rechtsberatung für unternehmen - Wirtschaftszeitung
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WIRTSCHAFTSZEITUNG RECHTSBERATUNG FÜR UNTERNEHMEN<br />
AUGUST 2013 | SEITE 13<br />
ImmeraufderHutvordenAGG-Hoppern<br />
DasAllgemeinenGleichbehandlungsgesetz(AGG)birgtGefahrenfürArbeitgeber–Fingerspitzengefühlisthiergefragt<br />
ARBEITSRECHT<br />
VON KATHRIN SCHILLER<br />
REGENSBURG. „Ossi“ und dahinter ein<br />
Minuszeichen – diese Bemerkung<br />
prangte breit und fett und irgendwie<br />
auch ziemlich nüchtern auf den Bewerbungsunterlagen,dieeineFrauaus<br />
Baden-Württembergvoneinempotenziellen<br />
Arbeitgeber zurückerhielt. Die<br />
Frau aus der ehemaligen DDR fühlte<br />
sich als „Minus-Ossi“ diskriminiert<br />
undklagtemitBerufungaufdasAllgemeine<br />
Gleichbehandlungsgesetz<br />
(AGG) vor dem Arbeitsgericht Stuttgart.<br />
Der Fall, der letztendlich mit einem<br />
Vergleich endete, sorgte bundesweit<br />
für großes Aufsehen, nicht zuletzt,<br />
weil er ein abschreckendes Beispiel<br />
für den groben Schnitzer einer<br />
Personalabteilungdarstellt.<br />
AGG-Hopper suchen gezielt Fehler<br />
Solche Extremfälle sind nicht an der<br />
Tagesordnung, doch auch mit zunächst<br />
neutral erscheinenden Bemerkungen,<br />
etwa in Stellenzeigen, tun<br />
sich manche Unternehmen schwer.<br />
Vorallem,weildasAGGauchoftSituationen<br />
beträfe, in denen eine Diskriminierung<br />
nicht auf den ersten Blick<br />
ersichtlich sei, wie Dr. Ronald Hofmann,<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
vonderRegensburgerKanzleiDr.Hofmann,Huesmann&Sodan,betont.<br />
So seien beispielsweise schon die<br />
Festlegung bestimmter Altersbegrenzungen<br />
für potenzielle Bewerber oder<br />
die Suche nach „jungen und dynamischen<br />
Mitarbeitern“, „körperlich uneingeschränkt<br />
leistungsfähigen“ Personen<br />
oder nach einer Person mit<br />
„Deutsch als Muttersprache“ sehr problematisch,<br />
meint der Experte. Ferner<br />
sollte auch nicht vergessen werden,<br />
dass Stellenanzeigen immer geschlechtsneutral<br />
gestaltet werden<br />
müssen, um eine Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts zu vermeiden.<br />
Auch eine öffentliche Äußerung<br />
des Arbeitgebers dahingehend, dass er<br />
keine Ausländer einstellen werde, die<br />
nicht einmal zwingend im Zusammenhang<br />
mit einem Bewerbungsverfahren<br />
stehen müssten, könnten ein<br />
Indiz für eine Diskriminierung darstellen.<br />
„Ferner können selbst RegelungeninTarifverträgenimLichtedes<br />
AGG problematisch sein und schwerwiegende<br />
Konsequenzen für den Unternehmer<br />
nach sich ziehen. So kann<br />
es bei einer nach dem Alter der Mitarbeiter<br />
gestaffelten Regelung zur Zahl<br />
der Urlaubstag im Tarif- oder Arbeitsvertrag<br />
durchaus dazu kommen, dass<br />
der geringere Urlaubsanspruch der<br />
jüngerenArbeitnehmernachobenanzupassenist.“<br />
Benachteiligung aufgrund des Geschlechts,<br />
der ethnischen Herkunft<br />
und Rasse, der Religion und Weltanschauung,<br />
einer Behinderung, des Alters<br />
oder der sexuellen Identität – davorsolldasAllgemeineGleichbehandlungsgesetz<br />
(AGG) schützen, das umgangssprachlich<br />
auch als Antidiskriminierungsgesetz<br />
bezeichnet wird,<br />
und dessen Einführung im Jahr 2006<br />
die Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien<br />
darstellte. Die Befürchtung damals,<br />
dass es mit dem AGG zu massivenKlagewellenvongescheitertenBewerbern<br />
gegen Unternehmen kommenkönnte,habesichnichtbestätigt,<br />
meint Hofmann, „zumindest nicht in<br />
dem ursprünglich befürchteten Umfang.“<br />
Eine ganz spezielle Sorte Bewerber<br />
hat sich jedoch entwickelt: die sogenannten<br />
AGG-Hopper. „Bei diesen<br />
handelt essichum Personen, dienach<br />
AuchbeiBewerbungsgesprächenistZurückhaltunggeboten.<br />
diskriminierenden Stellenangeboten<br />
suchen, sich darauf bewerben, ohne<br />
