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Schriftwechsel - gymnasium am wall verden

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<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 1 / 20<br />

Gegen die Verschärfung der Arbeitsbedingungen Für ein starkes Gymnasium im Zus<strong>am</strong>menwirken<br />

von Schülern, Eltern und Lehrern<br />

Resolution verabschiedet durch die Personalvers<strong>am</strong>mlung der Bismarckschule Hannover <strong>am</strong><br />

26. September 2013<br />

Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien und das<br />

Nichteinlösen der zugesagten Altersermäßigung ab dem 55. Lebensjahr erscheint Kultusministerin<br />

Heiligenstadt auch drei Wochen nach der Großdemonstration von über 10.000 Lehrerinnen<br />

und Lehrern <strong>am</strong> 29. August in Hannover weiterhin als moderat und vertretbar.<br />

Die Rechtfertigung stützt sich dabei im Wesentlichen auf zwei Argumente. Die Maßnahmen<br />

werden als moderat und vertretbar angesehen, da die Unterrichtsverpflichtung in anderen Bundesländern<br />

höher sei und die Verwirklichung der bildungspolitischen Ziele der Regierung einer<br />

Gegenfinanzierung bedürfe.<br />

Dass jeder Vergleich hinkt, der sich allein auf die Höhe der Unterrichtsverpflichtung bezieht, ist<br />

allen Bildungsexperten bekannt. Denn geflissentlich wird nicht nur verschwiegen, dass sich die<br />

Besoldung der niedersächsischen Gymnasiallehrer im bundesweiten Vergleich ganz <strong>am</strong> unteren<br />

Ende der Skala bewegt: 2012 war sie nur in Brandenburg, Bremen und Berlin schlechter.<br />

Vielmehr wird auch unterschlagen, dass die Berechnung der Unterrichtsverpflichtung in den<br />

Ländern ganz unterschiedlichen Regeln folgt - vor allem aber der Umgang des Dienstherrn mit<br />

älteren Lehrkräften nirgends so miserabel ist wie in Niedersachsen. In der Mehrzahl der Länder<br />

werden den Lehrkräften ab dem 55. oder 58. Lebensjahr eine Unterrichtsstunde und ab dem<br />

60. Lebensjahr zwei oder sogar drei Unterrichtsstunden (NRW, Bayern, Rheinland-Pfalz) erlassen.<br />

In Niedersachsen soll es - entgegen aller bisherigen Zusagen - nunmehr eine einzige<br />

Stunde Altersermäßigung ab dem 60. Lebensjahr geben. Nicht nur der unlängst vom Niedersächsischen<br />

Landesrechnungshof angemahnten Gesundheitsfürsorge der Landesregierung für<br />

die Lehrkräfte spricht dies Hohn.<br />

Vor allem aber ist es nach wie vor völlig unverständlich, dass die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung<br />

und die Ges<strong>am</strong>tarbeitszeit der Lehrkräfte wider besseres Wissen gleichgesetzt werden:<br />

Insges<strong>am</strong>t liegt die Arbeitszeit der Lehrkräfte an den Gymnasien - auch unter Berücksichtigung<br />

der Ferien - nach allen Untersuchungen schon bisher mit über 50 Stunden wöchentlich<br />

weit über der gesetzlich festgelegten Arbeitszeit des öffentlichen Dienstes in Niedersachsen.<br />

Hinzu kommt, dass sich die - von Ministerin Heiligenstadt dem Kabinett selbst vorgeschlagene -<br />

Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung allein auf die Gruppe der niedersächsischen Gymnasiallehrkräfte<br />

konzentriert. Hiermit wird den Gymnasiallehrkräften indirekt, aber nicht minder skandalös,<br />

nicht nur unterstellt, dass sie jahrelang zu wenig gearbeitet hätten. Sondern die finanzielle<br />

Einlösung bildungspolitischer Wahlversprechen wird in einer völlig inakzeptablen Weise einer<br />

einzigen Berufsgruppe aufgebürdet.<br />

Nachdem 1994 der d<strong>am</strong>alige SPD-Kultusminister Wernstedt entgegen seinem ausdrücklichen<br />

Wahlversprechen die Zahl der Unterrichtsstunden der Gymnasiallehrer um eine Stunde erhöht<br />

hatte, handelt es bei den Planungen von Heiligenstadt um die nun bereits zweite Erhöhung, die<br />

Zusagen früherer SPD-geführter Regierungen zuwiderläuft.<br />

Nach den Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen nach 10 Jahren schwarz-gelber Regierungen<br />

• durch die Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien auf 8 Jahre<br />

• durch die Vergrößerung der Klassen auf durchschnittlich über 30 Schülerinnen und Schüler,<br />

• durch die Verschärfung des Abiturs mit der Erhöhung der Prüfungsfächer,<br />

• durch den Klassenbildungserlass von 2004, der massive Kürzungen in der Personalzu-


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 2 / 20<br />

weisung an Gymnasien und Ges<strong>am</strong>tschulen zur Folge hatte<br />

• durch die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule<br />

ist die Arbeitsbelastung der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer weiter kontinuierlich<br />

gestiegen.<br />

Wir unterstützen deshalb die Reaktionen der Hannoverschen Gymnasien, die sich gegen die<br />

Beschlüsse der rot-grünen Landesregierung zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an<br />

den niedersächsischen Gymnasien richten. Die einzelnen Kolleginnen und Kollegen der<br />

Bismarckschule Hannover behalten sich vor, Klassen- und Studienfahrten ab dem Schuljahr<br />

2014/15 sowie weitere der bisher freiwillig erbrachten Leistungen solange auszusetzen, bis die<br />

Landesregierung von den angekündigten Maßnahmen zurücktritt.<br />

Wir erwarten, dass die politisch Verantwortlichen aller im Landtag vertretenen Parteien die<br />

ständig wachsende Arbeitsbelastung unseres Berufsstandes zur Kenntnis nehmen, durch geeignete<br />

Maßnahmen gegensteuern und die Situation nicht weiter verschärfen.<br />

Wir erwarten, dass führende Politiker der rot-grünen Regierungsfraktionen, die Sprecher des<br />

Kultusministeriums n<strong>am</strong>ens der Ministerin, die Vorsitzende des Schulausschusses der Stadt<br />

Hannover als auch Vertreter des Stadtelternrats Abstand nehmen von billiger Polemik gegenüber<br />

den Lehrerinnen und Lehrern der niedersächsischen Gymnasien.<br />

Nicht die Kolleginnen und Kollegen, die sich gegen die unsoziale Beschäftigungspolitik der<br />

Landesregierung wehren, tragen einen Konflikt "auf dem Rücken der Schüler" aus, vielmehr ist<br />

es Frau Heiligenstadt, die den Konflikt mit den Lehrkräften zu verantworten hat.<br />

Wir erwarten, dass den jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich im Studium oder im Referendariat<br />

auf eine Berufstätigkeit <strong>am</strong> Gymnasium vorbereiten, ihre beruflichen Perspektiven nicht<br />

durch kurzsichtige Entscheidungen verbaut werden, indem aufgrund der Erhöhung der Unterrichtszeit<br />

massenhaft Stellen an Gymnasien nicht wieder besetzt werden.<br />

Wir erwarten, dass die Abgeordneten der Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die<br />

Grünen die parl<strong>am</strong>entarischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Beschluss des Kabinetts,<br />

die wöchentliche Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer an den niedersächsischen Gymnasien<br />

erneut zu erhöhen und die Altersermäßigung aller Lehrkräfte de facto zu streichen, zurückgenommen<br />

wird.<br />

Gymnasien sind eine erfolgreiche und nicht zuletzt deshalb auch beliebte Schulform in unserem<br />

Land.<br />

Die Schülerinnen und Schüler Niedersachsen verdienen eine gute schulische Ausbildung, die<br />

die Lehrerinnen und Lehrer der Gymnasien gewährleisten.<br />

Wir, die Lehrerinnen und Lehrer der Gymnasien, verdienen den Respekt der Landesregierung<br />

und unseres Dienstherrn.


