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Freie Hansestadt Bremen - am Institut Arbeit und Wirtschaft ...

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Universität <strong>Bremen</strong><br />

Kooperation Universität/<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmerk<strong>am</strong>mer (KUA)<br />

Projekt „LeiLa“:<br />

Passagen lebenslangen Lernens in beruflichen Qualifizierungsprozessen von bildungsbenachteiligten<br />

Zielgruppen<br />

Wie stehen benachteiligte Jugendliche in der schulischen<br />

Berufsvorbereitung / Gr<strong>und</strong>bildung zum Lernen ?<br />

GISELA GRZEMBKE, GERLINDE HAMMER, CHRISTIANE KOCH (HG.)<br />

<strong>Bremen</strong> 2001<br />

Gefördert durch die<br />

EUROPÄISCHE UNION<br />

Europäischer Sozialfonds<br />

<strong>Freie</strong> <strong>Hansestadt</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Senator für <strong>Arbeit</strong>, Frauen, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Jugend <strong>und</strong> Soziales<br />

Senator für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft


Projektdaten<br />

Projekt „LeiLa“<br />

Passagen lebenslangen Lernens in beruflichen Qualifizierungsprozessen<br />

von bildungsbenachteiligten Zielgruppen<br />

im Modellprogr<strong>am</strong>m<br />

„Lebenslanges Lernen“ der B<strong>und</strong>-Länder-Kommission<br />

für Bildungsplanung <strong>und</strong> Forschungsförderung<br />

Projektförderung<br />

durch das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung,<br />

den Senator für <strong>Arbeit</strong>, Frauen, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Soziales<br />

des Landes <strong>Bremen</strong>,<br />

den Senator für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft des Landes <strong>Bremen</strong><br />

<strong>und</strong> aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.<br />

Laufzeit<br />

01.04.2000 – 31.12.2004<br />

Projektträger<br />

Universität <strong>Bremen</strong>, Kooperation Universität/<strong>Arbeit</strong>nehmerk<strong>am</strong>mer <strong>Bremen</strong> (KUA)<br />

FVG-Mitte<br />

Postfach 330440<br />

28334 <strong>Bremen</strong><br />

in Kooperation mit dem <strong>Arbeit</strong>er-Bildungs-Centrum der <strong>Arbeit</strong>nehmerk<strong>am</strong>mer <strong>Bremen</strong> GmbH (ABC).<br />

Kooperationspartner<br />

Schulzentrum der Sek II, Alwin-Lonke-Straße<br />

Berufsschule für Metalltechnik, Reiherstraße<br />

Wissenschaftliche Beratung<br />

Prof. Dr. Walter Heinz, Universität <strong>Bremen</strong> (zentrale wissenschaftliche Begleitung)<br />

Projektleitung<br />

Gerlinde H<strong>am</strong>mer<br />

Wissenschaftliche Mitarbeit<br />

Gisela Grzembke, Dr. Christiane Koch


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Beiträge in diesem Band:<br />

• Christiane Koch: Seite 2 - 47<br />

Teil II einer Befragung von Jugendlichen im Projekt LeiLa:<br />

Wie stehen benachteiligte Jugendliche in der schulischen<br />

Berufsvorbereitung / Gr<strong>und</strong>bildung zum Lernen ?<br />

Auswertung einer Befragung in 2 Bremer B/BFS-Klassen<br />

• Peter Rau: Seite 48 - 53<br />

Zur beruflichen Qualifizierung benachteiligter<br />

Jugendlicher - ein Überblick<br />

• Peter Rau: Seite 54 - 56<br />

Zum Benachteiligtenbegriff<br />

• Maria Busch, Margit Ostern, Gabriele Waterk<strong>am</strong>p: Seite 57 - 62<br />

Kompetenzen <strong>und</strong> Defizite benachteiligter Jugendlicher<br />

in der Berufsgr<strong>und</strong>bildung <strong>und</strong> Ausbildungsvorbereitung<br />

• Andrea Fidan: Seite 63 - 65<br />

Arten von Benachteiligung <strong>und</strong> Lernschwierigkeiten<br />

Erfahrungen aus der Berufsschule für Metalltechnik<br />

1


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Christiane Koch:<br />

Teil II der Befragung von Jugendlichen im Projekt „LeiLa“:<br />

Wie stehen benachteiligte Jugendliche in der schulischen<br />

Berufsvorbereitung / Gr<strong>und</strong>bildung zum Lernen ?<br />

- Auswertung einer Befragung von Jugendlichen in 2 B/BFS-Klassen in<br />

<strong>Bremen</strong><br />

Einleitung 3<br />

1. Was ist die B/BFS ? 4<br />

2. Untersuchungsanlage 5<br />

3. Zus<strong>am</strong>mensetzung <strong>und</strong> Besonderheiten der<br />

Untersuchungsgruppe der B/BFS 8<br />

4. Schulische Lernerfahrungen 11<br />

5. Perspektiven in <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> Ausbildung 17<br />

6. Berufswahlwissen in der B/BFS 23<br />

7. Lernstile <strong>und</strong> Lernkompetenz in der schulischen<br />

Berufsvorbereitung B/BFS 26<br />

8. Fazit <strong>und</strong> Ausblick 36<br />

9. Strategische Ansätze zur Vermittlung von Lernkompetenzen für<br />

benachteiligte Jugendliche 40<br />

Literaturverzeichnis 43<br />

2


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Einleitung<br />

Die vorliegende Broschüre ist der 2. Teil einer Erhebung zu Lerneinstellungen <strong>und</strong> Zukunftserwartungen<br />

von benachteiligten Jugendlichen, die im Rahmen des Projekts<br />

„LeiLa“ durchgeführt wurde.<br />

Das Bremer Projekt „Passagen lebenslangen Lernens in beruflichen Qualifizierungsprozessen<br />

von bildungsbenachteiligten Zielgruppen“ (Kurztitel: LeiLa) ist Teil des Modellversuchsprogr<strong>am</strong>ms<br />

„Lebenslanges Lernen“ der B<strong>und</strong>-Länder-Kommission für Bildungsplanung<br />

<strong>und</strong> Forschungsförderung. Es wird ergänzt durch ein ESF-gefördertes<br />

Projekt, das vor allem der Ausweitung der Zielgruppe des Projektes dient. 1 .<br />

Zentrale Aufgabe des Projektes LeiLa ist es, Anknüpfungspunkte zu finden <strong>und</strong> Konzepte<br />

zu entwickeln, um bildungsbenachteiligten Zielgruppen in berufsbezogenen Qualifizierungsprozessen<br />

das Interesse an <strong>und</strong> die Fähigkeit zum beruflichen Lernen <strong>und</strong><br />

Weiterlernen zu vermitteln <strong>und</strong> den Transfer diesbezüglicher Prokjektergebnisse in die<br />

Benachteiligtenförderun zu unterstützen. Denn nur wer Lernen als Methodenkompetenz<br />

verinnerlicht hat, ist künftig in der Lage, den wechselnden Anforderungen des Beschäftigungssystems<br />

zu genügen <strong>und</strong> dauerhaft auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt Fuß zu fassen.<br />

In einer ersten Phase des Projektes wurde daher eruiert, auf welche Einstellungsbasis<br />

bei den TeilnehmerInnen das Projektanliegen überhaupt trifft, d.h. welche Vorstellungen<br />

benachteiligte Jugendliche vom Lernen <strong>und</strong> von ihren beruflichen Perspektiven<br />

haben.<br />

Der erste Schritt dieser Basiserhebung bestand in einer Bestandsaufnahme bei der<br />

ersten Zielgruppe des Modellversuchs LeiLa, bei jugendlichen TeilnehmerInnen einer<br />

außerschulischen Berufsvorbereitungsmaßnahme. Untersucht wurde der TeilnehmerInnen-Jahrgang<br />

2000/2001 des sog. „Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang“ (OG) beim<br />

Projektpartner <strong>Arbeit</strong>er-Bildungs-Centrum der <strong>Arbeit</strong>nehmerk<strong>am</strong>mer <strong>Bremen</strong> GmbH<br />

(ABC), einer durch die <strong>Arbeit</strong>sverwaltung geförderten Maßnahme zur Ausbildungsvorbereitung.<br />

Diese Basiserhebung zu Lerneinstellungen <strong>und</strong> beruflichen Zukunftserwar-<br />

1 Das Modellversuchsprogr<strong>am</strong>m wird aus Mitteln des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, des<br />

Europäischen Sozialfonds <strong>und</strong> aus Landesmitteln, in diesem Fall aus Mitteln des Senators für Bildung <strong>und</strong><br />

Wissenschaft des Landes <strong>Bremen</strong>, gefördert. Ergänzt wird der Modellversuch seit März 2001 durch ein<br />

ESF-Projekt zum „Transfer von didaktischen Konzepten zum Aufbau netzbasierter Selbstlernkompetenzen<br />

in die Ges<strong>am</strong>tstruktur der regionalen Benachteiligtenförderung“, kofinanziert durch den Senator für <strong>Arbeit</strong>,<br />

Frauen, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Soziales des Landes <strong>Bremen</strong>, das sich verstärkt auch mit dem speziellen<br />

Rahmenbedingungen <strong>und</strong> den Zielgruppen der B/BFS befasst.<br />

3


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

tungen benachteiligter Jugendlicher an der Schwelle zwischen Schule <strong>und</strong> Beruf ist in<br />

einer gesonderten Broschüre niedergelegt. 2<br />

In dem hier vorliegenden zweiten Untersuchungsteil wurden in einer Zusatzerhebung<br />

zwei Klassen eines schulischen Berufsvorbereitungsangebotes in <strong>Bremen</strong>, der sog.<br />

B/BFS, zu ihren Lernerfahrungen <strong>und</strong> Zukunftseinstellungen befragt.<br />

1. Was ist die B/BFS ?<br />

Der Bremer Bildungsgang B/BFS wurde 1990/91 mit der Einführung der zehnjährigen<br />

Schulpflicht ins Leben gerufen <strong>und</strong> 1994 reformiert. Die Abkürzung B/BFS steht für<br />

Berufseingangsstufe/Berufsfachschule. „Ziel des Bildungsganges ist es, Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern den Erwerb des Hauptschulabschlusses zu ermöglichen <strong>und</strong> ihnen<br />

gleichzeitig eine berufliche Gr<strong>und</strong>bildung zu vermitteln. Nach erfolgreichem Abschluss<br />

des Bildungsganges sollten die Jugendlichen in der Lage sein, ihre Ausbildung (im<br />

Dualen System oder an einer Berufsfachschule mit berufsqualifizierendem Abschluss)<br />

in einem Ausbildungsberuf zu beginnen, bzw. fortzusetzen.“ 3 Die B/BFS ist ein zweijähriger<br />

Bildungsgang, dessen erstes Jahr auf eine Ausbildung vorbereiten soll, indem<br />

allgemeine Bildung <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>fertigkeiten gesichert sowie elementare berufliche<br />

Gr<strong>und</strong>bildung vermittelt wird. Im zweiten Jahr soll möglichst ein dem Hauptschul- oder<br />

erweiterten Hauptschulabschluss adäquater Bildungsstand sowie die Fähigkeit zu einer<br />

fachlichen Qualifizierung erreicht werden.<br />

Die B/BFS ist also eine spezielle Form schulischer Berufsvorbereitung <strong>und</strong> beruflicher<br />

Gr<strong>und</strong>bildung. 4<br />

Jugendliche, die im Bildungsgang B/BFS gefördert werden, müssen neun Jahre die<br />

allgemeinbildende Schule besucht <strong>und</strong> das 15. Lebensjahr vollendet haben. Für etwa<br />

die Hälfte der TeilnehmerInnen bildet die B/BFS das 10., für die andere Hälfte (i.d.R.<br />

SonderschülerInnen) das 11. Schulbesuchsjahr. Der Leistungsstand der einzelnen<br />

Teilnehmerin/des einzelnen Teilnehmers muss vermuten lassen, dass innerhalb der<br />

zehnjährigen allgemeinbildenden Schulpflicht ein Hauptschulabschluss nicht mehr er-<br />

2 Grzembke, Gisela/ H<strong>am</strong>mer, Gerlinde/ Koch, Christiane: Wie stehen benachteiligte Jugendliche zum<br />

Lernen? Schulerfahrungen, berufliche Zukunftserwartungen <strong>und</strong> Lernbereitschaft an der 1. Schwelle.<br />

Auswertung einer Befragung von Jugendlichen in berufsvorbereitenden Maßnahmen. (Hg.: Universität<br />

<strong>Bremen</strong>. Kooperation Universität/ <strong>Arbeit</strong>nehmerk<strong>am</strong>mer KUA) <strong>Bremen</strong> 2001<br />

3 Eine genaue Beschreibung des Bildungsganges <strong>und</strong> der unterschiedlichen Zielgruppe, findet sich bei<br />

Kirchner, Klaus: Der Bildungsgang Berufseingansstufe/Berufsfachschule (B/BFS). Allgemeine <strong>und</strong> berufliche<br />

Bildung für Jugendliche. Ms. 1. Ergänzung, <strong>Bremen</strong> 1998<br />

4 Letzteres ist für die Motivationslage der TeilnehmerInnen relevant, da das zweite B/BFS-Jahr als erstes<br />

Ausbildungsjahr im Rahmen der Berufsfachschule mit qualifizierendem Abschluss (BFSq) angerechnet<br />

wird.<br />

4


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

reicht werden kann, dass aber die/der Jugendliche doch soweit lern- <strong>und</strong> entwicklungsfähig<br />

ist, dass durch den Besuch der B/BFS Ausbildungsreife erreichbar ist. 5<br />

Zu Beginn der ersten, der Orientierungsphase der B/BFS befinden sich in den jährlich<br />

ca. 20 Klassen etwa 350 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Je eine B/BFS-Klasse an den beiden<br />

<strong>am</strong> Projekt „LeiLa“ beteiligten Bremer Schulen, der Berufsschule für Metalltechnik<br />

<strong>und</strong> dem Schulzentrum Sek<strong>und</strong>arstufe II an der Alwin-Lonke-Straße, wurde in Ergänzung<br />

zu der Komplettbefragung der TeilnehmerInnen des außerschulischen Offenen<br />

Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrganges des Förderjahres 2000/2001 zu ihren Lerneinstellungen<br />

befragt.<br />

Diese Ergänzungsuntersuchung wurde für notwendig erachtet, da schulische Berufsvorbereitungsangebote<br />

neben den durch das SGB III geförderten Angeboten sozusagen<br />

die „zweite Säule“ zielgruppenadäquater Maßnahmen an dieser schwierigen ersten<br />

berufsbiographischen Schwelle bilden. Auch hier besteht die Zielgruppe aus benachteiligten<br />

Jugendlichen, allerdings solchen, die explizit noch der Bremer Schulpflicht<br />

unterliegen <strong>und</strong> keinen Schulabschluss erworben haben.<br />

Es geht in dieser Ergänzungsuntersuchung also darum,<br />

• das Zielgruppenprofil bezüglich Lerneinstellung <strong>und</strong> Zukunftserwartungen zu vervollständigen<br />

<strong>und</strong> abzur<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zugleich<br />

• eventuelle Besonderheiten der schulischen Lerngruppe zu erfassen <strong>und</strong> Anhaltspunkte<br />

für Differenzen <strong>und</strong> Gemeins<strong>am</strong>keiten zwischen den TeilnehmerInnen der<br />

schulischen <strong>und</strong> der außerschulischen Angebote zu gewinnen.<br />

Die daraus resultierenden Ergebnisse sollen neben gr<strong>und</strong>sätzlichen Erkenntnissen<br />

auch ergänzende Hinweise für Strategiemodifizierungen im Kontext lebenslangen Lernens<br />

an unterschiedlichen Lernorten liefern.<br />

2. Untersuchungsanlage<br />

Als Erhebungsinstrument wurde derselbe Fragebogen wie in der Basiserhebung zur<br />

außerschulischen Berufsvorbereitung - OG - eingesetzt. 6 Es wurde, wie bereits erwähnt,<br />

in zwei B/BFS-Klassen an zwei verschiedenen Schulen erhoben. Die Gr<strong>und</strong>ges<strong>am</strong>theit<br />

dieser Befragung ist geringer als in der außerschulischen Berufsvorbereitung,<br />

5 Für TeilnehmerInnen, bei denen letzteres nicht der Fall ist, stehen z.B. F-Lehrgänge zur Verfügung.<br />

6 vgl. dazu die Beschreibung der Untersuchungsanlage im o.a. Untersuchungsbericht, Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch,<br />

S. 7ff<br />

5


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

d.h. es wurden 20 B/BFS-Schüler befragt. 7 Was die Berufsfelder angeht, so sind die<br />

beiden befragten B/BFS-Klassen in den Berufsbereichen Metalltechnik <strong>und</strong> Farbtechnik<br />

<strong>und</strong> Raumgestaltung angesiedelt. 8<br />

Die hier vorliegende Erhebung ist wegen der relativ kleinen Gr<strong>und</strong>ges<strong>am</strong>theit als exemplarische<br />

Stichprobe zu werten. Eine breiter angelegte Erhebung, die den Bildungsgang<br />

nicht nur punktuell, sondern repräsentativ hätte erheben können, war aus forschungsökonomischen<br />

Gründe nicht realisierbar; sie hätte den Projektrahmen bei weitem<br />

gesprengt. Diese eingeschränkte Untersuchungsanlage lässt also nur ein analytisches<br />

Blitzlicht auf die Zielgruppe der B/BFS-SchülerInnen zu. Es wurde ergänzend ein<br />

Auswertungsgespräch mit erfahrenen B/BFS-LehrerInnen <strong>und</strong> dem Sprecher des Bildungsgangs<br />

geführt, um den Stellenwert der Aussagen überprüfen <strong>und</strong> verifizieren zu<br />

können. Diese Kontrollauswertung ergab, dass die hier skizzierte Gruppe zwar in gewisser<br />

Weise symptomatisch ist, für manche B/BFS-Gruppen <strong>und</strong> Jahrgänge vielleicht<br />

sogar typisch. Die erfragten Daten <strong>und</strong> Aussagen decken allerdings nur Teile der Zielgruppe<br />

ab. Gruppenkonstellationen wie die hier dargestellten sind zwar realistisch,<br />

können in der Realität des B/BFS-Alltags aber auch ganz andere Gestalt annehmen.<br />

Hinzu kommt, dass sich die Klientel – aus unterschiedlichen Gründen - von Jahrgang<br />

zu Jahrgang unterscheiden kann, so dass sich wechselnde Gruppenprofile ergeben. In<br />

diesem Sinne beziehen sich die nachfolgenden Aussagen <strong>und</strong> Schlüsse zunächst ausschließlich<br />

auf die Untersuchungspopulation <strong>und</strong> sind nicht generell auf die Zielgruppe<br />

der B/BFS-SchülerInnen übertragbar.<br />

In Anbetracht der vorgegebenen Beschränkungen im Untersuchungsumfang auf zwei<br />

B/BFS-Klassen wurden bei der Auswahl der Befragten projektpraktische Gründe berücksichtig:<br />

Es wurden solche Klassen ausgewählt, mit denen in beiden Förderteilen<br />

des Projektes LeiLa -- zumindest in ausgewählten Teilen – weiter gearbeitet werden<br />

kann, so dass eine Überprüfung der Lerneffekte zu einem späteren Zeitpunkt möglich<br />

ist. Wie schon die Untersuchungsgruppe der außerschulischen Berufsorientierung<br />

beim Ausbildungsträger ABC sollen auch die B/BFS-TeilnehmerInnen im Rahmen des<br />

Projektes LeiLa in ihrem Bildungsgang weiter begleitet <strong>und</strong> in den Genuss der entwickelten<br />

strategischen Konzepte kommen. Die im Rahmen der OG, der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung, entwickelten Konzepte sollen – ggf. in modifizierter Form –<br />

7 Die Untersuchungspopulation in der OG-Befragung umfasste 69 TeilnehmerInnen.<br />

8 Die außerschulische Berufsvorbereitung des ABC umfasst noch mehr Berufsfelder aus dem gewerblichtechnischen<br />

Bereich. Für den Längsschnitt des ges<strong>am</strong>ten Projekts wurden allerdings die Berufsfelder<br />

Metalltechnik, Farbtechnik <strong>und</strong> Raumgestaltung ausgewählt. Daher ist das hier gezogene S<strong>am</strong>ple funktional<br />

<strong>und</strong> auf die Projektanlage abgestimmt.<br />

6


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

auch in den B/BFS-Klassen erprobt werden, so dass sich eine größere Anwendungs<strong>und</strong><br />

Evaluationsbreite ergibt.<br />

Relevant für die Einschätzung der Aussagevalidität <strong>und</strong> Evaluationstiefe scheint außerdem<br />

der Untersuchungszeitpunkt. Die Befragung fand zu Beginn der Berufseingangsstufe<br />

statt, um ein symptomatisches Bild von der Situation unmittelbar an der<br />

ersten Schwelle zu erhalten. Wir haben es in den Aussagen der SchülerInnen also mit<br />

einem zeitnahen Rückblick auf das a l l g e m e i n b i l d e n d e Schulwesen <strong>und</strong> die<br />

dort erlebten Lernerfahrungen bzw. mit der Interpretation dieser Erfahrungen durch die<br />

Jugendlichen zu tun. Die bisweilen recht negative Sicht auf das Lernen <strong>und</strong> seine Effekte<br />

bezieht sich also auf das schulische Lernen des allgemeinbildenden Regelschulsystems<br />

<strong>und</strong> ist, wie die weitgehend positiv gefärbten Lerninterpretationen aus der danach<br />

begonnenen B/BFS zeigen, sozusagen als „punktuelle Rückblende“ zu werten,<br />

die im Laufe der Zeit Modifikationen erfährt.<br />

Was die Durchführung der Befragung selbst angeht, so wurde analog der ersten Basisbefragung<br />

der OG verfahren: Der Fragebogen wurde, um ein autoritätsarmes Klima<br />

zu schaffen, in Abwesenheit von Lehrkräften durch Projektmitarbeiterinnen in den<br />

