30 Jahre Osterausstellung in der Sorbischen ... - Stadt Drebkau
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<strong>Drebkau</strong> -4-<br />
Nr. 03/2013<br />
(“Bunte Ostereier aus aller Welt”) war vom 27.3. – 10.4.1983 zu<br />
sehen und sie be<strong>in</strong>haltete bereits 6<strong>30</strong> Ostereier. Diese Ausstellung<br />
besahen sich nahezu 2000 Besucher aus nah und fern und sogar<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> “Aktuellen Kamera” wurde darüber berichtet, allerd<strong>in</strong>gs<br />
ohne den Ort <strong>der</strong> Ausstellung zu nennen, was Herr Balke berechtigterweise<br />
anmerkte. Aber das än<strong>der</strong>te sich dann und so strömten<br />
die Besucher herzu. Neben den Ostereiern wurden auch sorbische<br />
Bücher, Bil<strong>der</strong> und textile österliche Exponate, gezeigt,<br />
was zur beson<strong>der</strong>en Atmosphäre <strong>der</strong> Exposition beitrug.<br />
Nach diesem Initialerfolg entschied sich Lotar Balke dazu, die<br />
Ausstellung <strong>in</strong> den folgenden <strong>Jahre</strong>n zu wie<strong>der</strong>holen – und sie<br />
wurde zur Legende! Wir <strong>Drebkau</strong>er er<strong>in</strong>nern uns noch an die Buslasten<br />
mit Gästen, an die Schlangen vor <strong>der</strong> Webstube, an Schulklassen<br />
und exotische Fremde, die die Ausstellung bewun<strong>der</strong>ten.<br />
Die Ausstellungszeit wurde bald von e<strong>in</strong>er Woche auf drei<br />
Wochen verlängert und namhafte Verzierkünstler, wie die Eheleute<br />
Tillich aus Hoyerswerda o<strong>der</strong> Helmut Kurjo aus Bluno kamen als<br />
Experten und erfreuten sich an <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Muster und Farben.<br />
Die Ausstellung war etwa gleichzusetzen mit e<strong>in</strong>er Fachmesse<br />
des Eierverzierens. Denn diesen Kommerz um das Osterei, wie<br />
wir ihn heute kennen – Märkte, Wettbewerbe, Kataloge, Bücher<br />
usw. gab es zu dieser Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR nicht.<br />
Und die Ausstellung war genu<strong>in</strong>, sie strahlte durch und durch<br />
Echtheit aus. Der Besucher tauchte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Welt e<strong>in</strong>,<br />
dicht an dicht lagen die Exponate, es war eng aber gemütlich,<br />
man konnte Fragen stellen, sich die Geschichte e<strong>in</strong>es jeden Eis<br />
erzählen lassen, die Techniken, die Regionen und traditionellen<br />
Bedeutungen erfahren und manchmal sogar dem Meister selbst<br />
beim Verzieren zusehen. Denn Lotar Balke beherrschte alle vier<br />
Techniken des Ostereierverzierens sehr sehr gut. Man g<strong>in</strong>g bereichert<br />
aus <strong>der</strong> Ausstellung, sie hatte e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlassen.<br />
Aber Lotar Balke lag es noch an etwas an<strong>der</strong>em. Mit dieser<br />
Ausstellung gab er e<strong>in</strong>fachen Menschen mit großem Talent<br />
und künstlerischem Können e<strong>in</strong> Forum, wo sie gesehen und<br />
geehrt wurden. Er gab ihnen e<strong>in</strong>en Platz und machte die<br />
Schönheit ihrer Werke <strong>der</strong> Öffentlichkeit zugänglich. Er stärkte ihr<br />
Selbstbewusstse<strong>in</strong> und ihre Identität und überzeugte gleichzeitig<br />
viele Menschen von dem Wert <strong>der</strong> sorbischen Volkskultur.<br />
Sorbische Wurzeln und Lebensweg<br />
In se<strong>in</strong>er Eröffnungsrede zur ersten Ausstellung wies Lotar Balke<br />
auf den 35. <strong>Jahre</strong>stag <strong>der</strong> Verabschiedung des “Gesetzes zur<br />
Wahrung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> sorbischen Bevölkerung” am 23. März<br />
1948 im Sächsischen Landtag h<strong>in</strong> (NC, 13/1983). Und ich glaube<br />
nicht, dass das irgende<strong>in</strong>e Propaganda war, ne<strong>in</strong>, Lotar Balke,<br />
bekannte sich zum <strong>Sorbischen</strong> und setzte mit diesem Satz<br />
bewusst nationale Akzente.<br />