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 3 / 20<br />

Dr. Eva Helms Scholz Hannover, den 19.10.2013<br />

Im Born 15 30455 Hannover<br />

Unser Briefwechsel zum Thema „Arbeitszeit für Gymnasiallehrer“<br />

Sehr geehrte Frau Dr. Wernstedt,<br />

Dank für Ihre ausführliche Antwort auf mein(e) Schreiben, die weiß ich sehr zu schätzen, da auch<br />

Ihr Tag nur 24 Stunden hat.<br />

Ihre inhaltliche Zus<strong>am</strong>menfassung meines Schreibens unterläuft allerdings die Sachargumentation,<br />

mit der Gymnasiallehrer eine Erhöhung ihrer Wochenstundenverpflichtung für unzumutbar erläutern.<br />

Dass Sie diesbezüglich nur schreiben, die zusätzliche Stunde werde „nicht toleriert“, das<br />

ist schlechterdings von einem „Die wollen das halt nicht“ nicht zu unterscheiden und auf Ungenauigkeit<br />

- so unterstelle ich - wollen wir beide keine politischen Entscheidungen gegründet sehen.<br />

Juristisch gesehen, da sind Sie sicher besser noch unterrichtet als ich, wird übrigens nicht die Lehrerarbeitszeit<br />

als solche erhöht, sondern „nur“ etwas innerhalb derselben verschoben, nämlich deren<br />

Anteil an „sichtbarer“ und an „dunkler“, per Stechuhr nicht nachweisbarer, Arbeit. Und eben das<br />

macht Schule, hier spezifisch das Gymnasium, schlechter und behindert dessen Bildungsauftrag.<br />

Denn seit ca. den letzten 11 Jahren ist von den wechselnden Landesregierungen spezifisch für die<br />

Arbeit <strong>am</strong> Gymnasium für Schüler und Lehrer eine Kette von zusätzlichen Arbeitsbelastungen erzeugt<br />

worden, durch die das Kerngeschäft von Bildung einerseits und andererseits deren pädagogischer<br />

Ergänzung, nämlich persönlicher Beratung und Zuwendung, eingeschnürt wird. Dies beides<br />

gerät zunehmend unter die Räder. (Die breite Ablehnung des Geplanten richtet sich also nur<br />

insofern gegen die derzeitige Landesregierung, als diese es ankündigt hat, das Fass zum Überlaufen<br />

bringen zu wollen.)<br />

Einige Glieder dieser Kette seit 2002:<br />

- Einsparung von Vollzeitlehrerstellen durch Klassenbildungserlass<br />

- Anhebung der Klassengrenze pro Klasse von 25 auf 30 (+10% Spielraum) Schülerinnen und<br />

Schüler<br />

- Verkürzung der Schulzeit (G8)<br />

- Einführung des Zentralabiturs<br />

- häufige Lehrplanwechsel und Umstellung auf einen <strong>am</strong> „Kompetenzerwerb“ orientierten Unterricht<br />

- Einführung der eigenverantwortlichen Schule verbunden mit Mehrarbeit in der Verwaltung<br />

durch Lehrkräfte<br />

- weniger Entlastungsstunden für Zusatzaufgaben<br />

- Erhöhung der Anzahl der Abiturkurse die Profiloberstufe<br />

- Inklusion<br />

- im Juli 2013 nun obendrauf (und nachdem der Landesrechnungshof die Regierung ermahnt<br />

hatte, sich besser um die Lehrergesundheit zu kümmern, was von Ihnen - Hand aufs Herz -<br />

in entsprechender Position sicher auch als wie zur Verhöhnung empfunden werden würde)<br />

die Beschlussfassung seitens der Landesregierung zu Mehrarbeit für Lehrkräfte an den<br />

Gymnasien und Streichung der Altersermäßigung.<br />

Der Dissenz über das Leistbare „hängt“ also nicht bloß „an einer Stunde“, wie Ihr Schreiben suggeriert<br />

und wie im September die Bildzeitung und vor deren Aufklärung zunächst(!) auch noch die<br />

bürgerliche Presse in Hannover vermeldet hatte.<br />

Es erschließt sich nicht, schon gar nicht vor dem Hintergrund von allfälligem Lobpreis der Bedeutung<br />

von Bildung für die Bürger und deren Republik, wieso speziell den Gymnasiallehrern weiterer<br />

Raum für essentielle Arbeit im Rahmen ihres umfassenden Bildungs- Beratungs- und Betreuungsauftrags<br />

genommen werden soll.<br />

Beliebig kann man das Eselchen nicht belasten; zu versuchen, bei welcher Last es zus<strong>am</strong>menbricht<br />

(und mit Verlaub, ich habe mehrfach Kolleginnen und Kollegen, die gerade nicht im Schon-


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 4 / 20<br />

gang zu fahren versuchten, sondern mit Anstand ihren vielfältigen „Normalaufgaben“ gerecht werden<br />

wollten, erst zus<strong>am</strong>menbrechen und dann in die medizinisch gebotene Zwangsermäßigung<br />

oder Frühpension gleiten sehen) – zu versuchen also, bei welcher Last das Eselchen zus<strong>am</strong>menbricht,<br />

dass halte ich für zynisch und eines öffentlichen Arbeitgebers für unwürdig.<br />

Dass die populäre Vorurteilstruktur,die Lehrer mit der geringsten Unterrichtsstundenverpflichtung<br />

hätten <strong>am</strong> wenigsten zu tun (vgl. Bildzeitung vom 14. September), zur Durchsetzung von Sparpolitik<br />

auf Kosten einer Berufsgruppe ausgerechnet von einer regierenden SPD politisch eingesetzt<br />

wird, möchte ich mit dem N<strong>am</strong>en Wernstedt ungern verbinden müssen.<br />

Nicht zuletzt: Die Basis der GEW-Kollegen liegt mit der GEW-Spitze in Niedersachsen völlig überkreuz.<br />

In der strittigen Frage hat sie sich, nun ja, ebenso wie die Kultusministerin, arg verschätzt.<br />

Gleiches gilt für die Elternschaften an vielen mir bekannten Gymnasien; sobald diese über den Informationsstand<br />

der Bildzeitung hinausk<strong>am</strong>en, schwenkten sie um.<br />

Ähnliches gilt für das Echo, dass wir von Schülerschaften direkt oder indirekt erfahren.<br />

Eine einschlägige Online-Petition hat gestern die erforderliche Stimmenzahl erreicht.<br />

h t t p s : / / w w w . o p e n p e t i t i o n . d e / p e t i t i o n / o n l i n e / f u e r - d i e - s t a e r k u n g - d e s - b i l d u n g s s t a n d o r t e s -<br />

niedersachsen-den-verzicht-auf-mehrbelastungen-fuer-lehrer<br />

Und: Die geplante Streichung der Altersentlastung für alle Lehrer kommentiert sich, wie Sie selbst<br />

implizit schreiben, von selbst.<br />

Ich verstehe gut, dass Politikerinnen/Politiker nicht überall fachkundig sein können, aber ich wünsche<br />

mir doch, dass bei einer neu erlangten Informationsbasis ebendiese eine politische Berücksichtigung<br />

findet - und nicht machiavellistische Opportunität.<br />

In diesem Sinne herzlich grüßend<br />

Dr. Eva Helms Scholz


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 5 / 20<br />

Sehr geehrter Herr Poppe,<br />

Ihre Verteidigung der Partei-Position, bei der Altersentlastung der Lehrer allgemein und bei der Unterrichtsbelastung<br />

der Gymnasiallehrer mit deren Extraobendraufbelastung zu sparen, ist - mit Verlaub<br />

