Geschlecht oder Staatsangehörigkeit, mit wiederum anderen
Individuen anderen Geschlechts oder Staatsangehörigkeit andere Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten
in Bezug auf Wissen oder Werte etc. Die verschiedenen Dimensionen von Diversity
44 vereint jeder in sich – wie er diese wiederum an sich durch Lernen, Erfahrung, Urteilsbildung,
Krankheit, Ortwechsel, Berufwechsel, Geschmacksänderung usw. verändert.
Natürliche, wahrnehmbare Unterschiede
• Geschlecht
• Rasse
• Alter
• möglicherweise körperliche Behinderung
Wissen und Fähigkeiten
• Sprache und Kommunikationsfähigkeit
• Bildung und Fachkompetenzen
• Handwerkliche Fertigkeiten
Werte
• Religion
• Kultur und Sitte – regionale / geographische Vermittlungen
Gesellschaftlicher und staatsbürgerlicher Status
• Staatsangehörigkeit
43 Siehe Kapitel 1
44 Wir haben hier die Dimensionierung von Voigt modifiziert. Zum einen haben wir wie Voigt „Wahrnehmbare
Erscheinungsformen“ von „Werten“ und „Wissen“ unterschieden, allerdings haben wir zur Betonung der
sachlichen Wichtigkeit den „gesellschaftlichen/staatsbürgerlichen Status“ wie die „private Individualität“ als
eigene Dimension entwickelt. Einzusehen nach Maad, Schwarz-Wölz, 2004, die verschiedene Dimensionierungen
von Diversity vorstellen.

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 95
• Hierarchie
• Einkommen
„Private“ Individualität
• Hobby und Interessen
• Sexuelle Orientierung
• Bindungen (Familienstand, Elternschaft, Freundeskreise)
Vorurteile – Stereotypen – Rassismus
Vorurteile und Stereotypen sind jedem Jugendlichen und Ausbilder gleichermaßen geläufig,
jeder bildet sie für sich, jeder weiß sich auch von ihnen betroffen. In der Alltagssprache wird
diese Art des Denkens als „Schubladendenken“ gekennzeichnet. Gemeint ist damit eine bestimmte
Technik der Subsumtion.
Erläuterung der Begrifflichkeiten Stereotyp – Vorurteil – Rassismus
Stereotypen sind feststehende Typisierungen nach Schema F. Bestimmte Individuen und
Gruppen werden von anderen Individuen bzw. Gruppen als Träger bestimmter Eigenschaften
identifiziert. Das können Frauen sein oder Jugendliche. Das können Ausbilder/-innen sein
oder andere verschiedene Berufsinhaber wie Bauern, Handwerker, Discjockeys usf. Das können
Bewohner/-innen eines bestimmten Landes, aber auch eines Stadtteils sein. Es kann Religiöse
betreffen wie Christen, Juden, Muslime wie auch die Atheisten. Genau genommen sind
alle Dimensionen von Diversity (siehe 2.1) Gegenstand von Stereotypen wie Vorurteilen. Die
Zuordnung und Zuschreibung geschieht unbeschadet dessen, ob diese sachlich zutreffend ist
und/oder diese das jeweilige Individuum überhaupt trifft.
Stereotypen sind in aller Regel wertend und emotional gefärbt 45 und können sowohl positiver
wie negativer Natur sein. Aufgebrochen werden sie durch genauere Kenntnis der jeweiligen
Personenkreise oder sozialen Gruppen, Religionen und Kulturen – und Aufklärung.
Vorurteile verstehen sich im seltensten Fall im Wortsinne, d. h. als ein Vor-Urteil, bei dem
sich der Beurteilende bewusst ist, dass eine weitergehende Beurteilung bei ihm (noch) nicht
vorliegt. Üblicherweise sind die Vorurteilenden mit dem Selbstbewusstsein ausgestattet, dass
eine weitergehende Beurteilung vollständig überflüssig ist.
Was nun sind Vorurteile?
• Vorurteile sprechen gemäß eigener Erwartungen anderen Personen/Gruppen Eigenschaften
bzw. Verhaltensweisen zu bzw. ab (können hier also identisch mit Stereotypen
sein).
• Vorurteile sind zumeist fordernder Natur: Die angelegten Erwartungen werden zum
Maßstab, dem die beurteilten Personen/Gruppen – unbeschadet ihrer Interessen, sozialen
Lage, Bildung, etc. – zu entsprechen hätten.
• Vorurteile geraten zum Auftakt zu Diskriminierungen dann, wenn davon ausgegangen
wird, dass die so beurteilten Personen den eigenen Maßstäben bzw. denen einer bestimmten
Gruppe entweder nicht entsprechen wollen oder können. Dann gerät das
Vor-Urteil zur Ver-urteilung.
45 Wir folgen in den Begriffsbestimmungen hier Memmi 1987.

96 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
• Liegt eine Verurteilung gemäß den eigenen wertenden Maßstäben vor, wird den davon
betroffenen Personen/Gruppen zugleich und prinzipiell Respekt und Anerkennung entzogen.
Rassismus teilt Menschen bzw. Gruppen einen Status zu. Diese werden abgewertet bzw. als
minderwertig angesehen. Diesen wird abgesprochen, auf derselben Stufe zu stehen wie die
eigene Gruppe. Rassismus vollzieht wie das Stereotyp und das Vorurteil also Unterscheidungen
(Diskriminierungen). Er geht allerdings in doppelter Hinsicht über diese hinaus:
• Die Unterscheidungen werden zu unabänderlichen und endgültigen erklärt. Sie werden
mit biologischen und/oder ethnischen Veranlagungen begründet.
• Der Gebrauch dieser Wertungen findet im „Interesse und zugunsten des Anklägers“
(Memmi) statt. Er legitimiert also sanktionierende Taten des Anklägers.
Wie nun können Stereotypen, Vorurteile und Rassismen bearbeitet werden?
• Stereotypen und Vorurteile lassen sich, soweit es sich um sachlich unzutreffende Urteile
handelt, durch die Erarbeitung positiven Wissens über fremde Kulturen, religiöse
bzw. soziale Hintergründe aufbrechen und relativieren.
• Stereotypen und Vorurteile lassen sich, soweit sie auf Wertungen beruhen, durch den
Perspektivenwechsel aufbrechen. Die Thematisierung des Unterschieds von Werten
und Abwerten ist ein wesentlicher Hebel zur Erzeugung von Distanz. Jeder empfindet
diesen Unterschied, soweit er ihn selbst erfahren hat, negativ.
• Rassismus ist die theoretische Untermauerung eines Opfer produzierenden Fanatismus.
Deshalb ist Rassismus mit Aufklärung über andere Ethnien und Erarbeitung des
Verständnisses für Andersartiges kaum beizukommen. Die Thematisierung von Täter-/Opferschemata
– jeder kann selbst jederzeit Objekt von Rassismus werden 46 – ist
ein Weg der Bearbeitung von Rassismus.
Einfühlen und Verstehen – Strategien interkultureller
Kommunikationsfähigkeit
Erläuterung der Begrifflichkeiten Kommunikation und Missverständnis – interkulturelle
Überlagerungen
Kommunikation ist ein Wort aus der lateinischen Sprache und ist zurückzuführen auf communicare
„teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen“. Kommunikation
ist die Mitteilung von sehr verschiedenen Inhalten. Das können Befindlichkeiten, Einfälle,
Gedanken, Urteile, Bedürfnissen, Interessen, Forderungen und Kritik sein. Kommunikation
vollzieht sich in lebendiger, geäußerter Sprache – aber auch in Schrift und Bild. Wir behandeln
hier den Austausch von Informationen im Gespräch.
Die Sachebene der Kommunikation: Kommunikationssituationen sind durch Inhalte bestimmt.
Die kommunizierten Sachverhalte zielen – soweit es um Lernen und Wissen geht –
auf Objektivität. Es will gewusst bzw. mitgeteilt werden, was „Sache“ ist. Kommunikationswissenschaftler
bezeichnen diese Ebene als Sachebene. 47 Je mehr es im Gespräch um Wissen
geht, umso weniger ist die Beziehung der Sprechenden zueinander für den Gesprächsverlauf
46 Dies ist das zentrale Argument der Kritischen Psychologie. Vgl. Holzkamp 1994
47 Im Prinzip folgen wir hier dem sogenannten 4-Seiten-Modell von Schulz von Thun, unterscheiden aber nur
zwei Ebenen und ordnen die „Appellseite“ wie die „Selbstkundgabeseite“ der „Beziehungsebene“ zu. Siehe
Schulz von Thun 1981

