August - Euroregion Elbe/Labe
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Tschechien online<br />
Verhandlungspraxis kompakt - Tschechische Republik<br />
Improvisation vor akribischer Organisation / Von Gerit Schulze, gtai<br />
Prag - Tschechien ist den Deutschen als Nachbarland geografisch sehr nah und doch<br />
sehr fremd. Die slawische Kultur und schwierige Sprache scheinen zunächst eine Hürde<br />
für einen engeren Geschäftskontakt darzustellen. Dabei sind sich Deutsche und<br />
Tschechen sehr ähnlich.<br />
Wer sich auf das Land einlässt und einige Grundregeln beachtet, wird hier sehr<br />
zuverlässige und langfristige Geschäftspartner finden.<br />
Mit Tschechien verbindet Deutschland eine ähnlich lange Außengrenze wie mit Österreich.<br />
Auf über 800 km kommen sich Böhmen, Sachsen und Bayern näher. Und doch ist das<br />
Bild vom südöstlichen Nachbarn sehr lückenhaft und häufig geprägt von Vorurteilen.<br />
Dabei spielt das Land im wirtschaftlichen Bereich eine wichtige Rolle. Mit einem Volumen<br />
von fast 65 Mrd. Euro war Tschechien 2012 der zwölftwichtigste Handelspartner der<br />
Bundesrepublik. Deutsche Unternehmen verkaufen jedes Jahr Waren für über 30 Mrd.<br />
Euro zwischen Pilsen und Ostrava.<br />
Der wirtschaftliche Austausch ist also eng, bietet aber noch immer viel Potenzial nach<br />
oben. Dafür ist es auch wichtig, die tschechischen Besonderheiten und Befindlichkeiten<br />
zu kennen, damit Geschäftsverhandlungen zum Erfolg führen. Deutschland muss sich<br />
mehr als in den zurückliegenden Jahren anstrengen, seine Position als erster<br />
Handelspartner in Tschechien zu halten. Denn Prag will die Abhängigkeit vom großen<br />
Nachbarn verringern. Und deshalb schauen tschechische Unternehmen zunehmend in<br />
andere Weltregionen, um neue Geschäftspartner zu finden.<br />
Kultureller Hintergrund<br />
Die Tschechen genießen sichtlich die Freiheit und Unabhängigkeit, die ihnen die politische<br />
Zeitenwende 1989 beschert hat. Sie beendete den lange währenden Einfluss fremder<br />
Mächte. Entsprechend kritisch begleitet das Land heute jeden Schritt, mit dem<br />
Entscheidungsgewalt nach Brüssel delegiert werden soll.<br />
Besonders bei der Skepsis gegenüber dem als Moloch empfundenen EU-Apparat wirkt die<br />
historische Erfahrung der Fremdherrschaft nach. Fast 400 Jahre lang (bis 1918) gehörten<br />
die historischen Landesteile Böhmen und Mähren zum Habsburger Reich, dessen<br />
Oberhaupt in Wien saß. Zwar konnten die Tschechen in dieser Zeit eine gewisse<br />
Eigenständigkeit bewahren, mussten unter dem Druck der fremden Kultur aber immer<br />
wieder um ihre Identität kämpfen.<br />
Diese Freiräume waren zwischen 1939 und 1945 völlig eingeschränkt, als Tschechien als<br />
"Protektorat Böhmen und Mähren" Hitlerdeutschland einverleibt war. Nach Ende des<br />
Zweiten Weltkrieges wurde das Schicksal des Landes dann vier Jahrzehnte lang<br />
weitgehend in Moskau entschieden.<br />
Diese historische Erfahrung wirkt nach und erklärt viele Verhaltensmuster der Tschechen.<br />
Das Umgehen von Normen und Vorschriften bedeutete immer ein Stück Selbstständigkeit<br />
und Unabhängigkeit. Staatliche Strukturen haben bis heute einen denkbar schlechten Ruf<br />
und werden mit Misstrauen beäugt. Von oben oder von außen vorgegebene Ziele werden<br />
zunächst angezweifelt. Vielmehr versuchen die Menschen, ihren eigenen Weg zu gehen<br />
oder zu improvisieren.<br />
Für deutsche Unternehmer und Arbeitgeber ist diese Einstellung nicht immer leicht zu<br />
akzeptieren. Denn sie bevorzugen geordnete Strukturen und Organisationen, um ihren<br />
Zielen näher zu kommen. Sie wissen aber zugleich auch den Einfallsreichtum der