- entweder von Unkenntnis der Sachlage(n) oder von kalt-rücksichtsloser politischer Chuzpe<br />

geprägt.<br />

Politische Finanzentscheidungen sollten schon argumentativ in ihren Bezugsrahmen eingebettet<br />

sein: „Zukunftsoffene Bildung ist Aufgabe Aller – Kultusetat schafft Chancen in Niedersachsen“,<br />

das ist kein sachbezogenes Argument, sondern eine inhaltsarme und im Kontext suggestive Versatzformel,<br />

die jedem Schüler im Deutschaufsatz „um die Ohren gehauen“ würde. Gymnasiallehrer<br />

haben nämlich den Bildungsauftrag, Hohlformulierungen und rhetorische Bauernfängerei für unsere<br />

Kinder (und nötig offenbar nicht nur für diese) kenntlich zu machen und nicht durchgehen zu<br />

lassen.<br />

Zur Sache selbst: Sehr richtig weisen Sie darauf hin, dass die 40-Stunden Woche für Lehrer rechtlich<br />

erhalten bliebe, die solle also nicht als solche erhöht, sondern es solle „nur“ etwas innerhalb<br />

derselben verschoben werden. Und das bedeutet deren Anteil an „sichtbarer“ und an „dunkler“, per<br />

Stechuhr nicht nachweisbarer, Arbeit (und darunter fallen bisher meist stillschweigend übrigens<br />

auch Klassenfahrten). Und eben das macht Schule, hier spezifisch das Gymnasium, schlechter<br />

und behindert dessen Bildungsauftrag. Begründung: Denn seit ca. den letzten 11 Jahren ist von<br />

den wechselnden Landesregierungen spezifisch für die Arbeit <strong>am</strong> Gymnasium für Schüler und<br />

Lehrer eine Kette von zusätzlichen Arbeitsbelastungen erzeugt worden, durch die das Kerngeschäft<br />

von Bildung einerseits und andererseits deren pädagogischer Ergänzung, nämlich persönlicher<br />

Beratung und Zuwendung, eingeschnürt wird. Dies beides gerät zunehmend unter die Räder.<br />

(Die breite Ablehnung des Geplanten richtet sich also nur insofern gegen die derzeitige Landesregierung,<br />

als diese es ankündigt hat, das Fass zum Überlaufen bringen zu wollen.)<br />

Einige Glieder dieser Kette seit 2002:<br />

- Einsparung von Vollzeitlehrerstellen durch Klassenbildungserlass<br />

- Anhebung der Klassengrenze pro Klasse von 25 auf 30 (+10% Spielraum) Schülerinnen und<br />

Schüler<br />

- Verkürzung der Schulzeit (G8)<br />

- Einführung des Zentralabiturs<br />

- häufige Lehrplanwechsel und Umstellung auf einen <strong>am</strong> „Kompetenzerwerb“ orientierten Unterricht<br />

- Einführung der eigenverantwortlichen Schule verbunden mit Mehrarbeit in der Verwaltung<br />

durch Lehrkräfte<br />

- weniger Entlastungsstunden für Zusatzaufgaben<br />

- Erhöhung der Anzahl der Abiturkurse durch die Profiloberstufe<br />

- Inklusion<br />

- im Juli 2013 nun obendrauf (und nachdem der Landesrechnungshof die Regierung ermahnt<br />

hatte, sich besser um die Lehrergesundheit zu kümmern, was von Ihnen - Hand aufs Herz -<br />

in entsprechender Position sicher auch als wie zur Verhöhnung empfunden werden würde)<br />

die Beschlussfassung seitens der Landesregierung zu Mehrarbeit für Lehrkräfte an den<br />

Gymnasien und Streichung der Altersermäßigung.<br />

Der Dissenz über das Leistbare hängt also nicht bloß an „einer Stunde“, wie die Landesregierung<br />

suggeriert und wie im September die Bildzeitung und vor deren Aufklärung zunächst(!) auch noch<br />

die bürgerliche Presse in Hannover vermeldet hatte.<br />

Es erschließt sich nicht, schon gar nicht vor dem Hintergrund von allfälligem Lobpreis der Bedeutung<br />

von Bildung für die Bürger und deren Republik, wieso speziell den Gymnasiallehrern weiterer<br />

Raum für essentielle Arbeit im Rahmen ihres umfassenden Bildungs- Beratungs- und Betreuungsauftrags<br />

genommen werden soll.


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 6 / 20<br />

Beliebig kann man das Eselchen nicht belasten, um zu versuchen, bei welcher Last es zus<strong>am</strong>menbricht.<br />

(Und mit Verlaub, ich habe mehrfach Kolleginnen und Kollegen, die mit Anstand ihren<br />

vielfältigen „Normalaufgaben“ gerecht werden wollten, erst zus<strong>am</strong>menbrechen und dann in die<br />

medizinisch gebotene Zwangsermäßigung oder Frühpension gleiten sehen)<br />

Zu versuchen also, bei welcher Last das Eselchen zus<strong>am</strong>menbricht, dass halte ich für zynisch und<br />

eines öffentlichen Arbeitgebers für unwürdig. Dass die populäre Vorurteilstruktur, die Lehrer mit<br />

der geringsten Unterrichtsstundenverpflichtung hätten <strong>am</strong> wenigsten zu tun (vgl. Bildzeitung vom<br />

14. September), zur Durchsetzung von Sparpolitik auf Kosten einer Berufsgruppe ausgerechnet<br />

von einer regierenden SPD politisch eingesetzt wird, möchte ich mit dem N<strong>am</strong>en dieser Partei ungern<br />

verbinden müssen. Es ist auch mit ihrem klassischen Bildungsförderungsverständnis nicht<br />

vereinbar: Denn gerade die Aufsteiger- und Migrationshintergrundskinder sind benachteiligt und<br />

fallen weiter gegenüber denen zurück, die zu Hause Bildungsunterstützung erfahren können, wenn<br />

Lehrern immer mehr Zeit genommen wird, sich denen zuzuwenden.<br />

Nicht zuletzt: Die Basis der GEW-Kollegen und die Fakten der laufenden Mobilisierung haben die<br />

GEW- Spitze in Niedersachsen dazu gebracht (HAZ, E. Brandt, 18.10.13) sich eindeutiger zu positionieren.<br />

Man hatte sich da in der strittigen Frage bzw. dem Unmut der Basis der ges<strong>am</strong>ten Gymnasiallehrerschaft,<br />

ob in einem Verband organisiert oder nicht, nun ja, ebenso wie die Kultusministerin<br />

und der Finanzminister, arg verschätzt.<br />

Für die Elternschaften an vielen mir bekannten Gymnasien gilt: Sobald diese über den Informationsstand<br />

der Bildzeitung hinausk<strong>am</strong>en, schwenkten sie um.<br />

Ähnliches gilt für das Echo, dass wir von Schülerschaften direkt oder indirekt erfahren.<br />

Eine einschlägige Online-Petition hat vorgestern die erforderliche Stimmenzahl erreicht.<br />

https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-die-staerkung-des-bildungsstandortesniedersachsen-den-verzicht-auf-mehrbelastungen-fuer-lehrer<br />

Und: Die geplante Streichung der Altersentlastung für alle Lehrer kommentiert sich nach dem<br />

Frühjahrs-Rüffel des Landesrechnungshofes, die Landerregierung kümmere sich nicht hinreichend<br />

um die Lehrergesundheit, von selbst.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

Dr. Wolfgang Scholz, Hannover


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 7 / 20<br />

Herrn Ministerpräsident Stefan Weil<br />

Niedersächsiche Staatskanzlei<br />

Planckstraße 2<br />

30169 Hannover<br />

Hannover, 30.10.2013<br />

Arbeitszeitverlängerung der Gymnasiallehrerinnen und –lehrer und Streichung der geplanten Altersermäßigung<br />

Sehr geehrter Herr Weil,<br />

aus der uns gemeins<strong>am</strong> übertragenen Fürsorge für unsere Lehrerinnen und Lehrer bitten wir Sie,<br />

von der geplanten Erhöhung der Arbeitszeit und Streichung der zugesagten Altersermäßigung für<br />

