17.01.2014 Aufrufe

Ab 16. Oktober 2013, mittwochs im SWR ... - Südwestrundfunk

Ab 16. Oktober 2013, mittwochs im SWR ... - Südwestrundfunk

Ab 16. Oktober 2013, mittwochs im SWR ... - Südwestrundfunk

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Am besten Südwesten<br />

ab <strong>16.</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2013</strong> <strong>mittwochs</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>SWR</strong> Fernsehen<br />

<strong>SWR</strong>-Fernsehen.de/debuet


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

2


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Inhalt<br />

Vorwort Martina Zöllner 5<br />

Einführung : »Unterwegs« 6<br />

Der Fluss war einst ein Mensch 10<br />

Fliegende Fische müssen ins Meer 16<br />

Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen 22<br />

Bastard 28<br />

Der Preis 34<br />

Kurzfilme 40<br />

Übersicht Sendetermine 44<br />

3


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

4


vorwort<br />

Vorwort<br />

Auch wenn das »Debüt <strong>im</strong> Dritten« mittlerweile schon älter<br />

sein mag als so mancher Debütant, so hat es dennoch<br />

nichts von seinem besonderen Charme und seiner jugendlichen<br />

Frische eingebüßt. Dies liegt zum einen sicherlich<br />

an der kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung des<br />

Konzeptes, zum anderen in der Natur der Sache. Aus der<br />

lebendigen Zusammenarbeit mit jungen Regisseuren und<br />

Autoren entstehen <strong>im</strong>mer wieder Filme, die überraschen<br />

und begeistern.<br />

Mit dem »Debüt <strong>im</strong> Dritten« macht sich der <strong>SWR</strong> seit nunmehr<br />

28 Jahren stark für die Nachwuchsförderung. Er gibt<br />

<strong>Ab</strong>solventen der Filmhochschulen wie Quereinsteigern<br />

die Gelegenheit, ihren ersten großen Fernsehspielfilm<br />

oder Kinofilm zu realisieren und dabei ihre eigene Handschrift<br />

zu entwickeln. Für den <strong>SWR</strong> handelt es sich bei diesem<br />

Engagement um eine unverzichtbare Investition in<br />

die Zukunft, von der nicht nur der <strong>SWR</strong> und die Debütanten<br />

profitieren, sondern vor allem das Publikum.<br />

Mit unverstelltem Blick, oft erstaunlich unbeeindruckt von<br />

Mainstream-Dramaturgien gängiger Fernseh- oder Kinoware<br />

finden die jungen Macher für den Stoff, der ihnen<br />

Anliegen ist, eine ganz eigene Form.<br />

Und wenn all diesen so beglückend unterschiedlichen<br />

Stilen und Erzählweisen der »Debüts« eines gemeinsam<br />

ist, dann vielleicht dieses: Sie begnügen sich nicht damit<br />

zu erzählen, was ist, sondern leuchten aus, warum es so<br />

ist. Sie zeigen menschliches Handeln in seinen Bedingtheiten,<br />

differenziert, leise, mit wachem Blick. Und das ist<br />

auch eine besondere Qualität der Filme. Sie laden das<br />

Fernsehpublikum in diesem Sinne ein, differenzierter, genauer<br />

hinzuschauen.<br />

Großer Verdienst kommt der betreuenden Redaktion zu:<br />

Mit viel Leidenschaft und Eifer ermöglicht sie Freiräume<br />

zum Exper<strong>im</strong>entieren, steht beratend zur Seite und zeigt<br />

sich manchmal auch streng, wenn auf formale Anforderungen<br />

an Dramaturgie, Produktionstechnik und Budget<br />

geachtet werden muss.<br />

Aus der intensiven Zusammenarbeit zwischen Debütanten<br />

und Sender ergeben sich nicht selten langjährige Kontakte<br />

– und weitere gemeinsame Projekte. Einige der heute<br />

renommiertesten deutschen Filmemacher sind aus der<br />

»Talentschmiede« des <strong>SWR</strong> hervorgegangen. Das macht<br />

mich sehr stolz. Das Debüt – eine Tradition, an der wir auch<br />

zukünftig festhalten werden. Preise und Auszeichnungen<br />

auf den Festivals, Sendeplätze <strong>im</strong> Ersten, in anderen Dritten<br />

und be<strong>im</strong> jungen Sender EinsPlus sind eine schöne Bestätigung,<br />

