Rundbrief - Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.v.
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Ausgabe 1/2005<br />
Lasst Tanja nicht allein<br />
<strong>Rundbrief</strong><br />
Tanja Afflerbach verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund fehlerhafter Diagnostik und<br />
Behandlung in der Siegener <strong>Psychiatrie</strong> und hat deshalb Klage beim Landgericht Siegen eingereicht.<br />
Der BPE begrüßt diese Klageeinreichung und ruft dazu auf, sie als Geschädigte (und damit auch alle<br />
anderen, denen es ähnlich geht) mit den schweren gesundheitlichen Problemen nicht im Stich zu lassen.<br />
Die grundsätzliche Bedeutung dieser Klage liegt darin, dass jedes Jahr Tausende von Menschen in deutschen<br />
<strong>Psychiatrie</strong>n geschädigt werden oder zu Tode kommen. Individuelle Fehlentscheidungen wie im<br />
Fall Tanja Afflerbach gedeihen auf dem Boden eines grundsätzlich falschen Umgangs mit seelischen<br />
und sozialen Problemen in der <strong>Psychiatrie</strong>.<br />
Seit einer Medikamentenumstellung<br />
im Frühjahr 2001<br />
und dem endgültigen Absetzen<br />
von unter einer Fehldiagnose<br />
verabreichten Neuroleptika<br />
in z. T. unverantwortlichen<br />
Dosierungen im psychiatrischen<br />
Krankenhaus<br />
Siegen-Weidenau leidet Tanja<br />
Afflerbach unter extremer<br />
Lichtempfindlichkeit mit<br />
starken Nervenschmerzen am<br />
ganzen Körper. Die behandelnden<br />
Ärzte bestritten damals<br />
und auch heute jeden<br />
Zusammenhang zwischen<br />
Schmerzen und ihrer Behandlung<br />
mit Psychopharmaka.<br />
Dies hatte zur Folge,<br />
dass monatelang keine<br />
Schmerzbehandlung stattfand.<br />
Man unterstellte, die<br />
Schmerzen seien eingebildet,<br />
projiziert oder simuliert, was<br />
eine entwürdigende Odyssee<br />
durch ein gutes Dutzend Arztpraxen auslöste. Erst<br />
ein halbes Jahr später fand sich ein unvoreingenommener<br />
Arzt, der sofort eine intensive<br />
Schmerzbehandlung einleitete. Diese dauert bis<br />
heute an. Versuche, die neurologischen Ursachen<br />
in aller Konsequenz zu klären, wurden von den<br />
aufgesuchten Fachärzten abgelehnt. “Begründung”<br />
war die psychiatrische Vorgeschichte. Die<br />
Geschädigte muss jeden Tag um die Fortführung<br />
der lebensnotwendigen Schmerzbehandlung in der<br />
Zukunft bangen. Diese Situation verurteilen wir<br />
als unhaltbar und menschenunwürdig. Als Folge<br />
der Schädigung kann Tanja Afflerbach weder arbeiten<br />
noch studieren und ist auf Sozialhilfe angewiesen.<br />
Die ständigen schweren Schmerzen und<br />
die deswegen notwendigen Behandlungen<br />
bestimmen den Tagesablauf. Ein Ende der<br />
Schmerzen ist nicht in Sicht.<br />
Der <strong>Bundesverband</strong> <strong>Psychiatrie</strong>-<strong>Erfahrener</strong> be-<br />
grüßt die Klageeinreichung von<br />
Tanja Afflerbach am Landgericht<br />
Siegen. Tanja verlangt Schadensersatz<br />
und Schmerzensgeld aufgrund<br />
fehlerhafter Diagnostik und<br />
Behandlung in der Siegener <strong>Psychiatrie</strong>.<br />
Wir rufen dazu auf, sie<br />
als Geschädigte (und damit auch<br />
alle anderen, denen es ähnlich<br />
geht) mit den schweren gesundheitlichen<br />
Problemen nicht im<br />
Stich zu lassen!<br />
Denn leider ist die Schädigung<br />
von Tanja kein Einzelfall. Der<br />
BPE sieht die grundsätzliche Bedeutung<br />
dieser Klage darin, dass<br />
jedes Jahr Tausende von Menschen<br />
in deutschen <strong>Psychiatrie</strong>n<br />
geschädigt werden oder zu Tode<br />
kommen. Individuelle Fehlentscheidungen<br />
wie im Fall Tanja<br />
Afflerbach gedeihen auf dem Boden<br />
eines grundsätzlich falschen<br />
Umgangs mit seelischen und sozialen<br />
Problemen in der <strong>Psychiatrie</strong>:<br />
• Zwang hat im Gesundheitswesen nichts zu suchen.<br />
• Seelische und soziale Probleme sind keine<br />
körperlichen Krankheiten<br />
• Die Interessen der Pharmaindustrie sind maßgebend<br />
für die Struktur unseres<br />
Gesundheitswesens<br />
Auch in anderen Bereichen der Medizin tragen<br />
gewonnene Schadensersatzprozesse und erhöhte<br />
Versicherungsprämien zu größerer Sorgfalt der<br />
Verantwortlichen bei. Im Bereich <strong>Psychiatrie</strong> fehlen<br />
Prozesse. Das ist schade, denn es gilt die Situation<br />
von über 2.000.000 <strong>Psychiatrie</strong>-Erfahrenen<br />
zu verbessern.<br />
weitere Informationen:<br />
www.bpe-online.de/1/aktuelles.htm<br />
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