aber ernsthaft an einer Einstellung interessiertzuseinunddenenesvorrangig<br />
um die Erlangung des immateriellenSchadenersatzesvombetreffenden<br />
Unternehmen geht. Davon bestreiten<br />
diesequasiihrenLebensunterhalt.“<br />
UnternehmenkönntendieAnsprüche<br />
solcher Personen nur abwehren,<br />
wenn sie beweisen könnten, dass die<br />
Bewerbung dieser Personen nicht<br />
ernsthaft gewesen sei oder aber, dass<br />
der Einstellungsprozess trotz vorhandenerDiskriminierungsdefizitefehlerfreiverlaufensei.BeidesseiimProzess<br />
jedochschwierig,meintHofmann.<br />
Auch Profis machen hier Fehler,<br />
wie etwa der Fall einer Personalvermittlungsfirma<br />
zeigt, die auf der Suche<br />
nach einem Geschäftsführer für<br />
ein mittelständisches Unternehmen<br />
vergaß,dasStellenangebotzugendern,<br />
und prompt einer AGG-Hopperin ins<br />
Netz ging, der sie dann die üblichen<br />
drei Monatsgehälter Entschädigung<br />
bezahlenmusste.<br />
GenaueProtokollierung ist wichtig<br />
Wegen der vielen Gefahren und der<br />
Unsicherheiten – es gibt bisher vor allem<br />
Einzelfallentscheidungen – rät<br />
Hofmann dazu, immer die unzulässigen<br />
Kriterien im Auge zu behalten sowie<br />
möglichst auf unnötige Ausschmückungen<br />
in Anzeigen und auf<br />
Foto:dpa<br />
unnötige Fragen in Vorstellungsgesprächen<br />
zu verzichten. „Auch kann<br />
man generell davon abraten, Absagen<br />
an Bewerber in irgendeiner Art zu begründen.Diesistnichtnotwendigund<br />
birgt nur weitere potenzielle Fehlerquellen.“<br />
Zudem sei die genaue Protokollierung<br />
und Archivierung des Bewerbungsprozesseswichtig,umspäter<br />
leichter nachweisen zu können, dass<br />
keine Diskriminierung stattgefunden<br />
hat.„LetztlichsolltedasUnternehmen<br />
auch die ausdrücklich im AGG normierte<br />
Pflicht zur Ergreifung geeigneter<br />
Maßnahmen zur Verhinderung<br />
von Ungleichbehandlungen wie etwa<br />
Schulungen nutzen, um auf aktuelle<br />
Entwicklungenreagierenzukönnen.“<br />
Esgilt,dieUnterschiedezubeachten<br />
„WirtschaftlichabhängigeSelbstständige“sindkeine„normalenSelbstständigen“<br />
PASSAU.SelbstständigesindkeineArbeitnehmer<br />
und Arbeitnehmer sind<br />
keine Selbstständigen. Das liegt auf<br />
der Hand. Aber was sind sogenannte<br />
„wirtschaftlich abhängige Selbstständige“?<br />
Ein Zwischending? Beides?<br />
Professor Frank Bayreuther ist Lehrstuhlinhaber<br />
für Bürgerliches Recht<br />
und Arbeitsrecht an der Uni Passau<br />
und erklärt, was hinter diesem Fachbegriffsteckt.<br />
„Wirtschaftlich abhängige Selbstständige“<br />
sind schwer zu fassen. Von<br />
Arbeitnehmern grenzen sie sich ab,<br />
denn sie sind im Gegensatz zu ihnen<br />
wederpersönlichabhängignochweisungsgebunden.<br />
„Ich kann ihnen<br />
nicht vorschreiben, von wann bis<br />
wann sie arbeiten sollen“, erklärt<br />
Prof. Bayreuther. So unabhängig<br />
Selbstständige im juristischen Sinne<br />
sind, für „wirtschaftlich abhängige“<br />
Vertreterwiederumtrifftdasnichtim<br />
Nicht immer ist die Unterscheidung zwischen selbstständig und angestellt<br />
einfach.Es existierenauchMischformen.<br />
Foto:dpa<br />
vollen Umfang zu. „Eigentlich sind<br />
sieebendochabhängig,weilsiekeine<br />
anderenMöglichkeiten derBeschäftigung<br />
haben“, sagt der Jurist und erläutert<br />
es an einem Beispiel: Ein Service-<br />
oder Paketdienstfahrer arbeitet<br />
als Selbstständiger bei einem Unternehmen,<br />
ist also nicht angestellt. Das<br />
Kurierfahrzeug gehört ihm selbst,<br />
abererfährtnurfürdieseneinenUnternehmer.„Theoretischkönnteereine<br />
Spedition aufmachen, tut es aber<br />
nicht. Er fährt nur für dieses Unternehmen.“<br />
Weisungsgebunden ist er<br />
juristisch gesehen nicht, könnte also<br />
AufträgeoderFahrtenablehnen.<br />
Im Zusammenhang von „wirtschaftlich<br />
abhängigen Selbstständigen“<br />
fällt auch manchmal der Begriff<br />