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 97
relevant. Beispiele gibt es aus allen Sphären. Beispielsweise technische Fragen (Wie geht das
Reparieren der Fahrradbremse), Wissensfragen (Was ist das Fallgesetz), Sport (Wie lerne ich
Skifahren) oder das Wechseln von Windeln für Babys.
Die Beziehungsebene der Kommunikation: Kommunikationssituationen sind freilich auch
durch die Stellung der Individuen zueinander charakterisiert. Kommunikationswissenschaftler
bezeichnen diese Ebene als Beziehungsebene. Zwischen Freunden vollziehen sich Gesprächsverläufe
anders als zwischen Individuen, die sich weiter gar nicht kennen. Wiederum anders
vollzieht sich Kommunikation in Organisationen wie z.B. Unternehmen. Diese beinhalten
oder strukturieren ökonomische Abhängigkeiten und/oder Macht-Asymmetrien. Gleiches gilt
für Institutionen.
Der Inhalt der Kommunikation ist mit einer Absicht verbunden. Der Sprechende will das
kommunikative Gegenüber entweder informieren oder unterrichten – dann wird die Sachebene
zumeist nicht verlassen. Oder aber der Sprechende will eine bestimmte Wirkung erzielen,
z. B. erheitern, überzeugen, bitten, etwas verlangen, beleidigen etc. etc.. Kommunikationswissenschaftler
nennen diese Ebene – wozu das kommunikative Gegenüber veranlasst werden
soll – „Appellseite“.
In der Kommunikation wird auch etwas über sich kund gegeben – die „Selbstkundgabeseite“
48 . Der Sprechende gibt absichtsvoll oder unabsichtlich etwas über seine Person preis.
All diese Bestimmungen von Kommunikation sind jedermann geläufig. Sie werden in den
Gesprächsverläufen eingeschätzt und beurteilt („ausgedeutet“):
• Was will mir der andere sagen (Sachebene)
• Welche Beziehung zu mir drückt er aus (Beziehungsebene)
• Was will er bei mir erreichen (Appellseite)
• Was drückt er über sich aus (Selbstkundgabeseite)
Verbale und nonverbale Ausdrucksformen – interkulturelle Unterschiede: Vor allem auf
der Beziehungsebene spielen individuelles Temperament wie kulturell geprägte Gewohnheit
beim Sprechen eine große Rolle. Intonation, Lautstärke, Gestik und Mimik werden sowohl
bewusst wie unbewusst („spontan“) eingesetzt.
Der bewusste Einsatz variiert nach der Absicht. Intonation, Lautstärke, Gestik und Mimik
sollen z. B. das Gesagte unterstreichen oder abschwächen. Sie können dieser Absicht aber
auch ungewollt widersprechen. Dies gilt vor allem für die Körpersprache.
Der Einsatz dieser Ausdrucksmittel hängt von individuellem Temperament und der jeweiligen
Stimmung ab. Zugleich sind diese interkulturell geprägt.
Der sprachliche Ausdruck und nonverbale Ausdrucksformen wie Gestik und Mimik haben
hohe Relevanz für die Beziehungsebene. Respekt und Anerkennung werden in Gesten, im
Tonfall, im Gesichtsausdruck gezeigt oder entzogen. Dies gilt für den privaten Bereich wie
für die Kommunikation innerhalb von Hierarchien.
Sprachliche wie nonverbale Ausdrucksformen sind in hohem Maße von Kultur und Sitte in
ihrer nationalen wie lokalen Verschiedenheit geprägt.
48 Vgl. zur Begrifflichkeit auch Auernheimer, der wie wir das „Vier-Seiten-Modell“ von Schulz von Thun wieder
auf die zwei wesentlichen bezieht und die Appellseite und Selbstkundgabeseite zu Dimensionen der Beziehungsebene
erklärt. Auernheimer 2004

98 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Kulturelle Prägungen und Ausdrucksweisen für Nähe und Distanz:
• Unterschiedliche Höflichkeitsrituale und Bedeutung derselben – z. B. Begrüßung,
Komplimente, Danksagungen
• Unterschiedliches Zeigen und Erwarten von Emotionalität
• Unterschiedliche Formen, Herzlichkeit wie Anerkennung auszudrücken
• Unterschiedliche Weisen, Kritik auszudrücken
• Unterschiedliche Formen der Respektbezeugung
Missverständnisse beruhen auf „schiefen“ Ausdeutungen von Gesagtem und Ausgedrücktem.
Prinzipiell auf jeder Ebene kann das Kommunizierte nicht verstanden werden oder anders
(also miss-) verstanden werden als vom Sprecher gemeint.
In diesen Ausdeutungen können sich Sprachschwierigkeiten, Unaufmerksamkeiten oder Unkonzentriertheiten
geltend machen und zu Missverständnissen führen.
Aber auch Erwartungen, Erfahrungen, Urteile und Vorurteile, Werte und Normen fließen in
dies Ausdeutungen mit ein.
Missverständnisse können auf zwei Ebenen angesiedelt sein:
Die Sachebene: Die kommunizierten Sachverhalte zielen auf Objektivität. Es will gewusst
bzw. mitgeteilt werden, was „Sache“ ist.
• Auf der Ebene der Naturwissenschaft und Technologie wie bei „Faktenwissen“ ist
eher eindeutig, „was“ Sache ist. Gründe für Missverständnisse sind hier vor allem unterschiedliches
Wissen oder unterschiedliches Sprachwissen. Aber auch Unaufmerksamkeiten
und Konzentrationsschwierigkeiten können zu Missverständnissen führen.
Sie werden häufig zeitgleich bemerkt und aufgelöst. Nachfragen lösen diese Missverständnisse
auf. Auch schriftliche Zusammenfassungen (Protokolle, Berichte) können
Auskunft über Missverständnisse geben.
• Auf der Ebene gesellschaftlicher und normativer Gegenstände wie z. B. Erziehung
und Recht ist die Inhaltsseite, die „Sache“, so eindeutig nicht. Missverständnisse können
hier aus verschiedenen (auch moralischen) Vorstellungen resultieren, die mit der
gleichen Begrifflichkeit verbunden sind. Z. B. „Unterschicht“ kann von den einen als
reine soziologische Kategorie verstanden werden, von anderen als Begriff, der eine
Abwertung (wie „ungebildet“, „verwahrlost“) enthält.
Die Beziehungsebene: Hier geht es um Fragen der Interessen, Bedürfnisse und Einstellungen
sowie das Treffen von Vereinbarungen, Absprachen etc. Es will mitgeteilt werden,
was selbst erwartet, erhofft, verlangt wird. Und es will erkundet sein, wie das kommunikative
Gegenüber das „sieht“.
• „Machtasymmetrien“, „Kollektiverfahrungen“, „Fremdbilder“, „Differenz der Kulturmuster“49
haben hier große Bedeutung für das „Aussenden“ wie das „Ausdeuten“
des Gesagten. Sie sind auf ganz andere Weise als auf der Sachebene eingemischt.
• Sowohl Machtdominanzen wie auch Stereotypen und Vorurteile können wirksam vom
Sprechenden geltend gemacht werden.
49 Vgl. Auernheimer 2004

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 99
• Vorurteile können auch – aus gutem Grund, gleichwohl fälschlich - erwartet werden.
Beispielsweise sehen Jugendliche mit gravierenden Diskriminierungserfahrungen Kritik
in der Ausbildung häufig nicht als Mittel, ein Lernresultat zu korrigieren, sondern
als Entzug von Anerkennung. Oder sie kennen aus ihrem jeweiligen Kulturkreis andere
Beziehungen zwischen Lehrkräften und Auszubildenden. Oder Jungen und Mädchen.
• Auf der Beziehungsebene werden Missverständnisse keineswegs zeitnah erkannt.
Häufig werden sie überhaupt nicht erkannt. Dann führen sie zu „Kommunikationsstörungen“.
Vermeidung von Kommunikationsstörungen – Gestaltung von Gesprächssituationen
Sowohl das richtige Verständnis wie das Missverständnis können zu Kommunikationsstörungen
führen. Eine produktive Auseinandersetzung kann dazu führen, dass diese aufgelöst werden
– oder aber sich zu Konflikten auswachsen.
Bei der Bildungsarbeit mit gemischten Lerngruppen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
sollten folgende Reflexionen mit einfließen:
• Sprachschwierigkeiten sind eine Quelle von Missverständnissen. Werden die fachlichen
Termini verstanden? Wie kann ich diese erläutern? Spreche ich zu lange Sätze
bzw. insgesamt zu lange? Fremdwörtergebrauch?50
• Die Begrüßung und Verabschiedung soll den Jugendlichen auf der Beziehungsebene
die Sicherheit vermitteln, dass sie – unabhängig davon, ob sie etwas richtig oder verkehrt
machen – prinzipiell anerkannt sind.
• Perspektivenwechsel ist zur Vorbereitung von Gesprächen überaus hilfreich. Welche
Unsicherheiten haben die Jugendlichen z. B. bei einer Prüfung, bei einem Einstellungsgespräch?
• Die Reflexion auf das eigene und fremde kulturellen Gepäck hilft für den Perspektivenwechsel.
Dabei ist in der Kommunikation die Sachebene hervorzuheben und die
Ethnisierung von Konflikten zu vermeiden.
• Die Ausbilder sollen auf die eigene „Deutungs- und Definitionsmacht“51 kritisch reflektieren.
Diese rührt sowohl aus dem Wissensvorsprung wie aus dem Status und der
Macht, z. B. Benotungen vorzunehmen.
50 Sehr nützliche Übungen zur Einfühlung in Lernen in der zweiten Sprache geben Hieronymus, Hutter 2006
51 Vgl. Auernheimer 2004