Klassen ausgegeben <strong>und</strong> – ebenso wie das ges<strong>am</strong>te Anliegen – mit den SchülerInnen<br />

besprochen <strong>und</strong> Frage für Frage erklärt. Im Anschluss an die Fragebogenaktion fand<br />

mit den TeilnehmerInnen eine Besprechung des Befragungsanliegens statt. In einer<br />

Klasse wurden auch Teile der Ergebnisse mit den SchülerInnen noch einmal diskutiert.<br />

Aufschluss gebende Resultate dieser Diskussion sind hier in die Endauswertung eingeflossen.<br />

Die folgenden Resultate bilden nicht sämtliche Ergebnisse der Befragung ab. Da, wie<br />

gesagt, das Untersuchungsziel darin bestand zu prüfen, ob in den befragten B/BFS-<br />

Klassen signifikant andere Lernstrukturen herrschen <strong>und</strong> daher die Strategien zur<br />

Vermittlung von lebensbegleitender Lernkompetenz merklich modifiziert werden müssen,<br />

wurden für diese Darstellung vor allem solche Daten ausgewählt, die sich mehr<br />

oder weniger bemerkenswert von den Erhebungsergebnissen der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung „Offener Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang“ unterscheiden.<br />

Die meisten Aussagen sind dabei in absoluten wie in Prozentzahlen expliziert, wobei<br />

die relativen Werte keine gültige Repräsentativität spiegeln sollen, sondern einen Vergleich<br />

mit den Daten der Basisbefragung bei den TeilnehmerInnen der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung herstellen sollen.<br />

7


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

3. Zus<strong>am</strong>mensetzung <strong>und</strong> Besonderheiten der Untersuchungsgruppe der B/BFS<br />

Alter <strong>und</strong> Geschlecht<br />

Da es sich bei der B/BFS um eine Maßnahme im Rahmen der Erfüllung der Schulpflicht<br />

nach dem bremischen Schulgesetz handelt, waren die TeilnehmerInnen auffällig<br />

jünger als diejenigen der außerschulischer Berufsvorbereitungsmaßnahmen.<br />

Alter der B/BFS-TN<br />

17-18 Jahre<br />

35%<br />

bis 16 Jahre<br />

65%<br />

Von den 20 Befragten waren 13 (das sind mehr als zwei Drittel) nicht älter als 16 Jahre.<br />

Die restlichen 7 SchülerInnen gehörten zur Altersgruppe der 17 bis 18-jährigen. Die<br />

befragten TeilnehmerInnen der Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildung waren im Unterschied dazu<br />

deutlich älter, d.h. mehrheitlich mindestens 17 bis 18 Jahre alt (57%), immerhin 34%<br />

sogar älter, <strong>und</strong> nur 9% der OG-TeilnehmerInnen 16 Jahre <strong>und</strong> jünger.<br />

Die Geschlechterverteilung war in beiden Maßnahmen in etwa gleich. Der Mädchenanteil<br />

in den untersuchten B/BFS-Klassen betrug 15%. 9<br />

Schulabschlüsse<br />

Aus dieser Altersdifferenz, die der verschiedenartigen Zielgruppe geschuldet ist, leiten<br />

sich natürlich weitere Unterschiede ab. Das gilt insbesondere für die Schulabschlüsse.<br />

Da die TeilnehmerInnen der B/BFS noch der Schulpflicht unterliegen, ist die Quote der<br />

9 Hier muss allerdings bedacht werden, dass es sich um eher jungenspezifische Berufsfelder handelt.<br />

Nach Auskunft der ExpertInnen liegt der Mädchenanteil in B/BFS-Maßnahmen mit anderen Berufsangeboten<br />

sonst bei etwa 40%.<br />

8


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Befragten, die bereits über einen Schulabschluss verfügen, gering: 17 der Jugendlichen<br />

(=85%) hatten keinen Abschluss, zwei haben die Sonderschule mit Abschluss 10<br />

beendet <strong>und</strong> ein Schüler verfügte über einen erweiterten Hauptschulabschluss. 11 Da<br />

die B/BFS ein Förderangebot für benachteiligte junge Leute ist, ist davon auszugehen,<br />

dass es sich i.d.R. um Jugendliche handelt, die in irgendeiner Form Schwierigkeiten<br />

hatten, auf regulärem Wege einen Schulabschluss zu erwerben. Dieser Aspekt wird<br />

besonders im Zus<strong>am</strong>menhang mit den feststellbaren Schulerfahrungen noch eine Rolle<br />

spielen.<br />

Schulabschlüsse B/BFS<br />

20<br />

15<br />

Teiln.<br />

10<br />

17<br />

5<br />

0<br />

ohne Abschl. Sondersch. m.<br />

Abschl.<br />

2 1<br />

erw. Hasa<br />

Nach Beendigung der B/BFS hat sich die Quote der SchulabsolventInnen natürlich<br />

i.d.R. gr<strong>und</strong>legend geändert: Zwischen 71% <strong>und</strong> fast 78% der SchülerInnen, die das 2.<br />

Jahr absolvieren, erwerben den Schulabschluss. Insges<strong>am</strong>t, gerechnet auf alle eintretenden<br />

B/BFS-SchülerInnen, liegt die AbsolventInnen-Quote bei über 60%. 12<br />

Wohnumfeld<br />

Alle der hier befragten B/BFS-TeilnehmerInnen lebten noch in f<strong>am</strong>iliären Zus<strong>am</strong>menhängen:<br />

bei den Eltern, einem alleinerziehenden Elternteil oder bei der Großmutter.<br />

Den Schritt hinaus aus der Herkunftsf<strong>am</strong>ilie, in der außerschulischen Untersuchungsgruppe<br />

von immerhin fast einem Fünftel vollzogen, hatte zum Befragungszeitpunkt<br />

10 Statistisch gelten in <strong>Bremen</strong> in der Sonderschule erworbene Schulabschlüsse n i c h t als Hauptschulabschlüsse.<br />

[klären]<br />

11 Wie oben in den Voraussetzungen für eine B/BFS-Teilnahme dargestellt, fällt dieser Teilnehmer, sofern<br />

er sich nicht überhaupt bei der Beantwortung der Frage geirrt hat, eigentlich aus der Zielgruppe <strong>und</strong> muss<br />

folglich einen Sonderfall darstellen.<br />

9


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

keiner der befragten B/BFS-Schüler unternommen. Einerseits ist das angesichts des<br />

geringen Alters nicht ungewöhnlich, bildet allerdings die Situation der B/BFS im Allgemeinen<br />

nicht hinreichend ab, da in anderen B/BFS-Gruppe auch TeilnehmerInnen sind,<br />

die nicht im Umfeld der Ursprungsf<strong>am</strong>ilie wohnen, sondern z.B. in betreuten Wohnzus<strong>am</strong>menhängen<br />

untergebracht sind.<br />

Der frühe Befragungszeitpunkt ist von Bedeutung in diesem Kontext, denn diese<br />

Wohn- <strong>und</strong> private Lebenssituation der B/BFS-Jugendlichen ändert sich im Verlauf der<br />

Maßnahme häufig dr<strong>am</strong>atisch. Viele der TeilnehmerInnen lösen sich im Verlaufe des<br />

Bildungsgangs aus dem f<strong>am</strong>iliären Lebenskontext <strong>und</strong> verselbständigen sich. Die<br />

B/BFS ist für viele Jugendliche also auch eine Zeit der Statuspassagen <strong>und</strong> daher sowohl<br />

mit Unruhe als auch mit Neuanfängen verb<strong>und</strong>en.<br />

Auch der Lebensunterhalt wird überwiegend von den Eltern abgedeckt: 17 der befragten<br />

SchülerInnen lebten vom Einkommen der Eltern, zwei beziehen (auch) Sozialhilfe<br />

13 . Zusätzlich gaben sieben Jugendliche an, dass sie ihr Taschengeld – offenbar regelmäßig<br />

- durch Aushilfsarbeiten aufbessern. 14<br />

Herkunft<br />

Die Quote der Jugendlichen mit nicht deutscher Muttersprache war bei unseren B/BFS-<br />

Befragten etwas höher als in der OG: Sie betrug 55%, während sie in der untersuchten<br />

OG bei geschätzten 45% lag. Das mag vielleicht daran liegen, dass der Anteil der offenk<strong>und</strong>igen<br />

Schulversager unter den Ausländerkindern höher ist. Sprachkompetenz<br />

<strong>und</strong> Schulerfolg hängen ja häufig zus<strong>am</strong>men, so dass fehlende Deutschkenntnisse oft<br />

den Gr<strong>und</strong>stock weitergehender schulischer Defizite legen <strong>und</strong> zu Schulversagen führen.<br />

Allerdings heißt das nicht, dass die Quote der unbrauchbaren oder schwer defizitären<br />

Fragebögen höher wäre. Alle Fragebögen waren in der Hauptsache verwertbar.<br />

Die Quote der in der Rechtschreibung <strong>und</strong> Satzbildung stark fehlerhaften Bögen lagt<br />

bei etwa 40%, die der Fragebögen mit geringeren Fehlern bei ca. 60%. D<strong>am</strong>it sind<br />

zwar im Schnitt etwas weniger gravierende Mängel festzustellen, dafür gab es aller-<br />

12 Vgl. Kirchner 1998, S. 9<br />

13 Die übrigen 2 machen hierzu keine verwertbaren Angeben.<br />

14 Diese Zahlen lassen sich mit denen der anderen Maßnahme nicht vergleichen, da die Jugendlichen des<br />

außerschulischen Angebots als Bezieher von Berufsausbildungsbeihilfe nur selten Angaben zu Nebeneinkünften<br />

machen.<br />

10


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

dings keinen Bogen, der auch nur annähernd fehlerfrei gewesen wäre. 15 Auch in der<br />

schulischen Berufsvorbereitung sind also erhebliche sprachliche <strong>und</strong> logische Defizite<br />

auf formeller Ebene zu verzeichnen.<br />

Niedrigeres Alter <strong>und</strong> fehlende Schulabschlüsse bilden die wohl auffälligsten Unterschiede<br />

in den Personaldaten der beiden Erhebungsgruppen der schulischen <strong>und</strong> außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung. Beides dürfte vor allem in der eindeutigen Zielgruppendefinition<br />

der B/BFS begründet sein, die sich als Förderangebot für Jugendliche<br />

versteht, die noch der allgemeinbildenden Schulpflicht unterliegen. Die B/BFS bietet<br />

dieser Teilgruppe benachteiligter Jugendlicher neben beruflicher Orientierung <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>bildung vor allem die Gelegenheit, den - aus welchen Gründen auch immer -<br />

versäumten Schulerfolg gezielt nachzuholen. Die Zielgruppe der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung ist dem gegenüber weiter gefasst <strong>und</strong> s<strong>am</strong>melt quasi all diejenigen,<br />

die dieser Phase einer „zweiten Schulchance“ B/BFS bereits entwachsen sind.<br />

4. Schulische Lernerfahrungen<br />

4.1 Negative <strong>und</strong> positive Schulerfahrungen<br />

Die befragten TeilnehmerInnen der außerschulischen Berufsvorbereitung OG stehen<br />

im Rückblick meist differenziert negativ zum allgemeinbildenden schulischen Lernen. 16<br />

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei den befragten B/BFS-TeilnehmerInnen. Allerdings<br />

scheint diese SchülerInnen-Gruppe tendenziell mehr Probleme mit dem schulischen<br />

Lernen zu haben als die OG-ler. So lag beispielsweise bei den SchülerInnen die<br />

Quote derer, die sich keinerlei schulischer Schwierigkeiten entsinnen, deutlich niedriger<br />

als in der außerschulischen Maßnahme: Während es in der OG immerhin ein Fünftel<br />

war, reihten sich in der untersuchten B/BFS nur zwei (d.h. 10%) in diese Rubrik ein.<br />

Alle anderen reflektierten ihr ehemaliges Schülerdasein als problematisch.<br />

Dabei betrifft das Negativbild schulischen Lernens in der B/BFS vorwiegend die klassischen<br />

schulischen Lernkategorien: nämlich die Aneignung von Theoriestoff unter Leistungsdruck.<br />

Sieben befragte SchülerInnen (30%) sahen hier ihre Hauptprobleme. 17<br />

Fast ebenso viele allerdings meinten, ihre Schulprobleme resultierten aus einem uninteressanten,<br />

langweiligen Unterricht, womit sie in etwa gleichauf mit den OG-<br />

15 In der OG-Befragung waren dies von 69 Bögen immerhin 13.<br />

16 Vgl. Teil 5 der o.a. Untersuchung, Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch.<br />

17 Die befragten OG-ler orteten hier nur zu 15% (Theorie) <strong>und</strong> 4% (Leistungsdruck) ihre Schwierigkeiten.<br />

11


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

TeilnehmerInnen liegen. Fehlenden Nutzen des Lernstoffs monierten zwei Schüler<br />

(10%) <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it geringfügig mehr als in der OG.<br />

Negative Schulerfahrungen<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

OG<br />

B/BFS<br />

langw.Unter.<br />

Theorie/Leistgsdr.<br />

Konkurrenz<br />

Lehrer<br />

sonstiges<br />

keine Probl.<br />

Prozent<br />

Mehrfachnennungen<br />

Das ausgeprägtere Negativbild des Lernens in der allgemeinbildenden Schule bei den<br />

B/BFS-Schülern mag u.a. aus dem noch nicht errungenen schulischen Abschlusserfolg<br />

rühren. Da, wie in der Basiserhebung der außerschulischen Berufsvorbereitung gesehen,<br />

viele Jugendliche Lernerfolg mit Noten- <strong>und</strong> daraus resultierender Abschlussleistung<br />

identifizieren 18 , kann ein erreichter Schulabschluss im Rückblick vorangegangene<br />

schulische Schwierigkeiten sicher wenigstens teilweise relativieren. Zugleich mag auch<br />

die größere Distanz zum Lernort Schule, die beispielsweise die älteren TeilnehmerInnen<br />

der OG einnehmen, zu einer günstigeren Schuleinstellung verhelfen. Der Druck<br />

des schulischen Lernkontextes verliert möglicherweise mit der Zeit an Brisanz <strong>und</strong><br />

lässt weniger negative Sichtweisen zu. Lernen kann, wie auch die Aussagen unserer<br />

B/BFS-Befragung bestätigen (vgl. unten im Abschnitt 6.2), zudem mit den sozusagen<br />

„kathederfernen“, werkstattorientierten Angeboten der Berufsvorbereitung/Gr<strong>und</strong>bildung<br />

rasch positiv besetzt werden. Das gilt für die außerschulischen Angebote<br />

wie die Offene Gr<strong>und</strong>ausbildung des ABC, aber auch für die schulische Orientierung<br />

in der B/BFS. Zwar ist sie <strong>am</strong> Lernort Schule platziert, muss also zu Beginn der<br />

18 Vgl. Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch, S. 24f., 46f. u.a.<br />

12


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Eingangsstufe häufig gegen die entsprechenden Vorurteile der Jugendlichen anarbeiten.<br />

Die Konzepte des werkstattnah <strong>Arbeit</strong>ens <strong>und</strong> der Aufhebung der klassischer frontaler<br />

Lernform bemühen sich aber um ein Aufbrechen der negativen Lernassoziationen<br />

<strong>und</strong> um Herausbildung neuer, positiver Lerneinstellungen.<br />

Positive Schulerfahrungen bezogen die TeilnehmerInnen der untersuchten schulischen<br />

Berufsorientierung deutlicher noch als die OG-AbsolventInnen aus nichtschulischen<br />

Faktoren. 60% der Befragten B/BFS-Schülerinnen betrachteten die Schule als Kommunikationsort<br />

mit Gleichaltrigen <strong>und</strong> bewerteten das positiv. 19 In dieser Einschätzung<br />

ähneln sich die beiden Zielgruppen. Was die übrigen Positivmerkmale anlangt, so setzt<br />

sich der angedeutete Trend fort, in dem die Schulerfahrung durch die befragten B/BFS-<br />

Jugendlichen tendenziell negativer beurteilt wurden als in der außerschulischen Berufsorientierung.<br />

So meinten vergleichsweise weniger B/BFS-TeilnehmerInnen, in der<br />

Schule nützliche Dinge zu lernen. Deutlich weniger schätzten auch die Unterstützungsleistung<br />

von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern, ein Fünftel gar fand an der Schule im Nachhinein<br />

überhaupt keine positiven Aspekte. Bei den TeilnehmerInnen der Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />

waren dies lediglich 9%.<br />

Positive Schulerfahrungen<br />

70<br />

60<br />

50<br />

Prozent<br />

40<br />

30<br />

20<br />

OG<br />

B/BFS<br />

10<br />

0<br />

Treffpunkt<br />

Nützliches<br />

Wissen<br />

nicht<br />

Zuhause<br />

Lehrer<br />

hilfsbereit<br />

Leistung<br />

zeigen<br />

Nichts war<br />

gut<br />

Mehrfachnennungen<br />

19 Bei den OG-TeilnehmerInnen waren es 54%.<br />

13


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Es lässt sich den Daten natürlich nicht entnehmen, ob dieses ungünstigere Schulbild<br />

der befragten B/BFS-TeilnehmerInnen aus schlechteren schulischen Startchancen<br />

(etwa wegen einer höheren Ausländerquote, wegen spezieller Schulversagenserfahrungen<br />

u.ä.) resultiert <strong>und</strong>/oder daraus, dass ihnen die nötige Distanz zum SchülerInnendasein<br />

fehlt <strong>und</strong> dadurch die „subjektive Betroffenheit“ durch die Schule <strong>und</strong> ihre<br />

Mechanismen größer ist, indem sie quasi „weiterwirkt“. In jedem Falle gilt es an dieser<br />

Stelle zu berücksichtigen, dass die eher schlechten Schulerfahrungen keinen negativen<br />

Schluss auf die Vorteilhaftigkeit des Maßnahmeangebots B/BFS nach sich ziehen,<br />

denn fast alle Befragten versprechen sich schlussendlich Positives von ihrer Teilnahme<br />

an der B/BFS (vgl. unten Abschnitt 6.2). In der Nachbesprechung der Befragungsaktion<br />

mit den SchülerInnen k<strong>am</strong> deutlich zum Ausdruck, dass sie klare Unterschiede zwischen<br />

den - negativ beurteilten - Lernformen der allgemeinbildenden Schule <strong>und</strong> den<br />

handlungsorientierten Angebotsformen der schulischen Berufsvorbereitung machen.<br />

Sie wissen die praxisnäheren Vermittlungsformen der B/BFS ebenso zu schätzen wie<br />

deren differenziertere, anfangs auf Notendruck verzichtende Leistungsbeurteilung.<br />

Dennoch legen unsere Befragungsergebnisse den Eindruck nahe, dass der Bildungsgang<br />

B/BFS teilweise unter erschwerten Bedingungen mit seiner Klientel arbeitet. Im<br />

Prinzip hat er mit dem Widerspruch zu kämpfen, dass überwiegend schulmüde<br />

Jugendliche zur Erfüllung der Schulpflicht weiterhin den Lernort Schule besuchen<br />

sollen. Das kann eine eher ungünstige Motivationslage schaffen, die im Rahmen des<br />

werkstatt- <strong>und</strong> praxisorientierten Förderangebots erst einmal mühs<strong>am</strong> überw<strong>und</strong>en<br />

werden muss.<br />

Die B/BFS muss aber keineswegs mit negativen Vorurteilen gegenüber schulischem<br />

Lernen konfrontiert sein. Nach Auskunft der konsultierten LehrerInnen ist eine offene<br />

oder gar positive Lernhaltung durchaus auch im Verhaltensrepertoire der Teilnehmerschaft<br />

enthalten. Denn allen geschilderten Problempotentialen zum Trotz darf nicht<br />

vergessen werden, dass die B/BFS ihren TeilnehmerInnen auch <strong>und</strong> g e r a d e als<br />

schulischer Lernort eine neue Perspektive <strong>und</strong> eine neue Rollensicht eröffnet: Der Bildungsgangs<br />

führt die Jugendlichen nämlich ganz bewusst aus dem herkömmlichen<br />

<strong>und</strong> ihnen bekannten Schulsystem heraus. Dadurch dass die B/BFS absichtlich nicht<br />

Bestandteil der Sek<strong>und</strong>arstufe I ist, sondern in der zweiten Sek<strong>und</strong>arstufe <strong>und</strong> eher im<br />

berufsschulischen Kontext angesiedelt ist, weist sie den jungen Leuten einen neuen,<br />

einen erwachsenen Lernerstatus zu. Und sie „normalisiert“ sozusagen ihren bisherigen<br />

Ausnahmestatus als Schulversager, SonderschülerInnen etc., indem sie als B/BFS-<br />

SchülerInnen zu TeilnehmerInnen des regulären Schulangebots für erwachsene Lerner<br />

14


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

werden. Die B/BFS befindet sich also in einer Zwischenlage: Sie findet zwar <strong>am</strong> Lernort<br />

Schule statt, erscheint den TeilnehmerInnen jedoch nicht unbedingt als Wiederholung<br />

altbekannter Versagensmechanismen, sondern stellt für viele einen statusmäßigen<br />

Aufstieg dar, der Wert geschätzt <strong>und</strong> mit Positivem, mit Hoffnung <strong>und</strong> Perspektive<br />

besetzt wird.<br />

4.2 Schwache Fächer - Lieblingsfächer<br />

Wie in der außerschulischen Berufsvorbereitung auch sind sprachliche <strong>und</strong> mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Fächervorlieben <strong>und</strong> –aversionen bei den befragten Jugendlichen<br />

polarisiert: die meisten haben ihre Stärken entweder im einen oder im anderen<br />

Bereich. Und wie in der OG-Befragung überwiegen bei den B/BFS-SchülerInnen<br />

die Schwächen im sprachlichen Bereich, gleichgültig ob Deutsch oder Englisch, da<br />

beides für viele eine Fremdsprache ist. Erstaunlich ist allerdings, dass das Fach Mathematik<br />

in der B/BFS-Untersuchung zum herausragenden Favoriten wird. Die Hälfte<br />

der Befragten fand daran Spaß <strong>und</strong> nur wenige – ganze 2 TeilnehmerInnen - sahen<br />

hier ihre Schwächen. Das Fach Sport, bei den OG-TeilnehmerInnen auf Platz 1 der<br />

