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August - Euroregion Elbe/Labe

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zufolge 200.000 bis 300.000 Roma, mehrheitlich in äußerst schwierigen wirtschaftlichen<br />

und sozialen Verhältnissen.<br />

Frau Tiefenbacher, waren die in Krawallen gipfelnden Demonstrationen spontan oder<br />

organisiert?<br />

Organisiert. Es wurde in etlichen Orten gleichzeitig demonstriert, so dass die Polizei ihre<br />

Kräfte nicht konzentrieren konnte. Als Hauptorganisator muss die rechtsextreme<br />

Arbeiterpartei gelten.<br />

Expertin für Roma-Migration<br />

Barbara Tiefenbacher, 29, forscht an der Universität Wien<br />

über Tschechien und die Slowakei. Sie hat in Prag am Institut für<br />

Geschichte, Sprache und Kultur der Roma studiert und 2007/08<br />

in einer ostslowakischen Roma-Siedlung unterrichtet.<br />

Am Wiener Institut für Soziologie arbeitet sie an einer<br />

Dissertation über die Wanderungsbewegungen von Roma.<br />

Gemeinsam mit zwei anderen Autoren veröffentlichte sie in diesem Jahr das Buch „Die<br />

imaginierte ‚Bettlerflut‘“, das die Berichterstattung von Medien in der österreichischen<br />

Steiermark über die Migration von Roma kritisch analysierte.<br />

Wie reagiert die Mehrheitsbevölkerung in Tschechien?<br />

Die Grundstimmung gegenüber den Roma ist ausgesprochen schlecht. Ein großer Teil der<br />

Bevölkerung schimpft über sie inzwischen so gewohnheitsmäßig wie über das Wetter. Es<br />

gilt als ausgemacht, dass die Roma das Sozialsystem ausnützen. Ein beliebter Mythos ist,<br />

Roma bekämen mehr Sozialhilfe als Nicht-Roma, was natürlich nicht stimmt. Dementis<br />

aus dem Ministerium verhallen ungehört.<br />

Das heißt, dass die Extremisten mit ihren Provokationen durchaus auf Sympathie stoßen?<br />

Ja. Im Juli ist es in Budweis sogar zu einem spontanen Krawall gekommen, der sich aus<br />

einem Sandkastenstreit entwickelt hat. Zwei kleine Kinder haben sich gestritten, die<br />

Mütter haben sich eingemischt, und am Ende standen Tschechen gegen Roma.<br />

War die Stimmung immer schon so angespannt?<br />

Latent ist sie schon lange vorhanden, aber so radikalisiert hat die Stimmung sich erst in<br />

den letzten Jahren, mit der Wirtschaftskrise. In Ostrava, einem der Brennpunkte, lag die<br />

Arbeitslosigkeit im Juni bereits bei 10 Prozent. Einige Firmen haben angekündigt, bis<br />

Jahresende weitere Tausende Arbeitskräfte zu entlassen. Es gibt in Tschechien kaum<br />

einen sozialen Wohnungsbau, dafür aber viele Fälle von Mietwucher.<br />

Leben Roma in Tschechien in abgeschlossenen Vierteln oder verstreut?<br />

Sowohl als auch. Es gibt Roma in allen Schichten und Berufsgruppen, auch akademisch<br />

gebildete. Die geben sich als solche aber meistens nicht zu erkennen. Sie fürchten die<br />

zahlreichen Stereotype und Vorurteile.<br />

Im böhmischen Pilsen demonstrierten am Sonnabend wie in<br />

anderen tschechischen Städten Rechtsextremisten gegen die<br />

Roma-Minderheit.<br />

Foto: Reuters/DAVID W CERNY<br />

Sind die tschechischen Roma Zuwanderer oder Alteingesessene?<br />

Die allermeisten böhmischen Roma und auch Sinti sind von den<br />

Nationalsozialisten verfolgt und im Zweiten Weltkrieg ermordet worden. Nur sehr wenige<br />

haben überlebt. Nach dem Krieg wurde die Migration staatlich gesteuert und viele Roma<br />

kamen aus der Slowakei nach Tschechien. Das hielt bis in die 90er-Jahre an. Die Roma in<br />

Tschechien sind aber tschechische Staatsbürger.<br />

Wie verhalten sich Politik und Medien gegenüber den Krawallen?<br />

Manche Medien spitzen die Lage effektvoll zu, unterlegen zum Beispiel Demo-Szenen mit<br />

dramatischer Musik. Die Politik hält sich auffallend zurück. Nur Präsident Milos Zeman hat<br />

– wie im Juli schon Außenminister Karl Schwarzenberg – die Krawalle verurteilt. Als<br />

Antwort hat er angemahnt, Arbeitsplätze zu schaffen, womit er Recht hat. Auch hat<br />

letztes Wochenende der Pilsener Bischof František Radkovský an einer Kundgebung zur<br />

Solidarität mit den Roma teilgenommen. Und es gibt in Tschechien, mehr als in Ungarn

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