„Wettbewerbsverbot“. Aus einem<br />
Wettbewerbsverbot folgt, dass jemandnichtfürdieKonkurrenzarbeiten<br />
darf. Ist der Betreffende ein Arbeitnehmer,<br />
ergibt sich das für die<br />
Dauer des Arbeitsvertrags bereits aus<br />
dem Arbeitsrecht selbst. „Häufig finden<br />
wir das Wettbewerbsverbot bei<br />
leitenden Angestellten, aber auch als<br />
nachvertragliches Verbot.“ Ein solches<br />
muss aber ausdrücklich vereinbart<br />
sein. Wenn ein leitender AngestellterdieFirmaverlässt,willderUnternehmer<br />
sicher gehen, dass sein<br />
ehemaliger Mitarbeiter nicht mit seinemKnow-howodergarmitKunden<br />
zur Konkurrenz wechselt. „Oft wird<br />
ein solches auch im Gesellschaftsrecht<br />
vereinbart“, weiß der Juraprofessor<br />
aus langer Berufserfahrung als<br />
Arbeitsrichter. „Scheidet ein Anwalt<br />
oder ein Arzt aus einer GbR aus, will<br />
man so verhindern, dass er zum BeispielinnerhalbdernächstendreiJahre<br />
im Ort eine eigene Kanzlei oder<br />
Praxis aufmacht und in diese Patienten<br />
oder Mandanten mitnimmt.“<br />
Auch bei wirtschaftlich Selbstständigen<br />
muss das Wettbewerbsverbot im<br />
Regelfall ausdrücklich vereinbart<br />
werden. Ist ein solches dann überhaupt<br />
rechtens? „Das lässt sich nicht<br />
pauschal beantworten“, sagt Prof.<br />
Bayreuther. „Die Bandbreite an<br />
Selbstständigen ist sehr breit. Beispielsweise<br />
spielt es eine Rolle, ob es<br />
um einen Dienst- oder Werksvertrag<br />
geht,vorallemaberauch,obderAuftraggebereinschutzwürdigesInteresse<br />
daran hat, dass sein Auftragnehmer<br />
nicht auch für Konkurrenten tätig<br />
wird.“ Bei abhängigen „Einzelkämpfern“kanneinWettbewerbsverbot<br />
dann sogar dazu führen, dass sie<br />
letztlich eben doch zum ArbeitnehmerdesAuftraggeberswerden.(xrc)<br />
EXPERTENTIPP<br />
Neinzur<br />
Vermögensteuer!<br />
MATTHIAS WINKLER<br />
SH+C-Geschäftsführer<br />
SPD, Grüne und Linke wollen im<br />
FalleinesSiegsbeiderBundestagswahl<br />
die Vermögensteuer wiedereinführenundteilszusätzlicheine<br />
einmalige Vermögensabgabe erheben.<br />
Die Steuersätze sollen bei ein<br />
bis fünf Prozent liegen, die daraus<br />
gewonnenen Mehreinnahmen<br />
zum Abbau sozialer Ungerechtigkeiten<br />
dienen. Experten bezweifeln,<br />
ob mit einer Vermögensteuer<br />
tatsächlich jährliche MehreinnahmeninzweistelligerMilliardenhöheerzieltwerdenkönnen.<br />
„Eine Vermögensteuer verschlechtert<br />
die Investitionsbedingungen<br />
für Unternehmen nachhaltig und<br />
schafft erhebliche Anreize für Vermögens-<br />
und Wohnsitzverlagerungen<br />
ins Ausland“, sagt Diplom-FinanzwirtMatthiasWinkler,<br />
SteuerberaterundGeschäftsführer<br />
bei der Regensburger Kanzlei<br />
SH+C. Zudem würde die jährliche<br />
Feststellung und Bewertung aller<br />
Vermögenswerte in Deutschland<br />
zu massivem Verwaltungsaufwandführen.<br />
DieSteuerbelastungfürUnternehmen<br />
würde bei Umsetzung der<br />
Steuerpläne von Rot-Grün massiv<br />
Anzeige<br />
€<br />
steigen. Denn neben der Wiedereinführung<br />
der Vermögensteuer<br />
sollen laut Rot-Grün auch Erbschaft-,<br />
Körperschaft- und Einkommensteuerdeutlicherhöhtwerden.<br />
Laut Winkler gibt es in kaum einem<br />
Land parallel Erbschaft- und<br />
Vermögensteuer. „Welcher Unternehmer<br />
würde noch investieren,<br />
wenn ihm in Summe Abgeltungs-,<br />
Körperschaft-, Erbschaft- und Vermögensteuer<br />
das Vielfache seiner<br />
jährlichenErträgeabverlangen?“<br />
Der SH+C-Experte rät daher: „Hände<br />
weg von der Vermögensteuer!“<br />
AusseinerSichtsolltedieerfolgreiche<br />
Steuer- und Wirtschaftspolitik<br />
der letzten Jahre nicht gefährdet<br />
und angesichts der momentan<br />
höchsten Steuereinnahmen in der<br />
deutschen Geschichte eher über<br />
Einsparungen und Umverteilungen<br />
an anderer Stelle nachgedacht<br />
werden.<br />
SteuerberaterfürdenMittelstand<br />
Regensburg·www.shc.de