Beide, Lotar Balke und se<strong>in</strong>e Frau Anni, hatten wendische<br />
Wurzeln. Ihre Großmütter trugen noch die wendische Tracht und<br />
konnten sogar noch e<strong>in</strong> wenig Wendisch reden. Ostereier bemalt<br />
wurden <strong>in</strong> beiden Häusern und Relikte <strong>der</strong> <strong>Jahre</strong>sbräuche wurden<br />
sowohl <strong>in</strong> Neupetersha<strong>in</strong> als auch <strong>in</strong> Graifenha<strong>in</strong> begangen.<br />
Lotar Balke, <strong>in</strong> jüngeren <strong>Jahre</strong>n tätig im Bergbau, begann sich –<br />
sicher durch die Erfahrung des Heimatverlustes und <strong>der</strong> Assimilation<br />
<strong>der</strong> wendischen Bevölkerung – für die Heimatkultur zu <strong>in</strong>teressieren:<br />
er lernte, studierte, las, dachte nach, fotografierte, sah<br />
sich alles genau an, sprach mit Menschen und bemerkte, dass er<br />
wichtigen Prozessen auf <strong>der</strong> Spur war, nämlich sozialgeschichtlichen<br />
und soziologischen. Zunächst war es nur e<strong>in</strong> Hobby, doch<br />
je mehr Lotar Balke se<strong>in</strong> Wissen vertiefte, desto mehr fesselten<br />
ihn die Zusammenhänge und aus dem Interesse wurde Beruf und<br />
Berufung.<br />
In se<strong>in</strong>em ersten Fernstudium für Archivwesen lernte er sorgfältig<br />
zu dokumentieren. Nebenbei – noch <strong>in</strong> Graifenha<strong>in</strong> – gründete er<br />
e<strong>in</strong>e wendische Tanzgruppe, denn Lotar Balke war auch musikalisch<br />
begabt und tanzte selber gern. Das zweite Fernstudium galt<br />
auch noch dem Bergbau, aber als er Kurse <strong>in</strong> künstlerischer<br />
Textilgestaltung belegte, verstand er, dass dies se<strong>in</strong> eigentliches<br />
Zuhause war. Und nun g<strong>in</strong>g alles relativ schnell. Unter dem<br />
E<strong>in</strong>fluss des sorbischen Ethnographen Prof. Dr. Pawoł Nedo<br />
bewarb er sich an <strong>der</strong> Humboldt Universität <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />
Fernstudium im Fach Ethnographie und schuf damit die<br />
Grundlage für se<strong>in</strong>e wissenschaftliche Arbeit.<br />
Aus <strong>der</strong> zunächst externen Tätigkeit als Mitarbeiter des Instituts<br />
für sorbische Volksforschung, heute Sorbisches Institut e.V. wurde<br />
1969 die Anstellung als Forscher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abteilung für Volkskunde.<br />
Se<strong>in</strong> Forschungsgebiet waren vorrangig die wendischen<br />
Volkstrachten, wie schon vorher erwähnt. Aber Lotar Balke erweiterte<br />
se<strong>in</strong>en Horizont noch mehr. 1992 promovierte er <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit<br />
<strong>der</strong> Abhandlung “Bauen und Wohnen <strong>in</strong> Heide und Spreewald:<br />
vom Wandel Lausitzer Volksarchitektur im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t”. Denn<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen bildeten Kleidung, Wohnen, Bauen, Architektur,<br />
Lebensweise und Volkskunst e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit.<br />
Dr. Lotar Balke war <strong>der</strong> erste promovierte Nie<strong>der</strong>sorbe! Auch<br />
damit schrieb er Geschichte und erfüllte alle an ihn gestellten Erwartungen.<br />
Se<strong>in</strong>e Bibliographie umfasst neben den Monographien<br />
150 wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Artikel<br />
<strong>in</strong> sorbischen und deutschen Zeitschriften und Zeitungen, Medien<br />
sowie Ortschroniken.<br />
Dennoch blieb Lotar Balke immer e<strong>in</strong> bodenständiger Wissenschaftler.<br />
Trotz se<strong>in</strong>es enormen Fachwissens g<strong>in</strong>g es ihm um ke<strong>in</strong>en<br />
Eliteplatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> bürgerlichen Welt. Ne<strong>in</strong>, er blieb <strong>Drebkau</strong><br />
treu, den Menschen hier und se<strong>in</strong>er Herkunft, ja ich denke, er<br />
ruhte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Umgebung. Er brauchte sich auch nichts mehr zu<br />