Lehrkräfte an Gymnasien Abstand zu nehmen.<br />

Mit großer Sorge betrachten wir diese Pläne, da sie den Veränderungen, Entwicklungen und Aufgaben,<br />

die ein eigenverantwortliches Gymnasium zu bewältigen hat, nicht gerecht werden.<br />

Erlauben Sie uns, die Arbeitsfelder unserer Kollegien zu beleuchten, um zu verdeutlichen, dass<br />

eine Arbeitszeiterhöhung eine Maßnahme darstellt, die den Schülerinnen und Schülern nicht dienlich<br />

ist:<br />

• Eine Unterrichtsverpflichtung von 23,5 Stunden bedeutet die Vorbereitung auf 6-12 Lerngruppen<br />

mit jeweils 30 (Kl. 5-6), bzw. 32 (Kl. 7-9), respektive in der Qualifaktionsphase von<br />

20 Schülerinnen und Schülern, d.h. eine Betreuung von 180 – 300 Schülerinnen und Schülern.<br />

Die Abiturverpflichtungen, Konferenzen, Dienstbesprechungen und Ausschusssitzungen<br />

ziehen viele weitere Stunden nach sich.<br />

• Das Besondere in der gymnasialen Oberstufe ist die hohe Fachbezogenheit. Diese erfordert<br />

eine umfangreiche Vor- und Nachbereitungszeit, um dem intellektuellen Anspruch der Lerngruppen<br />

zu entsprechen.<br />

• In keiner anderen Schulform sind so viele und umfangreiche Klassenarbeiten und Klausuren<br />

zu korrigieren.<br />

Diese Kernverpflichtungen werden durch zahlreiche weitere Arbeitsbereiche, die sich aus dem Beruf<br />

und auch aus dem eigenverantwortlichen Gymnasium ergeben, erweitert:<br />

• Beratungsgespräche mit Schülerinnen und Schülern und deren Eltern machen einen nicht<br />

unwesentlichen und deutlich ansteigenden Teil der Arbeit der Lehrkräfte aus. Hier werden<br />

Gespräche mit der Beratungslehrkraft – sofern ein Gymnasium über eine solche verfügt –<br />

vorbereitet und Lösungsansätze entwickelt. Besonders an dieser Stelle zeigt sich, dass sich<br />

das Berufsbild des Gymnasiallehrers signifikant verändert hat und weiter verändern wird.<br />

• Arbeitsgruppen entwickeln Konzepte zur Qualitätssicherung und -entwicklung der Gymnasien.<br />

Um eine Idee von der Vielfalt der Aufgaben zu geben, seien hier einige aufgeführt:<br />

- die Bewältigung des Übergangs von der Grundschule zum Gymnasium<br />

- die „individuelle Lernentwicklung“<br />

- Entwicklung von schuleigenen Curricula aufgrund ständig wechselnder Themenschwerpunkte<br />

im Abitur, Einarbeitung in neue Themenbereiche<br />

- Förder- und Forderunterricht<br />

- Ganztagsunterrichtund -konzepte<br />

- Schulprogr<strong>am</strong>mentwicklung<br />

- Sozial- und Berufspraktika<br />

- Erarbeitung von Präventionskonzepten<br />

- Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />

- Schüleraustausche<br />

- Fahrten (Klassen-, Studien-, Sprachenfahrten mit der Erstellung dementsprechender<br />

Konzepte)


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 8 / 20<br />

- Ausschussarbeiten in überregionalen Zus<strong>am</strong>menschlüssen wie MINT-EC, Schule ohne<br />

Rassismus, Umweltschule, e-twinning, UNESCO<br />

- Inklusion mit den d<strong>am</strong>it verbundenen Fördergutachten und -kommissionen sowie der entsprechenden<br />

individuellen Begleitung<br />

Gerade in den Bereichen der Weiterentwicklung von Gymnasien werden die Freiräume der eigenverantwortlichen<br />

Schule verantwortungsvoll genutzt. Hier entstehen neue Ideen und Konzepte,<br />

hier wird Schule weiter gedacht, und an diesen Orten engagieren sich Lehrkräfte für ihre Schülerinnen<br />

und Schüler, um deren Bildung und Ausbildung den Erfordernissen der Welt, auf die sie<br />

vorzubereiten sind, gerecht zu werden. Diese Arbeitsbereiche haben unmittelbaren Einfluss auf die<br />

Qualität des Unterrichts und sind nicht nur maßgeblich für das Selbstverständnis des Berufsstandes,<br />

sondern auch elementar für die Qualität des Gymnasiums an sich. Sie sind aber nicht in der<br />

Unterrichtsverpflichtung von 23,5 Stunden unmittelbar sichtbar.<br />

Das Gymnasium hat - im Gegensatz zu allen anderen Schulformen - sehr wenig ergänzendes<br />

Personal, obwohl sich in den vergangenen Jahren mit der wachsenden Beliebtheit des Gymnasiums<br />

viele früher nicht gekannte pädagogische Herausforderungen ergeben.<br />

Hinter jedem der aufgeführten Stichpunkte stehen Lehrerinnen und Lehrer, die sich mit großem<br />

Engagement dem widmen, was die Entwicklung des Gymnasiums und d<strong>am</strong>it die Entwicklung und<br />

Förderung der Schülerinnen und Schüler unseres Landes ausmacht.<br />

Wir befürchten, dass die durch die Eigenverantwortlichkeit gewonnenen Spielräume nun nicht<br />

mehr genutzt werden können, sondern die Kolleginnen und Kollegen sich vornehmlich auf die<br />

Kernaufgaben des Unterrichtens konzentrieren müssen. Der Beschluss stünde den Anforderungen,<br />

die die Gesellschaft und die Lehrkräfte selbst an den Berufsstand stellen, di<strong>am</strong>etral entgegen.<br />

Es gehört zu dem Berufsethos unserer Kollegien, die ihnen übertragenen Aufgaben so zu erledigen,<br />

dass die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler und deren Eltern beraten werden, und<br />

das in einem Gymnasium, das an Schulentwicklung arbeitet und dementsprechend Konzepte entwickelt<br />

und umsetzt, die den Schülerinnen und Schülern zu Gute kommen.<br />

Eine Arbeitszeitverlängerung dürfte weit über die erforderliche Einschränkung des schulischen Angebots<br />

hinaus gehen. Wir weisen darauf hin, dass nur gesunde, motivierte, engagierte und mit ihrer<br />

Arbeit zufriedene Lehrkräfte den Einsatz zeigen können, der von ihnen erwartet wird. Der<br />

Schaden für die erfolgreiche Umgestaltung unseres Bildungswesens ist vergleichsweise hoch und<br />

dürfte in keinem Verhältnis zu den erwarteten Einsparungen stehen.<br />

Unsere älteren Lehrkräfte fühlen sich nach bis zu zehnjähriger unbezahlter Mehrarbeit im Rahmen<br />

des Arbeitszeitkontos um die Hälfte der anges<strong>am</strong>melten Stunden gebracht. Für die älteren Kolleginnen<br />

und Kollegen über 55 Jahre würden sich durch die beabsichtigten Beschlüsse erhebliche<br />

Mehrbelastungen ergeben. Im Hinblick auf die Altersermäßigung für Lehrkräfte werden die Versprechen<br />

früherer sozialdemokratisch geführter Landesregierungen gebrochen.<br />

Auch gibt es im Vergleich zu anderen Bundesländern keinen finanziellen Ausgleich. Niedersachsen<br />

befindet sich beim Besoldungsvergleich der Länder an viertletzter Stelle. Auch ist die eigenverantwortliche<br />

Schule zu einem nicht unerheblichen Teil über die Kollegien finanziert worden, indem<br />