100 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Analysieren und Lösen – Strategien interkultureller
Konfliktfähigkeit
Einführende Überlegungen
Das Zusammenarbeiten und Zusammenlernen von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft
und Milieus ist eine alltägliche Praxis in der beruflichen Bildung. Nicht selten wird diese Praxis
von Konflikten geprägt.
Diese Konflikte können – müssen aber nicht – von kulturell bedingten Gegensätzen bestimmt
sein. Vielfach eskalieren ganz „normale“ konfliktreiche Auseinandersetzungen um Ziele
und/oder Mittel und die Ressourcenverteilung in ethnisierte Beziehungskonflikte. Das führt
zu ernsthaften und unproduktiven, bisweilen gewaltträchtig verlaufenden Konflikten in und
zwischen verschiedenen Gruppen, aber auch vertikal zu den Ausbilder/-innen.
Aus diesem Grund werden Konflikte negativ eingeschätzt. Konfliktbearbeitung wird häufig
vermieden. Konflikte in Lern- und Arbeitsgruppen, die nicht bearbeitet werden, verhindern
jedoch das Lernen und den Nutzen der Arbeitsteilung wie der Kooperation. Sie können bis zu
einer gewaltsamen Konfliktaustragung eskalieren. Sie stören das Betriebsklima, ziehen Reibungsverluste,
wenn nicht Schlimmeres, nach sich. Entsprechend dieser negativen Besetzung
werden Konflikte auch in der Praxis gerne behandelt: Sie werden in Organisationen zumeist
administrativ unterbunden oder von Führungskräften heruntergespielt – das sei doch eine bloße
Meinungsverschiedenheit etwa. Auf diese Weise werden sie eingehegt – bewältigt werden
sie nicht.
Deshalb sollen hier Überlegungen zur Konfliktbearbeitung vorgestellt werden. 52
Wie nun können zum Teil stereotyp verlaufende Konflikte aufgebrochen und bearbeitet werden
? 53
• Der erste Schritt ist die Konfliktanalyse, also das Erkennen, um welchen Typ von
Auseinandersetzung es sich handelt.
• Auf Basis der Konfliktanalyse kann die Konfliktsituation aufgebrochen werden –
durch Konfliktbearbeitung und Aufzeigen alternativer Lösungsstrategien.
Erläuterung der Begrifflichkeiten Konflikt – Konfliktkompetenz
Was ist ein Konflikt? Ein Konflikt ist zu unterscheiden von Kommunikationsschwierigkeiten
in einer bestimmten Angelegenheit. Kommunikationsprobleme tauchen im interkulturellen
Kontext immerzu auf. Sprachprobleme wie kulturell bedingte Auffassungsunterschiede können
zu folgenreichen Unverständnis und Missverständnissen führen (siehe „interkulturelle
Kommunikationsstrategien“).
Ein Konflikt ist ebenfalls zu unterscheiden von einer Meinungsverschiedenheit, die zwei oder
mehrere „Kontrahenten“ z. B. über die Erfüllung einer Aufgabe führen. Meinungsverschiedenheiten
können sachlich oder auch unsachlich ausgetragen werden, ohne dass daraus irgendetwas
Praktisches und Zerstörerisches resultiert.
Konflikte haben eine bestimmte Struktur. Sie brechen zwischen zwei Personen (bzw. Gruppen,
Organisationen, Institutionen) aus, die
52 Konfliktprävention ist Inhalt der oberen Abschnitte, siehe „Reflexion des eigenen und fremden Gepäcks“
53 Die folgenden grundsätzlichen Überlegungen wurden von uns bereits 2000 dargestellt. Hier sind sie um die
Konzipierung „Interkultureller Überlagerungen“ erweitert. Vgl. Beer, Novello von Bescherer, Zaremba 2000

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 101
• in ihren Handlungen voneinander abhängig sind;
• versuchen, ihre Pläne und Ziele gegeneinander zu verwirklichen;
• sich ihres Konfliktes bewusst sind. 54
In einem konkreten Konflikt nun – und um dessen Bewältigung geht es uns – spielen sowohl
die objektiven/strukturellen Rahmenbedingungen wie die subjektive Wahrnehmung und Verarbeitung
eine Rolle. Der hier vertretene Ansatz geht von der Überzeugung aus, dass beide
Seiten – objektive Rahmenbedingungen und subjektive Wahrnehmung – in der praktischen
Fallanalyse zu berücksichtigen sind.
Was ist Konfliktkompetenz? Kompetenz leitet sich vom lateinischen competere ab, was
zunächst soviel bedeutet wie zusammenfallen oder zusammentreffen. Zusammentreffen sollen
hier
• Erfordernisse der Situation,
• Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung der Situation.
Allgemein gesagt gilt es, den Kern des Konflikts herauszuarbeiten und zu ermitteln, um welche
Konfliktkonstellation 55 es sich handelt:
• Welche Handlungspläne stehen gegenüber;
• warum sind sie konträr, worin behindern sie sich wechselseitig;
• welche Bedingungen liegen als objektive Rahmenbedingungen vor;
• welche Konfliktsicht haben die Konfliktakteure.
Typen von Konflikten – interkulturelle Überlagerungen
Dabei unterscheiden wir mit Rüttinger vier Konflikttypen, die sich durchaus vermischen können.
Interkulturelle Einflüsse und Überlagerungen werden von uns hinzugefügt.
Beurteilungskonflikt:
Beim Beurteilungskonflikt wird das Ziel geteilt, umstritten sind die Wege zur Zielerreichung.
Es gibt verschiedene Gründe für diesen Konflikt in der Beurteilung, z.B. unterschiedliche Erfahrungen
und unterschiedliche Informationsverarbeitung.
Bei diesen Konflikttyp können sich unterschiedlich kulturspezifisch erworbenes Wissen ebenso
wie unterschiedliche erworbene berufliche Fertigkeiten und Kompetenzen geltend machen
und es erschweren, den konträren Weg als alternativen zu erkennen. Interkulturell geprägte
Vorurteile über die jeweiligen Kompetenzen können hier einfließen.
54 Wir folgen hier in der Konfliktdefinition Glasl sowie deren Fortentwicklungen durch Rüttinger, Rosenstiel.
Wir trennen allerdings die Ebene Kommunikationsstörungen / „Kommunikationskonflikte“ bewusst von der
Ebene Konflikt. Glasl 1997, Rüttinger, Rosenstiel 1993
55 Vgl. auch Brieden, Haidari, die einen ähnlichen Ansatz für die berufliche Bildung verfolgen. Brieden, Heidari
2006

102 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Ziel- bzw. Bewertungskonflikt:
Beim Zielkonflikt liegen entweder gegensätzliche Ziele vor oder gegensätzlich Bewertungen
ihrer Wichtigkeit. Die Gründe können in unterschiedlichen Werte und Normen liegen, aber
auch in mangelnder Klarheit und unzureichender Zieldiskussion.
Bei diesem Konflikttyp spielen unterschiedliche interkulturell verfestigte Wertvorstellungen
über Pünktlichkeit, Ordnung ebenso eine Rolle wie Religion und Sitte. Stereotypen wie Vorurteile
betätigen sich hier ebenso wie die Erwartung von Stereotypen und Vorurteilen. Bei
unklarer Konfliktaustragung mischen sich Momente der Anerkennung ein, sodass diese Konflikte
leicht zu Anerkennungskonflikten geraten
Verteilungskonflikte:
Beim Verteilungskonflikt liegen für die Zielerreichung Hindernisse aufgrund mangelnder
Ressourcen vor. Dieser Mangel beziehen sich in Arbeitszusammenhängen zumeist auf die
Ressource Zeit sowie auf finanzielle oder personelle Kapazitäten. Bei diesem Konflikttyp
spielen asymmetrische Machtverteilungen eine verschärfende Rolle.
Asymmetrische Machtverteilungen verteilen sich in der gesellschaftlichen Realität zuungunsten
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dies kann bei der Konfliktaustragung dazu
führen, dass aufgrund erfahrener Benachteiligung Opfer-Täter-Schemata angewandt werden.
Anerkennungs- und Beziehungskonflikte:
Hier liegt eine Uneinigkeit über die sozialen Beziehungen vor. Das können sich ausschließende
Ansprüche sein, aber auch Machtauseinandersetzungen. Anerkennungskonflikte kreisen
um die Frage, wer wem was „zu sagen hat“ oder wer sich unterzuordnen hat. Probleme der
wechselseitigen Anerkennung können dann auch den ursprünglichen Inhalt des Konflikts vergessen
lassen. Beurteilungs-, Ziel- und Verteilungskonflikte mischen sich im Konfliktverlauf
häufig mit der Anerkennungsfrage und eskalieren darüber.
Bei diesem Konflikttyp findet im interkulturellen Kontext sehr häufig eine Ethnisierung der
Konflikte statt.
„Der häufigste Streitgrund ist das Gefühl, nicht anerkannt zu werden. Die
Migrantinnen und Migranten fühlen sich oft unsicher und nicht richtig daheim.
Kommen Deutsche dazu, die ebenfalls unsicher sind, aber gegen Ausländer
auftrumpfen, ,weil sie sonst nichts sind’, dann kracht’s. Im Prinzip steht das
Selbstwertgefühl im Raum.“ 56
Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund haben vielfache Diskriminierungserfahrungen,
sie werden nicht als gleichwertig anerkannt und behandelt. Die gleiche Erfahrung machen
ihrerseits Jugendliche ohne Migrationshintergrund auf anderen Ebenen. Im Kontext des interkulturellen
Zusammenlebens treten diese bisweilen ihrerseits als Vertreter der „Dominanzkultur“
auf. Gleiches kann sich zwischen verschiedenen Gruppen mit verschiedenem Migrationshintergrund
ereignen. Beim Anerkennungskonflikt wird manchmal unbewusst, manchmal
sehr bewusst das Selbstwertgefühl der Gegenpartei angegriffen. Vermeintliche oder wirkliche
Tabus anderer Sitten und Religionen werden aus diesem Grunde verletzt. Vor allem Ehrverletzungen
führen zu Eskalationen wie einer gewaltsamen Konfliktaustragung.
56 Dieser Befund stammt von einer Ausbilderin des BFZ/HWK Bremen, vgl. Beer, Hammer 2006