Positivliste, verlor im schulischen Kontext seine hervorragende Bedeutung als Ausgleichs-<br />

<strong>und</strong> Spaßfach <strong>und</strong> firmierte als ein Favoritenfach unter vielen. Gut k<strong>am</strong>en auch<br />

Kunst <strong>und</strong> die informationstechnische Gr<strong>und</strong>bildung (ITG) bei den SchülerInnen an.<br />

Ungeliebte <strong>und</strong> Lieblingsfächer B/BFS<br />

Nennungen<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

ungeliebte<br />

Lieblingsfächer<br />

Deutsch<br />

Englisch<br />

Mathe<br />

Sport<br />

Physik/Nat.wiss.<br />

Pol./Wirtsch.<br />

Kunst<br />

ITG<br />

Werken<br />

Mehrfachnennungen<br />

15


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Diese Verschiebungen gegenüber der Vergleichsgruppe der OG-TeilnehmerInnen sind<br />

möglicherweise nicht auf die Maßnahmeart, sondern auf die besondere Berufsfeldkonstellation<br />

des Untersuchungss<strong>am</strong>ples zurückzuführen. So ist auffällig, dass in der<br />

Metallklasse ausschließlich sprachliche Schwächen aufgezählt wurden, während der<br />

mathematisch-naturwissenschaftliche Bereich hier zu den favorisierten Fächern gehörte.<br />

Die Malerklasse im Gegenzug zeigte weniger Schwächen im Sprachbereich, dafür<br />

mehr in Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften; die Präferenzen lagen hier im sprachlichen<br />

Fachkanon einschließlich Fremdsprachen. Zudem waren hier die Vorlieben vielseitiger<br />

<strong>und</strong> auf deutlich mehr Fächer verteilt. Günstigenfalls deuten diese Unterschiede<br />

(sofern sie nicht Zufall sind) auf eine gezielte <strong>und</strong> teilnehmeradäquate Verteilung<br />

auf die verfügbaren Berufsfelder im Rahmen der B/BFS hin: die sprachlich Schwachen<br />

<strong>und</strong> mathematisch Interessierten können sich im eher technikorientierten Berufszweig<br />

Metall, die eher Indifferenten, jedenfalls weniger Technik-interessierten, im kreativeren<br />

Farbenbereich erproben. Dabei erweist es sich als Stärke auch der schulischen Berufsorientierung/Gr<strong>und</strong>bildung,<br />

dass es im Laufe der Orientierungsphase zu Beginn der<br />

Bildungsganges gerade darum geht, Vorabfestlegungen auf Berufsbereiche, die ja vielfach<br />

auf mangelhafter Selbsteinschätzung <strong>und</strong> unreflektierten Vorurteilen gegenüber<br />

der eigenen fachlichen Leistungsfähigkeit durch die Jugendlichen beruhen 20 , noch<br />

einmal gemeins<strong>am</strong> mit den TeilnehmerInnen gründlich zu überprüfen.<br />

4.3 Interpretationen <strong>und</strong> Selbstbezichtigung<br />

Benachteiligte Jugendliche neigen offenbar dazu, die Ursachen für ihre Schulprobleme<br />

in Personen zu suchen. Das zumindest war ein wichtiges Resümee der vorhergehenden<br />

Befragung. Schwierigkeiten sehen sie entweder in der eigenen Person begründet<br />

– sei es dass sie sich für unfähig, sei es dass sie sich für einfach lernunwillig halten;<br />

oder aber sie machen LehrerInnen für ihren Misserfolg verantwortlich. D<strong>am</strong>it wird die<br />

Auseinandersetzung mit Lernproblemen entsachlicht <strong>und</strong> versperrt den Blick auf die oft<br />

entscheidende Frage nach den inhaltlichen Schwierigkeiten in individuellen Lernprozessen.<br />

21<br />

Auch die SchülerInnen der befragten B/BFS-Klassen wandten diese Interpretationsstrategie<br />

an. 13 von ihnen, <strong>und</strong> das waren immerhin 65%, waren der festen Überzeugung,<br />

dass es lediglich an ihrer Faulheit <strong>und</strong> Unlust gelegen habe, wenn sie sich in der<br />

Schule mit Problemen konfrontiert sahen. Weitere 4 wiesen LehrerInnen die Verantwortung<br />

zu. Und nur 5 glaubten, dass der Stoff für sie zu schwierig gewesen sei.<br />

20 Vgl. dazu Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch, S. 22ff <strong>und</strong> 26ff<br />

21 vgl. ebd. S. 25f.<br />

16


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Subjektive Schuldzuweisungen scheinen auch in der B/BFS ebenso weit verbreitet wie<br />

festzementiert, denn die Jugendlichen bestanden auf der genannten Einschätzung<br />

hartnäckig auch in der späteren Ergebnisdiskussion. Fatal an dieser Selbstbezichtigung<br />

erscheint der Umstand, dass d<strong>am</strong>it der Weg, der ggf. zur Lernunlust geführt hat -<br />

fachinhaltliche oder methodische Defizite z.B. oder auch der Verlust des Sachinteresses<br />

durch praxisfernes Theorielernen -, verborgen bleibt <strong>und</strong> dadurch Lücken nicht<br />

identifiziert <strong>und</strong> geschlossen werden können. Vor der Unlust aber steht in der Regel<br />

der Verlust von Interesse <strong>und</strong> Motivation durch permanente Misserfolge, <strong>und</strong> dessen<br />

Ursprung gilt es zu identifizieren <strong>und</strong> zu analysieren.<br />

5. Perspektiven in <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> Ausbildung<br />

5.1 Persönliche Ziele <strong>und</strong> erwarteter Ausbildungsnutzen<br />

Junge Leute kennen die Bedeutung, die eine abgeschlossene Berufsausbildung heutzutage<br />

hat. Das gilt auch für die meisten benachteiligten Jugendlichen, zumindest sofern<br />

sie bereits erste Schritte in die <strong>Arbeit</strong>swelt gemacht haben. So dokumentiert beispielsweise<br />

unsere Befragung in der außerschulischen Berufsvorbereitung das vehemente<br />

Interesse der dort teilnehmenden Jugendlichen an einem Ausbildungsplatz <strong>und</strong><br />

<strong>am</strong> Erreichen eines beruflichen Abschlusses. 75% zählten Ausbildung <strong>und</strong> Abschluss<br />

zu ihren prioritären Zielen.<br />

In den beiden befragten B/BFS-Klassen gestaltete sich der Wunsch nach einem Ausbildungsplatz<br />

etwas anders. Zwar strebte die Mehrheit der Befragten (11 Jugendliche,<br />

das waren 55%) nach einem anerkannten Berufsabschluss. Das sind im Vergleich<br />

deutlich weniger als im Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang. 8 Jugendliche, d.h. 40%,<br />

nannten ausschließlich die Aufnahme einer Beschäftigung als ihr vordringliches Ziel,<br />

wobei es ihnen wichtiger war, möglichst viel Geld zu verdienen als Spaß an der <strong>Arbeit</strong><br />

zu haben. Auch dieses Resultat weicht erheblich von den Prozentzahlen der OG-<br />

Befragung ab: Hier strebten lediglich 22% in erster Linie eine Beschäftigung an. 22 Bemerkenswert<br />

erscheint auch, dass die Hälfte der B/BFS-Metallklasse <strong>Arbeit</strong>, <strong>und</strong> nicht<br />

Ausbildung, als wichtigstes persönliches Ziel angab; in der Malerklasse waren es dagegen<br />

nur 4 TeilnehmerInnen, d.h. 20%.<br />

Die befragten B/BFS-SchülerInnen waren also im Vergleich zu den TeilnehmerInnen<br />

der außerschulischen Beruforientierung weniger auf Ausbildung fixiert. Es gab sogar<br />

22 In der außerschulischen Berufsvorbereitung rangiert der Spaß an der <strong>Arbeit</strong>, den 41 TeilnehmerInnen<br />

sich erhoffen (=59%), weit vor dem Verdienst (22 Nennungen). vlg. ebd. S. 29<br />

17


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

eine Teilnehmerin, die in ihren persönlichen Prioritäten nur private Ziele (Wohnung,<br />

Auto, F<strong>am</strong>iliengründung) nannte <strong>und</strong> von vorne herein keinerlei berufliche Perspektive<br />

entwickelt hat.<br />

Persönliche Ziele - B/BFS<br />

12<br />

10<br />

Nennungen<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

11<br />

8<br />

7<br />

5<br />

7<br />

6<br />

0<br />

Ausb.pl./Abschl.<br />

<strong>Arbeit</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Wohnung<br />

Auto<br />

F<strong>am</strong>ilie<br />

Mehrfachnennungen<br />

Die Gründe für diese weniger ausgeprägte Ausbildungsneigung unserer B/BFS-<br />

Teilnehmerschaft können vielfältig sein. Bedeuts<strong>am</strong> dürfte hier wohl die niedrigere Altersstruktur<br />

sein. Die meisten der befragten Jugendlichen definieren für sich offenbar<br />

noch den SchülerInnenstatus definieren <strong>und</strong> sehen sich noch nicht ernsthaften auf dem<br />

Weg in die <strong>Arbeit</strong>swelt. Da die meisten noch zu jung sind, hatte bis zum Befragungszeitpunkt<br />

kaum eine/r versucht, auf dem Ausbildungsmarkt unterzukommen 23 . Daher<br />

mag es sein, dass die Schwierigkeiten bei der Ausbildungs- <strong>und</strong> bei der <strong>Arbeit</strong>splatzsuche<br />

unterschätzt werden. Ob hier auch das bisherige Misserfolgserleben von einigen<br />

gedanklich einfach perpetuiert wird, so dass sie sich einen Ausbildungsabschluss gar<br />

nicht erst zutrauen <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich auf ungelernte <strong>und</strong> Gelegenheitsarbeit setzen,<br />

lässt sich aus Befragungsdaten zwar nicht eindeutig herauslesen, ist aber ein für benachteiligte<br />

Jugendliche durchaus typisches Interpretationsmuster.<br />

23 Nur zwei gaben an, schon einmal auf Ausbildungsplatzsuche gewesen zu sein.<br />

18


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Schließlich mag auch die hohe Ausländerquote unter den TeilnehmerInnen das Ergebnis<br />

beeinflusst haben: Besonders in der B/BFS-Metallklasse war der Ausländer- <strong>und</strong><br />

Spätaussiedleranteil besonders hoch; nur ein Teilnehmer war hier deutscher Herkunft.<br />

In dieser Klasse war der Wunsch nach einem Ausbildungsplatz besonders niedrig.<br />

Möglicherweise liegt dies daran, dass die Bedeutung anerkannter Abschlüsse für den<br />

Einstieg in das hiesige Erwerbsleben in ausländischen Herkunftsf<strong>am</strong>ilien bekanntermaßen<br />

auch heute noch weit unterschätzt wird. 24<br />

Die Tatsache, dass prozentual weniger B/BFS-SchülerInnen einen Ausbildungsabschluss<br />

anstrebten, mag auch daraus resultieren, dass sich weniger Jugendliche aus<br />

dieser Befragungsgruppe unmittelbaren Nutzen von einer Ausbildung versprachen. Nur<br />

die Hälfte der befragten B/BFS-SchülerInnen glaubte, dass eine Ausbildung die Chancen<br />

auf einen <strong>Arbeit</strong>splatz verbessert; in der außerschulischen Berufsvorbereitung waren<br />

fast drei Viertel der Befragten dieser Ansicht. Entsprechend meinten 6 B/BFS-<br />

Befragte, also nur 30%, dass wer einen Ausbildungsabschluss besitzt, sicher auch<br />

<strong>Arbeit</strong> fände. Unter den OG-TeilnehmerInnen waren es 49%.<br />

Nutzen einer Ausbildung<br />

80<br />

70<br />

60<br />

Prozentwerte<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

50<br />

73<br />

30<br />

49<br />

B/BFS<br />

OG<br />

0<br />

Ausbildung verbessert<br />

<strong>Arbeit</strong>splatzchancen<br />

Mit Ausbildung findet man <strong>Arbeit</strong><br />

Mehrfachnennungen<br />

Objektive Nützlichkeit wurde einer abgeschlossenen Berufsausbildung allerdings nicht<br />

abgesprochen, <strong>und</strong> subjektiv präferierten nur drei befragte SchülerInnen einen Job vor<br />

24 Die hohe Ausländerquote in dieser Klasse ist nach Auskunft der ExpertInnen ungewöhnlich, so dass die<br />

darauf zurückführenden Aussagen kaum als repräsentativ für die ges<strong>am</strong>te B/BFS-Klientel anzusehen sind.<br />

19


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

einer Ausbildung. Dass Ausbildung gar keinen Nutzeffekt hat, meinte kein B/BFS-<br />

Teilnehmer; unter den OG-lern waren es drei. Positiv zum Ausbildungsnutzen standen<br />

insbesondere diejenigen, die für sich schon an bestimmte Ausbildungsziele dachten; 7<br />

B/BFS-Jugendliche meinten, Ausbildung sei die unabdingbare Voraussetzung zur Realisierung<br />

ihres Traumberufs. 25<br />

Dass Ausbildung einen prinzipiellen Lerneffekt hat, war den befragten SchülerInnen<br />

ebenfalls bewusst: Ein Viertel von ihnen war sich sicher, dass eine gute Ausbildung die<br />

individuelle Flexibilität erhöht, so dass den wechselnden Anforderungen des <strong>Arbeit</strong>slebens<br />

leichter nachzukommen ist. Bei den OG-TeilnehmerInnen waren nur 16% dieser<br />

Meinung. 26<br />

Sofern verallgemeinerbare Aussagen über die B/BFS-TeilnehmerInnen angesichts der<br />

kleinen Befragtenzahl überhaupt statthaft sind, kann also bezüglich der unterschiedlichen<br />

Perspektivsicht der beiden Untersuchungsgruppen festgehalten werden, dass bei<br />

den B/BFS-TeilnehmerInnen zumindest zu Beginn des Bildungsganges die <strong>Arbeit</strong>sorientierung<br />

größer <strong>und</strong> die mit einem Ausbildungsabschluss verb<strong>und</strong>enen individuellen<br />

Hoffnungen geringer sind. Dagegen sind sie eher vom generellen Lerneffekt einer<br />

Ausbildung überzeugt, der den Einstieg in Berufs- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sleben erleichtert <strong>und</strong> die<br />

individuelle Souveränität erhöht. Summa summarum aber scheinen weitaus mehr<br />

B/BFS-Schüler die eigenen Misserfolgserlebnisse so f<strong>und</strong><strong>am</strong>ental verinnerlicht zu haben,<br />

dass sie auch künftig ein Scheitern erwarten <strong>und</strong> Ausbildung seltener als ihre außerschulischen<br />

„Leidensgenossen“ in ihre eigene Lebensplanung einzubeziehen wagen.<br />

Selbst wenn dieses Ergebnis angesichts der geringen Befragungspopulation die Spezifitäten<br />

dieser Befragungsgruppe widerspiegelt, so zeigt es doch die Richtigkeit <strong>und</strong><br />

Wichtigkeit des B/BFS-Ansatzes, der sich mit seinen zwei Jahrgangsstufen <strong>und</strong> der<br />

Doppelstrategie von Sicherung der allgemeinen Gr<strong>und</strong>kenntnisse <strong>und</strong> praxisnaher beruflicher<br />

Gr<strong>und</strong>bildung die nötige Zeit nimmt für eine intensive Orientierungsarbeit auf<br />

berufsqualifizierende Abschlüsse. Nur so kann den TeilnehmerInnen, vor allem auch<br />

den Jugendlichen ausländischer Herkunft, die Relevanz eines Abschlusses Maßnahmeverlauf<br />

deutlich werden.<br />

25 D<strong>am</strong>it liegt der Anteil deutlich höher als bei den OG-TeilnehmerInnen.<br />

26 was allerdings, wie andere scheinbar signifikante Ergebnisse auch, aus der kleineren Gr<strong>und</strong>ges<strong>am</strong>theit<br />

<strong>und</strong> den d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>enen statistischen Zufällen resultieren kann.<br />

20


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

5.2 Die Sehnsucht nach dem Lebensberuf<br />

Der Wunsch nach Konstanz im <strong>Arbeit</strong>sleben insbesondere in den Bevölkerungsschichten,<br />

die wegen ihres geringen Bildungsstandes traditionell häufig von beruflichem<br />

Wechsel betroffen sind, ist groß <strong>und</strong> leicht erklärbar. Er war auch unter den von uns<br />

befragten benachteiligten Jugendlichen weit verbreitet. Bei den TeilnehmerInnen der<br />

außerschulischen Maßnahme paarte sich allerdings das Wunschdenken mit handfestem<br />

Realismus. Es herrschte zwar das Bedürfnis nach <strong>Arbeit</strong>splatzsicherheit vor, wird<br />

aber ergänzt durch das Bewusstsein von der Notwendigkeit, sich beruflich immer wieder<br />

verändern <strong>und</strong> weiterentwickeln zu müssen. 27<br />

Diese Doppelung der individuellen Lebensplanung scheint sich in der untersuchten<br />

B/BFS deutlich zu Gunsten des Wunsches nach Sicherheit <strong>und</strong> Konstanz verschoben<br />

zu haben. 13 BefragungsteilnehmerInnen (65%) wollten gerne viele Jahre auf einem<br />

<strong>Arbeit</strong>splatz bleiben, wünschten sich einen Lebensberuf <strong>und</strong> mochten nicht ständig<br />

umlernen. Der Anteil der Stabilitätsbewussten war d<strong>am</strong>it höher als in der OG-<br />

Befragung, in der 38% der Jugendlichen ihrer Sehnsucht nach einem Lebensberuf<br />

Ausdruck verschafften. Nur 2 SchülerInnen (10%) waren sich sicher, dass sie beruflich<br />

immer wieder umlernen müssen, weil die <strong>Arbeit</strong>swelt sich ständig verändert.<br />

Im Nachgespräch mit den SchülerInnen zeigte sich, dass viele tatsächlich ihren<br />

Wunsch nach beruflicher Stabilität mit der Wirklichkeit des Berufslebens gleichsetzen<br />

<strong>und</strong> an dieser Stelle nicht im Stande waren, <strong>Arbeit</strong>swirklichkeit <strong>und</strong> eigenes Bedürfnis<br />

zu differenzieren. Bei den bereits Schulentlassenen der OG in unserer Basiserhebung<br />

verfügten wesentlich mehr über eine realistische Einschätzung bezüglich der Forderungen<br />

der <strong>Arbeit</strong>swelt nach lebenslangem Lernen: hier waren immerhin 32% auf stetes<br />

Hinzulernen eingestellt.<br />

27 vgl. Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch, S. 31ff<br />

21


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Vorstellung zu beruflichen Perspektiven B/BFS<br />

Abwechslung erwünscht<br />

Wechsel+Umlernen<br />

wahrscheinlich<br />

Lebensberuf erwünscht<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

Nennungen<br />

In dieser eher starren <strong>und</strong> realitätsfernen Perspektivensicht manifestiert sich der bei<br />

den AbsolventInnen unterer Schulabschlüsse durchaus typische Standpunkt, der – wie<br />

es die neueste Jugend-Shell-Studie 2000 sieht - „Selbstbehauptung“ vor „Selbstverwirklichung“<br />

stellt 28 . Wem kaum Wahlalternativen bleiben, der möchte verständlicherweise<br />

das festhalten, was er/sie mühselig erreicht hat. Der Wunsch nach beruflicher<br />

Sicherheit scheint ein Phänomen beschränkter Marktchancen <strong>und</strong> kein originäres Bewusstseinsmerkmal<br />

benachteiligter Jugendlicher zu sein, denn auch bei Jugendlichen<br />

in den neuen Ländern, deren Beschäftigungschancen ja bekanntlich weitgehend ungünstig<br />

sind, steht das Bedürfnis nach einer sicheren Berufsstellung deutlich an erster<br />

Stelle ihrer persönlichen Ziele. 29<br />

Im Kontext der Einschätzung künftiger <strong>Arbeit</strong>sperspektiven <strong>und</strong> der Notwendigkeiten<br />

lebensbegleitenden beruflichen Lernens wird es wohl wichtig sein, den Realitätssinn<br />

dieser B/BFS-Jugendlichen weiter zu schärfen, ehe sie aus den schulischen Angeboten<br />

entlassen werden <strong>und</strong> sich selbsttätig auf dem Ausbildungs- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

bewegen müssen. Denn: „Im Gegensatz zu früher verlangt insbesondere das <strong>Arbeit</strong>sleben<br />

von den Jugendlichen ein hohes Maß an Mobilität <strong>und</strong> Flexibilität. Wertvorstellungen,<br />

die Beständigkeit voraussetzen (wie beispielsweise F<strong>am</strong>ilie oder Partnerbeziehungen),<br />

sind mit diesen neuen Anforderungen kaum vereinbar. Diese Diskrepanz<br />

wirkt sich auch auf die eigenen Zukunftsvorstellungen, die Erwartungen <strong>und</strong> Ziele aus.<br />

28 vgl. Grzembke/H<strong>am</strong>mer/Koch, S. 32.<br />

Fischer, Artur/ Fritzsche, Yvonne/ Fuchs-Heinrich, Werner/ Münchmeier, Richard: Jugend 2000. Bd.1 (Hg.:<br />

Deutsche Shell). Opladen 2000, S. 15<br />

22


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Der normalbiographische Verlauf von Schule in Ausbildung <strong>und</strong> ... einen (sicheren)<br />

Beruf ... ist heute eher die Ausnahme, Zeiten der Erwerbslosigkeit sind ebenso einzukalkulieren<br />

wie eine hoher <strong>und</strong> permanenter Fortbildungsbedarf ...“ 30<br />

6. Berufswahlwissen in der B/BFS<br />

6.1 Umfang des bekannten Berufsspektrums<br />

Die Kenntnisse der Berufewelt <strong>und</strong> der Umfang des bekannten Berufsspektrums hängen<br />

von vielen Faktoren ab, insbesondere davon, welche Informationen <strong>und</strong> wie viele<br />