Zuständigkeiten von der mittleren Verwaltungsebene auf die eigenverantwortliche Schule delegiert<br />

worden sind. Nach unserer Auffassung hat d<strong>am</strong>it das Gymnasium seinen Beitrag zur Finanzsituation<br />

in Niedersachsen längst geleistet.<br />

Schulpolitisch bedeutet die Anhebung der Stundenverpflichtung, dass ein Berufseinstieg für junge<br />

Lehrkräfte deutlich erschwert, wenn nicht über Jahre verhindert wird. Wenn die durch Pensionierung<br />

ausscheidenden Lehrkräfte nicht mehr ersetzt werden, da die Unterrichtsversorgung durch<br />

die Mehrarbeit der Lehrkräfte rechnerisch ausgeglichen wird, führt das unweigerlich dazu, dass gut<br />

ausgebildete, junge Lehrkräfte das Land verlassen werden oder sich völlig neu orientieren müssen.<br />

Wir bitten Sie deshalb, die geplante Erhöhung der Arbeitszeit und Streichung der Altersermäßigung<br />

im Interesse der Schülerschaft, der Eltern, der Lehrkräfte und letztlich im Interesse des Bil-


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 9 / 20<br />

dungsstandorts Niedersachsens zurückzunehmen.<br />

Sie, sehr geehrter Herr Weil, haben in der Vergangenheit, unter anderem auch als Gast in unserer<br />

Runde, immer wieder die Arbeitsleistung der Gymnasien gelobt und darauf hingewiesen, die<br />

Schulform sei mit Recht die beliebteste in Niedersachsen.<br />

Bitte tragen Sie zumindest mit dem Erhalt der gegenwärtigen Stundenverpflichtungen und der Einlösung<br />

des Versprechens der Altersmäßigung zur Sicherung des Gymnasiums bei.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Karl-Heinz Heinemann<br />

Beate Günther<br />

für die Direktorinnen und Direktoren der hannoverschen Gymnasien<br />

Schillerschule Hannover, Gymnasium, Schulleiterin: Frau Günther, Ebellstraße 15, 30625 Hannover, Tel:<br />

0511/168-48777, Fax: 0511/168-48806 Email: schulleitung@schillerschule-hannover.de<br />

Lutherschule Hannover, Gymnasium, Schulleiter: Herr Heinemann, An der Lutherkirche 18, 30167 Hannover,<br />

Tel: 0511/168-44210, Fax: 0511/168-40181<br />

Email: GY-Lutherschule@hannover-Stadt.de


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 10 / 20<br />

Sehr geehrte Abgeordnete und Mitglieder der SPD 6.11.2013<br />

Ihre Verteidigung der Position, dass bei der Altersentlastung der Lehrer allgemein und bei der Unterrichtsbelastung<br />

der Gymnasiallehrer insbesondere mit deren Extraobendraufbelastung zu sparen<br />

sei, ist - mit Verlaub - entweder von Unkenntnis der Sachlage(n) oder von kalt- rücksichtsloser politischer<br />

Chuzpe geprägt. Wir gehen von Ersterem aus.<br />

Politische Finanzentscheidungen sollten schon argumentativ in ihren Bezugsrahmen eingebettet<br />

sein: „Zukunftsoffene Bildung ist Aufgabe Aller - Kultusetat schafft Chancen in Niedersachsen“, das<br />

ist kein sachbezogenes Argument, sondern eine inhaltsarme und im Kontext suggestive Versatzformel,<br />

die jedem Schüler im Deutschaufsatz „um die Ohren gehauen“ würde. Gymnasiallehrer haben<br />

nämlich den Bildungsauftrag, Hohlformulierungen und rhetorische Bauernfängerei für unsere Kinder<br />

(und nötig offenbar nicht nur für diese) kenntlich zu machen und nicht durchgehen zu lassen.<br />

Zur Sache selbst: Sehr richtig weisen auch Sie darauf hin, dass die 40-Stunden Woche für Lehrer<br />

rechtlich erhalten bleibe, die solle also nicht als solche erhöht, sondern es solle „nur“ etwas innerhalb<br />

derselben verschoben werden. Und das bedeutet deren Anteil an „sichtbarer“ und an „dunkel<br />

bleibender“, per Stechuhr nicht nachweisbarer, Arbeit (und darunter fallen übrigens, bisher meist<br />

stillschweigend, auch Klassenfahrten) zu reduzieren. Die Kultusministerin hatte im Kultusausschuss<br />

<strong>am</strong> 25.10.13 auf die Frage, was die Gymnasiallehrer denn dann im Gegenzug „fallen lassen“<br />

sollten, keine Antwort; nicht einmal eine verdruckste. Und eben das macht Schule, hier spezifisch<br />

das Gymnasium, schlechter und behindert dessen Bildungsauftrag.<br />

Begründung:<br />

Denn seit ca. den letzten 11 Jahren ist von den wechselnden Landesregierungen spezifisch für die<br />

Arbeit <strong>am</strong> Gymnasium für Schüler und Lehrer eine Kette von zusätzlichen Arbeitsbelastungen erzeugt<br />

worden, durch die das Kerngeschäft von Bildung einerseits und andererseits deren pädagogische<br />

Ergänzung, nämlich persönliche Beratung und Zuwendung, eingeschnürt wird. Dies beides gerät<br />

zunehmend unter die Räder. (Die breite Ablehnung des Geplanten richtet sich also nur insofern<br />

gegen die derzeitige Landesregierung, als diese es ankündigt hat, das Fass zum Überlaufen bringen<br />

zu wollen.)<br />

Einige Glieder dieser Kette seit 2002:<br />

- Einsparung von Vollzeitlehrerstellen durch Klassenbildungserlass<br />

- Anhebung der Klassengrenze pro Klasse von 25 auf 30 (+10% Spielraum) Schülerinnen und<br />

Schüler<br />

- Verkürzung der Schulzeit (G8)<br />

- Einführung des Zentralabiturs<br />

- häufige Lehrplanwechsel und Umstellung auf einen <strong>am</strong> „Kompetenzerwerb“ orientierten Unterricht<br />

- Einführung der eigenverantwortlichen Schule verbunden mit Mehrarbeit in der Verwaltung<br />

durch Lehrkräfte<br />

- weniger Entlastungsstunden für Zusatzaufgaben<br />

- Erhöhung der Anzahl der Abiturkurse durch die Profiloberstufe - Inklusion<br />

- im Juli 2013 nun obendrauf (und nachdem der Landesrechnungshof die Regierung er- mahnt<br />

hatte, sich besser um die Lehrergesundheit zu kümmern, was von Ihnen - Hand aufs Herz - in<br />

entsprechender Position sicher auch als wie zur Verhöhnung empfunden werden würde) die<br />

Beschlussfassung seitens der Landesregierung zu Mehrarbeit für Lehrkräfte an den Gymnasien<br />

und Streichung der Altersermäßigung für alle Lehrer.<br />

Der Dissens über das Leistbare hängt also nicht „bloß“ an „einer Stunde“, wie die Landesregierung<br />

suggeriert und wie im September die Bildzeitung und vor deren Aufklärung zunächst (!) auch noch<br />

die bürgerliche Presse in Hannover vermeldet hatte.<br />

Es erschließt sich nicht, schon gar nicht vor dem Hintergrund von allfälligem Lobpreis der Bedeutung<br />

von Bildung für die Bürger und deren Republik, wieso speziell den Gymnasiallehrern weiterer Raum


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 11 / 20<br />

für essentielle Arbeit im Rahmen ihres umfassenden Bildungs-, Beratungs- und Betreuungsauftrags<br />

genommen werden soll.<br />

Beliebig kann man das Eselchen nicht belasten, um zu versuchen, bei welcher Last es zus<strong>am</strong>menbricht.<br />

(Und mit Verlaub, ich habe mehrfach Kolleginnen und Kollegen, die mit Anstand ihren vielfältigen<br />