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 103
Konfliktbearbeitung auf Basis der Konfliktanalyse
Schritte der Konfliktbearbeitung
• Jede Konfliktbearbeitung beruht auf einer Konfliktanalyse. Konfliktanalyse schafft
Distanz zur eingenommenen Konfliktwahrnehmung. Interkulturelle Überlagerungen
von Konflikten können nur durch das Herausarbeiten des Kerns des Konfliktes aufgearbeitet
werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Kontrahenten für Fallanalysen gewonnen
werden können.
• Die Fragestellung lautet: welche Konfliktkonstellation bzw. Mischung der Konflikttypen
liegt im konkreten Falle vor? Streiten sich A und B aufgrund mangelnder Ressourcen?
Sind sie uneinig über den Weg, das Ziel zu erreichen? Warum und worin
sind sie uneinig? Liegt hier ein gemeinsamer Wissensstand vor? Etc.
Dabei gilt:
Die Gruppenteilnehmer haben während des Konfliktverlaufs bereits sehr gefestigte negative
Urteile übereinander und können Schuldvorwürfe und Anerkennungsfragen häufig nicht mehr
von Sachfragen auseinanderhalten. Die gemeinsame Fallanalyse soll die Teilnehmer dazu
bewegen, zu dem sachlichen Thema der Kontroverse zurückzukehren.
Die Analyse der Konfliktkonstellation ermöglicht den Konfliktparteien, die eingefahrene
Konfliktkonstellation aufzubrechen. Folgende Schritte sind zu unternehmen:
• Reflexion der eigenen Konfliktsicht
• Einnahme des Perspektivenwechsels (Konfliktsicht des Anderen): Welchen Handlungsplan
verfolgt B, welche Ziele sieht B bedroht, welche Gründe hat er aus seiner
Sicht, den Gegensatz festzuhalten, wer ist für ihn der Kontrahent, welche Erwartungen
hat er über diesen, Einstellungen etc.
• Feststellen von Gemeinsamkeiten und Differenzen
• Beurteilung, welche Differenzen sich durch die Rückkehr zur Erörterung der Sache
auflösen lassen

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 105
Präsentation: Reflexion des eigenen und fremden kulturellen
Gepäcks
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Reflexion des eigenen und
fremden kulturellen Gepäcks
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Interkulturelles Lernen
• will die eigene Vielfältigkeit erfahrbar machen
• will für die Relativität eigener Wahrnehmungen
sensibilisieren
• will Neugier auf fremde Kulturen wecken
• will Wissen um fremde Normen und Werte erarbeiten
• will Stereotypen und Vorurteile aufbrechen

106 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Übung: Die eigene Vielfalt – die Vielfalt des Anderen
Alter
Geschlecht
Gesundheit
Hautfarbe
Sexuelle
Orientierung
Freunde
Familie
Eltern
Werte
Religion
Einkommen
Beruf
Ausbildungsstatus
???? Ähnlichkeiten
von mir zu Rosa und
Demir ??
Wissen
Fähigkeiten
Geschick
Hobbys
Interessen
???? Unterschiede
von mir zu Rosa und
Demir ??
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Die Logik des Vorurteils
• Stereotype
• Vorurteile
• Rassismus
(nach Thomas und Memmi)

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 107
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Was sind Stereotype?
• Stereotype sind vereinfachte Denkmuster über
Personengruppen.
• Sie sprechen diesen bestimmte Eigenschaften oder
Verhaltensweisen zu bzw. ab.
• Sie haben eine emotional wertende Tendenz.
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Was sind Vorurteile?
• Vorurteile sind überwiegend negative bis feindliche
Einstellungen gegenüber Personengruppen bzw.
Ethnien.
• Vorurteile werden bei widersprechenden Erfahrungen
nicht korrigiert.
• Vorurteile schließen Offenheit und Neugier
weitgehend aus.
• Vorurteile versagen Respekt und Anerkennung.

108 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Was ist Rassismus?
Rassismus ist eine verallgemeinerte und
verabsolutierende Wertung
• von tatsächlichen oder fiktiven Unterschieden
• zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden des
Opfers.
Rassismus rechtfertigt Privilegien oder Aggressionen.
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Aufbrechen von Stereotypen und Vorurteilen
• Wissen
• Perspektivenwechsel

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 109
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Übung: Was weiß ich über …?
• fremde Kulturen – Sitten, Normen, Bräuche
• Religionen – Gemeinsamkeiten, Unterschiede
• die soziale Lage von Einwanderern
• Erfahrungen von Diskriminierungen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
Übung: Welche Vorurteile kenne ich über … ?
• mich
• meinen Beruf / Status
• die Region, in der ich lebe
• Männer – Frauen
• Islam – Christentum, Atheisten ....
• Deutsche, Polinnen und Polen, Türkinnen und Türken,
Russinnen und Russen …

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 111
Präsentation: Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Strategien interkultureller
Kommunikationsfähigkeit
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Teil 1:
Überlegungen zu Kommunikation
• die Vielfalt von Gesprächssituationen
• Unverständnis und Missverständnis
• interkulturelle Überlagerungen

112 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Das Kommunikationsmodell
(F. Schulz von Thun)
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Was charakterisiert Kommunikation?
Die Sachebene - die Inhalte der Kommunikation
Die Beziehungsebene - Welche Beziehung ist
ausgedrückt
Zwei Seiten, die hineinspielen:
• Welche Wirkung soll erzielt werden?
• Was gibt der Sprecher über sich kund?
(modifiziert nach Schulz von Thun, Auernheimer)

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 113
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Missverständnisse auf der Sachebene sind …
Fehler beim Verstehen aufgrund von
• Sprachschwierigkeit (Fachsprache, Fremdsprache)
• Unaufmerksamkeit / Unkonzentriertheit
• alternative Auffassung der Sachaufgabe / Lösung
Sie werden auf der Sachebene bei beidseitigem
Interesse an der Arbeits- und Lernkooperation meist
bemerkt.
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Missverständnisse auf der
Beziehungsebene beruhen auf …
• Vorprägung durch Erfahrungen / Erwartungen
an die Gesprächssituation / Gesprächspartner
• Befangenheit gegenüber der Gesprächssituation /
Gesprächspartner
• verschiedenen (auch kulturell geprägten)
Deutungsmustern

114 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Erfahrungen und Erwartungen, die die
Beziehungsebene beeinflussen können
• Machtasymmetrien:
Status und Macht, z. B. Noten zu geben
unterschiedliche Ressourcen
Deutungs- und Definitionsmacht über Normen
• Fremdbilder:
Stereotype Erwartungen
Vorurteile
• Differenz der Kulturmuster:
unterschiedliche Formen von Respekt in den Kulturen
unterschiedliche Formen von Solidarität in den Kulturen
(modifiziert nach Auernheimer)
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Interkulturelle Sensibilität
in Sprachsituationen (Gelingen der Sachebene)
• zu schnelles Sprechen?
• Fachtermini? Fremdwörter?
• Slang?
• Länge des Satzbaus, Verschachtelungen?
• zu viel Stoff in zu kurzer Zeit?

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 115
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Kommunikationsfähigkeit
Positive Gestaltung von
Kommunikationssituationen
auf der Beziehungsebene
• Sensibilität für kulturell bedingte Unterschiede
in Sprache, Gestik, Mimik, Stil
• aktives Zuhören
• Einnehmen der Perspektive des Gegenübers
• kritische Reflexion auf die Definitions- und
Deutungsmacht von Vorgesetzten

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 117
Präsentation: Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Entwicklungspartnerschaft ProViel
Strategien interkultureller
Konfliktfähigkeit
Integration Interkultureller Kompetenz
in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Teil 1:
Konflikttheorie
• Konfliktwahrnehmung
• Konfliktanalyse
• Konfliktbearbeitung

118 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Spannungssituation
• Beteiligung
• Beziehung
• Aktion
• Konfliktsicht
KONFLIKT
Zwei oder mehrere Personen
(Gruppen, Organisationen)
sind an dieser
Spannungssituation beteiligt
Die Beteiligten sind voneinander
abhängig.
Die Beteiligten versuchen, ihre
Handlungspläne
gegeneinander zu
verwirklichen
Die Beteiligten sind sich ihres
Gegensatzes bewusst.
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Konfliktarten
Beurteilungskonflikt Uneinigkeit über die Wege
Zielkonflikt gegensätzliche Ziele
Verteilungskonflikt Streit um zeitliche, finanzielle
und personelle Ressourcen
Beziehungskonflikt Uneinigkeit über die sozialen
Beziehungen

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 119
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Konfliktkonstellationen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Teil 2:
Konflikte und interkulturelle Überlagerungen

120 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Kulturelle Überlagerungen bei
Beurteilungskonflikten
• unterschiedliche sprachliche Auffassung der
Sachaufgabe / Lösungsalternative
• unterschiedliche kulturell vermittelte Arbeitsstile und
Problemlösungstechniken (Genauigkeit,
Pünktlichkeit ...)
• unterschiedliche Normvorstellungen bei der
Beurteilung von gegebenen bzw. erlaubten
Ressourcen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Kulturelle Überlagerungen bei Zielkonflikten
• unzureichende Klarheit über die jeweilige
Zielvorstellung
• unterschiedliche normative Gewichtung der Prioritäten
• unterschiedliche Normen und Werte
• Unsicherheiten über: was ist geboten und erlaubt

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 121
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Kulturelle Überlagerungen bei Verteilungskonflikten
• wenig Ressourcen (Zeit, Geld, Handlungsspielräume)
sind asymmetrisch entlang von Mehrheit / Minderheit
verteilt
• bei akuten Problemen Desinteresse, warum und wofür
vermehrte Ressourcen in bestimmten Fällen für
bestimmte Gruppen nötig sind
• Kommunikationsbarrieren über objektive Gründe
mangelnder Ressourcen
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Kulturelle Überlagerungen bei Beziehungsund
Anerkennungskonflikten
• Missverständnis objektiver Machtasymmetrien als
ethnische seitens der Konfliktparteien
• Verweigerung einer Konfliktaustragung aufgrund von
Vorurteilen, Rassismus
• expliziter Entzug des Respekts in der Konfliktsituation
aufgrund von Vorurteilen und Rassismus
• Wissen um unterschiedliche Ehrgefühle als Instrument
bewussten Beleidigen

122 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Teil 3:
Von der Konfliktbetroffenheit zur
Konfliktbearbeitung
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Präventive Wahrnehmung der Konfliktsymptome
in der beruflichen Bildung
Konstruktive Beeinflussung objektiver Konfliktursachen
• Abschaffen von Diskriminierungen auf der Verteilungsebene
(AGG): Gleicher Zugang bei Einstellung, Bildung,
Aufstiegschancen
Konstruktive Beeinflussung von subjektiven Konfliktursachen
• Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks
(Vorurteile und Stereotypen)
• Schaffung einer Kultur der Wertschätzung der Vielfalt