vor allem aber die Resonanz des Publikums.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen be<strong>im</strong> aktiven Schauen<br />

neuer, bewegender Geschichten von Filmemachern, von<br />

denen wir in Zukunft hoffentlich noch viel hören werden.<br />

Martina Zöllner,<br />

Leiterin Hauptabteilung Film und Kultur <strong>SWR</strong><br />

5


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Unterwegs<br />

Der erste Film. Ein Projekt, dem junge Autoren und Regisseure<br />

so viele Gedanken, Energie, Zeit widmen werden.<br />

Mit einem Thema, bei dem sie über Jahre viele eigene Erfahrungen<br />

gesammelt haben. In einem Genre, in dem sie<br />

sich ausprobieren wollen. Oder in einem Stil, der zeigt: da<br />

soll’s langgehen für mich. In jedem Fall: ein Projekt, das all<br />

die Gedanken, Energie und Zeit wert ist, die ein erster oder<br />

zweiter Film aufsaugt.<br />

Fünf dieser Filme präsentiert die Staffel <strong>2013</strong> von Debüt<br />

<strong>im</strong> Dritten, flankiert von einem Kurzfilmprogramm. Angesichts<br />

der Devise von Debüt <strong>im</strong> Dritten, die Filmemacher<br />

ihre Handschrift entwickeln zu lassen, ist Unterschiedlichkeit<br />

Programm. Das zeigt sich auch in der diesjährigen<br />

Staffel. Die Vielfalt der Ansätze lässt sich diesmal schon an<br />

den Filmtiteln ablesen: »Der Fluss war einst ein Mensch«<br />

(Jan Zabeil) dreht sich um die Erfahrung grundsätzlicher<br />

Fremdheit und führt in die übermächtige Natur und die<br />

magische Denkweise Schwarzafrikas, die Komödie »Fliegende<br />

Fische müssen ins Meer« (Güzin Kar) erzählt von<br />

Sehnsucht und der Anerkennung von Unterschieden,<br />

»Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen« (Lars-Gunnar Lotz und<br />