„Normalaufgaben“ gerecht werden wollten, erst zus<strong>am</strong>menbrechen und dann in die medizinisch<br />

gebotene Zwangsermäßigung oder Frühpension gleiten sehen.)<br />

Zu versuchen also, bei welcher Last das Eselchen zus<strong>am</strong>menbricht, dass halte ich für zynisch und<br />

eines öffentlichen Arbeitgebers für unwürdig. Zudem: Dass die populäre Vorurteilsstruktur, die Lehrer<br />

mit der geringsten Unterrichtsstundenverpflichtung hätten <strong>am</strong> wenigsten zu tun (vgl. Bildzeitung vom<br />

14. September), als Mittel der Politik (!), zur Durchsetzung von Sparpolitik, auf Kosten einer Berufsgruppe<br />

ausgerechnet von einer regierenden SPD politisch eingesetzt wird, möchte ich mit dem N<strong>am</strong>en<br />

dieser Partei ungern verbinden müssen. Es ist auch mit ihrem klassischen Bildungsförderungsverständnis<br />

nicht vereinbar: Es verrät das Verständnis von Bildung und Aufklärung einer 100-jährigen<br />

Partei. Denn gerade die Aufsteiger- und Migrationshintergrundskinder sind benachteiligt und fallen<br />

weiter gegenüber denen zurück, die zu Hause Bildungsunterstützung erfahren können, wenn<br />

Lehrern immer mehr Zeit genommen wird, sich denen zuzuwenden. Das gilt für alle Schulformen.<br />

Für die weniger privilegierten Kinder und deren Anspruch auf soziale Chancengerechtigkeit gesehen<br />

gilt dies auch besonders im gymnasialen Eingangs- und Oberstufenbereich.<br />

Nicht zuletzt: Die Basis der GEW-Kollegen und die Fakten der laufenden Mobilisierung haben die<br />

GEW-Spitze in Niedersachsen dazu gebracht, sich inzwischen eindeutiger zu positionieren. Man hat<br />

sich im Grad der Dulds<strong>am</strong>keit der Basis der Gymnasiallehrerschaft, ob in einem Verband organisiert<br />

oder nicht, ebenso wie die Kultusministerin und die Finanzplaner der Landesregierung, arg verschätzt.<br />

Die Medien haben sich von einer zunächst vorurteilsgeleiteten Berichterstattung verabschiedet, die<br />

ungeprüft auf der einleitenden Bildzeitungsattacke gefusst hatte, wie verschiedene Medienvertreter<br />

uns sch<strong>am</strong>haft gestanden.<br />

Der Ton der Bildzeitung wurde hingegen von der Kultusministerin beibehalten, die eine Mehrstunde<br />

argumentationsfrei und kategorisch für „zumutbar“ erklärte. Solch barschforsches Durchregieren hätte<br />

Kaisers Reichsschulminister auch geschafft.<br />

Für die Elternschaften an Gymnasien gilt: Sobald diese über den Informationsstand der Bildzeitung<br />

hinausk<strong>am</strong>en, schwenkten sie um. Ähnliches gilt für das Echo, dass wir von Schülerschaften direkt<br />

oder indirekt erfahren.<br />

Und: Die geplante Streichung der Altersentlastung für alle Lehrer kommentiert sich nach dem Frühjahrs-Rüffel<br />

des Landesrechnungshofes, die Landesregierung kümmere sich nicht hinreichend um<br />

die Lehrergesundheit, von selbst.<br />

So wird Schule schlechter. Die Stunde muss weg.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

Dr. Wolfgang Scholz, Hannover<br />

sch@ebs-hannover.de


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 12 / 20


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 13 / 20


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 14 / 20


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 15 / 20<br />

Michael Höntsch schrieb <strong>am</strong> 16.11.2013 21:49:<br />

Lieber Herr Scholz.<br />

Danke für die Mail! vor allen Dingen aber auch für Ihren freundlichen Ton. Wir hatten es so<br />

besprochen, dass mein Kollege Poppe antwortet.<br />

Ich persönlich habe bereits viele Briefe und Emails persönlich beantwortet, unzählige Einzeltermine<br />

absolviert und Personalräte beispielsweise im KWR und in der Wilhelm-Raabe-<br />

Schule besucht. Am Mittwoch saß ich alleine dem ges<strong>am</strong>ten Kollegium der Lutherschule<br />

gegenüber.<br />

Ich war bis Januar Gymnasiallehrer (im Angestelltenverhältnis) an der Ricarda-Huch-Schule.<br />

Mir sind die Belastungen bekannt! ich leugne sie nicht, rede mich auch nicht heraus o-<br />

der verweise auf andere Bundesländer, seien Sie dessen versichert.<br />

Angenehm sind diese Termine nicht! man muss sich schon mal als Betrüger und Lügner<br />

bezeichnen lassen, da treten mitunter lautstarke Befürworter vom Klassenfahrtboykott auf<br />

und ich möchte dem Kollegen zurufen, &quot; wie weit entlastet dich das jetzt? Du bist<br />

doch nie mitgefahren?&quot; Sicherlich ein Einzelfall?!<br />

Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles im Moment nicht. Aber es kann im Ernst niemand<br />

von mir und auch nicht vom Kollegen Poppe erwarten, dass wir im Dezember Mc Allister<br />

eine neue Mehrheit verschaffen.<br />

Was Sie allerdings von mir erwarten und verlangen dürfen, ist, dass ich mich in 2014 intensiv<br />

für Entlastungen, für eine Alterszeitregelung und für die Lehrergesundheit einsetze.<br />

Herzlichen Gruß<br />

Michael Höntsch<br />

Abgeordnetenbüro Michael Höntsch MdL<br />

Kurt-Schumacher-Haus Odeonstr. 15/16 - 30159 Hannover<br />

Telefon: 0511/1674-305 Fax: 0511/1674-343<br />

landtag@michael-hoentsch.de


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 16 / 20<br />

An Herrn Poppe, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion<br />

Sehr geehrter Herr Poppe,<br />

Hannover, den 16.11.2013<br />

herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meinen offenen Brief an die Abgeordneten der<br />

SPD-Landtagsfraktion.<br />

Dies erlaubt mir ausführlich argumentierend zu antworten – und ich nehme an, ein solches<br />

Umgehen miteinander bei strittigen Fragen hätten wir uns beide für die politische Kultur im Lande<br />

von Anfang an gewünscht.<br />

Der Übersicht halber werde ich versuchen, chronologisch auf Ihren Brief zu antworten.<br />

Sie weisen eingangs ganz zu Recht auf die „Graus<strong>am</strong>keiten“ der früheren Landesregierungen hin,<br />

eben darauf wurde in vielen mir vorliegenden Stellungnahmen von Kollegien und<br />

Elternvertretungen und auch in meinem Brief an Sie explizit aufzählend hingewiesen. Nur ziehen<br />

Sie daraus eine andere Schlussfolgerung. Um es klar zu sagen: Es geht den Kolleginnen, Kollegen<br />

und Elternschaften nicht (cum grano salis) um eine Frontstellung SPD/Grüne contra CDU/FDP.<br />

Sondern eben weil es einen langen Vorlauf gab, (in Ihren Worten: „Wegfall Weihnachts- und<br />

Urlaubsgeld, die Bürokratisierung der vergangenen zehn Jahre, Streichung von Entlastungsstunden<br />

u.a.m.)“, ist über die Jahre hinweg ein zunehmend unerträglicher Belastungsrahmen wachsen<br />

gelassen worden, der unseren Bildungsauftrag auf ein kaum mehr als notdürftiges Kerngeschäft<br />

zurückdrängt. Uns geht es, dies sei betont, derzeit nicht um das in den letzten 15 Jahren hoffentlich<br />

zum Gemeinwohl erfolgte (Ein-)Streichen von Sonderzahlungen und anderen<br />

Einkommenseinschnitten, wie das Ihre oben zitierte Aufzählung in ihrer Gewichtung signalisiert.<br />