beweisen; durch se<strong>in</strong>e Zielstrebigkeit, Akribie, se<strong>in</strong>en Fleiß und<br />
Willen, se<strong>in</strong>e Ausdauer, Energie und Leidenschaft, gepaart mit<br />
praktischem Geschick, hatte er den renommierten Akademikern<br />
wohl sogar e<strong>in</strong>iges voraus.<br />
Das e<strong>in</strong>zige, wor<strong>in</strong> er nicht zur Perfektion gelangte, waren die sorbischen<br />
Sprachkenntnisse, was er auch bedauerte. Hier suchte<br />
und fand er Hilfe bei Pfarrer Noack, <strong>der</strong> immer bereitwillig für ihn<br />
schrieb o<strong>der</strong> übersetzte.<br />
Für se<strong>in</strong> Lebenswerk bekam Lotar Balke folgende Auszeichnungen:<br />
1978 den Literaturpreis <strong>der</strong> Domow<strong>in</strong>a<br />
1983 die Medaille für volkskünstlerische Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR<br />
1987 die Medaille für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sorbischen Volkskunst<br />
<strong>in</strong> Gold<br />
1988 die Kurth-Barthe Medaille, das Ehrenabzeichen <strong>der</strong><br />
Domow<strong>in</strong>a, die Medaille für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
sorbischen Volkskultur<br />
1990 den Ćiš<strong>in</strong>ski Preis<br />
2001 den Domow<strong>in</strong>a Preis<br />
Seit 1951 war Lotar Balke Mitglied <strong>der</strong> Domow<strong>in</strong>a, <strong>der</strong> nationalen<br />
Organisation <strong>der</strong> Sorben. Se<strong>in</strong> wissenschaftlicher Nachlass bef<strong>in</strong>det<br />
sich im <strong>Sorbischen</strong> Kulturarchiv <strong>in</strong> Bautzen.<br />
Im Februar des <strong>Jahre</strong>s 2001 hat Lotar Balke se<strong>in</strong>e Ausstellung zur<br />
Flachsverarbeitung und im 20. Jahr <strong>der</strong> Ausstellung, im Januar<br />
2003, die Ostereiersammlung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Drebkau</strong> übergeben.<br />
Im April 2003 fand e<strong>in</strong>e Personalausstellung für ihn <strong>in</strong> <strong>Drebkau</strong><br />
statt, im November 2003 e<strong>in</strong>e Fotoausstellung im Wendischen<br />
Haus <strong>in</strong> Cottbus und <strong>in</strong>sgesamt drei Personalausstellungen im<br />
Wendischen Museum <strong>in</strong> Cottbus, davon die letzte im April 2008.<br />
Wirkung auf das heutige <strong>Drebkau</strong><br />
In <strong>der</strong> Kommunalpolitik von <strong>Drebkau</strong> hat das Wirken von Lotar<br />
Balke Spuren h<strong>in</strong>terlassen, natürlich auch dank ihrer Politiker, die<br />
das Sorbische sehr unterstützen.<br />
Von 8 Geme<strong>in</strong>den des ehemaligen Amtes <strong>Drebkau</strong> (Nie<strong>der</strong>lausitz)<br />
haben sich 7 und die <strong>Stadt</strong> <strong>Drebkau</strong> selbst zum sorbischen/wendischen<br />
Siedlungsgebiet bekannt. Laut <strong>der</strong> Hauptsatzung wird<br />
die sorbische/wendische Beschriftung schrittweise an öffentlichen<br />
Gebäuden angebracht. <strong>Drebkau</strong> gewann den 2. Platz im<br />
jüngsten Wettbewerb „Sprachenfreundliche Kommune”. Das<br />
Museum hat heute e<strong>in</strong>en För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong> und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundschule<br />
wird Sorbischunterricht erteilt. Das s<strong>in</strong>d ganz hervorragende<br />
Resultate.<br />
Sehr geehrter Bru<strong>der</strong> Balke, mit dieser Feierstunde versuchen wir,<br />
ihre großen Leistungen von etwa sechs Jahrzehnten zu würdigen.<br />
Wir bedanken uns bei Ihnen für ihr unermüdliches Schaffen und<br />
werden Ihren Namen immer <strong>in</strong> Ehren halten!<br />
Dr. Madlena Norberg<br />
Domow<strong>in</strong>a-Regionalverband Nie<strong>der</strong>lausitz e.V. - Vorsitzende<br />
16.3.2013<br />
Ausstellungsdauer: 03. März bis 14. April 2013<br />
Di—So, Ostermontag: 13.00—17.00 Uhr<br />
15. 04. bis 31.05.2013<br />
Do, Fr u. 1. Sonntag im Monat: 13.00—17.00 Uhr<br />
Am 09.05.2013 geschlossen! Telefon: 035602-22159