Informationsquellen für junge Leute an der 1. Schwelle verfügbar sind. Bis auf einen<br />

konnten alle befragten B/BFS-SchülerInnen wenigstens einen Beruf nennen. Einem<br />

Jugendlichen fiel nur ein einziger Beruf ein, drei gaben zwei Berufe an, fast die Hälfte<br />

konnte vier, teilweise sogar deutlich mehr Berufe aufzählen.<br />

Auf nur ein Berufsfeld, <strong>und</strong> zwar exakt auf das in der berufsvorbereitenden Maßnahme<br />

angebotene, beschränkten sich 4 Teilnehmer. Immerhin 10 Befragte (also 50%) konnten<br />

Berufe aus mehr als 2 Berufsfeldern anführen. 40% schlossen über das gewerblich-technische<br />

Umfeld hinaus auch den Dienstleistungssektor mit dem kaufmännischen<br />

<strong>und</strong>/oder dem sozialpflegerischen Bereich ein. Das sind zwar deutlich mehr als<br />

in dem Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang, was allerdings durchaus an der kleinen<br />

Gr<strong>und</strong>ges<strong>am</strong>theit liegen kann. Die befragten Mädchen der B/BFS kannten alles<strong>am</strong>t<br />

mehrere Berufsfelder <strong>und</strong> Berufe aus den verschiedenen Sektoren. Letzteres rührt u.a.<br />

daher, dass die klassischen Mädchenberufe nicht im produktiven, sondern im Dienstleistungssektor<br />

angesiedelt sind <strong>und</strong> die mädchentypischen Dienstleistungsberufe –<br />

insbesondere aus dem kaufmännischen <strong>und</strong> dem Ges<strong>und</strong>heitsbereich - ihnen in jedem<br />

Falle geläufig sind.<br />

29 Vgl. Granato, Mona: Stellenwert von steht <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beruf aus der Sicht von Auszubildenden. In: Jugendliche<br />

in Ausbildung <strong>und</strong> Beruf. (=Ergebnisse, Veröffentlichungen <strong>und</strong> Materialien aus dem BIBB).<br />

August 2000, S. 31ff<br />

30 Schreiber-Kittl, Maria (Hg.): Lernangebote für Schulabbrecher <strong>und</strong> Schulverweigerer. Praxismodelle.<br />

(=Materialien aus dem Forschungsschwerpunkt Übergänge in <strong>Arbeit</strong> des DJI). (Hg.: Ministerium für F<strong>am</strong>ilie,<br />

Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend). München 2000<br />

23


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Bekanntes Berufespektrum im Vergleich<br />

Prozentwert<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

k.A.<br />

1 Berufsfeld<br />

3 <strong>und</strong> mehr Berufe<br />

gew.-tech <strong>und</strong> Dienstl.<br />

0<br />

B/BFS Maler Metall Mädchen OG<br />

31<br />

Die Differenzen zwischen den Befragungsergebnissen der B/BFS <strong>und</strong> der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung sind in diesem Punkt kaum signifikant. Allenfalls deckten die<br />

B/BFS-Jugendlichen ein etwas breiteres Berufsspektrum ab. Das gilt insbesondere für<br />

die Malerklasse, während die Metallklasse besonders eng fixiert auf ihren Berufsbereich<br />

blieb. Nur einer von diesen jungen Männern kannte mehr als zwei Berufsfelder<br />

<strong>und</strong> auch Berufe aus dem Dienstleistungsbereich. Vermutlich resultiert dieses gefilterte<br />

Berufswissen aus dem hohen Ausländer- <strong>und</strong> Spätaussiedleranteil <strong>und</strong> der Geschlechterhomogenität<br />

in dieser Klasse. Junge Männer ausländischer Herkunft sind in ihrem<br />

Berufswahlverhalten merklich auf den klassischen gewerblich-technischen Bereich<br />

festgelegt, was sich bereits als Tendenz in unserer Basisbefragung andeutete <strong>und</strong><br />

auch hier wieder zu bestätigen scheint.<br />

Hinzu kommt, dass die beiden befragten B/BFS-Klassen in der Orientierungsphase des<br />

Berufsvorbereitungsangebots nach jeweils verschiedenen Konzepten <strong>und</strong> in unterschiedlichem<br />

Maße mit den diversen Berufsfeldern konfrontiert werden. Während die<br />

TeilnehmerInnen der Farbtechnik/Raumgestaltungs-Klasse zu Beginn des B/BFS-<br />

Angebots in den verschieden möglichen Berufsfeldern rotieren <strong>und</strong> in beschränktem<br />

Maße auch die Möglichkeit haben, innerschulisch in andere Berufsfelder zu wechseln,<br />

31 Die Grafik wurde der Vergleichbarkeit wegen in Prozentwerten dargestellt, die Zahlen können nur als<br />

24


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

werden Berufsfeldrotationen für die Schüler aus dem Metall-Bereich in anderem Kontext<br />

<strong>und</strong> reduzierter angeboten. Die Jugendlichen sind in ihren Wahlmöglichkeiten<br />

mehr auf das Spektrum der Metallberufe beschränkt. Wer sich auf andere Ausbildungsberufe<br />

festlegt, muss hier die Schule wechseln. Dies mag ein Gr<strong>und</strong> für die größere<br />

Berufsfixierung sein.<br />

6.2 Was B/BFS-TeilnehmerInnen sich von der Berufsvorbereitung versprechen<br />

Die befragten B/BFS-SchülerInnen haben zwar keine sonderlich guten Schulerfahrungen<br />

gemacht, dennoch versprachen sich viele einen Vorteil von der Teilnahme an diesem<br />

Förderangebot <strong>und</strong> sahen den Lernort Schule keineswegs negativ. Die Hälfte der<br />

Befragten erwartete eindeutig Positives, die meisten davon hatten als klares Nahziel<br />

den Hauptschulabschluss im Visier. Nur ein Teilnehmer rechnete mit keinerlei günstigen<br />

Effekten, der Rest war sich nicht ganz sicher.<br />

Erwartungen an die B/BFS<br />

weiß nicht<br />

45%<br />

keine Vorteile<br />

5%<br />

Vorteile<br />

50%<br />

D<strong>am</strong>it standen diese B/BFS-Jugendlichen dem Förderangebot etwas indifferenter gegenüber<br />

als die OG-TeilnehmerInnen. Möglicherweise schlägt auch hier die negativere<br />

Selbst- <strong>und</strong> Perspektivsicht dieser Schulklientel durch. Allerdings hat die Nachbesprechung<br />

in einer der beiden Klassen eine deutlich positivere Sicht der Dinge ergeben.<br />

Auf die Frage, was denn anders sei <strong>am</strong> Lernen in der B/BFS im Vergleich zum bisher<br />

erlebten schulischen Lernen, k<strong>am</strong>en rasch positive Äußerungen:<br />

Trend, nicht als repräsentative Daten gewertet werden.<br />

25


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

So wurde bemerkt, dass die LehrerInnen in der B/BFS sich intensiver mit den SchülerInnen<br />

beschäftigen, sich mehr um die Einzelnen kümmern <strong>und</strong> auf sie eingehen könnten.<br />

Auch die andersartigen Lern- <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsmethoden wurden angesprochen:<br />

„Hier sitzt man nicht im stickigen Raum“, war beispielsweise eine Feststellung. Die Jugendlichen<br />

registrierten <strong>und</strong> schätzten also handlungsorientierte, aktivierende Lernformen.<br />

Schließlich wurde auch festgehalten, dass der Druck geringer sei, weil es noch keine<br />

Schulnoten gebe. Das trifft auf die Anfangsphase der B/BFS zu, in der auf klassischen<br />

Notengebung verzichtet wird bzw. Noten nicht mit dem sonst üblichen Leistungsdruck<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Statt dessen kommen in der ersten B/BFS-Phase vor allem qualitative<br />

Bewertungen zum Einsatz. Sie münden meist in der Erstellung von Stärken-<br />

/Schwächenprofilen, die in Fördergesprächen mit den Jugendliche behandelt werden.<br />

Zugleich werden die Leistungsanforderungen so gesetzt, dass positive Lernerfahrungen<br />

möglich werden. Erst allmählich mit fortschreitender Stabilisierung werden die Jugendlichen<br />

wieder an das schulische Leistungsbeurteilungssystem herangeführt. 32<br />

Ein günstiger Betreuungsschlüssel <strong>und</strong> intensive <strong>Arbeit</strong> in möglichst kleinen Gruppen,<br />

aktive Lernformen, Vermeidung von Leistungs- <strong>und</strong> Notendruck, das sind klassische<br />

Instrumente der Benachteiligtenpädagogik, die von den Jugendlichen in der B/BFS<br />

positiv aufgenommen werden <strong>und</strong> offenbar dazu angetan sind, ihre Vorbehalte gegenüber<br />

jedwedem organisierten Lernen zu verringern. K<strong>am</strong> die herausragende Bedeutung<br />

einer zielgruppenadäquaten Methodik/Didaktik bereits bei der Untersuchung der<br />

außerschulischen Berufsvorbereitung zum Tragen, so wird im Kontext der schulischen<br />

Angebote umso deutlicher, dass ohne eine entsprechende Lernmethodik Lernmotivation<br />

<strong>und</strong> d<strong>am</strong>it auch Lernfortschritte kaum zu erreichen sein werden.<br />

7. Lernstile <strong>und</strong> Lernkompetenz in der schulischen Berufsvorbereitung B/BFS<br />

7.1 Nachschulisches Lernen <strong>und</strong> bevorzugte Lernmethoden<br />

Wie die TeilnehmerInnen der außerschulischen Berufsvorbereitung hatten auch die<br />

B/BFS-SchülerInnen eine weitgehend positive Einstellungen zum außerschulischen<br />

32 Neue Ergebnisse der schwedischen Bildungsforschung haben übrigens positive Wirkungen des Verzichts<br />

auf den Notendruck gerade für schwächere SchülerInnen nachgewiesen. Das schwedische Schulsystem<br />

kennt keine „Notengläubigkeit“ <strong>und</strong> arbeitet mit Lernberichten. Anstelle von Sanktion für Minderleistung<br />

durch Sitzenbleiben wird ein System individueller Förderung praktiziert. „Anstrengungsbereitschaft<br />

<strong>und</strong> Leistung“, so die dahinter stehende Überzeugung, „wachsen aus Selbstvertrauen <strong>und</strong> Lernermutigung“.<br />

(Schumann, Brigitte: Warum sind die schwedischen Schüler besser? Beobachtungen <strong>und</strong> Eindrücke<br />

von einer Bildungsreise zu den skandinavischen Nachbarn. In: FR 28.06.2001)<br />

26


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Lernen. Die Hälfte der Befragten versprach sich vom Weiterlernen eine deutliche Verbesserung<br />

ihrer Chancen. Nur ein Bruchteil (2 Teilnehmer = 10%) wünschte sich lieber<br />

einen Job statt zur Schule gehen zu müssen.<br />

Einstellungen zum außerschulischen Lernen im Vergleich<br />

Lernen verbessert die<br />

Ausbildungschancen<br />

Lernen hilft Defizite<br />

schließen<br />

lieber Lernen statt<br />

<strong>Arbeit</strong>en<br />

B/BFS<br />

OG<br />

Job bevorzugt<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

Prozentwerte<br />

Mehrfachnennungen<br />

Umgekehrt wurde Schule – aller negativen Applikationen zum Trotz – von etlichen interessanterweise<br />

als Schonraum verstanden: Vier befragte Jugendliche (20%) äußerten<br />

sich zufriedenen darüber, noch nicht arbeiten gegen zu müssen. Von den OG-<br />

TeilnehmerInnen waren in diesem Punkt bereits deutlich mehr auf <strong>Arbeit</strong> hin orientiert.<br />

So erfährt Schule von denjenigen, die noch keine oder kaum Erfahrung mit der außerschulischen<br />

Lebenswelt gemacht haben, eine Aufwertung zum schlichten Schutz vor<br />

der <strong>Arbeit</strong>swelt. Dass hier wohl die <strong>Institut</strong>ion nicht aber das individuelle Lerngeschehen<br />

gemeint war, zeigt sich in den geringen Lernerfolgserwartungen, die die Befragungsgruppe<br />

zugleich hegte, denn nur vier Jugendliche (20%) in der B/BFS glaubten,<br />

dass Weiterlernen ihnen helfen würde, schulische Lücken zu schließen <strong>und</strong> Defizite<br />

abzubauen. Hier setzt sich die bereits oben festgestellte negative Tendenz fort, der zu<br />

Folge Lernen für benachteiligte SchülerInnen offenbar nur im eher abstrakten, institutionellen<br />

Kontext mit positiven Erwartungen verb<strong>und</strong>en ist. Schule wird als Ort der<br />

Kommunikation <strong>und</strong> als Treffpunkt begrüßt, auch die Bemühungen der Lehrer werden<br />

durchaus gewürdigt, sobald es aber um die möglichen eigenen, individuellen Lerneffekte<br />

geht, sinkt die Erwartungshaltung deutlich ab.<br />

27


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Hierzu passt auch die ausgeprägte Orientierung an den schulischen Noten als wesentlichem<br />

Lernerfolgskriterium. 15 der B/BFS- Jugendlichen, das sind mit 75% noch einmal<br />

fast 10% mehr als im untersuchten Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang, identifizierten<br />

gute Noten mit erfolgreichem Lernen. Erst mit deutlichem Abstand (6 Nennungen<br />

= 30%) folgte das Geld als Erfolgsmaßstab <strong>und</strong> das elterliche Lob (mit 4 Nennungen<br />

= 20%). Auch die B/BFS-TeilnehmerInnen kennen also vorrangig Erfolgskriterien,<br />

die nicht unmittelbar mit dem Lerngegenstand oder mit ihrem eigenen Interesse zus<strong>am</strong>menhängen,<br />

sondern von außen gesetzt sind. Es wird also auch bei dieser Zielgruppe<br />

für die Entwicklung einer prof<strong>und</strong>en Lernkompetenz entscheidend sein, ob es<br />

gelingt, eher (lern-)produktorientierte Bewertungsmaßstäbe einzuführen, die eine<br />

sachbezogene Lernmotivation herausbilden helfen. Denn: „Fremdgesteuertes Lernen<br />

<strong>und</strong> externe Bewertungskriterien lassen sonst die Lern-Motivation zum Erliegen kommen,<br />

wenn der äußerer (Zwangs-)Rahmen von Schule oder auch Ausbildung als Instanzen<br />

verpflichtenden Lernens entfallen.“ 33<br />

Repetitives, schematisches <strong>und</strong> von oben verordnetes Lernen stand nicht sonderlich<br />

hoch im Kurs bei den B/BFS-TeilnehmerInnen. Nur jeweils ein Befragter/eine Befragte<br />

präferierte Auswendiglernen als Lernmethode, Lernen nach Plan <strong>und</strong> das Lernen nach<br />

Anweisung. Dass von der pädagogischen Autorität angestoßene Lernprozesse so<br />

deutlich negativ besetzt sind, ist bei einer Benachteiligtenklientel eher bemerkenswert,<br />

da hier i.d.R. passive Lernwege zumindest akzeptiert, wenn nicht gar bevorzugt werden.<br />

Daher wurde diese Methode von den Befragten der außerschulischen Maßnahme<br />

auch wesentlich höher bewertet; hier erklärten sich fast 20% auf externe Anweisung<br />

beim Lernen angewiesen. Die befragten TeilnehmerInnen der schulischen Berufsorientierung/Gr<strong>und</strong>bildung<br />

legten dagegen offenbar mehr Wert auf selbst gestaltete<br />

Lernhandlungen.<br />

33 vgl. Grzembke/ H<strong>am</strong>mer/ Koch, S. 47<br />

28


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Bevorzugte Lernmethoden B/BFS<br />

Auswendig lernen<br />

Vormachen-Nachmachen<br />

Lernen auf Anweisung<br />

Te<strong>am</strong>lernen<br />

Plan nötig<br />

frei gestalteter Lernprozess<br />

Lösungswege selbst probieren<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Nennungen<br />

Mehrfachnennungen<br />

Sehr ähnlich waren sich beide Gruppen dagegen in ihrem Bedürfnis nach personenbezogenem<br />

Lernen. Von besonderer Bedeutung für die Noch-SchülerInnen war das Lernen<br />

im Te<strong>am</strong>, das für sie an erster Stelle stand, gefolgt von der Stufen-Methode, bei<br />

der die Vermittlerperson quasi als „Vorbild“ wirkt, da sie den Lernprozess demonstriert<br />

<strong>und</strong> zum Nachmachen veranlasst.<br />

Das Praktizieren eigenständiger Lernwege – sei es die Suche nach eigenen Themen<br />

<strong>und</strong> Methoden, sei es das selbständige Probieren <strong>und</strong> Problemlösen – hatte bei den<br />

TeilnehmerInnen der schulischen Berufsvorbereitung einen beachtlichen Stellenwert;<br />

insges<strong>am</strong>t 9 Befragte sahen hier ihre optimale Lernform. Dabei fällt auf, dass dieses<br />

ausgeprägte Bedürfnis nach selbstgesteuerten Lernmethoden in merkwürdigem Kontrast<br />

zu den zuvor konstatierten negativen Lernerwartungen <strong>und</strong> Lernerfahrungen der<br />

befragten SchülerInnen steht. Immerhin setzt selbst organisiertes Lernen eine positive<br />

Lernhaltung, eine gewisse Lernkompetenz <strong>und</strong> einen selbstbewussten Lerner voraus,<br />

alles Eigenschaften, die bei den befragten B/BFS-Jugendlichen eher wenig ausgeprägt<br />

scheinen. Hier finden wohl das Selbst- <strong>und</strong> das Wunschbild nicht recht zus<strong>am</strong>men.<br />

Diese Ergebnisse zeigen jedenfalls deutlich positive Anknüpfungspunkte <strong>und</strong> möglicherweise<br />

auch rasche Motivationserfolge der B/BFS-Maßnahme auf. Alles deutet darauf<br />

hin, dass es im Rahmen des B/BFS-Angebots relativ schnell gelingen kann, ein<br />

positives <strong>und</strong> aktives Lernbewusstsein wieder zu wecken resp. überhaupt erst aufzubauen.<br />

Zwar lässt sich angesichts der kleinen Untersuchungspopulation nicht entscheiden,<br />

ob diese Vorliebe für aktive Lernformen repräsentativ für die ges<strong>am</strong>te Ziel-<br />

29


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

gruppe der Noch-SchülerInnen oder ob sie Zufall ist <strong>und</strong> in der Besonderheit der Befragtengruppe<br />

dieses Jahrgangs liegt. Für diese jedenfalls kann dieser Bef<strong>und</strong> als positive<br />

Gr<strong>und</strong>lage für den verstärkten Einsatz von aktivierenden Vermittlungsmethoden –<br />

Projektarbeit, exploratives <strong>und</strong> handlungsorientiertes Lernen, Gruppenarbeit etc. – gesehen<br />

werden. Die Vorliebe für aktive Lernmethoden ist allemal eine große Chance zur<br />

Entwicklung von Lernkompetenz, die die B/BFS-Förderung entsprechend nutzen sollte.<br />

Sofern Lernen nicht mit schulischen Anforderungen assoziiert wird, schätzen viele benachteiligte<br />

Jugendliche ihre Lernerfolge ausgesprochen optimistisch ein. Das zeigte<br />

sich bereits in unserer Basiserhebung: „Kaum verlassen die Jugendlichen den schulischen<br />

Denkhorizont, zeigen sie angesichts der oben von ihnen festgestellten erheblichen<br />

Lerndefizite ein bemerkenswertes Maß an Zuversicht <strong>und</strong> Ausdauerbereitschaft.“<br />

34 Diese Aussage trifft ebenfalls auf die befragten Jugendlichen der B/BFS zu.<br />

Auch sie waren mehrheitlich der Auffassung 35 , dass sie alles lernen könnten, wenn sie<br />

es wirklich wissen wollen, <strong>und</strong> dokumentierten d<strong>am</strong>it eine bemerkenswerte Klarheit<br />

über den Zus<strong>am</strong>menhang von Lerninteresse <strong>und</strong> erreichbarem Lernerfolg. Auch bei<br />

dieser Zielgruppe artikulierte, wie schon bei den OG-TeilnehmerInnen, ein Grossteil (9<br />

Nennungen) generelle Schwierigkeiten beim Lerneinstieg („Kann mich erst nicht aufraffen“),<br />

die sich aber auflösen, wenn erst einmal ein Anfang gef<strong>und</strong>en wurde („Aber<br />

wenn ich dann dabei bin, macht mir Lernen auch Spaß“).<br />

Dieses Resultat erscheint vor allem deshalb der Erwähnung wert, weil darin auch bei<br />

der offenbar schwierigeren <strong>und</strong> demotivierten Zielgruppe der B/BFS-TeilnehmerInnen<br />

wichtige Hinweise auf ihre Lerneinstellung <strong>und</strong> Lernmotivation stecken: Sie zeigen sich<br />

keineswegs prinzipiell lernmüde, sondern trauen sich selbst viel, ja beinahe alles zu,<br />

<strong>und</strong> schieben Misserfolge beim Lernen letztlich weniger auf eigene fehlende Begabung,<br />

sondern eher auf Desinteresse <strong>und</strong> daraus resultierendes fehlendes Engagement<br />

zurück. Es gibt also auch bei ihnen eine gr<strong>und</strong>sätzliche Bereitschaft, sich auf<br />

neue Lernkontexte einzulassen.<br />

7.2 Schlüsselqualifikationen – Informationskompetenz <strong>und</strong> IT-Kenntnisse<br />

Schlüsselqualifikationen sind in der heutigen <strong>Arbeit</strong>swelt unverzichtbar. Je früher sie<br />

erworben werden, desto flexibler kann sich das Individuum beruflich bewegen. Das gilt<br />

34 Grzembke/ H<strong>am</strong>mer/ Koch, S. 45<br />

35 12 Befragte äußerten sich so.<br />

30


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

umso mehr für jene methodischen Kompetenzen, die bei der selbständigen Erarbeitung<br />

von Kenntnissen <strong>und</strong> Fertigkeiten, also bei der Entwicklung von Lernkompetenz,<br />

vonnöten sind. Hierzu zählen insbesondere Qualifikationen wie Planungs-, Informations-<br />