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 123
Projektverbund: Integrationsmanagement im Handwerk –
Instrumente für ein Diversity-/Integrationsmanagement
Strategien interkultureller Konfliktfähigkeit
Bearbeitung von interkulturellen Konflikten
Aufbrechen der Konfliktkonstellation durch Konfliktanalyse
• Schaffung von Distanz durch die Herausarbeitung des
Kerns des Konflikts
• Gewinnen der Konfliktparteien für die Konfliktanalyse
• Rückführung von Anerkennungskonflikten auf die
sachlichen Bestandteile des Konflikts
Konstruktive Beeinflussung von objektiven und subjektiven
Konfliktursachen

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 125
Unterrichtseinheit: Reflexion über „Fremdheit“
Ulrich Mellentin (HandWERK)
Reflexionen über „Fremdes“ im Kontext
der Integration
* kann zu einer Neubewertung von
„Bekanntem“ beitragen
* führt zu neuen Erkenntnissen
* kann eigene Positionen verändern
* ist Bestandteil menschlichen Handelns
Handwerkskammer Bremen GB IV -
Ulrich Mellentin
Berufsförderungszentrum / U.
HandWERK Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen
Mellentin
Warum werden MigrantInnen als „Fremde“
bezeichnet?
Weil sie uns unbekannt* sind?
Weil sie von fernher* sind?
Weil sie nicht zum eigenen Land* gehören?
Weil sie nicht der eigenen
Lebensgemeinschaft* angehören?
* Definition für Fremde nach Lexikon (Wörterbuch der
deutschen Sprache in www.wissen.de)
Handwerkskammer Bremen GB IV -
Ulrich Mellentin
Berufsförderungszentrum / U.
HandWERK Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen
Mellentin

126 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Ich
Fremde
Mein Umfeld
Handwerkskammer Bremen GB IV -
Ulrich Mellentin
Berufsförderungszentrum / U.
HandWERK Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen
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1. Wo sind die MigrantInnen im eigenen
Umfeld?
2. Was bringen die „Fremden“ in ihrem
„kulturellen Rucksack“ mit?
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Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 127
1. Integrationsförderung heißt:
Fremdes nicht in der Ferne suchen,
sondern in der Nähe, im eigenen Umfeld!
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Das eigene soziale Umfeld
Ca. 662.000 Bremer Einwohner
= 10.000 Einwohner
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128 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Fremdes im eigenen Umfeld ?
Ca. 33.000 Aussiedler
Ca. 16.000 Eingebürgerte
Ca. 82.000 Ausländer
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Fremde Nachbarn!
Kollegen!
Jugend!
Quelle: Statistisches Landesamt; veröffentlicht im Weser Report 04.12.2005
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Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 129
2. Reflexionen über „Fremdes“!
Folgende Fragen können helfen, MigrantInnen besser
verstehen zu lernen:
1. Was weiß ich über Aussiedler ?
2. Was weiß ich über Eingebürgerte ?
3. Was weiß ich über Ausländer ?
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Was weiß ich über Fremde / MigrantInnen?
Fragen:
1. Woher kommen sie?
2. Warum sind sie hergekommen?
3. Aus welchem Kulturkreis kommen sie?
4. Welcher Religion gehören sie an?
5. Welche Sitten und Gebräuche haben sie?
6. Welche Werte / Normen haben sie?
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130 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Was weiß ich über Aussiedler?
Welche Sitten und
Gebräuche haben
sie?
Woher
kommen
sie?
Warum sind sie
hergekommen?
Welcher
Religion
gehören sie an?
Welche Werte /
Normen haben
sie?
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Berufsförderungszentrum / U.
HandWERK Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen
Mellentin
Aus welchem
Kulturkreis
kommen sie?
Was weiß ich über Eingebürgerte?
Welche Sitten und
Gebräuche haben
sie?
Woher
kommen
sie?
Warum sind sie
hergekommen?
Welcher
Religion
gehören sie an?
Welche Werte /
Normen haben
sie?
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Ulrich Mellentin
Berufsförderungszentrum / U.
HandWERK Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen
Mellentin
Aus welchem
Kulturkreis
kommen sie?

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 131
Was weiß ich über Ausländer?
Welche Sitten und
Gebräuche haben
sie?
Woher
kommen
sie?
Warum sind sie
hergekommen?
Welcher
Religion
gehören sie an?
Welche Werte /
Normen haben
sie?
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Aus welchem
Kulturkreis
kommen sie?

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 133
Unterrichtseinheit: Kultur und Kommunikation – Einfühlen und
Verstehen
Ulrich Mellentin (HandWERK)
Kultur und Kommunikation
Einfühlen und Verstehen
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Falsch verstandene Signale
können leicht den Blick auf die „Realität“ trüben!
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134 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Dies ruft gelegentlich Befremden hervor
und kann in eine echte Krise führen!
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Ulrich Mellentin
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Deshalb ist es insbesondere für den Umgang mit
MigrantInnen sinnvoll, folgende Überlegungen
vorzunehmen
‣Liegt hier ein anderes - auch kulturell verschiedenes
Kommunikationsmuster“ vor (Sprache, Gestik, Mimik)
‣ Welches Verhaltensmuster zeigt sich mir (unsicheres
Auftreten, Nervosität, Impulsivität, Spontanität,
Temperament, etc.)
‣ Aus welcher Perspektive agiere und interpretiere ich -
und aus welcher mein Gegenüber?
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Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 135
1.1 Fallbeispiel
Zwei Lehrgangsteilnehmer kommen am ersten Lehrgangstag zu
spät und sagen:
1. TeilnehmerIn
Bitte entschuldigen Sie die
Verspätung, ich habe den
Anschlussbus leider
verpasst, da eine religiöse
Prozession die Straßen
blockierte!
2. TeilnehmerIn
Du, entschuldigen, ich nix
gute Bus, muss warten, viel
Menschen in Straße für
Gott!
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1.2 Wie deute ich dieses Erlebnis bzw. wie interpretiere ich diese
Situation?
1. Dieser Teilnehmer
entschuldigt sich höflich
und sprachlich in guter
Form, er wird sicherlich
zukünftig nicht mehr
verspätet kommen.
1a. Heute eine Prozession?
Davon habe ich nichts
gehört, ob ich ihm das
abnehmen soll?
Beispiel:
2. Dieser Teilnehmer kann
sich nicht einmal „gehörig“
entschuldigen. Von ihm
erwarte ich weitere
Verspätungen. Ich muss ein
Auge auf ihn haben.
2a. Was meint er mit
„Menschen in Straße für
Gott“? Soll ich nachfragen?
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136 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
1.3 Wie bin ich zu dieser Bewertung gekommen?
Beispiel:
1. Das Auftreten dieses
Teilnehmers beruhigt mich.
Ich bin entspannt, da seine
Umgangsform eine positive
Zusammenarbeit erwarten
lasst.
2. Dieser Teilnehmer
beunruhigt mich. Sein
Verhalten erscheint mir
befremdlich und ich
erwarte weitere
unangenehme Situationen.
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1.4 Warum urteile ich so?
1. Die Umgangsformen
dieses Teilnehmers sind
mir bekannt und ich
verstehe ihn. Ich fühle mich
im Umgang mit dieser
Person sicher.
1a. Entschuldigungen
können einen guten Grund
haben oder eben
vortäuschen, da sollte ich
mich vergewissern!
Beispiel:
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2. Dieser Teilnehmer kann
sich offensichtlich nicht
adäquat ausdrücken.
Vielleicht ist er ungebildet.
Ich kann ihn nicht
einschätzen und fühle mich
unsicher.
2a. Entschuldigungen
können einen guten Grund
haben oder eben
vortäuschen, da sollte ich
mich vergewissern!