Anna Maria Praßler) dagegen lässt sich in einer konzentrierten<br />

Konstellation auf das Thema Schuld und Vergebung<br />

ein. Der Titel »Der Preis« (Elke Hauck und Peggy Lehmann)<br />

bleibt auf den ersten Blick betont nüchtern be<strong>im</strong><br />

Ausgangspunkt der Handlung und lässt seine Metaphorik<br />

erst später erkennen, während »Bastard« (Carsten Unger)<br />

direkt auf den hochemotionalen Kern dieses Thrillerdramas<br />

zielt.<br />

6


einführung<br />

Dass sowohl ein Film als auch der Prozess seiner Entstehung<br />

mit einer Reise zu vergleichen ist, hat Jan Zabeil bei<br />

seinem Erstlingsfilm »Der Fluss war einst ein Mensch« sozusagen<br />

wörtlich genommen. Das gilt für seinen namenlosen<br />

Helden, der auf der Fahrt durch ein schwarzafrikanisches<br />

Flussdelta existentiell herausgefordert wird. Fremdheit,<br />

Verstörung, kulturelles Unverständnis sind darin<br />

genauso Ereignis wie Schönheit und Macht der Natur. Für<br />

die Dreharbeiten reiste Jan Zabeil mit Hauptdarsteller, Kamera-<br />

und Tonmann in ein Flussdelta Botswanas. Er verzichtete<br />

dabei nicht nur auf ein großes Team, sondern<br />

auch auf die Festlegung durch ein ausgearbeitetes Drehbuch.<br />

Die Kamera schaut zu, der Ton hört genau hin und<br />

der Darsteller Alexander Fehling lässt die Verunsicherung<br />

der Figur spürbar werden, die sich, ohne es zu wissen,<br />

durch den Umgang mit einer Leiche an den Einhe<strong>im</strong>ischen<br />

schuldig macht. »Der Fluss war einst ein Mensch« fordert<br />

die Zuschauer auf, sich auf diese fremde Welt einzulassen,<br />

ganz den Bildern und den Geräuschen des Flussdeltas hingegeben.<br />

(<strong>16.</strong>10.<strong>2013</strong>)<br />

»Der Preis« von Elke Hauck und Peggy Lehmann handelt<br />

ebenfalls von einer Reise, einer äußeren und einer inneren.<br />

Äußerlich reist der Architekt Alexander nach vielen<br />

Jahren zum ersten Mal in sein He<strong>im</strong>atdort in Thüringen,<br />

um sich um die Räumung und Sanierung eines DDR-<br />

Wohnblocks zu kümmern. Innerlich geht es jedoch um<br />

den traumatischen Vorfall, als sein bester Freund, der rebellische<br />

Micha, mit 17 Jahren durch einen Unfall ums Leben<br />

kam. Auf einer tieferen Ebene reist der Held zu seiner<br />

eigenen Schuldfrage, er muss sich seiner Verantwortung<br />

stellen, einen Entwicklungsprozess durchmachen. Somit<br />

kreist die Geschichte von Anfang an <strong>im</strong>plizit auch um die<br />

Themen Feigheit, Anpassung und Korrumpierbarkeit von<br />

Menschen, die lieber den Weg des geringsten Widerstands<br />

gehen als sich offen aufzulehnen. Durch die Rückblenden<br />

erfahren wir, dass auch Alexander als Jugendlicher zu dem<br />

Typ Mensch gehörte, der durch seine mangelnde Zivilcourage<br />

das Unterdrückungssystem der DDR mitgetragen.<br />

Durch die Konfrontation mit seinem eigenen Anteil an<br />

Michas Tod erkennt er, dass er für sein Leben selbst verantwortlich<br />

ist und so reist er am Ende gewandelt aus Thüringen<br />

ab. (18.12.<strong>2013</strong>)<br />

In »Fliegende Fische müssen ins Meer« von Güzin Kar hat<br />

die 16-jährige Nana eine Reise als Ziel: Sie möchte Kapitänin<br />

werden. Dieses Ziel kann sie aber nur verwirklichen,<br />

wenn ihre Mutter Roberta lernt, ihr Leben allein auf die<br />

7


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Reihe zu kriegen. Das bedeutet in Nanas Augen, dass sie<br />

einen soliden Mann für ihre Mutter finden muss. Im Laufe<br />

der Geschichte merken wir, dass es nicht wirklich um den<br />

neuen Mann für Roberta geht, sondern um Nanas innere<br />

Befreiung. Auch in diesem Film ist das Streben nach einem<br />

äußeren Ziel Ausdruck der inneren Sehnsucht. Als einziger<br />

Film in der diesjährigen Staffel spielt »Fliegende Fische<br />

müssen ins Meer« auch humorvoll mit seinem dramatischen<br />

Konflikt. Mit großem Einfallsreichtum mischt die<br />

Regisseurin fantastische und märchenhafte Elemente, die<br />

sie ästhetisch umsetzt. (23.10.<strong>2013</strong>)<br />

Offene und verborgene Schuld spielt in fast allen Filmen<br />

der diesjährigen Staffel eine Rolle, vor allem natürlich <strong>im</strong><br />

Drama »Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen« von Regisseur<br />

Lars-Gunnar Lotz und Autorin Anna Maria Praßler. Hier<br />

führt die Reise in ein Projekt des offenen Strafvollzugs auf<br />

der schwäbischen Alb, wo jugendliche Straftäter lernen<br />

sollen, ihre Schuld anzuerkennen und sich auf ein gemeinschaftliches<br />

Leben einzustellen. Dort treffen einer<br />

dieser Täter und sein Opfer aufeinander. Der Film konzentriert<br />

sich auf das Leben <strong>im</strong> Camp und auf dieses Zusammentreffen.<br />

Dabei behält er mit großer Intensität beide<br />

Perspektiven <strong>im</strong> Blick: die des jugendlichen Täters, der erst<br />

in der direkten Begegnung mit dem Opfer seiner Tat zu so<br />

etwas wie Schuldbewusstsein findet. Und die auf die junge<br />

Frau, die in der Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen<br />

Peiniger erkennt, dass sie ihrem eigenen Ideal der<br />

Vergebung noch nicht gewachsen ist. (30.10.<strong>2013</strong>)<br />

Was »Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen« fast völlig ausspart<br />