<strong>und</strong> Medienkompetenz. Derlei Lernkompetenzen bilden das instrumentelle F<strong>und</strong><strong>am</strong>ent<br />

für lebenslanges Lernen. Sie zu entwickeln ist auch <strong>und</strong> gerade für Benachteiligte<br />

wichtig.<br />

7.2.1 Planungskompetenz<br />

Planungskompetenz wurde im Fragebogen anhand einer Aufgabenstellung aus dem<br />

<strong>Arbeit</strong>swelt-Kontext an der 1. Schwelle von der Schule ins Erwerbsleben erhoben. Die<br />

befragten Jugendlichen sollten die Schritte beschreiben, die sie unternehmen würden,<br />

um sich bei Bremer Betrieben auf einen Praktikumsplatz zu bewerben. Da auch die<br />

B/BFS-SchülerInnen im Verlaufe der Förderung Betriebspraktika absolvieren, erschien<br />

diese Fragestellung angemessen handlungsorientiert, um beantwortet werden zu können.<br />

Das traf auch auf die meisten Befragten zu. Es gab in diesem Punkt zwei unbeantwortete<br />

Fragebögen <strong>und</strong> einen, der die Fragestellung offenbar nicht verstanden<br />

hatte oder dem die Bearbeitung zu schwierig war. D<strong>am</strong>it haben wir in der B/BFS proportional<br />

mehr verwertbare Antworten erhalten als in der OG-Befragung. 36<br />

Wie in der Basiserhebung der OG auch wurden die Antworten daraufhin operationalisiert,<br />

welchen Grad an Planungskompetenz <strong>und</strong> Planungslogik sie repräsentieren. Sie<br />

wurden danach klassifiziert, ob sie eine logische Schrittfolge von Abläufen widerspiegeln.<br />

Es ergaben sich drei Kategorien:<br />

o Es wird eine logische Handlungsabfolge der Schritte, die für eine Praktikumsbewerbung<br />

nötig sind, elaboriert. Das Vorgehen hat Anfang <strong>und</strong> Ende. 37<br />

o Es wird eine sehr einfach Schrittfolge vorstellig gemacht, die nicht unbedingt der<br />

Planungslogik einer Bewerbung entspricht; in der Regel werden hier zwei Maßnahmen<br />

aufgezählt, die zwar in der richtigen Reihenfolge stehen, aber willkürlich<br />

aus dem Ges<strong>am</strong>tprozess herausgegriffen sind. Das Vorgehen hat keinen Anfang<br />

<strong>und</strong>/oder kein Ende.<br />

o Es wird nur eine Maßnahme innerhalb oder <strong>am</strong> Anfang eines Bewerbungsvorganges<br />

aufgeführt. Eine einzelne Handlung, aber kein Planungsvorgehen wird beschrieben.<br />

36 Dort lag die Quote der unbrauchbaren Antworten bei 41%. (vgl. den Basisbericht S. 50)<br />

31


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Planungskompetenz im Bewerbungsverfahren - B/BFS<br />

einfache Abfolge<br />

25%<br />

elaborierte Abfolge<br />

30%<br />

einzelne Handlung<br />

30%<br />

keine Antwort<br />

15%<br />

Fast ein Drittel der befragten B/BFS-SchülerInnen war imstande, eine logische Abfolge<br />

an <strong>Arbeit</strong>sschritten darzustellen, die zur Lösung der Aufgabenstellung erforderlich sind.<br />

Ein Viertel konnte immerhin eine einfache Schrittfolge reproduzieren. D<strong>am</strong>it finden sich<br />

in der B/BFS proportional mehr Jugendliche, nämlich über die Hälfte der Befragten, die<br />

auf einfachem bis einfachsten Niveau planend operieren bzw. rekonstruieren können.<br />

In unserer Untersuchung der außerschulischen Orientierungs-Maßnahme lag der Prozentsatz<br />

mit 42% deutlich niedriger. Allerdings blieb ein erheblicher Teil der TeilnehmerInnen<br />

an der schulischen Maßnahme bei nur einer Handlung innerhalb eines Bewerbungszyklus<br />

stehen, konnte in diesem Zus<strong>am</strong>menhang also nur punktuell, nicht aber<br />

prozesshaft reflektieren. Planungskompetenz aber setzt die intellektuelle Antizipation<br />

eines ges<strong>am</strong>ten Handlungsverlaufes voraus. Summarisch wies also auch in den untersuchten<br />

B/BFS-Klassen knapp die Hälfte planerische <strong>und</strong> antizipatorische Defizite auf.<br />

Was die inhaltlichen Schwerpunkte des Bewerbungsprozesses angeht, so fällt auf,<br />

dass diese SchülerInnen wesentlich weniger Wert auf Informationsbeschaffung <strong>und</strong><br />

unmittelbaren Betriebskontakt legten. Die Jugendlichen der außerschulischen Maßnahme<br />

hielten dies für die zentralen Momente im Bewerbungsverfahren. Die B/BFS-<br />

TeilnehmerInnen betonten deutlicher die Verhaltensseite, also die Frage eines ordentlichen,<br />

arbeitsweltrelevanten Äußeren <strong>und</strong> des entsprechenden Verhaltens, <strong>und</strong> legten<br />

37 Wobei es uns in der Auswertung auf Ausführlichkeit <strong>und</strong> Details nicht ank<strong>am</strong>.<br />

32


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

den Schwerpunkt auf die notwendigen Vorbereitungsarbeiten, vor allem auf das Verfassen<br />

eines korrekten Bewerbungsschreibens. Diese Differenz mag daher rühren,<br />

dass die TeilnehmerInnen der B/BFS als SchülerInnen sozusagen noch vor der 1.<br />

Schwelle stehen, während die OG-TeilnehmerInnen sich quasi mitten im Übergang<br />

befinden. Letztere haben ein solches Prozedere oft schon mehrfach durchlaufen 38 ; sie<br />

kennen also zumindest die Formalitäten <strong>und</strong> betrachten sie möglicherweise als selbstverständlich.<br />

Hinzu kommt, dass TeilnehmerInnen aus einigen B/BFS-Klassen tendenziell<br />

häufiger auf den freien Ausbildungsmarkt entlassen werden, da eine anschließende<br />

Übernahme in Ausbildung bei der Bildungsinstitution Schule aus Kapazitätsgründen<br />

nicht immer angeboten werden kann. Für sie ist arbeitsmarktadäquates Verhalten, also<br />

die Herausbildung von Sek<strong>und</strong>artugenden, mit Ablauf der B/BFS besonders wichtig<br />

<strong>und</strong> wird daher sinnvoller Weise häufig behandelt <strong>und</strong> trainiert.<br />

7.2.2 Informationskompetenz<br />

Informationskompetenz ist der Schlüssel zum selbstorganisierten Lernen <strong>und</strong> daher<br />

besonders relevant für die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zum lebenslangen Lernen. Unsere<br />

Befragung wollte sich auch hierüber bei den B/BFS-TeilnehmerInnen ein Bild verschaffen<br />

<strong>und</strong> hat, anknüpfend an die vorhergehende Aufgabe, nach den Informationsquellen<br />

gefragt, die die Jugendlichen nutzen würden, um Relevantes über Bremer Betriebe<br />

zu erfahren. Hier wurden die Resultate nach Anzahl <strong>und</strong> Qualität der Informationsquellen<br />

operationalisiert.<br />

Fünf Jugendliche (25%) gaben bei dieser Frage keine Antwort. Auch hier liegt die<br />

Fehlquote unter der der außerschulischen Befragung, in der 35% Befragte eine Antwort<br />

schuldig blieben. Dafür lag die Quote derer, die nur eine Quelle anzugeben wussten,<br />

deutlich höher bei 40% (OG-Befragung: 25%). Auch scheint die differenziertere<br />

Informationsbeschaffung in den untersuchten B/BFS-Klassen weniger ausgeprägt: Drei<br />

<strong>und</strong> mehr Quellen konnten nur wenige SchülerInnen (3 Antworten = 15%) nennen,<br />

hingegen aber 23% der Jugendlichen aus dem Offenen Gr<strong>und</strong>bildungslehrgang. Eine<br />

Antwort nennt überhaupt keine konkrete Informationsquelle, sondern bezieht sich abstrakt<br />

auf den Prozess der Informationsbeschaffung.<br />

Es gab demnach zwar mehr B/BFS-Jugendliche, die überhaupt Informationswege kennen,<br />

dafür waren Qualität <strong>und</strong> Breite der Informationen durchschnittlich niedriger als in<br />

der außerschulischen Berufsvorbereitung. Mag sein, dass die TeilnehmerInnen der<br />

38 Fast die Hälfte hat erfolglose Bewerbungsverfahren oder gar Ausbildungsabbrüche hinter sich.<br />

33


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Offenen Gr<strong>und</strong>ausbildung Gelegenheit hatten, ein bereits vorhandenes F<strong>und</strong><strong>am</strong>ent an<br />

Informationskompetenz weiter auszubauen. Das wäre zumindest ein Hinweis darauf,<br />

wie wichtig es ist, an Vorhandenem anzuknüpfen <strong>und</strong> insbesondere bei der Vermittlung<br />

von Schlüsselqualifikationen einzukalkulieren, dass der Faktor Zeit eine große <strong>und</strong> das<br />

wiederholte Schaffen vergleichbarer Lernarrangements zum Ausbau komplexer Kompetenzen<br />

eine noch größere Rolle spielen.<br />

Bekannte Informationsquellen - B/BFS<br />

abstrakte Infoquelle<br />

5%<br />

drei <strong>und</strong> mehr<br />

Infoquellen<br />

15%<br />

keine Antw ort<br />

25%<br />

zw ei Infoquellen<br />

15%<br />

eine Infoquelle<br />

40%<br />

Interessanterweise waren es bei den B/BFS-Jugendlichen nicht in erster Linie Personen,<br />

die als Informationsquellen fungierten, sondern institutionelle Quellen wie das<br />

<strong>Arbeit</strong>s<strong>am</strong>t (20% der Antworten). Mehr aber noch waren es Sachquellen, die die SchülerInnen<br />

als Informationsbeschaffung kannten, darunter – allerdings nur von marginaler<br />

Bedeutung - Zeitungen, gefolgt von den gelben Seiten <strong>und</strong> schließlich das Internet mit<br />

den häufigsten Nennungen, nämlich 26% der Antworten. Personen des engeren Umfeldes<br />

machten insges<strong>am</strong>t ein Drittel der gegebenen Antworten aus, wobei die LehrerInnen<br />

<strong>und</strong> nicht das private Umfeld hier an erster Stelle rangierten.<br />

Die Sachbezogenheit der Informationsbeschaffung könnte eine gute <strong>und</strong> ausbaufähige<br />

Voraussetzung für die Entwicklung von Lernkompetenz für lebenslanges Lernen sein.<br />

Insbesondere stellt sich in diesem Zus<strong>am</strong>menhang die Frage, inwieweit PC <strong>und</strong> Internet<br />

den B/BFS-TeilnehmerInnen bereits als Medien für Kommunikation <strong>und</strong> Information<br />

zur Verfügung stehen.<br />

34


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

7.2.3 Nutzung des Internets – Medienkompetenz in der B/BFS<br />

Erstaunlich viele B/BFS-SchülerInnen nutzen das Internet. 14 Befragte, das sind 70%,<br />

gaben hier positiven Bescheid. Von den sechs Jugendlichen, die dieses Medium nicht<br />

nutzen, gaben vier an, ihnen fehle die nötige technische Ausstattung. Nur zwei hatten<br />

keine Lust bzw. hielten nichts von elektronischer Datenverarbeitung. Immerhin gehörten<br />

auch zwei der drei Mädchen zu den Internet-Nutzern. D<strong>am</strong>it fanden sich in der untersuchten<br />

schulischen Berufsvorbereitung deutlich mehr Internet-User als in der außerschulischen,<br />

wo nur 43% schon einmal im Internet waren. Offenbar beginnen die<br />

K<strong>am</strong>pagnen wie „Schulen ans Netz“ u.ä. allmählich Wirkung zu zeigen, so dass die<br />

PC-Nutzung mehr <strong>und</strong> mehr zur Normalität des Lernalltags wird.<br />

Internetnutzung B/BFS<br />

nur<br />

Lernen/Wissensquelle<br />

1<br />

auch Info/Lernen<br />

5<br />

nur private<br />

Info/Kommunikation<br />

5<br />

Internetnutzer<br />

14<br />

keine Internet-Nutzung<br />

6<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />

Nennungen<br />

Ein Drittel der Nutzer wandelt ausschließlich zu privaten Zwecken im Internet; fast ein<br />

weiteres Drittel verwendet es auch als Informations- <strong>und</strong> Lernmedium. Ein Jugendlicher<br />

gab an, dass er den virtuellen Raum ausschließlich zum Lernen <strong>und</strong> Wissenserwerb<br />

nutze: „für das, was in der Schule nicht gelehrt wird.“ Für Recherchen <strong>und</strong> zur<br />

Kommunikation im Rahmen des Berufswahlprozesses verwendet kein Schüler das<br />

Internet. In der außerschulischen Berufsorientierung ist es dagegen durchaus als Instrument<br />

bekannt.<br />

35


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Medienkompetenz, auch wenn sie zuvor vielleicht nur im privaten <strong>und</strong> kommunikativen<br />

Kontext entwickelt <strong>und</strong> genutzt wurde, ist in der schulischen Berufsvorbereitung also<br />

recht weit verbreitet. Es gibt hier sowohl Interessen als auch bereits vorhandene Fertigkeiten,<br />

an die angeknüpft <strong>und</strong> auf denen aufgebaut werden kann. Das ist recht eigentlich<br />

ein optimaler Ausgangspunkt, um Lernkompetenzen zu festigen <strong>und</strong> weiterzuentwickeln.<br />

Die Voraussetzungen für den Einsatz von Internet gestützten Lernprojekten,<br />

die den Berufswahlprozess <strong>und</strong> die Orientierung in der <strong>Arbeit</strong>swelt unterstützen,<br />

erscheinen daher in der B/BFS denkbar günstig. Allerdings gilt es, die unterschiedlichen<br />

Zwecksetzungen der Mediennutzung zu berücksichtigen, ist es doch u.U. ein gravierender<br />

Unterschied, ob das Internet sporadisch, willkürlich <strong>und</strong> durchaus auch mit<br />

wechselndem Erfolg zu Chat, Spiel <strong>und</strong> Musik-Downloads oder aber systematisch als<br />

Informationsquelle <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sinstrument genutzt wird, was in der Regel ein f<strong>und</strong><strong>am</strong>entales<br />

Verstehen der Materie voraussetzt. Letzteres ist ein fachlicher Aneignungsprozess,<br />

der den Lernprozessen der beruflichen Bildung entspricht.<br />

8. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Wegen der geringen Untersuchungsfallzahlen sind unsere Aussagen bezüglich der<br />

Lerneinstellungen von B/BFS-TeilnehmerInnen nur als Tendenz <strong>und</strong> als mögliche subjektive<br />

Standpunkte unter anderen möglichen zu interpretieren. Wie eingangs erwähnt,<br />

ist die Zielgruppe sehr variabel <strong>und</strong> kann in anderen Gruppenkonstellationen <strong>und</strong> anderen<br />

Jahrgängen auch andere Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensmuster aufweisen. Dennoch<br />

lassen sich gewisse Trendaussagen machen, was die Besonderheiten <strong>und</strong> Gemeins<strong>am</strong>keiten<br />

der beiden Zielgruppen angeht, die im Folgenden noch einmal zus<strong>am</strong>mengefasst<br />

werden sollen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>muster der Lern- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>swelteinstellungen von benachteiligten Jugendlichen<br />

in der schulischen <strong>und</strong> in der außerschulischen Berufsvorbereitung/Gr<strong>und</strong>bildung<br />

ähneln sich. Hierzu zählen unter anderem:<br />

• Benachteiligte in der Berufsvorbereitung haben innerhalb des allgemeinbildenden<br />

Schulwesens vielfach negative Schulerfahrungen gemacht, aus denen eine<br />

negative Sicht auf alles Lernen in theoretischen oder praxisfernen Zus<strong>am</strong>menhängen<br />

resultiert.<br />

• Es herrscht der Wunsch nach beruflicher Stabilität vor, woraus sich tendenziell<br />

eine geringe Bereitschaft zu beruflichem Wechsel <strong>und</strong> ständigem Hinzulernen<br />

ergibt. Das kann sich sehr ungünstig auf Lernbewusstsein <strong>und</strong> Lernengagement<br />

auswirken.<br />

36


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

• Lernerfolg wird von den meisten weniger mit der Beherrschung der Materie, des<br />

Gegenstandes, sondern mit guten Noten identifiziert, d.h. mit einem dem Lernprozess<br />

nicht immanenten Maßstab. Es werden außerdem personenbezogene<br />

Lernprozesse bevorzugt, d.h. solche, die durch andere Personen – LehrerInnen<br />

oder die Lerngruppe – gesteuert werden. Außengesteuertes Lernen aber verliert<br />

seinen Antrieb, wenn der äußere Anlass - das institutionelle Lernen – wegfällt.<br />

Auch das ist problematisch für lebenslanges Lernen.<br />

• Benachteiligte Jugendliche sind vor allem schul-, aber nicht prinzipiell lernmüde.<br />

Sie trauen sich vielmehr beinahe alles zu, sofern es ihnen das entsprechende<br />

Engagement Wert erscheint. Sie verfügen also über die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Bereitschaft, sich auf neue Lernkontexte einzulassen.<br />

• Es gibt bescheidene Schlüsselqualifikationsansätze, die allerdings noch wenig<br />

ausgeprägt <strong>und</strong> kaum sachgerecht <strong>und</strong> arbeitsweltbezogen sind.<br />

• Viele haben bereits Erfahrungen mit dem Internet gemacht, wobei die Nutzung<br />

zu privaten Informations- <strong>und</strong> Kommunikationszwecken überwiegt. Allerdings ist<br />

der Cyber Space auch als Lern- <strong>und</strong> als berufliches Informationsmedium bekannt.<br />

Zwar geben die etwas anders gestalteten Rahmenbedingungen der schulischen Berufsvorbereitungs-/Gr<strong>und</strong>bildungangebote<br />

keinen Gr<strong>und</strong> für gr<strong>und</strong>sätzlich andere Lern<strong>und</strong><br />

Motivationsstrategien ab. Graduelle Einstellungsunterschiede sind allerdings nicht<br />

zu übersehen.<br />

So ist deutlich zu spüren, dass die TeilnehmerInnen der B/BFS in höherem<br />

Maße als die Jugendlichen der außerschulischen Berufsorientierung im „klassischen“<br />

Benachteiligtenzirkel verfangen sind. Ihre Nähe zum schulischen Lernkontext<br />

<strong>und</strong> die Ferne zur arbeitsweltlichen Realität können u.U. entsprechend<br />

negative Implikationen gegenüber dem Lernen zu verursachen <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

einer allgemeinen Lernfreude erschweren.<br />

Auch ist die Ausbildungsneigung in der B/BFS signifikant geringer, umgekehrt<br />

das Bestreben nach rascher <strong>Arbeit</strong>saufnahme höher als in der außerschulischen<br />

Berufsvorbereitung. Dies mag daran liegen, dass im Bewusstsein einiger<br />

TeilnehmerInnen die erste Schwelle, also der „Ernstfall Ausbildung“, noch in<br />

weiter Ferne liegt <strong>und</strong> erst nach dem schulischen Bildungsgangs beginnt. Andere<br />

mögen sich vielleicht deutlich geringere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt<br />

37


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

ausrechnen, so dass sie dies gar nicht als subjektive Zielperspektive aufnehmen.<br />

Eine genaue Ursache für diesen Trend lässt sich den Befragungsdaten allerdings<br />

nicht eindeutig entnehmen.<br />

In deutlichem Widerspruch hierzu steht der besonders in der B/BFS weit<br />

verbreitete Wunsch nach einem Lebensberuf <strong>und</strong> nach entsprechender beruflicher<br />

Sicherheit. Dass eine solche Stabilität im Erwerbsleben i.d.R. eine abhängige<br />

Variable des (beruflichen) Bildungsniveaus ist, mindestens aber einen<br />

Ausbildungsabschluss zur Voraussetzung hat, scheint in der Vorstellung vieler<br />

B/BFS-TeilnehmerInnen zu fehlen.<br />

Die meisten Befragten sind sich der Notwendigkeit lebenslangen Lernens<br />

für die <strong>Arbeit</strong>swelt bewusst. Allerdings ist der arbeitsweltbezogene Realismus in<br />

der außerschulischen Berufsorientierung weiter verbreitet als in der schulischen.<br />

Ein Teil der B/BFS-Jugendlichen sieht das Angebot, noch eine Weile im<br />

schulischen Kontext verbleiben zu können, auch als Schonfrist vor dem Übergang<br />

ins <strong>Arbeit</strong>sleben. Für sie steht die Chancenverbesserung an der 1.<br />

Schwelle nicht im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die befragten B/BFS-TeilnehmerInnen bevorzugen selbst gestaltete, aktive<br />

Lernprozesse an Stelle von Vorgaben <strong>und</strong> Anweisungen, <strong>und</strong> sie favorisieren<br />

das Lernen im Te<strong>am</strong>.<br />

Die geringere Lern- <strong>und</strong> Ausbildungsmotivation der B/BFS-TeilnehmerInnen darf nicht<br />

dazu verleiten, die Jugendlichen für lernunwillig oder gar lernunfähig zu erklären. Wie<br />

erwähnt fand unsere Befragung zu Beginn der Förderung statt, gibt also den Eingangsstatus<br />

der TeilnehmerInnen wieder, der im Laufe des Bildungsgangs sicherlich<br />

deutliche Modifikationen erfährt. Es finden sich zudem in der Befragung zahlreiche<br />

Hinweise darauf, an welchen positiven Ambitionen der Jugendlichen pädagogisch angeknüpft<br />

werden kann, um Lernkompetenz <strong>und</strong> Lernfreude (wieder) zu gewinnen.<br />