Nein, es geht um das Ergebnis einer Folgekette von Verschlechterungen der Rahmenbedingungen<br />

unserer Arbeit, was in der Summe unseren umfassenden Bildungsauftrag unterläuft, da es Schule<br />

schlechter macht: Schlechter angesichts der Herausforderungen, die sich vor allem auch durch die<br />

allseits bekannten gesellschaftlichen Veränderungen für Schüler, Schule, Eltern allgemein ergeben<br />

und schlechter auch angesichts der Herausforderungen, die sich speziell für das Gymnasium durch<br />

dessen sehr begrüßenswerte Öffnung für breite Bevölkerungskreise stellen. Das lässt sich nicht mit<br />

Index-Prozenten der statistischen Versorgung bemänteln. Ich unterstelle, dass Sie mit mir den<br />

politischen Anspruch teilen, den Gesprächspartner ernst zu nehmen und Finanzentscheidungen<br />

basiert auf einer Kenntnis der Sachlage vor Ort zu treffen. Denn:<br />

In eine bereits zugespitzte Belastungslage – und da ist es für die Qualität von Schule sehr egal, wer<br />

die Belastung schon vorher bis an den Rand betrieben hat – in eine solche Situation hinein<br />

Lehrerinnen und Lehrern die Altersermäßigung nicht zu gewähren und obendrein speziell für das<br />

Gymnasium die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen, das kann man nur verantworten, wenn man<br />

unsere Darstellung der Lüge zeiht oder wenn man Bildung, und speziell dort den sozialen Ausgleich<br />

und die Durchlässigkeit nicht ernst nimmt.<br />

D<strong>am</strong>it und über die im Kultusausschuss neulich gefallene und von Ihnen dabei unwidersprochene<br />

Aussage, dass sogar mehr Geld durch die geplanten Lehrerbelastungen eingespart werde, als aktuell<br />

in den Haushalt einfließe, werden, entgegen Ihrer Darstellung, sehr wohl „zur Finanzierung der<br />

Wahlversprechen (…) Lehrkräfte herangezogen.“ Es geht also nicht um ‚normale’ Umschichtung<br />

im Landeshaushalt, „die jeden mal trifft“. Die nötige „Konsolidierung des Landeshaushalts“ gehe,<br />

so schreiben Sie „zwangsläufig mit der Umverteilung von Mitteln einher.“ Das klingt nach<br />

finanzpolitischer Beliebigkeit; denn wieso es speziell die Gymnasiallehrer treffen soll, wird von<br />

Ihnen nicht erklärt. Da schimmert dann doch das übliche, Bild- und St<strong>am</strong>mtisch-affine Vorurteil<br />

gegenüber Lehrern sowieso und besonders den verdächtig intellektuellen Gymnasiallehrern durch.<br />

Dass die Kultusministerin mit „die Stundenerhöhung ist zumutbar“ auf solchem Niveau wiederholt<br />

uns geantwortet hat, das werden Sie als Germanist nicht abstreiten wollen.<br />

Und auch Sie selbst wiesen in Ihrer Antwort auf meinen Brief noch immer rechtfertigend auf die<br />

„geringere Unterrichtsstundenverpflichtung“ der Gymnasiallehrer hin. Dass solcher Maßstab für


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 17 / 20<br />

unsere Arbeitsbelastung, auch übrigens gegenüber anderen Bundesländern, nicht seriös ist, weil da<br />

andere Faktoren im Vergleich mitspielen und maßgeblich sind, wissen Sie als Exkollege,<br />

wiederholen das aber trotzdem. Hatten Sie nicht eingangs Ihres Briefes auf „Argumente Ihrer<br />

Gegenseite einzugehen“ gefordert? (Sicher haben Sie ebenfalls die einschlägigen Leserbriefe dazu<br />

in der HAZ vom 14.11.13, S.20, gelesen, so dass sich eine Vertiefung dieses Punktes hier erübrigt.)<br />

Weder die Kultusministerin, noch Sie, noch die Ihre Kollegen bei den Podiumsdiskussionen haben<br />

die klare Frage beantwortet, was Gymnasiallehrer an Arbeit fallen oder schleifen lassen sollen, falls<br />

die Unterrichtsverpflichtung erhöht wird. Uns fällt auch nichts ein.<br />

Hier schreibt übrigens ein langjähriger, nicht mehr ganz junger SPD-Wähler, der ohne die Politik<br />

der „Bildungspartei“ SPD in den 60er/70er Jahren wahrscheinlich keine Uni von innen oder gar<br />

einen entsprechenden Abschluss gesehen hätte. Diese Tradition darf gerade die SPD nicht mit<br />

Füßen treten.<br />

Lehrer sind sich bewusst:<br />

Ihr Berufsfeld fordert zunehmend die hochqualifizierte „Eierlegende Wollmilchsau“.<br />

Lehrer wollen (cum grano salis) gerne die „Eierlegende Wollmilchsau“ sein.<br />

Aber: Gleichzeitig die Arbeitsbelastung zu erhöhen, während gesellschaftlich/technische, der<br />

Bildung abträgliche Rahmenbedingungen sich verschärfen (Stichwort für das Gymnasium: stark<br />

anwachsende Fälle von psychischem Elend/sozialer Verwahrlosung auf oft hohem materiellen<br />

Niveau), das heißt Lehrern ihre Handlungsmöglichkeit aus der Hand zu schlagen oder zynisch<br />

darauf zu warten, dass diese pflichtschuldigst frühzeitig ausbrennen, für die Versorgungsstatistik<br />

des MK aber bis dahin unauffällig bleiben.<br />

Sie selbst waren Schulpraktiker, zuletzt Gymnasialdirektor. Es müsste doch zu denken geben, wenn<br />

jetzt die Gymnasial-Direktoren hannöverscher Gymnasien einen kritischen Brief an Herrn Weil<br />

richteten, in ausdrücklicher Solidarität mit den Forderungen der um Bildungsqualität<br />

aufbegehrenden Kollegien und der Elternschaften. Nochmals – es geht nicht um Parteipolitik<br />

sondern um eine verantwortbaren Bildungssituation an Schulen.<br />

Sie bitten mich in Ihrem Schreiben, die geplanten Maßnahmen der Landesregierung „in einen<br />

Ges<strong>am</strong>tzus<strong>am</strong>menhang einzuordnen“. Gerne das. Ihr Progr<strong>am</strong>m „Zukunftsoffene Bildung – Mehr<br />

Qualität für eine gute Bildung unserer Kinder“ setzt, wie Sie ausführen, zu Recht auf die<br />

frühkindliche Erziehung und nötige Verbesserungen im Ganztagsschulbereich. Wieso gleichzeitig<br />

<strong>am</strong> Gymnasium die Grenzen des verantwortlich noch Leistbaren missachtet werden sollen und<br />

dürfen – auf Kosten von a) Bildungsanspruch der Kinder und b) Gesundheit der Beschäftigten – ist<br />

eine Frage, die sich nicht so einfach mit dem Hinweis auf einzusparendes Geld erledigen lässt.<br />

Über Jahre hinweg sind Lehrer, Ihrer sozialen Verantwortung bewusst, ziemlich stillschweigend<br />

angesichts diverser Zusatzbelastungen, in Vorleistung getreten.<br />

Die Ihnen nicht entgangene breite Empörung über jetzt erneut geplante, gezielte Anschläge auf eine<br />

Rahmensituation fußt eben darauf. Das gesellschaftswichtige Grundrecht auf Bildung, spezifisch<br />

<strong>am</strong> Gymnasium, darf nicht zur Farce werden.<br />

Auf Folgendes sind Sie in diesem Bezug noch nicht eingegangen, so muss ich es ausgerechnet für<br />

den kultuspolitischen Sprecher der SPD wiederholen: Die EU mahnt mehr Bildungsgerechtigkeit in<br />

Deutschland an. Gerade die Aufsteiger- und Migrationshintergrundskinder fallen jetzt <strong>am</strong><br />

Gymnasium in den Eingangsklassen und gegen das Abitur hin weiter gegenüber denen zurück, die<br />

zu Hause Bildungsunterstützung erfahren können - mehr noch, wenn ihren Lehrern weitere Zeit<br />

(=Stundenerhöhung) und Luft(=Altersermäßigung) genommen wird.<br />

Zwei Dinge noch:<br />

1)Dass Geld in Fortbildung fließen soll, ist begrüßenswert, bedeutet jedoch ohne flankierende<br />

effektive Entlastungen dafür Mehrarbeit für Menschen in einer bereits überlastenden Situation.