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 137
2. Welche Einstellung/innere Haltung
beeinflußt meine Kommunikation?
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2.1 Wie beurteile ich die zuvor beschriebene Situation?
Fragen:
1. Wie würde ich Teilnehmer 1 und wie Teilnehmer 2
antworten ?
2. Welche Argumente für meine Antwort / Reaktion habe
ich ?
3. Welche weiteren Schritte würde ich veranlassen?
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138 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
2.2 Welche Einstellungen (Werte / Normen) prägen meine
Urteile im beruflichen Umgang mit den Auszubildenden
Fragen:
1. Welche Normen und Werte über Arbeit liegen meinem
Urteil zugrunde?
2. Welche Normen und Werte über soziales Verhalten liegen
meinem Urteil zugrunde?
3. Welche Normen und Werte über Religion liegen meinem
Urteil zugrunde?
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2.3 Sind meine Einstellungen / Urteile unveränderlich?
Fragen:
Wie hätte ich diesen Fall beurteilt, wenn / als
1. ich selbst noch in der Ausbildung war?
2. ich einen Tag vor meinem vierwöchigen Urlaub in
Südeuropa stände?
3. mein Auto in der zurückliegenden Nacht aufgebrochen
worden wäre?
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Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 139
2.4 Wie kann ich den Kommunikationshintergrund (Werte/
Normen) von Teilnehmer 2 besser verstehen und mit ihm auf
eine gemeinsame Kommunikationsebene kommen?
Fragen:
Sachliche Einigkeit
• Warum braucht es für einen vernünftigen Unterricht, von dem die
Teilnehmenden auch was mitnehmen können, Pünktlichkeit?
• Wie machen Sie sich fit dafür, rechtzeitig da zu sein...?
• Gibt es persönliche Umstände, die Pünktlichkeit verhindern können? Wie
vermittele ich den Unterschied zwischen Un- und Akzeptablen
Verspätungsgründen ?
• Die Verbesserung der Sprache hilft, Missverständnisse zu vermeiden
Interkulturelles Wissen
• Wert der Pünktlichkeit in den verschiedenen Kulturen
• Du – Sie / Respektformen in der fremden und deutschen Kultur
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Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 141
Unterrichtseinheit: Vorurteil und Konflikt
Claudia Gössele (HandWERK)
Zeitaufwand:
Zielgruppe:
2–3 Unterrichtsstunden
Berufs- und Arbeitspädagogik im Rahmen der AEVO- bzw. Meistervorbereitung
Lernziele: Die Teilnehmer/innen sollen...
• Merkmale von besonderen Personengruppen in der Berufs- und Arbeitswelt erläutern
und beurteilen.
• speziell bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Begriffe „ Vorurteile“ und
„Stereotypen“ diskutieren und dafür sensibilisiert werden.
• die Definition „Interkulturelle Kompetenz“ nach J. Schuch und „Was heißt interkulturelles
Lernen?“ kennen lernen.
• sich darüber im Klaren sein, dass sich ein anderer kultureller/ religiöser Hintergrund
auf die Konsequenzen für die Ausbildung von ausländischen Jugendlichen auswirken
kann.
Didaktische Vorüberlegungen
In der heutigen Ausbildungssituation stimmt die Wirklichkeit mit dem traditionellen Bild des
Auszubildenden nicht mehr überein. Heute müssen sich die Ausbilder verstärkt mit Jugendliche
auseinander setzen, die mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in die Ausbildung
kommen. Besonders der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat in den
letzten Jahren stark zugenommen.
Das Verhalten des Jugendlichen wird im entscheidenden Maße durch Einflüsse aus seinem
sozialen Umfeld geprägt.
Die unterschiedlichen kulturellen und/oder auch religiösen Hintergründe der Jugendlichen
erfordern beim Ausbilder besondere Qualifikationen, um sich auf jeden Auszubildenden individuell
einstellen zu können. Es ist wichtig, dass er wesentliche Faktoren der sozialen Situation
des ausländischen Jugendlichen kennt, damit er dessen Verhalten besser einschätzen kann
und auch diese Zielgruppe zum Ausbildungserfolg führen kann.
Probleme bei ausländischen Jugendlichen können vor allem dann entstehen, wenn sie nicht in
Deutschland aufgewachsen sind bzw. die deutsche Sprache nicht genügend beherrschen. Zudem
können kulturell oder religiös bedingte besondere Einstellungen und Verhaltensweisen
zu Problemen führen, wenn sich diese sehr von deutschen Wertvorstellungen unterscheiden,
zum Beispiel mangelnde Frauen-Wertschätzung, Ramadan.
Im Rahmen der Unterrichtseinheit soll das Wissen um die Probleme von ausländischen Jugendlichen
in der Ausbildung erweitert und vertieft werden.
Die Teilnehmer sollen ihre persönlichen Kompetenzen, wie zum Beispiel das Wissen um eigene
und fremde kulturelle Werte und Einstellungen überprüfen und gegebenenfalls erwei-

142 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
tern. Sie sollen sich über die Verbindung von unterschiedlichen kulturellen Ressourcen, Perspektiven
und Kompetenzen im Arbeits- und Lernprozess Gedanken machen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Klärung der Begriffe „Vorurteile“ und „Stereotypen“
um sich besser in die Thematik hineinzudenken bzw. einen anderen Blickwinkel für die
Problematiken zu erhalten. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff bzw. den Inhalten des
„kulturellen Lernens“ erscheint ebenso sinnvoll.
Nach der Durchführung der Unterrichtseinheit ist den Teilnehmern klar, dass die unterschiedlichen
Lernvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen, die Jugendliche mit Migrationshintergrund
in die Ausbildung mit einbringen, Auswirkungen auf die Gestaltung der Ausbildung
haben kann und auf das soziale Leben im Betrieb (Betriebsklima).
Methodik:
1. Einführung in das Thema (darbietend, vortragend durch Dozentin, Folie)
2. ausländische Jugendliche in der Ausbildung; Fragestellung: Welche persönlichen Erfahrung
haben Sie mit ausländischen Jugendlichen gemacht? Oder sind sie selber betroffen?
(Diskussion)
3. Klärung der Begriffe „Vorurteile, Stereotypen, Rassismus“ und „Was ist mit interkulturellem
Lernen gemeint?“ (gemeinsame Erarbeitung, Tafelbild bzw. Arbeitsblätter
1-4 aus der Präsentation „Reflexion des eigenen und fremden kulturellen Gepäcks“)
4. Übung: Welche Vorurteile kenne ich über...? Was weiß ich über...? (Einzelarbeit, Arbeitsblatt
4a/4b, anschließend Ergebnisvorstellungen)
5. Definition „Interkulturelle Kompetenz“ nach J. Schuch (vortragend durch Dozentin,
Tafelbild)
6. Arbeitsblatt 5: Voraussetzungen besonderer Gruppen – Konsequenzen für die Gestaltung
der Ausbildung (Gruppenarbeit, anschließend Ergebnisvorstellung)
7. Ergebnissicherung (vortragend durch Dozentin, Arbeitsblatt 5)
8. Falldiskussion (Drehbuch-Szene aus „Der Fremde im Spiegel“) (gemeinsame Erarbeitung)
Literatur:
- Sackmann, das Lehrbuch für die Meisterprüfung
- Gemeinschaftsinitiative Equal, Entwicklungspartnerschaft ProViel
- Berufs- und Arbeitspädagogik Meistervorbereitung Teil 4, ZWH Lehrgang

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 143

144 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 145
Arbeitsblatt 5

146 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Fallbeispiel mit Anregungen zur Diskussion
Aus dem Film 57 : DER FREMDE IM SPIEGEL
MARIUS: Scheiße! Wieso liegt das Teil denn noch hier rum?
DAMIR: Weiß nicht.
MARIUS: Ist ja kein Wunder bei deinem Chaos hier. (Er kickt ärgerlich gegen einen Haufen
Werkzeug.) Guck dir das an! Ich will gar nicht wissen, wie’s bei euch zu Hause aussieht.
DAMIR (ruhig): Das ist auch dein Zeug.
MARIUS: Ach was, dein Zeug. (Er hält schnaubend das übrig gebliebene Teil hoch.) Das ist
Hi-Tech, verstehst du: Hi-Tech! Ein Fehler, und – pfffft – alles hier geht hoch. Da kannst du
nicht rumträumen wie zu Hause bei deiner Schafherde...
MARIUS: ... das kommt, weil du immer alles falsch verstehst. Lern doch erst mal richtig
Deutsch!
DAMIR: Ich versteh sehr gut, was du sagst.
MARIUS: Ach ja?... Mann, ich brauch den Scheiß Job, ich hab’ keine Lust, wegen Dir hier
rauszufliegen!
DAMIR (in seiner Muttersprache): Sei doch froh, dann kannst du endlich nach Hause zu
Mama.
MARIUS: Was sagst du da? Nimm das zurück! Nimm das sofort zurück...
Konfliktanalyse – Konfliktkonstellation
• Welche Handlungspläne stehen gegenüber?
• Warum sind sie konträr, behindern sie sich wechselseitig?
• Welche Bedingungen liegen als objektive Rahmenbedingungen vor?
• Welche Konfliktsicht haben die Konfliktakteure, welche Bedingungen hierfür liegen
vor?
• Die Vorurteile auf beiden Seiten
Weiterführende Diskussion: Wie ist die Konfliktkonstellation
Um welchen Konflikt handelt es sich – weiterführende Fragen sollen auch den objektiven
Rahmenbedingungen gelten.
• Abhängigkeit in der Arbeit von einander (Gebrauch der Werkzeuge), wie ist das organisiert?
• Ressourcen: Räumliche Enge/Zeit?
57 Folgender Auszug ist dem Drehbuch „Der Fremde im Spiegel“ entnommen, vgl. Günzler 2004.

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 147
• Aufgabenverteilung beim Aufräumen, Wissen und Absprachen?
• Die Gefährlichkeit des noch liegen gebliebenen Werkzeugs enthält die Möglichkeit,
dass was passiert. Brand/Explosion etc. Objektiver Mangel?
• Gibt es eine gemeinsame Risikoeinschätzung? Welche Vorkehrungen hat der Betrieb
im Sicherheitsbereich für die Risikoabwehr gemacht? Schulungen? Verantwortlichkeit
festgelegt? ...
• Die Angst vor dem Jobverlust – wie ist das Betriebsklima zwischen Meister und Jugendlichen?
Steht die Drohung im Raum? Ist sie vermutet?
Wie sehen die Kontrahenten den Konflikt, was ist ihre Konfliktwahrnehmung?
• Das Herumliegen des Werkzeugs ist ein Fehler, der schlimme Wirkungen haben kann.
• Marius hat eine „Fehleranalyse“, die auf zwei Unterstellungen „der ist unordentlich“
und „der hat keine Ahnung“ beruhen. Beide Urteile als Urteile und nicht als Vorurteile
genommen, widersprechen sich als Angabe für den Grund, warum das Werkzeug noch
dort liegt.
• Marius vollzieht einen Zusammenschluss von beiden Vorurteilen in einer abwertender
Meinung über das Herkunftsland von Damir. Die Schuldzuweisungen von Marius verweisen
auf Dominanzverhalten (darauf deutet der Hinweis von Damir hin: Das ist
auch dein Werkzeug).
• Damir bleibt ruhig. Warum? Hat er eine andere Einschätzung der Gefahr? Oder will er
den Konflikt herunterfahren?
• Welche Vorurteile hat Damir?
Konfliktbearbeitung
Aufbrechen der Konfliktkonstellation durch gemeinsame Analyse des Konflikts: Versuch der
Rückführung von Ehr-, Schuldfragen und praktizierten Vorurteilen auf die Sachdifferenz.
Der geschilderte Konflikt verweist auch auf Mängel, Schwachstellen in der Organisation der
Sicherheit. Bei genauer Untersuchung und Konfliktbearbeitung wird die Konfliktanalyse und
Konfliktbearbeitung Motor zur Verbesserung im Betrieb.