So kann die Vorliebe der Jugendlichen für aktive Lernmethoden als Chance für den<br />

verstärkten Einsatz von aktivierenden Vermittlungsmethoden begriffen werden <strong>und</strong> als<br />

Anknüpfungspunkt bei der Implementation lernförderlicher Arrangements durch das<br />

Projekt „LeiLa“ dienen. Darin findet sich die positive Gr<strong>und</strong>lage für ein größtmögliches<br />

Maß an projekt- <strong>und</strong> aktionsgeb<strong>und</strong>enen Lernangeboten.<br />

Dagegen dürfte sich die Fortsetzung des den TeilnehmerInnen satts<strong>am</strong> bekannten<br />

Leistungsdrucks durch eine klassische Notengebung eher motivationsmindernd auswirken.<br />

Das Konzept der B/BFS, zumindest eingangs andere Leistungsbeurteilungsva-<br />

38


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

rianten einzusetzen, die Erfolge sichtbar <strong>und</strong> Fortschritte spürbar werden lassen, reflektiert<br />

in sinnvoller Weise auf diesen (De-)Motivationsfaktor.<br />

Das Bildungsangebot der B/BFS will den Jugendlichen also vor allem die Gelegenheit<br />

zu neuem Lernerfahren bieten, indem die Bedeutung <strong>und</strong> vor allem die langfristigen<br />

Chancen von Lernen erfahrbar werden. Es geht dabei u.a. darum, pädagogische Situationen<br />

zu kreieren, die Lernerfolgserlebnisse schaffen <strong>und</strong> den jungen Leuten praktisch<br />

verdeutlichen, das Lernen doch lernbar ist. Hierfür ist insbesondere das werkstattorientierte<br />

Lernen von herausragender Bedeutung. Aber auch <strong>und</strong> gerade die neuen Medien<br />

spielen eine wichtige Rolle als Lernmedium, da sie noch weitestgehend unbelastet von<br />

negativen Lernerfahrungen sind.<br />

Die relative Realitätsferne des Lernorts Schule zur <strong>Arbeit</strong>swelt bringt gewisse Nachteile<br />

mit sich. Hier bemüht sich die B/BFS um wirks<strong>am</strong>en Ausgleich. Von besonderer Relevanz<br />

sind angesichts der unrealistischen Einschätzungen der B/BFS-TeilnehmerInnen<br />

prof<strong>und</strong>e Kenntnisse der <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Berufswelt. Da der nötige Praxisbezug nicht immer<br />

durch ausgedehnte Betriebspraktika herstellbar ist (u.a. weil die nötigen individuellen<br />

Voraussetzungen in Form der entsprechenden Schlüsselqualifikationen - vor allem<br />

der <strong>Arbeit</strong>stugenden - fehlen), geht auch darum, hier nach anderen Zugänge <strong>und</strong><br />

Schnittstellen zur Information über <strong>und</strong> zum Erstkontakt mit der Betriebswelt zu suchen,<br />

allen voran auch hier die neuen Medien <strong>und</strong> das Internet als alternativer Zugangsweg,<br />

mit dem in Betriebsrecherchen etc. Ausschnitte der <strong>Arbeit</strong>swelt in die Schule<br />

geholt <strong>und</strong> Ängste abgebaut werden können.<br />

Trotz aller Vorbehalte gegenüber schulischem Lernen, das in der Befragungsgruppe<br />

besonders ausgeprägt war, versprechen die TeilnehmerInnen selbst sich überwiegend<br />

Positives von dem schulischen Bildungsangebot B/BFS. Das betrifft nicht nur das<br />

„Nahziel“, den Hauptschulabschluss, sondern auch das Entdecken neuer Zugangswege<br />

zum Lernen. Der alternative Zugang zum Stoff – praxisnah, handlungsorientiert <strong>und</strong><br />

zunächst losgelöst von Leistungs- <strong>und</strong> Notendruck - wird den meisten rasch deutlich.<br />

Diese positive Sichtweise auf die Lernanforderungen dürfte den wohl wichtigsten Angelpunkt<br />

für die Strategien der Projektes „LeiLa“ bilden.<br />

Insges<strong>am</strong>t drängt sich mit der Datenauswertung der Befragung der Eindruck auf, dass<br />

die B/BFS-TeilnehmerInnen sich im arbeitsweltbezogenen Reifeprozess eine Stufe vor<br />

den TeilnehmerInnen der außerschulischen Berufsvorbereitung befinden. Sie sind<br />

39


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

quasi „noch nicht so weit“, sind noch in ihrem unmündigen SchülerInnen-Dasein gefangen.<br />

Aufgabe der B/BFS-Förderung ist es daher u.a.<br />

‣ eine realistischere Sichtweise der <strong>Arbeit</strong>swelt <strong>und</strong> der von ihr gebotenen Perspektiven<br />

zu vermitteln,<br />

‣ das Wissen <strong>und</strong> die praktische Handlungskompetenz bezüglich der Anforderungen<br />

der Erwerbswelt zu vergrößern,<br />

‣ das berufs- <strong>und</strong> bildungsbezogene Selbstbewusstsein der Jugendliche so weiterzuentwickeln,<br />

dass sie die vorhandenen Angebote besser differenzieren <strong>und</strong> individuelle<br />

Entscheidungen für geeignete Qualifizierungsgänge treffen können.<br />

Da zwischen den Zielgruppen der außerschulischen <strong>und</strong> schulischen Berufsvorbereitung<br />

zwar Unterschiede deutlich wurden, die allerdings nicht prinzipieller, sondern gradueller<br />

Natur sind, können wohl die vergleichbare Strategien zur Förderung von Kompetenzen<br />

für lebenslanges Lernen in Anschlag gebracht werden. Die folgenden in der<br />

Basiserhebung erarbeiteten Empfehlungen dürften also auch für die Klientel der<br />

B/BFS-TeilnehmerInnen Gültigkeit haben.<br />

9. Strategische Ansätze zur Vermittlung von Lernkompetenzen für benachteiligte<br />

Jugendliche<br />

Ermöglichung neuer „nicht-schulischer“ Lernformen<br />

Da die Perspektiven von Jugendlichen mit fehlenden oder schlechten Schulabschlüssen<br />

sehr eingeschränkt sind, kann nur in wenigen Fällen davon ausgegangen werden,<br />

dass der Berufswahlprozess bei dieser Zielgruppe seinen Ausgangspunkt in einem<br />

individuellen Interesse hat, das sich zufällig mit den Angeboten des für sie verfügbaren<br />

1. oder 2. Ausbildungsstellenmarktes deckt. Es besteht also die Gefahr, dass die Erfahrungen,<br />

die viele Lernschwache aus dem schulischen Lernkontext gezogen haben,<br />

dass nämlich Lernen nur der Leistungskontrolle <strong>und</strong> Notengebung dient <strong>und</strong> Lerngegenstand<br />

<strong>und</strong> eigene Interessen marginal sind, reproduziert werden.<br />

Es erscheint demnach für die Entwicklung einer f<strong>und</strong><strong>am</strong>entalen Lernkompetenz besonders<br />

wichtig, bei der Gestaltung von Lernarrangements möglichst wenig an traditionellen<br />

schulische Lernformen anzuknüpfen <strong>und</strong> statt dessen handlungsorientierte praxisgeb<strong>und</strong>ene<br />

Varianten einzusetzen. Nur so werden sich positivere Lerneinstellungen<br />

bei der Klientel schulmüder <strong>und</strong> lernaversiver Jugendlicher erzielen lassen. Das kann<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

u.a. heißen: alternative Lernformen sollten möglichst oft interdisziplinär arbeiten <strong>und</strong><br />

den herkömmlichen Fächerkanon aufbrechen; sie sollten (zumindest zeitweise) auf<br />

Noten verzichten <strong>und</strong> statt auf Selektion auf Kooperation abstellen; es sollten möglichst<br />

häufig interaktive Lernformen gewählt werden, die Te<strong>am</strong>arbeit, selbstgesteuertes <strong>und</strong><br />

selbstorganisiertes Lernen, soweit wie dies mit der Zielgruppe möglich ist, initiieren;<br />

das pädagogische Personal sollte die Lernprozesse moderieren, nicht kontrollieren<br />

usw.<br />

Sachinteresse ermöglichen durch Handlungsorientierung <strong>und</strong> Ganzheitlichkeit<br />

Lernen ist insbesondere für Benachteiligte oft identisch mit unverständlicher <strong>und</strong> praxisuntauglicher,<br />

d.h. als „unnütz“ interpretierter Theorie. 39 Diese falsche Identifikation<br />

verhindert u.U. jegliche Lernmotivation.<br />

Ausbildung <strong>und</strong> Ausbildungsvorbereitung bieten durch ihren engen Bezug zur <strong>Arbeit</strong>s<strong>und</strong><br />

Werkstattpraxis einen neuen, von der Schule unterschiedenen Lernweg an. Der<br />

Handlungsbezug ist die entscheidende Chance der Benachteiligtenförderung. In der<br />

Verzahnung von Praxis <strong>und</strong> Theorie wird der „Sinn“ von Theorie deutlich. Und in der<br />

Umsetzung von Theorie im Produktionsprozess können Lernerfolge sichtbar gemacht<br />

werden. Theorie wird sozusagen „praktisch“ <strong>und</strong> erfolgreiches Lernen „mach“bar. Die<br />

Erfahrung der Nützlichkeit <strong>und</strong> Realisierbarkeit des Lernprozesses wiederum schafft im<br />

Optimalfalle ein sachliches Interesse an den Lerngegenständen eines Berufsfeldes <strong>und</strong><br />

d<strong>am</strong>it eine wesentliche Voraussetzung für Lernmotivation.<br />

Dies allerdings setzt entsprechende ganzheitliche Aufgabenstellungen voraus. Lernaufgaben<br />

müssen einen nachvollziehbaren Bezug zur Lebens- <strong>und</strong>/oder <strong>Arbeit</strong>swelt<br />

haben, d.h. sinnvoll sein. Die Anforderungen der Theorie sollten sich aus den Notwendigkeiten<br />

der Praxis ergeben, Theorie muss notwendig zur Lösung der Aufgabe beitragen.<br />

Das schließt in der Regel fachliche Interdisziplinarität ein.<br />

Neue Lernerfahrungen durch neue Lernmedien<br />

Negative Lernerfahrungen sind in der Regel prof<strong>und</strong>e; sie aufzubrechen ist ein langwieriger<br />

Prozess. Eingeschliffene Verhaltens- <strong>und</strong> Interpretationsweisen wirken hier<br />

häufig unreflektiert nach <strong>und</strong> sind mit den traditionellen Lerninstrumentarien nur schwer<br />

39 Mehr zu diesem falschen Zus<strong>am</strong>menhang von Theorie <strong>und</strong> Praxis findet sich in der Auswertung der OG-<br />

Befragung.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

zu modifizieren. Hinzu kommt, dass negative Assoziationen oftmals an Personen <strong>und</strong><br />

ihre Rolle geknüpft werden, persönliche Beziehungen so zum Hindernis für Lernerfolge<br />

werden.<br />

Die moderne Datentechnik, das kontinuierlich wachsende Angebot EDV-gestützter<br />

Lernmedien sowie das Internet als Informationsinstrument können als weitere Gelegenheit<br />

begriffen werden, neue Lernwege mit Hilfe eines bei den meisten Jugendlichen<br />

eher positiv besetzten Lernmediums zu beschreiten. Die Nutzung von PC <strong>und</strong> Internet<br />

als Lerninstrumenten trägt zudem zur Entpersonalisierung - <strong>und</strong> möglicherweise Entspannung<br />

– des Lernprozesses bei <strong>und</strong> hilft, die Moderatorenfunktion des pädagogischen<br />

Personals zu realisieren.<br />

Daher liegt einer der Schwerpunkte des Projektes „LeiLa“ auf der kontinuierlichen Entwicklung<br />

von Medienkompetenz durch die Nutzung von PC <strong>und</strong> Internet. Dieser medienbezogene<br />

Ansatz verfolgt auf Basis unserer Analysen mehrere Handlungsstränge:<br />

Zum einen wird den Jugendlichen ein schuluntypisches, nicht negativ besetztes Lernfeld<br />

angeboten, das – wie angedeutet – dazu beitragen soll, neue Lernerfahrungen zu<br />

s<strong>am</strong>meln. Dabei wird zugleich der konkrete Nutzen des Lernens für ihre berufliche Zukunft<br />

ins Zentrum gerückt, indem die moderne Datentechnik Lerngegenstand <strong>und</strong> Lerninstrument<br />

zugleich ist. Schließlich soll auf diesem Wege das festgestellte Schlüsselqualifikationsdefizit<br />

in einem für die moderne Berufswelt immer wichtiger werdenden<br />

Bereich, der Medien- <strong>und</strong> Methodenkompetenz, reduziert werden.<br />

Der Verlauf des Projekts <strong>und</strong> die entsprechenden Wirkungsanalysen werden zeigen,<br />

ob dieser Weg zur Entwicklung von Lernkompetenz beizutragen vermag.<br />

42


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

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Schober, Karen /Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl, Sozialisations- <strong>und</strong> Selektionsprozesse<br />

an der ersten Schwelle. (=BeitrAB 202), Nürnberg 1996<br />

Schober, Karen: „Den Ungelernten geht die <strong>Arbeit</strong> aus!“ Ausbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungschancen<br />

benachteiligter junger Menschen in den alten <strong>und</strong> neuen B<strong>und</strong>esländern.<br />

(=DJI-<strong>Arbeit</strong>spapiere des Modellprogr<strong>am</strong>ms <strong>Arbeit</strong>sweltbezogene Jugendsozialarbeit<br />

2/1995). München 1995<br />

Schober, Karen: Verändertes Berufswahlverhalten vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Strukturwandels<br />

auf dem Ausbildungs- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt. In: ibv Nr. 222, 28.5.1997<br />

Schreiber-Kittl, Maria (Hg.): Lernangebote für Schulabbrecher <strong>und</strong> Schulverweigerer.<br />

Praxismodelle. (=Materialien aus dem Forschungsschwerpunkt Übergänge in <strong>Arbeit</strong><br />

des DJI). (Hg.: Ministerium für F<strong>am</strong>ilie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend). München 2000<br />

Schweikert, Klaus: Beruf <strong>und</strong> Berufswahlverhalten im Urteil von Auszubildenden. In:<br />

Schober, Karen/Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl, Sozialisations- <strong>und</strong> Selektionsprozesse<br />

an der ersten Schwelle. (=BeitrAB 202), Nürnberg 1996, S. 65-76<br />

46


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Vester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen. Was geht in unserem Kopf vor, wie<br />

lernt das Gehirn? Und wann lässt es uns im Stich? Aktualisierte Neuausgabe. München<br />

1997<br />

Wahler, Peter/Witzel, Andreas: Berufswahl – ein Vermittlungsprozess zwischen Biographie<br />

<strong>und</strong> Charakterstruktur. In: Schober, Karen /Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl,<br />

Sozialisations- <strong>und</strong> Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. (=BeitrAB 202), Nürnberg<br />

1996, S. 9-35<br />

47


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Peter Rau<br />

Zur beruflichen Qualifizierung benachteiligter Jugendlicher<br />

– ein Überblick 40<br />

Die ausgängliche Problemlage lässt sich folgendermaßen beschreiben: Jugendliche<br />

mit guten schulischen <strong>und</strong> sozialen Voraussetzungen erhalten heute die Chance auf<br />

eine individuell gestaltete Berufskarriere, während benachteiligte Jugendliche an verschiedenen<br />

Stellen scheitern, vor der Bewerbung in der Hauptschule, bei der Bewerbung<br />

in der Auswahlsituation, in der Ausbildung selber oder an deren Ende im Übergang<br />

in den gewünschten Beruf. Insbesondere jungen Menschen ohne Hauptschulabschluss,<br />

orientierungslosen Schulabsolvent(inn)en <strong>und</strong> jungen Frauen ausländischer<br />

Herkunft steht statt einer klaren beruflichen Perspektive eine Stückwerkbiografie mit<br />

Hürden, Brüchen, Maßnahmekarrieren <strong>und</strong> Zeiten von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit bevor.<br />

Benachteiligungen ergeben dabei sowohl aus den äußeren Rahmenbedingungen als<br />

auch den individuellen Voraussetzungen, die mit diesen negativ zus<strong>am</strong>menwirken.<br />

Zu den äußeren Bedingungen zählen<br />

- die unzureichenden Voraussetzungen des (regionalen) <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ausbildungsstellenmarktes,<br />

- die Tatsache, dass die allgemeinbildenden Schulen heute kaum (noch) in der<br />

Lage sind, ihren Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag angemessen erfüllen zu können<br />

<strong>und</strong><br />

- erhebliche Abstimmungsprobleme an der ersten <strong>und</strong> zweiten Schwelle des<br />

Übergangs vom Bildungs- zum Beschäftigungssystem.<br />

Das Risiko, aufgr<strong>und</strong> der struktureller Probleme keinen Ausbildungs- oder später <strong>Arbeit</strong>splatz<br />

zu bekommen, verteilt sich nicht auf alle Jugendlichen gleich. Untersuchungen<br />

stellten verschiedene individuelle Risikofaktoren fest, d.h. Benachteiligungen, die<br />

mit der Person zu tun haben, die aber nicht zwangsläufig zu Ausbildungs- <strong>und</strong>/oder<br />

40 Der nachfolgende Text stellt eine verkürzte Fassung des Kapitel 1: „Die berufliche Qualifizierung benachteiligter<br />

Jugendlicher im Überblick“ aus „Berufliche Qualifizierung benachteiligter Jugendlicher“, Hrsg.<br />

BMBF, Bonn 1998, Seite 11 – 21 ff dar.<br />

48


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit führen müssen. Insbesondere zählen dazu die<br />

- soziale Herkunft: Jugendliche ohne Berufsabschluss st<strong>am</strong>men verstärkt aus F<strong>am</strong>ilien<br />

mit einer unterdurchschnittlichen beruflichen Stellung der Eltern. In vielen F<strong>am</strong>ilien<br />

„vererbt“ sich der Status des Ungelerntseins. Die eigene Orientierungslosigkeit<br />

<strong>und</strong>/oder <strong>Arbeit</strong>slosigkeit verhindern, dass Eltern ihre Kinder bei der Berufswahl in ausreichendem<br />

Maße unterstützen können.<br />

Überdurchschnittlich hoch ist die Problemdichte in F<strong>am</strong>ilien, deren Kinder ohne Ausbildung<br />

bleiben: f<strong>am</strong>iliäre Konflikte oder Verlust eines Elternteils, <strong>Arbeit</strong>slosigkeit, Gewalt,<br />

Sucht- <strong>und</strong>/oder Kriminalitätserfahrungen stellen ausgesprochen ungünstige Entwicklungsbedingungen<br />

für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche dar. Auch existentielle Versorgungsmängel<br />

wie Hunger, Geldsorgen <strong>und</strong>/oder unzureichende Wohnverhältnisse behindern<br />

die Konzentration <strong>und</strong> das Lernen erheblich.<br />

Die soziale Herkunft wirkt sich aber (fast) unabhängig von der bisherigen Entwicklung<br />

auch durch nichtfachliche Einstellungskriterien wie Sprache, Normen <strong>und</strong> Verhaltensweisen,<br />

Lebensstil, Wohnort/Stadtteil <strong>und</strong> Bildungsverlauf auf die Berufsorientierung<br />

<strong>und</strong> die Ausbildungsstellensuche aus.<br />

- schulische Vorbildung: Der Hauptschulabschluss gilt heute als „zivilisatorische<br />

Mindestausstattung “. Den Abschluss nicht erreicht zu haben, stellt für viele Jugendliche<br />

die Zugangsbarriere zum Ausbildungsstellenmarkt dar.<br />

Aber auch diejenigen, die die Hauptschule erfolgreich abschließen, erwerben d<strong>am</strong>it<br />

keine Garantie auf einen Ausbildungsplatz. Gestiegene Bildungswünsche <strong>und</strong> erhöhte<br />

Ausbildungsvoraussetzungen der Betriebe haben zu einem Bedeutungsverlust der<br />

Hauptschule geführt <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it den Hauptschulabschluss entwertet. Zwar bleiben 75 %<br />

der Jugendlichen ohne Schulabschluss auch ohne Ausbildung, umgekehrt aber stellt<br />

diese Gruppe nur einen Teil derjenigen, die keine Ausbildung abschließen: Nur ca. ein<br />

Viertel der jungen Menschen ohne formale berufliche Qualifizierung verfügt nicht über<br />

einen Schulabschluss.<br />

- Geschlecht: „Weibliche Bewerberinnen mit einem Hauptschulabschluss weisen seit<br />

1981 konstant schlechtere Vermittlungschancen auf als männliche Bewerber ohne<br />

Hauptschulabschluss“. Um diese Aussage auf den Punkt zu bringen: Mädchen zu sein,<br />

ist <strong>am</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt schlimmer als keinen Schulabschluss zu haben.<br />

Die Tatsache, dass Mädchen im Durchschnitt heute eine bessere Schulbildung mitbringen<br />

als Jungen, nützt vor allem Mädchen aus der Unterschicht <strong>am</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

49


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

nicht viel. Die Rollenzuweisung, neben dem Beruf auch für die F<strong>am</strong>ilie zuständig zu<br />

sein, lässt Mädchen <strong>und</strong> Frauen auf die Dauer weniger verfügbar erscheinen. So werden<br />

sie unabhängig von ihren Fähigkeiten <strong>und</strong> Zukunftsplänen per Geschlecht in die<br />

zweite Reihe gedrängt: Seltener als Jungen erhalten sie einen Ausbildungsplatz im<br />

dualen System, statt dessen stellen Mädchen den größten Teil der Schüler/innen an<br />

vollzeitschulischen Ausbildungsgängen, die sich durch deutlich schlechtere Bedingungen<br />

auszeichnen.<br />

- Nationalität/Herkunft: Fast jede/r zweite junge Migrant/in bleibt ohne Ausbildungsabschluss.<br />