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 18 / 20<br />

2)Dass einige Schulpsychologen neu eingestellt werden, ist begrüßenswert, bleibt aber für die<br />

Fallrelation bloße Symbolpolitik. Die ausgebildeten Beratungslehrer, die ständig vor Ort in den<br />

Schulen arbeiten, sie brauchen neue Kollegen und im Kollegium mehr Zeit, um das Kollegium<br />

bedarfsgerecht zu unterstützen. Und der Bedarf ist erschreckend groß. Das werden Sie wissen. Der<br />

Stundenanteil der Beratungslehrer für ihre Beratungstätigkeit wurde übrigens in Niedersachsen von<br />

zunächst 7 Stunden auf 5 und schließlich auf 3 Stunden ab 2004 zurückgeschnitten; vermutlich weil<br />

die gewandelten Lebenswelt-, Sozial- und F<strong>am</strong>ilienstrukturen, in denen unsere Schülerschaften<br />

aufwachsen, weniger Zuwendungs- und Konfliktlösungsbedarf generieren.<br />

Sehr geehrter Herr Poppe, <strong>am</strong> 28.8.2013 äußerten Sie in einer Rede zur Schulpolitik im Landtag:<br />

„Wir wollen zeigen, dass sich eine Balance von Leistung und Gerechtigkeit erreichen lässt.“<br />

Bitte handeln und entscheiden Sie danach. Die Haushaltsplanung der Landesregierung ist dabei,<br />

sowohl Leistung als auch Gerechtigkeit insbesondere für das Gymnasium abzusenken; solche<br />

„Balance“ werden Sie nicht verantworten wollen.<br />

Ein Letztes:<br />

Ich habe großes Verständnis für die psychologische und politische Schwierigkeit, einen mühs<strong>am</strong><br />

erarbeiteten Haushaltsentwurf zu revidieren bzw. zu modifizieren. Finanzpolitik geht manchmal<br />

ohne Kenntnis der Kausalitäten vonstatten. Ihre Parteikollegin und Ihr Parteikollege (ebenso wie die<br />

Grünen), die sich dankenswerterweise den Podiumsdiskussionen in Hannovers Goethe- und<br />

Bismarckschule stellten, erwiesen sich – neutrale Beobachter werden es Ihnen bestätigen - bei<br />

beiden Terminen als für alle im Saal erkennbar unsachkundig, was die Belastungs- und<br />

Arbeitssituation <strong>am</strong> Gymnasium betrifft.<br />

Es schändet nicht, eine besten Wissens und Gewissens vielleicht etwas leichtfertig getroffene<br />

Entscheidung zu revidieren, im Gegenteil – und es schmückt eine erwachsen gewordene<br />

Demokratie. Und es trägt weiter.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Dr. Wolfgang Scholz<br />

im Personalrat der Elsa-Brändström-Schule Hannover<br />

sch@ebs-hannover.de


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 19 / 20<br />

Sehr geehrter Herr Höntsch,<br />

17.11.2013<br />

Dank für Ihr Schreiben vom 16.11.13,<br />

einen gepflegten Umgangston in der Sachauseinandersetzung wissen wir also beide zu schätzen –<br />

und das ist gut so.<br />

Allerdings darf uns das nicht abhalten, schon aus Selbstachtung nicht, in der Sache präzise und in<br />

der Sachlogik konsequent aufeinander einzugehen.<br />

Wenn Sie im Anschluss an den Hinweis auf - auch von mir zu verurteilende – persönliche Angriffe<br />

Verständnis heischend übergangslos ausführen: „Aber es kann im Ernst niemand von mir und auch<br />

nicht vom Kollegen Poppe erwarten, dass wir im Dezember Mc Allister eine neue Mehrheit<br />

verschaffen“, so geht dies mit keinem Wort auf die Argumentation meines Briefes ein. Das geht<br />

nun auch nicht.<br />

Ich gehe auf Ihre Aussage ein: Es geht uns durchaus nicht – dies scheint mir eine betriebsfixe Idee<br />

im Zirkus des Machterhalts zu sein – darum, die derzeitige Regierung zu stürzen. Darum geht es<br />

nicht.<br />

Es geht darum, eine in Jahren durch das ähnlich gerichtete Tun diverser Landesregierungen peu a<br />

peu an und über ihre Grenzen ausgereizte Arbeitsbelastung der Lehrer nicht einfach, „weil im<br />

Haushalt Geld fehlt“, verantwortungslos und indolent gegenüber Qualitäts- sowohl als auch<br />

gegenüber Gesundheitsfragen noch weiter zu steigern; - sei es kaltlächelnd, sei’s unter<br />

bundesligareifen Entschuldigungen gegenüber den Gefoulten.<br />

Die neue Landesregierung meint vor solchem Hintergrund sich erlauben zu können, den<br />

Arbeitsdruck mit einer populistisch kalkulierten Extrabelastung spezifisch für die Gymnasiallehrer<br />

nochmals zu steigern; für diejenigen, die bei ihrer fachlichen Arbeit in den letzten Jahren<br />

ausgebremst wurden und die obendrein bezüglich ihrer zunehmend anfallenden, umfassenden<br />

sozialpädagogischen Arbeitserfordernisse immer mehr eingeschnürt sind.<br />

Die Stunde muss weg. Da reichen kosmetische „Entlastungsstunden“ nicht. Das müssten Sie als<br />

ehemaliger Praktiker wissen. Das können Sie nicht verantworten. Das geht nicht an. Ich bitte Sie,<br />

meinen Brief noch einmal sorgfältig reflektierend im Detail zu lesen.<br />

Wir wissen, dass vorab geplant war, bei allzu lautem Unmut das Vorenthalten der<br />

Altersermäßigung als Verhandlungsmasse einzusetzen. Plus evtl. ein paar kosmetische<br />

Entlastungsstunden <strong>am</strong> Gymnasium. Das reicht nicht mehr. Um deutlicher zu werden: Das reicht<br />

jetzt nicht mehr. Verspielt. Jetzt wird argumentiert. Auch die Stunde muss weg.<br />

Es geht darum, den Haushalt umzubauen/umzuschichten, so dass Wünschenswertes nicht mit<br />

Ungerechtigkeit und bildungsbezogener sowohl als auch gesundheitlicher Verschlechterung an<br />

anderer Stelle – nein bei ca. 40 Prozent der Landesschüler- und Lehrerschaft erkauft, nein, erstohlen<br />

wird.<br />

Dafür muss die Regierung nicht zurücktreten, aber dafür muss die Regierung geradestehen und das<br />

heißt auch etwas geradezurücken, was vor der eigenen intellektuellen Ehrlichkeit keinen Bestand<br />

hat.<br />

Das ist von Politik zu verlangen und das verlangen wir– egal, wer da gerade regiert. Dafür werden<br />

Abgeordnete gewählt. Und nicht für ein koalitionspolitisches Kalkül, das über intellektuelle<br />

Leichen geht.<br />

Noch einmal. Bitte stellen Sie sich unseren Argumenten.<br />

Eins noch. Sie werden so nicht durchkommen. Wir sind viele.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

Dr. Wolfgang Scholz<br />

Im Personalrat der Elsa-Brändström-Schule Hannover


<strong>Schriftwechsel</strong> zwischen Schulen und Politik Seite 20 / 20<br />

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