148 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Unterrichtseinheit: Sensibilisierung für migrationsspezifische
Abbruchgründe
Wolfgang Becker (HandWERK)
Zielgruppe:
Teilnehmer und Teilnehmerinnen der AEVO- bzw.
Meistervorbereitung
1. Ziele
2. Didaktisch-methodische Überlegungen
3. Durchführung der UE
4. Auswertung der Realisierung
5. Modifizierung
6. Material zur Unterrichtseinheit
•
1. Ziele
Die Teilnehmer/-innen sollen
• für die Problematik der Ausbildungsabbrüche sensibilisiert werden
• sich damit auseinandersetzen, welche Rolle die betrieblichen Ausbilder/innen dabei
haben
• für ihre Qualifizierung in Diversity-Inhalten motiviert werden
•
Ziele des Exkurses zu „Interreligiöse/Interkulturelle Erziehung“
Die Teilnehmer/-innen sollen
• für Fragen anderer Religionen sensibilisiert werden
• sich mit den Inhalten anderer Religionen auseinandersetzen
• die Auswirkungen religiöser Erziehung/anderer Kulturen für die Integration beurteilen
• Konsequenzen für den betrieblichen Alltag/die Ausbildung entwickeln
• Strategien für den Umgang mit muslimischen Auszubildenden im Fastenmonat Ramadan
konzipieren
•
2. Didaktisch-methodische Überlegungen
Für die einzelnen Aufgabenstellungen werden keine Lösungen im Sinne einer Musterlösung
angeboten, da die Beantwortung mit den Teilnehmern zusammen entwickelt werden soll und
somit offen ist für unterschiedliche Ergebnisse.

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 149
Rein rechtliche (s. Punkt 4.4 der UE) Fragestellungen sind hier mit Hilfe des Lehrbuchs bzw.
der Materialien zu den einzelnen Lernfeldern zu beantworten. Aus diesen Überlegungen ergibt
sich für den Einsatz das Angebot der Wiederholung bzw. der Verknüpfung mit anderen
Lernfeldern, u. a.:
(Die Gliederung bezieht sich auf das Buch Sackmann, Teil IV, Ausbildung der Ausbilder)
LF 1: 3.4. Arbeitsrecht
4.1. Pädagogische Aufgaben des Ausbilders
5. Aufgaben der Handwerksorganisationen
LF 2: 1.1. Personalentwicklung
5. Integration der Ausbildung in das betriebliche Führungssystem(hier verlegt
nach Absprache in das LF 5!)
LF 3: 1.1. Planung u. Durchführung v. Einstellungsverfahren
2.3. Möglichkeiten des Vorgehens in Problemsituationen
4. Probezeit
LF 5: 1. Entwicklungsstand u. Lebenssituation, insbesondere
1.6. 3. Ausländische Jugendliche
3. Motivation
5.1. Erscheinungsformen u. Ursachen von Lernschwierigkeiten
5.2. Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
LF 6: 1.2. Kommunikative Grundzusammenhänge
2. Erkennen und Lösen von Konflikten
LF 7: 2.2. Vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
Zusätzlich im LF-6 das so genannte „Eisbergmodell“.
Insgesamt kann/soll die UE als Modulsystem betrachtet werden.
3. Durchführung der UE
Wie oben angedeutet wurde die UE selektiv als Modul eingesetzt. Dies stellte sich im Rahmen
der Realisierung als sinnvoll heraus. Im Einzelnen wurde wie folgt vorgegangen:
LF 5: Förderung des Lernprozesses - Besondere Personengruppen in der Ausbildung
• Sensibilisierung für das Thema: Abbruch der Ausbildung
• Darstellung und Interpretation der Fakten
• Gründe für den Abbruch (vgl. Sackmann, S. 237 und „Ausbildungsrealität – Anspruch
und Wirklichkeit“, S. 100ff).
• Sensibilisierung für die Sprachproblematik (Falldarstellung im Materialanhang)
LF 6: Ausbildung in Gruppen
• Kommunikationsmodell
• Eisberg-Modell
• Konfliktlösung

150 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
• Fallanalyse und Lösungsmöglichkeiten
• Bearbeitung als Wiederholung und konkrete Prüfungsvorbereitung
• Transfer auf außerbetriebliche Möglichkeiten
Die einzelnen Module sollten als Impulsgeber bzw. Wiederholung/Vertiefung verstanden
werden.
4. Auswertung der Realisierung
Angesichts der zur Verfügung stehenden Stunden, der Teilnehmerzahl und dem Zeitpunkt der
Erstellung bzw. Einbringung der UE musste eine didaktische Reduktion der geplanten Vorgehensweise
erfolgen. Wie im Punkt „Durchführung“ dargestellt wurden die einzelnen Arbeitsschritte
der UE verändert bzw. in einzelnen Modulen realisiert.
Zusätzlich ergab sich die für das Thema günstige Situation, dass der diesjährige Ramadan in
die Zeitschiene des Kurses fiel. Zudem waren Teilnehmer mit muslimischem Hintergrund im
Kurs. Aktueller „Aufhänger“ für dieses Thema war ein Artikel im Weserkurier. In Form eines
Exkurses (s. Materialanhang) konnte so auf die interreligiösen Aspekte eingegangen werden
und die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen einbringen(als Betroffene und Kollegen). Ein
Transfer auf mögliche Konsequenzen für die Ausbildung konnte so mit den Teilnehmern erarbeitet
werden.
Die Aufteilung der UE in Module ergab sich aus den oben dargelegten Gründen und durch
den zu hohen Zeitaufwand.
Das erneute Einbringen unter unterschiedlichen Aspekten führte so zu einer Konsolidierung
des Themas im Unterricht.
Eine Kumulation hätte vielleicht auch zu einer Überbewertung des Themas zum jetzigen
Zeitpunkt (ohne Prüfungsrelevanz) geführt.
Die Beschäftigung unter mehreren Aspekten
• Entwicklungspsychologische Aspekte
• Besondere Personengruppen
• Abbruch der Ausbildung
• Kommunikation
• Konfliktlösung
• Team/Gruppe
• Lösungsstrategien bei Fällen oder als
• Wiederholung
erwies sich als für das Seminar aktivierend und richtig.
5. Modifikation der UE
Wie bereits in den Punkten Realisierung und Auswertung aufgeführt, wurde die UE in einigen
Punkten revidiert bzw. erweitert
Im Einzelnen sei hier noch einmal aufgeführt:

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 151
• Abbruch der Ausbildung als Schwerpunkthema unter dem Aspekt
• Info/Statistik und Interpretation der Daten
• Gründe für den Abbruch
• Folgen für Betroffene (Azubi und Ausbildender/Ausbilder)
(vgl. modifizierter Fall)
• Interreligiöse Aspekte und ihre Bedeutung für die Ausbildung
(vgl. Exkurs)
• Migration und Kommunikation
• Falllösungsstrategien/Prüfungsvorbereitung
• Konfliktlösungen
• interne und externe Hilfsmöglichkeiten/-Angebote
• rechtliche Rahmenbedingungen als Wiederholung bzw. Impuls (vgl. Flyer Mobbing)
Hieraus ergab sich, die einzelnen Abschnitte der UE als Modulsystem einzusetzen.
Bei einem erneuten Einsatz müsste m. E. neben den organisatorischen Gegebenheiten wie
• Zeitpunkt
• Stundenumfang
• Teilnehmerzusammensetzung etc.
vor allem die Frage der Prüfungsrelevanz geklärt werden. Für die Teilnehmer ist dies mit von
großer Bedeutung; andererseits darf das Thema auch nicht „überpräsentiert“ werden.