Während aus jedem Jahrgang mehr als zwei Drittel der deutschen Jugendlichen<br />

eine Ausbildung absolvieren, betrug der Anteil der jungen Ausländer/innen 1995<br />

nur 43 %. Viele Barrieren erschweren den Einstieg ins Berufsleben, z. B.<br />

- die ungünstigeren schulischen Voraussetzungen, die sich im Verdrängungswettbewerb<br />

als Nachteil erweisen,<br />

- Vorbehalte gegen <strong>und</strong> negative Erfahrungen mit deutschen Behörden, die die Wahrnehmung<br />

von (Berufs-)Beratungsangeboten beeinträchtigen,<br />

- eine fehlende Einbindung in ein Netz an sozialen Beziehungen, das auf informellen<br />

Wegen Zugang zu Betrieben <strong>und</strong> Ausbildungen verschafft,<br />

- <strong>am</strong> deutschen Kulturkreis <strong>und</strong> an der Sprachfähigkeit deutscher Jugendlicher orientierte<br />

lnformationsmaterialien <strong>und</strong> -wege, Beratungsgespräche, Einstellungstests <strong>und</strong><br />

- das Einstellungsverhalten der Betriebe.<br />

Mehrfach benachteiligt sind ausländische junge Frauen. Auf sie treffen die o. g. Einschränkungen<br />

zu, diese werden aber noch ergänzt um geschlechts-spezifische Benachteiligungen.<br />

Stärker als für deutsche Mädchen gelten traditionelle Rollenvorgaben,<br />

die oft mit geringen Freiräumen <strong>und</strong> einer starken sozialen Kontrolle verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Die Einbindung in die F<strong>am</strong>ilie <strong>und</strong> die gemeins<strong>am</strong>e F<strong>am</strong>ilienplanung (Haushaltspflichten,<br />

geplante Heirat oder Rückkehr) stehen häufig im Widerspruch zu Entwicklungs<strong>und</strong><br />

Planungsspielräumen, die für eine Ausbildung notwendig sind.<br />

Typischer als der Übergang in eine Ausbildung sind daher für viele ausländische Jugendliche<br />

andere Berufswege: die Hilfsarbeitertätigkeit, diskontinuierliche Berufsverläufe,<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Maßnahmekarrieren, die dann doch häufig in Ungelerntentätigkeit,<br />

prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder (versteckte) <strong>Arbeit</strong>slosigkeit münden. Junge<br />

Frauen mit schlechten Bildungsabschlüssen verschwinden sehr häufig in der Herkunftsf<strong>am</strong>ilie.<br />

Parallelen in bezug auf eine andere Herkunft, d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>ene Kulturkonflikte <strong>und</strong><br />

Diskriminierungen lassen sich auch zur Gruppe der jungen Aussiedler/innen ziehen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich müssen aber die daraus resultierenden Probleme <strong>und</strong> notwendigen Förderungen<br />

differenziert betrachtet werden.<br />

50


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Auswirkungen von Benachteiligungen<br />

Die hier dargestellten strukturellen <strong>und</strong> persönlichen Benachteiligungen bleiben natürlich<br />

nicht ohne Folgen. Sie wirken sich entwicklungshemmend die auf Persönlichkeit<br />

des/der Jugendlichen aus.<br />

Benachteiligte Jugendliche fallen in der Schule häufig durch Auswirkungen in zwei Bereichen<br />

auf: Durch Beeinträchtigungen im Lernbereich <strong>und</strong> Auffälligkeiten im Verhaltensbereich.<br />

Es wird in aller Regel zwischen diesen zwei Bereichen unterschieden, die<br />

zwar nicht unabhängig voneinander sind, jedoch hinsichtlich ihrer Symptomatik als<br />

eigenständig angesehen werden. Dabei handelt es sich bei „benachteiligten Jugendlichen“<br />

keineswegs um einen „Einheitstypus“, sondern es treffen jeweils verschiedene<br />

Benachteiligungen <strong>und</strong> die daraus erwachsenden Probleme <strong>und</strong> Handicaps aufeinander.<br />

Benachteiligungen sind multifaktorell bedingt, <strong>und</strong> Jugendliche sind z. B. mehrfach<br />

benachteiligt.<br />

Lernbeeinträchtigungen werden als Ober- bzw. S<strong>am</strong>melbegriff verwendet.<br />

Unter Lernschwierigkeiten versteht man vorübergehende Probleme beim Lernen, die<br />

sowohl durch äußere Störungen als auch durch innere Umstände ausgelöst wurden.<br />

Dabei kann es sich — bei äußeren Umständen — zum Beispiel um eine falsche Beschulung<br />

oder aber f<strong>am</strong>iliäre Umstände handeln. Beispiele für Störungen, die in der<br />

Person begründet liegen, sind Krankheit oder eine Lernaversion. Die Ursache ist durch<br />

pädagogische Maßnahmen (z. B. individuelle Zuwendung, zeitweilige Förderangebote,<br />

F<strong>am</strong>ilienberatung ...) zu beheben <strong>und</strong> die Lernschwierigkeit deshalb in der Regel vorübergehend.<br />

Wird auf Lernschwierigkeiten nicht angemessen reagiert, können sie sich<br />

verfestigen <strong>und</strong> zu „Versagerkarrieren“ führen.<br />

Lernstörungen bezeichnen größere Lernprobleme, betreffen aber möglicherweise<br />

nicht alle Bereiche, sondern nur Teilleistungen (Lese-Rechtschreib-Schwäche, feinmotorische<br />

Störungen). Oder es handelt sich um das Lernen begleitende Komponenten<br />

wie Konzentrationsschwächen oder Hyperaktivität. Hier können sowohl allgemeine<br />

pädagogische Maßnahmen (Vielfalt der Darbietung) als auch rehabilitationspädagogische<br />

Angebote (Trainingsprogr<strong>am</strong>me, therapeutische Ansätze) zu einer Verbesserung<br />

beitragen.<br />

Lernbehinderungen schließlich stellen die „schweren Fälle“ der Lernbeeinträchtigungen<br />

dar. Lernprozesse <strong>und</strong> Ergebnisse unterliegen einer schweren <strong>und</strong> dauerhaften<br />

Veränderung. Ursachen dafür liegen sowohl in sozialen wie in biologischen Voraussetzungen,<br />

die sich gegenseitig beeinflussen.<br />

In diesem Sinne halten wir zur Definition der Begrifflichkeiten fest: Unter Lernbehinderung<br />

verstehen wir im folgenden eine dauerhafte Beeinträchtigung des Lernens,<br />

während es sich bei Lernstörungen <strong>und</strong> Lernschwierigkeiten um abgestuft weniger<br />

schwerwiegende <strong>und</strong> vorübergehende Phänomene handelt.<br />

Wenn wir im folgenden von „Lernbeeinträchtigungen“ sprechen, so bezeichnen wir<br />

mit diesem Begriff die ges<strong>am</strong>te Bandbreite von Lernproblemen benachteiligter Jugend-<br />

51


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

licher. Obgleich d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>en, wollen wir jedoch die Aspekte des sozialen Verhaltens<br />

davon begrifflich trennen.<br />

Für den zweiten Bereich von Beeinträchtigungen werden vor allem die Kategorien der<br />

Verhaltensstörung <strong>und</strong> der Verhaltensauffälligkeit benutzt. Diese Kategorien stellen<br />

S<strong>am</strong>melbegriffe dar für eine Reihe von Verhaltensweisen z. B. im Sozialverhalten<br />

(Aggressivität, Provokationen, Kontaktstörungen...) oder in der Persönlichkeit (psychische<br />

Labilität, Ängste <strong>und</strong> Schuldgefühle, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, mangelndes<br />

Selbstbewusstsein, Selbstmordgefährdung...).<br />

Eine Verhaltensstörung ergibt sich immer aus einer Abweichung von einem bestimmten<br />

sozialen Verhalten, das als Norm gilt. Eine Störung liegt demnach vor, wenn ein<br />

Verhalten als deutlich abweichend diagnostiziert werden kann. Problematisch ist dabei<br />

jedoch stets das Verständnis dessen, was die Verhaltensnorm ausmacht, bzw. die Definition<br />

des Toleranzbereiches, in dem das Verhalten noch als „normal“ angesehen<br />

werden kann <strong>und</strong> bei dessen Überschreitung eine Störung beginnt.<br />

Hingegen beschreibt der Begriff der Verhaltensauffälligkeit die Abweichung von einer<br />

Verhaltensnorm zunächst einmal relativ wertfrei. Es kann sich dabei sowohl um eine<br />

positive als auch um eine negative Abweichung von der Durchschnittsnorm handeln.<br />

Dennoch wird auch im Zus<strong>am</strong>menhang mit auffälligem Verhalten zumeist dessen negative<br />

soziale Dimension hervorgehoben: „Wie wir zu erkennen glauben, korreliert eine<br />

Verhaltensauffälligkeit häufig mit einem Negativverhalten im sozialen Bereich“.<br />

Wir halten fest, dass die Begriffe „Verhaltensstörung“ <strong>und</strong> „Verhaltensauffälligkeit“ im<br />

Prinzip das gleiche meinen, nämlich eine Abweichung von einer Verhaltensnorm, wobei<br />

der Begriff „Verhaltensauffälligkeit“ weniger wertet.<br />

In der Praxis treten Beeinträchtigungen beim Lernen <strong>und</strong> Auffälligkeiten im Verhalten<br />

nur selten isoliert voneinander auf. Verhaltensstörungen setzen die Lernleistungen<br />

herab, <strong>und</strong> schlechte Lernleistungen ziehen oft Verhaltensauffälligkeiten nach sich.<br />

Deswegen ist es in der Förderung Benachteiligter unabdingbar, beide Phänomene<br />

im Zus<strong>am</strong>menhang zu sehen <strong>und</strong> in jedem Einzelfall zu ermitteln, wo die Ursachen<br />

liegen.<br />

Behinderte Jugendliche<br />

Von der Benachteiligung abzugrenzen ist der Begriff der Behinderung. Was die B<strong>und</strong>esanstalt<br />

für <strong>Arbeit</strong> darunter versteht, ist in der „Anordnung des Verwaltungsrates...<br />

über die <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Berufsförderung Behinderter (A Reha)“ definiert:<br />

„Behinderte... sind körperlich, geistig oder seelisch behinderte Personen, deren Aussichten,<br />

beruflich eingegliedert zu werden oder zu bleiben, wegen Art oder Schwere<br />

der Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind <strong>und</strong> die deshalb<br />

besonderer Hilfen zur beruflichen Eingliederung bedürfen“ (A Reha, §2 [1]).<br />

„Den Behinderten stehen diejenigen Personen gleich, denen eine Behinderung mit den<br />

52


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

in Absatz 1 genannten Folgen droht“ (A Reha, §2 [2]). „Die Behinderung ist in jedem<br />

Einzelfall festzustellen“ (A Reha, §3 [1]).<br />

Im Unterschied zu „Benachteiligungen“ handelt es sich bei einer Behinderung um eine<br />

langfristige oder dauerhafte Beeinträchtigung. Zur beruflichen Qualifizierung Behinderter<br />

bedarf es daher — zum Ausgleich dieser Behinderung — besonderer Ausstattungen<br />

oder <strong>Arbeit</strong>splätze sowie einer zusätzlichen Betreuung, wie sie in Berufsbildungswerken<br />

oder sonstigen Reha-Einrichtungen angeboten wird.<br />

Die Übergänge von Benachteiligungen zu Behinderungen sind fließend <strong>und</strong> somit nicht<br />

immer eindeutig zu bestimmen. So wenden sich die F-Lehrgänge der Ausbildungsvorbereitung<br />

speziell an Behinderte <strong>und</strong> Rehabilitand(inn)en. Sie bilden auch eine Teilgruppe<br />

in BüE <strong>und</strong> abH.<br />

„Behinderte, die nicht auf die Hilfe einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation angewiesen<br />

sind, können nach §§ 240ff. gefördert werden, wenn sie die entsprechenden<br />

Voraussetzungen erfüllen.<br />

Fachliche Orientierungshilfe zur Klärung des für einen Behinderten geeigneten Lernortes<br />

enthält der RdErI. 51/96“ (RdErl. 8/98, DA 242.12).<br />

Die Ausbildung erfolgt nach § 25 Berufsbildungsgesetz (BB1G) bzw. Handwerksordnung<br />

(HWO) in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen. Die besonderen Regelungen<br />

für Behinderte in § 48 BBiG bzw. § 42 HWO sehen zunächst nur auf die jeweilige<br />

Behinderung bezogene besondere Hilfestellungen <strong>und</strong> Unterstützungen (z. B.<br />

in der Abschlussprüfung) mit dem Ziel eines anerkannten Berufsabschlusses vor.<br />

Die Einrichtung spezieller Ausbildungsberufe für Behinderte nach § 48 ist im Rahmen<br />

der Qualifizierung Benachteiligter nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die Art der<br />

Behinderung bestimmte Ausbildungsziele unmöglich macht, so dass auf bestimmte<br />

Teile der Ausbildung verzichtet wird. Werden behinderte Jugendliche nach §§ 240 ff.<br />

SGB III ausgebildet, ist der Grad der Behinderung nicht so groß, als dass ein nach § 25<br />

BBiG/HWO anerkannter Berufsabschluss nicht erreicht werden könnte. „Bei Ausbildungsgängen<br />

nach § 48 BB1G <strong>und</strong> § 42b HWO ist im Regelfall davon auszugehen,<br />

dass der individuelle Förderbedarf über das in der BüE bereitgestellte Angebot hinausgeht<br />

<strong>und</strong> eine Ausbildung in einer sonstigen Reha-Einrichtung oder ggf. in einem Berufsbildungswerk<br />

angezeigt ist“ (RdErI. 44/96).<br />

53


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Peter Rau<br />

Zum Benachteiligtenbegriff 41<br />

Der Begriff „Benachteiligte“ ist in der wissenschaftlichen, gesellschafts- <strong>und</strong> bildungspolitischen<br />

Diskussion nicht eindeutig bestimmt. Eine einigermaßen exakte Definition<br />

ist jedoch einerseits angesichts seiner krisenbedingten <strong>und</strong> fast inflationären<br />

Ausdehnung dringend notwendig, andererseits wegen der begrifflichen Ausfransungen<br />

<strong>und</strong> Überlappungen schwierig.<br />

Im gängigen Sprachgebrauch <strong>und</strong> in der Förderungspraxis werden heute immer<br />

mehr Jugendliche, die in Zeiten besserer Ausbildungsstellenversorgung problemlos<br />

den Eingang in eine berufliche Ausbildung fanden, als Folge der Ausbildungsstellenknappheit<br />

faktisch zu Benachteiligten. D. h., der Begriff der „Benachteiligung“ wird<br />

durch die defizitäre Situation <strong>am</strong> Ausbildungsstellen- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt in äußerst fragwürdiger<br />

Weise ausgedehnt. Dies zeigt sich in der Praxis des AFG bzw. SGB III:<br />

Das Benachteiligtenprogr<strong>am</strong>m nach § 40c Abs. 4 AFG (jetzt §§240 f. SGB III) wurde<br />

für alle „marktgeschädigten“ Jugendlichen geöffnet, was insbesondere in den neuen<br />

B<strong>und</strong>esländern zu einer erheblichen Ausweitung geführt hat. Dort ist auch die Grenze<br />

zu den behinderten Jugendlichen inzwischen nicht mehr trennscharf; nur so lässt sich<br />

erklären, dass der Anteil „behinderter“ Jugendlicher in den neuen B<strong>und</strong>esländern pro<br />

Altersjahrgang vier bis fünf Mal so hoch ist wie in den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />

Nach Auffassung der GEW muss mit der derzeitigen Praxis, zur kurzfristigen Krisenbewältigung<br />

<strong>und</strong> Statistikbereinigung diese Marktbenachteiligten in den eigentlich für<br />

Benachteiligte vorgesehenen Progr<strong>am</strong>men unterzubringen, Schluss gemacht werden.<br />

Die Zielgruppe der hier vorgelegten Eckpunkte <strong>und</strong> Forderungen sind die originär Benachteiligten<br />

im o. g. Sinn. Die Jugendlichen, die aufgr<strong>und</strong> des mangelhaften Lehrstellenangebotes<br />

ohne Ausbildung bleiben, dürfen nicht zu Benachteiligten gemacht werden;<br />

vielmehr ist für sie ein umfassendes <strong>und</strong> abgestimmtes Konzept für ein qualifiziertes<br />

<strong>und</strong> auswahlfähiges Ausbildungsangebot zu fordern.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzung <strong>und</strong> der Einschränkung, dass auch die hier<br />

versuchte Begriffsbestimmung immer Ermessensspielräume beinhaltet, es immer<br />

Grenzfälle geben wird, werden zur „originären“ Zielgruppe der Benachteiligten gerechnet:<br />

1. Jugendliche, die aufgr<strong>und</strong> bestimmter ethnischer, sozialer <strong>und</strong> geschlechtsspezifischer<br />

Merkmale auf Schwierigkeiten in Bildung <strong>und</strong> Ausbildung stoßen, wobei diese<br />

Benachteiligungen durch die restriktiven Bedingungen des Ausbildungsstellenmarktes,<br />

41 Nachfolgend noch einmal zum Benachteiligtenbegriff, hier zus<strong>am</strong>mengefasst aus dem GEW-<br />

Diskussionspapier „Berufliche Bildung von benachteiligten jungen Menschen“, Frankfurt <strong>am</strong> Main, März<br />

2000, Seite 12ff.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

die Strukturen des (Berufs-)Bildungssystems <strong>und</strong> gesellschaftliche Zuschreibungen<br />

noch verschärft werden:<br />

1.1. Junge Frauen mit Hauptschulabschluss haben seit vielen Jahren wesentlich<br />

schlechtere Vermittlungschancen als männliche Bewerber ohne Hauptschulabschluss;<br />

ihnen nützt die Tatsache, dass sie heute meist eine bessere Schulbildung mitbringen<br />

als Jungen, <strong>am</strong> Ausbildungsmarkt nicht allzu viel.<br />

Frauen <strong>und</strong> Mädchen werden, da sie aufgr<strong>und</strong> ihrer Doppelrolle in Beruf <strong>und</strong> F<strong>am</strong>ilie<br />

immer noch als auf Dauer weniger verfügbar erscheinen, unabhängig von ihren Fähigkeiten<br />

in die zweite Reihe gedrängt. Seltener als Jungen erhalten sie einen Ausbildungsplatz<br />

im dualen System, statt dessen stellen sie den größten Teil der Schülerinnen<br />

an vollzeitschulischen Ausbildungsgängen mit ihren immer noch schlechteren Bedingungen<br />

an der zweiten Schwelle. Jungen Frauen stehen faktisch nur einige Berufe<br />

<strong>und</strong> Positionen - eben Segmente des <strong>Arbeit</strong>smarktes - offen; sie tragen auch die<br />

Hauptlast der Ausbildungskrise in den neuen Ländern.<br />

1.2. Ähnliches gilt für ausländische Ausbildungsstellenbewerber/innen: 15 % aller<br />

Schulabgänger/innen waren 1997 ausländischer Nationalität, aber nur 9 % der Auszubildenden.<br />

Die meisten ausländischen Jugendlichen werden im gewerblichen Bereich<br />

ausgebildet, bei den Friseurinnen betrug der Anteil ausländischer Auszubildender 1997<br />

22 %. Fast jede/r zweite junge Migrant/in zwischen 20 <strong>und</strong> 25 Jahren bleibt ohne Ausbildungsabschluss.<br />

Bei den 20- bis 29-Jährigen beläuft sich diese Quote immer noch<br />

auf 32,7 % (Deutsche: 8,1 %). Während aus jedem Jahrgang mehr als zwei Drittel der<br />

deutschen Jugendlichen eine Ausbildung absolvieren, betrug der Anteil der jungen<br />

Ausländer/innen nur 37 %. Häufig sind sie auch wegen Sprachproblemen auf dem<br />

Ausbildungsmarkt faktisch chancenlos. Dazu kommen auch rechtliche Diskriminierungen:<br />

Jugendlichen, die als Bürgerkriegsflüchtlinge oder als Asylantragsteiler/innen<br />

(noch) keinen gefestigten Aufenthaltsstatus haben, wird durch verschiedene rechtliche<br />

Vorgaben der Zugang zu beruflichen Ausbildungsgängen erschwert bzw. verweigert.<br />

2. Jugendliche, die bei Beendigung der allgemeinbildenden Schulpflicht keinen Hauptschulabschluss<br />

oder vergleichbaren Schulabschluss erworben haben, sowie ein Großteil<br />

der Abgänger/innen von bestimmten Sonderschulen. Aufgr<strong>und</strong> des Verdrängungswettbewerbs<br />

<strong>am</strong> Ausbildungsstellenmarkt <strong>und</strong> der erhöhten Anforderungen in vielen<br />

Ausbildungsberufen gehören auch zunehmend Hauptschüler/innen zu den „Benachteiligten“.<br />

3. Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen zu Schulverweiger/innen geworden<br />

sind: Da ihnen das Schulsystem kein adäquates Angebot macht, verlassen sie dieses<br />

ohne Abschluss.<br />

4. Junge Menschen aus schwierigem sozialem Umfeld: F<strong>am</strong>iliäre Konflikte oder Verluste<br />

eines Elternteils, <strong>Arbeit</strong>slosigkeit, Gewalt, Sucht <strong>und</strong>/ oder Kriminalitätserfahrungen<br />

sind häufige Begleiterscheinungen <strong>und</strong> Ursachen dafür, dass diese Jugendlichen bei<br />

der Ausbildungssuche <strong>und</strong> dem Einstieg in das Erwerbsleben zu scheitern drohen.<br />

Auch existentielle Versorgungsmängel wie unzureichende Ernährung, Geldsorgen <strong>und</strong><br />

schlechte Wohnverhältnisse erschweren das Lernen <strong>und</strong> die Konzentration erheblich.<br />

55


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

5. Auszubildende, die zwar eine betriebliche Ausbildung beginnen konnten, diese aber<br />

ohne gezielte Fördermaßnahmen wegen verschiedener, sich oft häufender Problemlagen<br />

nicht erfolgreich beenden können.<br />

6. Schließlich die Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Menschen, die schon seit Jahren erfolglos<br />

eine Ausbildungsstelle gesucht, mehrere Warteschleifen durchlaufen haben <strong>und</strong> dadurch<br />

langfristig ausgegrenzt werden: Sie sind inzwischen tendenziell zu „Ausbildungsverzichtern“,<br />

also wegen anhaltender Erfolglosigkeit bei der Ausbildungsstellensuche<br />

von ehemals „Marktbenachteiligten“ in die Gruppe der originär Benachteiligten abgedrängt<br />

worden.<br />

In der Praxis überlagern <strong>und</strong> häufen sich die genannten Benachteiligungsmerkmale<br />

<strong>und</strong> führen d<strong>am</strong>it zu einer Verschärfung der Probleme z. B. für ausländische junge<br />

Frauen ohne Schulabschluss <strong>und</strong> mit spezifischen f<strong>am</strong>iliären Bedingungen.<br />

56


Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Maria Busch, Margit Ostern <strong>und</strong> Gabriele Waterk<strong>am</strong>p<br />

Kompetenzen <strong>und</strong> Defizite benachteiligter Jugendlicher in<br />

der Berufs- <strong>und</strong> Ausbildungsvorbereitung<br />

- eine Analyse der <strong>am</strong> Modellversuch beteiligten Lehrkräfte des Schulzentrums<br />

für die Sek<strong>und</strong>arstufe II an der Alwin-Lonke-Straße -<br />

1. Ursachen <strong>und</strong> Arten von Benachteiligung<br />

Für die Unterscheidung der Arten von Benachteiligung lassen sich einerseits voneinander<br />

abgrenzbare Kriterien / Aspekte heraus arbeiten, andererseits treten gegenseitige<br />

Überschneidungen auf, was eine klare Abgrenzung erschwert. Häufig liegen bei<br />

einzelnen Jugendlichen gleichzeitig mehrere Ursachen <strong>und</strong> Arten von Benachteiligung<br />

vor.<br />

In der folgenden Auflistung sind jeweils die Ursachen <strong>und</strong> die sich daraus möglicherweise<br />

ergebenden Benachteiligungen aufgeführt:<br />

• Sozialhilfeempfänger in Folgegeneration, schwieriges soziales Umfeld<br />

soziale / f<strong>am</strong>iliäre Benachteiligung, keine ausreichende Förderung durch das Elternhaus,<br />

keine/wenig Vorbilder<br />

• kriminell auffällig gewordene Jugendliche<br />

sehr empfindlich, ausgeprägter, subjektiv bestimmter Gerechtigkeitssinn, setzen andere<br />

Schüler unter Druck, neigen zu Intoleranz<br />

• junge Mütter<br />

finanzielle Probleme / Sozialhilfeempfängerinnen, Problem der Kinderbetreuung<br />

• Asylantenstatus, ausländische Jugendliche<br />

psychische Probleme durch traumatische Erlebnisse, sprachliche Benachteiligung,<br />

finanzielle Probleme, ungeklärte Aufenthaltsgenehmigungen<br />

• Mädchen / junge Frauen<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Heiraten/ F<strong>am</strong>ilie/ Kinder als Lebensplanung, Betonung ihrer traditionellen weiblichen<br />

Rolle, wenig ausgereifte Berufsvorstellungen, verunsichert, wenig Selbstvertrauen<br />

etwas wie z.B. den Hauptschulabschluss zu schaffen, ängstlich<br />

• Drogenkonsum<br />

Auswirkungen von Einnahme, gedankliche Beschäftigung mit dem Erwerb <strong>und</strong> der<br />

Einnahme der nächsten Droge<br />

• Behinderung, (nur B/BFS, wenn 10. Schulbesuchsjahr /Sonderschule erfolgt ist)<br />

Benachteiligung ist abhängig von der Art der Behinderung<br />

• Schulversager, Lernschwäche<br />

geringe Frustrationstoleranz, Jugendliche geben schnell auf, nicht realistische<br />

Schuldzuweisung an andere oder sich selbst<br />

• „durch Konsum verwahrloste Jugendliche“<br />

geringe Grenzsetzung im f<strong>am</strong>iliären Umfeld, hohe Erwartungshaltung an Lehrer <strong>und</strong><br />

Schule<br />

2. Lernschwierigkeiten<br />

Durch die beschriebenen Arten von Benachteiligung ergeben sich die im Folgenden<br />

aufgezählten Lernschwierigkeiten.<br />

Jugendliche, die sozial / f<strong>am</strong>iliär benachteiligt sind stabilisieren sich häufig über das<br />

Degradieren von anderen. Diese Form der Kompensation führt zu Störungen innerhalb<br />

der Lerngruppe, die die gemeins<strong>am</strong>e <strong>Arbeit</strong> stark beeinträchtigen können.<br />

Ebenso erschwert das beschriebene Verhalten der kriminell auffällig gewordenen Jugendlichen<br />

das Lernen in der Gruppe. Beispielsweise trauen sich die von einem dominierenden<br />

Schüler unterdrückten Mitschüler nicht mehr ihre Meinung frei zu äußern<br />

<strong>und</strong> Fragen zu stellen.<br />

Die Benachteiligung der Mädchen <strong>und</strong> jungen Mütter führt bei dieser Gruppe zu großer<br />

Unsicherheit. Die jungen Frauen trauen sich nichts zu <strong>und</strong> glauben nicht an den Erfolg<br />

ihrer Bemühungen. Dieses kann beispielsweise häufig in Mathematik zu einer Lernblockade<br />

<strong>und</strong> einer vollkommenen Verweigerung führen.<br />

Lernschwierigkeiten die sich aus dem Asylantenstatus <strong>und</strong> für ausländische Jugendliche<br />

ergeben sind nicht nur durch Sprachprobleme bedingt. Ständig notwendige Behördengänge<br />

<strong>und</strong> die Angst vor einer ungewissen Zukunft führen zu Konzentrationsproblemen<br />

<strong>und</strong> verhindern eine kontinuierliche <strong>Arbeit</strong>.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Traumatische Erlebnisse können ebenfalls die Konzentrationsfähigkeit behindern. In<br />

Einzelfällen ist man als betreuende Lehrkraft sich jedoch nicht sicher ob der Schüler<br />

die häufige Erwähnung dieser Vergangenheit nicht als Mittel benutzt um von Leistungsansprüchen<br />

verschont zu bleiben.<br />

Der Konsum von Drogen führt bekanntlich zu einer Verlangs<strong>am</strong>ung der Reaktionen.<br />

Ob ein solcher Konsum stattgef<strong>und</strong>en hat ist von einer unterrichtenden Person nicht<br />

immer eindeutig feststellbar. So kann ein normalerweise sehr lebhafter Schüler lediglich<br />

durch ein angenehm ruhiges Verhalten auffallen. Der Schüler ist in diesem Zustand<br />

jedoch nicht aufnahmefähig.<br />

Durch Behinderung benachteiligte Jugendliche zeigen oft Verhaltensauffälligkeiten, die<br />

in Folge der jeweiligen Behinderung auftreten. So ließ sich beispielsweise bei Epileptikern<br />

eine besonders verstärkte Hyperaktivität feststellen.<br />

Die folgenden Lernschwächen können einzeln vorliegen. Teilweise treten bei den benachteiligten<br />

Jugendlichen jedoch mehrere Lernschwächen gleichzeitig auf.<br />

• mangelndes logisches Denken<br />

• kein strukturelles Denken<br />

• mangelndes Abstraktionsvermögen<br />

• große Lerndefizite (Gr<strong>und</strong>rechenarten, Texte erfassen, Positionen benennen, LRS)<br />

Die als „durch Konsum verwahrloste Jugendliche“ bezeichnete Gruppe zeigt wenig<br />

Bereitschaft zu selbständigem Lernen. Das Lernen darf keine Mühen erfordern. Das<br />

Einordnen in eine Lerngruppe fällt diesen Schülern ebenfalls besonders schwer.<br />

3. Lernmotivation der Jugendlichen<br />

Die vorhergehende Schullaufbahn der benachteiligten Jugendlichen ist durch Misserfolge<br />

geprägt. Sie sind durch ihre Erfahrungen teilweise hochgradig frustriert. Erstrebenswerte<br />

Ziele haben sie sich oft außerhalb der Schule <strong>und</strong> den d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>enen<br />

Leistungen gesucht.<br />

Die Jugendlichen besitzen z. T. ein sehr unkritisches Selbstbild. Die Schuld für ihre<br />

schulische Fehlentwicklung suchen sie meist bei anderen, beispielsweise bei den Lehrern.<br />

Daher hört man häufig, dass doch auch dieser Schulbesuch wieder zu nichts führen<br />

könne.<br />

Trotz dieser gr<strong>und</strong>sätzlich geringen Motivation würden einige Schüler dennoch gern<br />

ihren Hauptschulabschluss erwerben. Sie behaupten doch, wie eine Art von Beruhi-<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

gung des Gewissens, dass der Abschluss für ihr weiteres Leben von gr<strong>und</strong>legender<br />

Bedeutung ist.<br />

4. Rolle der allgemeinbildenden Schule für die Entstehung dieser Lernschwierigkeiten<br />

Neben bereits häufig „generationsbedingten“ f<strong>am</strong>iliären Voraussetzungen <strong>und</strong> den übrigen<br />

unter Punkt 1. genannten Bedingungen ist die Schule ein weiterer wichtiger Verursacher<br />

der Lernschwierigkeiten.<br />

Oft werden die Schulkarrieren der benachteiligten Jugendlichen durch große Klassen<br />

<strong>und</strong> die Ausrichtung auf Selektion <strong>und</strong> Leistung in den allgemeinbildenden Schulen<br />

produziert. Auf Fragen hinsichtlich des Unterrichts in ihrer bisherigen Schullaufbahn<br />

reagieren die Jugendlichen sehr abwertend. Die Lehrer hätten keine Zeit gehabt <strong>und</strong><br />

sich immer nur um die besseren Schüler gekümmert. Da die Fähigkeit des selbstorganisierten<br />

Lernens bei den Jugendlichen selten gefördert wurde, konnten schon durch<br />

eine sehr langs<strong>am</strong>e Auffassungsgabe große Lücken im Lernprozess entstehen.<br />

Bei der Aussage der Schüler hinsichtlich des Zeitmangels der Lehrer handelt es sich<br />

sicher nicht um eine Fehleinschätzung. Viele weitere Schuldzuweisungen bezüglich<br />

früherer Schulbesuche sind jedoch, wie vorhergehend beschrieben, bei realistischer<br />

Betrachtung nicht unbedingt nachvollziehbar.<br />

5. Persönliche Zielsetzungen <strong>und</strong> die Rolle von Beruf <strong>und</strong> beruflicher Qualifizierung<br />

in der Lebenswelt der Jugendlichen<br />

Ein Ziel der meisten sozial benachteiligten Jugendlichen ist es schnell <strong>und</strong> viel Geld zu<br />

verdienen bei möglichst geringem Einsatz. Der Erwerb des Hauptschulabschlusses<br />

wird insofern als erstrebenswert betrachtet, als dass er sie diesem Ziel eventuell näher<br />

bringt.<br />

Viele Jugendliche haben den Wunsch nach einem „normalen“ Leben. Eine Berufsausbildung<br />

gehört dazu. Sie möchten herauskommen aus der „Ecke Schulversager“. Sie<br />

wären gerne eingeb<strong>und</strong>en in eine Gruppe von Menschen die arbeitet.<br />

Am liebsten würden einige Schüler eine Ausbildung entsprechend ihrer Neigungen<br />

machen. („Ich wollte schon immer Schneiderin werden.“) Die Mehrheit ist jedoch hinsichtlich<br />

ihres Traumberufes bereits desillusioniert. Sie wünscht sich lediglich eine Berufsausbildung,<br />

die ihnen einen „guten <strong>Arbeit</strong>splatz“ ermöglicht. Dieses bezieht sich<br />

hauptsächlich auf die für die Verrichtung der <strong>Arbeit</strong> notwendige Anstrengung <strong>und</strong> die<br />

Höhe des zu verdienenden Geldes.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Der Wunsch nach einer F<strong>am</strong>ilie ist bei den jungen Frauen oft vordergründiger als bei<br />

den männlichen Jugendlichen. Doch auch diese wünschen sich „irgendwann später“<br />

Kinder.<br />

6. Umgang der Jugendlichen mit Methoden der selbständigen Erarbeitung von<br />

Informationen<br />

Die Jugendlichen haben meist bereits in der Sek<strong>und</strong>arstufe I d<strong>am</strong>it aufgehört die Fähigkeit<br />

der selbständigen Erarbeitung von Informationen zu erlernen.<br />

Fordert man die Schüler beispielsweise auf, die Antworten auf fachliche Fragen eigenständig<br />

mit Hilfe des bereitgestellten Informationsmaterials zu erarbeiten, stößt dieses<br />

auf keine große Akzeptanz. („Können Sie uns nicht sagen, was wir dahin schreiben<br />

sollen?“)<br />

Liegt jedoch ein persönliches Interesse vor, so mobilisieren die Jugendlichen außergewöhnliche<br />

Fähigkeiten, z.B. beim Progr<strong>am</strong>mieren von Handys.<br />

7. Mögliche Ansätze für eine Förderung, um die Bereitschaft <strong>und</strong> die Fähigkeit<br />

zum lebenslangen Lernen aufzubauen<br />

Die gemeins<strong>am</strong>e fachliche <strong>Arbeit</strong> muß zunächst niederschwellig erfolgen. Die Anforderungen<br />

dürfen nur langs<strong>am</strong> aufgebaut werden. Auf diesem Wege ist in kleinen Schritten<br />

eine Stärkung des schulischen Selbstvertrauens möglich.<br />

Eine Reflexion der eigenen mißlichen Schulvergangenheit kann bei der Bemühung<br />

vorhandene Lernschwierigkeiten zu beheben, sehr hilfreich sein. Um dieses gemeins<strong>am</strong><br />

mit den Schülern zu versuchen, ist es wichtig eine positive Beziehung herzustellen.<br />

Diese wird begünstigt durch eine starke persönliche Anbindung an Lehrende. Ein<br />

häufiger Wechsel dieser Bezugspersonen sollte daher vermieden werden. Man sollte<br />

den Schüler als Ganzes betrachten <strong>und</strong> nicht nur als Person, der Wissen infiltriert werden<br />

sollte.<br />

Um den Schülern ein Gerüst zu geben, mit dessen Hilfe ein gemeins<strong>am</strong>es <strong>Arbeit</strong>en in<br />

der Gruppe ermöglicht werden kann, sollten klare Regeln aufgestellt werden. Auf die<br />

Einhaltung dieser Regeln muß genau geachtet werden. Hierzu gehört beispielsweise<br />

das Bemühen um pünktliches Erscheinen. Bei Nichteinhaltung der Regeln, bei Versagen,<br />

sollten jedoch Brücken gebaut werden, die den Jugendlichen die Möglichkeit geben,<br />

ihr Verhalten zu ändern. Da das Verhalten in der Lerngruppe für eine erfolgreiche<br />

gemeins<strong>am</strong>e <strong>Arbeit</strong> von großer Bedeutung ist, sollte neben den fachlichen Leistungen<br />

das Sozialverhalten bei Beurteilung der Schüler ebenfalls berücksichtigt werden.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Wie unter Punkt 6. beschrieben wurde, entwickeln die Jugendlichen außergewöhnliche<br />

Fähigkeiten wenn ihr persönliches Interesse geweckt wird. Um eine Gr<strong>und</strong>lage für dieses<br />

Interesse zu schaffen, sollte versucht werden, außer zu den an der Ausbildung<br />

beteiligten Personen auch zu den Lerninhalten eine positive Einstellung herzustellen.<br />

Eine Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die fachlichen Lerninhalte stark durch die<br />

berufliche Wirklichkeit geprägt sind. Theorie <strong>und</strong> Praxis müssen in größtmöglichem<br />

Maß miteinander verknüpft werden. Hierbei haben die Jugendlichen auch die beste<br />

Möglichkeit ihr Selbstvertrauen zu stärken. Die handwerklich praktischen Fähigkeiten<br />

der Schüler sind häufig stärker ausgeprägt als die für den bisherigen Schulunterricht<br />

notwendigen Fähigkeiten.<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Andrea Fidan:<br />

Arten von Benachteiligung <strong>und</strong> Lernschwierigkeiten<br />

- Erfahrungen einer Lehrerin aus der Berufsschule für Metalltechnik -<br />

Nur in absoluten Ausnahmefällen liegt bei einem Jugendlichen nur eine Art von Benachteiligung<br />

oder Lernschwierigkeit vor. Meist gibt es verschiedene Ursachen <strong>und</strong><br />

entsprechend auch ein Zus<strong>am</strong>mentreffen mehrerer Faktoren. Hier die wichtigsten Bereiche<br />

des Erscheinungsbildes (also nicht der Ursachen):<br />

a. Soziale Probleme:<br />

• Gruppenverhalten<br />

• Umgang mit Regeln <strong>und</strong> Grenzen<br />

• Nähe – Distanz - Probleme<br />

• Mangelndes Einfühlungsvermögen/Egoismus<br />

• Verweigerung in Gruppenprozessen<br />

• (Status-Probleme, Aufenthalt etc.)<br />

b. Persönliche Probleme:<br />

• Selbstkontrolle<br />

• Sprachprobleme<br />

• Konzentrationsschwäche<br />

• Traumatische Erlebnisse<br />

• Reale Selbsteinschätzung<br />

• Mangelndes Selbstwertgefühl<br />

• Verspätete Pubertät<br />

• Motivationsprobleme<br />

• Unterentwicklung realer (den Möglichkeiten entsprechender)<br />

Lebensziele, Lebensplanung, Perspektiven<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

c. „Kognitive“ Probleme:<br />

• Dyskalkulie (Mathe-Probleme, mangelndes räumliches<br />

Vorstellungsvermögen, logisches Denken, Abstraktionsvermögen)<br />

• LRS<br />

• Mangelnde Methodenkompetenz, <strong>Arbeit</strong>sverhalten etc.<br />

1. Spezifische Stärken <strong>und</strong> Ansatzpunkte für Förderung<br />

Bei benachteiligten Jugendlichen fallen in unserem Schul- <strong>und</strong> Ausbildungssystem<br />

natürlich vor allem die Defizite ins Auge. In neun oder mehr Jahren ist versucht worden,<br />

diesen Defiziten beizukommen. Hängengeblieben sind oft Lernblockaden <strong>und</strong><br />

mangelndes Selbstwertgefühl. Ausgangspunkte einer Förderung - in dem für die Schüler<br />

neuen Abschnitt Ausbildung – sollten deshalb ihre Stärken <strong>und</strong> der Aufbau eines<br />

f<strong>und</strong>ierten Selbstwertgefühls sein. Bei benachteiligten Jugendlichen lassen sich teilweise<br />

eine Reihe spezifischer Stärken ausmachen:<br />

• Praxiserfahrung<br />

• Handwerkliches Geschick<br />

• die Fähigkeit zur Selbstbehauptung<br />

• auf dem Wege der Vermeidungsstrategien, Erfahrung in der<br />

Nutzung vielfältiger, kreativer Wege (Beispiel LRS: das<br />

„hemmungslose“ Einfordern von Hilfe von Fre<strong>und</strong>en oder<br />

Kenntnis über Rechtschreibprogr<strong>am</strong>me)<br />

• Kenntnis von Sprachen <strong>und</strong> Kulturen<br />

• Kreativität, Rhytmusgefühl, Schauspielkunst etc.<br />

2. Gr<strong>und</strong>sätzliche Faktoren erfolgreicher Förderung<br />

Ein Allgemeinrezept gibt es nicht <strong>und</strong> wird es unserer Ansicht nach auch nicht geben.<br />

Einige Faktoren stellen so etwas wie eine Gr<strong>und</strong>lage der Förderung dar:<br />

a. Ausgangspunkt Individuum<br />

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Lerneinstellungen benachteiligter Jugendlicher – B/BFS <strong>Bremen</strong> 2001<br />

Da die Ursachen <strong>und</strong> Ausprägungen der Benachteiligung bei jedem Schüler anders<br />

sind, muß auch die Förderung von den Bedingungen jeden Individuums ausgehen.<br />

Eine Zus<strong>am</strong>menfassung ist nur punktuell (z.B. in der Sprachförderung) möglich.<br />

b. Ganzheitliches Vorgehen<br />

Je mehr Ebenen (visuell, verbal, taktil etc.) angesprochen werden <strong>und</strong> desto näher<br />

Unterricht <strong>und</strong> Ausbildung an dem Erfahrungshorizont der Schüler liegen, desto mehr<br />

Aussicht auf Erfolg hat die Förderung.<br />

c. Ansatz bei den Stärken, nicht den Defiziten<br />

Späteres eigenständiges berufliches Agieren setzt Selbsbewußtsein <strong>und</strong> f<strong>und</strong>ierte<br />

Kenntnis der eigenen Stärken <strong>und</strong> Schwächen voraus. Auch wenn den Schülern die<br />

eigenen Defizite oft hinlänglich bekannt sind (was aber längst nicht immer der Fall ist),<br />

wird dies selten in ein stimmiges Selbstbild eingeordnet. Die Defizite werden oft als<br />

Wertung der ganzen Persönlichkeit gesehen, der Aufbau eines f<strong>und</strong>ierten Selbstwertgefühles<br />

leidet. Ohne ein reales Selbstbild aber können weder persönliche Perspektiven,<br />

noch eine vernünftige Lebensplanung erarbeitet werden.<br />

d. Positives Menschenbild<br />

Für eine erfolgreiche Förderung muß die Beziehungsebene zwischen „Förderern“ <strong>und</strong><br />

„zu-Fördernden“ stimmen. Fühlen sich Schüler als Persönlichkeit abgelehnt, werden<br />

sie Förderung nicht als solche begreifen.<br />

e. Sinnhaftigkeit<br />

Möglichst jeder Schritt der Förderung sollte in seiner Sinnhaftigkeit transparent sein.<br />

Teile für die Schrottkiste oder nur weil „der Lehrer es will“ werden wenig Motivation<br />

auslösen. Die Schüler wollen ernst genommen <strong>und</strong> als Erwachsene behandelt werden.<br />

Wenn möglich sollte ihr Wert für die Gesellschaft deutlich werden können (Produktionsschulgedanke).<br />

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