152 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Material zu „Sensibilisierung für die Problematik der
Ausbildungsabbrüche“
Auszug aus dem Handelsblatt, 9.11.2007 „Forderung nach Rückkehr zur Zwangsprüfung“
Von Barbara Gillmann
Die Ausbildereignungsverordnung (AEVO) wurde 2003 außer Kraft gesetzt. Die Arbeitgeber
schätzen die Freiheit, die sie seitdem genießen. Doch Handwerk und Gewerkschaften
fordern eine Rückkehr zur Zwangsprüfung. Nun liegt es an Bildungsministerin
Annette Schavan, über eine Reaktivierung der AEVO zu entscheiden. Um die Qualität
der Ausbildung für die Zukunft zu sichern, fordert das Handwerk die Reaktivierung
der AEVO.
BERLIN. Muss man die Ausbilder deutscher Lehrlinge wieder zu einer pädagogischen und juristischen
Zusatzausbildung zwingen – oder reicht das Vertrauen ins Eigeninteresse der Betriebe an einer
soliden Ausbildung? Diese Frage muss Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) demnächst beantworten.
Ihre SPD-Vorgängerin Edelgard Bulmahn hatte 2003, auf dem Höhepunkt der Lehrstellenkrise,
die Ausbildereignungsverordnung (AEVO) für fünf Jahre außer Kraft gesetzt. Die Hoffnung
war, dass mehr Unternehmen mehr ausbilden, wenn dafür kein Kurs samt Prüfung nötig sind – zumindest
für Ausbilder, die keinen Meister haben.
Bei der Wahl, die Verordnung nun ganz zu beerdigen oder zu reaktivieren, steht Schavan einer uneinigen
Wirtschaft gegenüber: Handwerk und Gewerkschaften wollen die alte strenge Verordnung wiederbeleben.
Auch der DIHK will zur alten AEVO zurück – diese aber vorher entrümpeln. Die Arbeitgeber
dagegen schätzen die neue Freiheit und bauen auf Freiwilligkeit.
Uneins ist man sich auch darüber, was der Verzicht auf die Zusatzausbildung – die bis zu 120 Stunden
dauert und bis zu 1 000 Euro kosten kann – tatsächlich gebracht hat am Lehrstellenmarkt. Die Erwartung
war hoch: Bis zu 100 000 zusätzliche Ausbildungsplätze könne der Verzicht auf die Zwangsschulung
der in der Fünf-Jahresfrist schaffen, hoffte Bulmahn.
Es sind nicht einmal halb so viel - zeigt nun eine noch unveröffentlichte Studie des Bundesinstituts für
Berufsbildung (BIBB), deren erste Ergebnisse dem Handelsblatt vorliegen. Nach einer Umfrage unter
2 600 Betrieben sind durch den Wegfall der Prüfung jährlich nur 7 000 bis 10 000 zusätzliche Lehrstellen
entstanden. Das könnte jedoch auch daran liegen, dass drei Viertel der Betriebe gar nicht wissen,
dass die Prüfung nicht mehr vorgeschrieben war. Das erklärt auch, dass nach wie vor jährlich 33
000 Ausbilder die Prüfung freiwillig ablegen – gegenüber 44 000 zuvor.
Das Handwerk glaubt ohnehin nicht an einen direkten Zusammenhang. Schließlich sei die Entscheidung,
ob ein Betrieb ausbildet oder nicht, von vielen Faktoren abhängig, sagt der Experte für Berufsausbildung
beim Zentralverband des Deutschen Handwerks, Friedrich Esser.
Um die Qualität der Ausbildung für die Zukunft zu sichern, fordert das Handwerk – gemeinsam mit
dem DGB – die Reaktivierung der AEVO. Die duale Ausbildung dürfe nicht gefährdet, Ausbildung
„keine Jedermanns-Qualifikation“ sein, warnt Esser. Auch nach der BIBB-Umfrage fürchten eine
Mehrheit der Betriebe, dass die Qualität der Ausbildung ohne Pflichtkurs leidet. Ein Indiz dafür könnte
die Abbrecherquote sein: Die ist in den Betrieben, die erst seit 2003 und ohne AEVO-geprüftes
Personal ausbilden, mit Abstand am höchsten. Andererseits kritisieren 44 Prozent die AEVO als bürokratische
Hürde, die die Ausbildung ausbremst. Beklagt werden vor allem die Kosten. Rund die Hälfte
des AEVO-Geschäfts machen die Kammern selbst – und haben daher ein Eigeninteresse an der
Zwangsprüfung.
Der DIHK will ebenso wie das Handwerk eine Rückkehr zur Pflichtprüfung. Zuvor müsse diese jedoch
entrümpelt werden, meint Berufsbildungs-Experte Günter Lambertz. Auch die Arbeitgeber wollen
die Anforderungen zwar entschlacken und modernisieren, allerdings „eher freiwillig als verpflichtend“,
sagt Barbara Dorn von der BDA. Ziel müsse sein, „das Angebot so attraktiv zu machen, dass es
die Ausbilder freiwillig wahrnehmen“.

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 153
Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (Quelle Quante-Brandt 2006)
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1996
1997
Bund
Handwerk Deutschland
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Land Bremen
Handwerk Bremen

154 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Material: Fall Sprachproblematik
Fall:
Bei einem Azubi mit Migrationshintergrund, die Familie stammt aus
der Türkei, stellen Sie Schwierigkeiten in der Terminologie der Fachsprache
fest. Er klagt über Verständnisschwierigkeiten trotz guter
Deutschnote im Abschlusszeugnis der Hauptschule. Im Fachunterricht
der Berufsschule habe er ähnliche Probleme.
Fragen:
Wie reagieren Sie als Ausbilder auf die Situation?
Welche Hilfen können Sie anbieten?
Was könnten die Ursachen für diesen scheinbaren Widerspruch
sein?

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 155
Material zum Exkurs: Interreligiöse/Interkulturelle Erziehung:
Informationseingabe - Arbeitsblatt
Ramadan
„Der neunte Monat des islamischen Mondjahres, der Fastenmonat,
in dem den Muslimen vom Morgengrauen bis zum
Sonnenuntergang jeder leibliche Genuss wie Essen, Trinken,
Rauchen untersagt ist. Zur Nachtzeit finden vielfach Festlichkeiten
und religiöse Andachten statt, die ihren Höhepunkt am
27. Ramadan in der „Nacht der göttlichen Macht“, in der der
Koran zur Erde herabkam, finden. Die Fastenzeit wird mit
dem Fest des Fastenbrechens beendet.“ (Zitiert aus Brockhaus-Enzklopädie)
Fragen zum Text:
• Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für praktizierende
Muslime?
• Welche Folgen kann dies für die Arbeit/Ausbildung bewirken?
• Welche Lösungsstrategien sehen Sie für die Ausbildung?

156 Integration Interkultureller Kompetenz in die Meisterausbildung im Handwerk
Auszug aus dem Weserkurier, 13. September 2007
Fasten bis der Arzt kommt
Viele Türken haben mit dem islamischen Ramadan Probleme“
Von unserer Korrespondentin Susanne Güsten
ISTANBUL. Sie nennen ihn den „Sultan unter den Monaten" und begrüßen ihn mit mit
Volksfesten und prächtigen Lichterketten an den Moscheen: Für die allermeisten Türken ist
der Fastenmonat Ramadan nach wie vor etwas ganz Besonderes. Das Fasten, das heute beginnt
und bis zum 11. Oktober dauert, gilt als Zeit der Einkehr und des Friedens. Doch im
Alltag einer modernen und säkularen Republik schafft der Ramadan auch allerhand Probleme.
So machen sich Gesundheitsexperten große Sorgen, dass der Fastenmonat bei vielen Türken
Herz- und Kreislaufprobleme auslösen könnte. Drei von vier Türken halten sich an das
Fastengebot, das sind wesentlich mehr Menschen, als regelmäßig zur Moschee gehen oder das
Alkoholverbot des Korans beachten. Selbst nicht-gläubige Türken fasten mit, weil sie abnehmen
wollen oder weil sie das Fasten als „Disziplinübung“ betrachten. Doch zur Arbeit gehen
müssen die Türken auch im Fastenmonat, und damit fangen die Probleme an.
In diesem Jahr ist die tägliche Fastenperiode länger als im vergangenen Jahr. Das liegt daran,
dass im Islam das Mondjahr gilt, das etwas kürzer ist als das Sonnenjahr: Der Ramadan und
die anderen islamischen Monate beginnen jedes Jahr etwa zehn Tage früher als im Jahr zuvor.
Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang liegen diesmal mehr als 14 Stunden, in denen
die Gläubigen nichts essen und nichts trinken sollen. Das Frühstück muss vor Sonnenaufgang
eingenommen werden — doch viele Türken schlafen lieber länger, um für die Arbeit fit zu
sein. Sie warten dann mit knurrendem Magen auf den Abend. Dann schlagen sich viele in
Rekordzeit die Bäuche voll: Gesund sei das nicht, sagen Experten. „Hastiges Essen und unzureichendes
Kauen sind die Hauptfehler im Ramadan", sagt der Istanbuler Internist Koptagel
Ilgün.
Idealerweise sollte das traditionelle Fastenbrechen mit einer leichten Suppe beginnen und vor
allem Joghurt, Salat, Brot, Gemüse und Obst umfassen. Im Laufe des Abends kann man noch
einmal nachlegen und soll dabei besonders auf Vitamine und genügend Flüssigkeit achten.
Doch bei den meisten Türken bleibt diese Empfehlung der Fachleute ein frommer Wunsch.
Sie stürzen sich auf Fleisch, Teigwaren und Süßigkeiten und rauchen eine Zigarette nach der
anderen.
Welche körperliche Belastung das Fastengebot für arbeitende Menschen darstellt, konnten die
Türken im vergangenen Jahr bei ihrem eigenen Ministerpräsidenten beobachten: Recep Tayyip
Erdogan erlitt einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus.
Auch wenn solche dramatischen Zwischenfälle selten sind, haben der ungewohnte Rhythmus
der Mahlzeiten und die festlichen Abendtafeln im Ramadan bei so manchem Türken ungewollte
Konsequenzen: Viele beklagen, dass sie ausgerechnet im Fastenmonat eher zu- als abnehmen.
Auch sonst ist es nicht immer ganz einfach, Fastenregeln und modernes Leben in der Türkei
unter einen Hut zu bringen. So sorgt der Erstliga-Fußballklub Trabzonspor für Schlagzeilen,
weil er seinen Spielern offiziell das Fasten verboten hat. Schließlich geht die Jagd nach Punkten
und Toren auch im Ramadan weiter. Andere Vereine sehen das Verhältnis zwischen Religion
und sportlichen Anforderungen realistischer. Der deutsche Trainer Karl-Heinz Feldkamp
vom Istanbuler Traditionsverein Galatasaray sagte, ein Fasten-Verbot sei unsinnig: „Ich kann
es ohnehin nicht kontrollieren.

Kapitel 6: Strategien interkultureller Kommunikations- und Konfliktfähigkeit 157
Fragen zum Zeitungsartikel (Weserkurier)
• Welche religiösen/kulturellen Aspekte sind der Grund für das Fasten?
• Welche gesundheitlichen Folgen können auftreten?
• Welche Auswirkungen auf das Arbeitsleben kann dies haben?
• Wie würden Sie auf eine solche Situation mit Azubis reagieren?
• Welche Hilfen könnten Sie als Ausbilder eventuell anbieten?
• Würden Sie unter diesen Umständen auf die Einstellung von Azubis mit
islamischem Hintergrund verzichten?

159
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