– Herkunft und Entwicklungsgeschichte von Täter und Opfer<br />

– ist in »Bastard« von Carsten Unger <strong>im</strong> Fokus des Geschehens<br />

um zwei jugendliche Erpresser. In der Erfahrung<br />

der Teenager Leon und Mathilda machen die Erwachsenen<br />

sich an ihnen durch Vernachlässigung und Lieblosigkeit<br />

schuldig. Kalt und verletzlich zugleich reagieren beide mit<br />

grausamer Provokation, um von der Elterngeneration Liebe<br />

und Zuwendung zu erpressen. Eine Provokation, die<br />

aus Verzweiflung entsteht und tief erschreckend ist. Visuelle<br />

Wucht und druckvoller Sound ziehen hinein in den<br />

vielleicht verstörendsten Film der diesjährigen Staffel, der<br />

Psychothriller und Familiendrama gleichzeitig ist.<br />

(11.12.<strong>2013</strong>)<br />

8


einführung<br />

Sie sind in Bewegung, die jungen Filmemacher und ihre<br />

Figuren. Die Reisen, auf die sie uns mitnehmen, führen nie<br />

ins Ungefähre und oft dorthin, wo es wehtut. Das gilt<br />

auch für die vier Kurzfilme »Der Diener«, »Die Geister, die<br />

ich rief«, »Der Passagier« und »Die Welt danach«. (4.12.<strong>2013</strong>)<br />

Alle vier Filme zeigen Figuren in einem existentiellen Dilemma.<br />

Und <strong>im</strong>mer steht das eigene Wohl <strong>im</strong> Widerspruch<br />

zur Verantwortung für andere. In der Kürze der Zeit so intensiv<br />

in die Tiefe des menschlichen Wesens einzutauchen,<br />

ist die Qualität, die diese vier Filme auszeichnet. Das<br />

erlaubt Rückschlüsse auf das Talent ihrer jungen Autoren<br />

und Regisseure. Ein erster Film, der Ausdruck des Muts<br />

und der Neugierde einer jungen Generation von Filmemachern<br />

ist, die sich auf die Reise machen, unterwegs sind,<br />

und davon erzählen wollen.<br />

Stefanie Groß<br />

Redaktion Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

9


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Der Fluss war einst ein Mensch<br />

10<br />

Buch und Regie: Jan Zabeil<br />

Mittwoch, <strong>16.</strong>10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

10


Der Fluss war einst ein Mensch<br />

Ein junger Deutscher reist in einem afrikanischen Land. Am<br />

Ufer eines Flusses begegnet er einem alten Fischer, der ihn in<br />

seinem Holzboot tief in die Wildnis mitn<strong>im</strong>mt. Am nächsten<br />

Morgen ist der Fischer gestorben und der junge Mann findet<br />

sich allein in einem schier endlosen Flussdelta. Die Leiche<br />

versenkt er <strong>im</strong> Fluss und versucht seinen Weg zu finden. Es<br />

beginnt ein int<strong>im</strong>er Kampf mit dem Tod, mit seinen Ängsten<br />

und der eigenen Wahrnehmung. Nach tagelangem Umherirren<br />

gelangt er in ein Dorf fern der Zivilisation, doch seine<br />

Odyssee n<strong>im</strong>mt kein Ende. Da er der Familie des Fischers die<br />

Leiche nicht bringen kann, können die Todesriten nicht vollzogen<br />

werden. Der junge Mann verliert <strong>im</strong>mer mehr die Kontrolle<br />

in den Unwägbarkeiten einer fremden Kultur.<br />

Mit dem Film »Der Fluss war einst ein Mensch« lässt Debütregisseur<br />

Jan Zabeil seinen namenlosen Protagonisten (eindrucksvoll<br />

gespielt von Alexander Fehling) unvorbereitet in die<br />

Wildnis Afrikas, aber auch durch die Hölle seiner eigenen<br />

Angstfantasien und -projektionen reisen. Durch das Erleben<br />

einander eigentlich ausschließender Realitäten muss er sich<br />

seinen Ängsten stellen und lernt, sie in ein neues Verhältnis zu<br />

setzen – und findet dadurch zu sich selbst. In der filmischen<br />

Umsetzung wandelt Zabeil auf einem spannenden Grat zwischen<br />

Dokumentarischem und Fiktion, zwischen Mystik und<br />

Realismus. Das Ergebnis ist eine extreme, künstlerische Filmerfahrung,<br />

erzeugt mit min<strong>im</strong>alistischen Mitteln. (S.G.)<br />

11


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Besetzung<br />

Alexander Fehling<br />

Sariqo Sakega<br />

Obusentswe Dreamar Many<strong>im</strong>a<br />

Babotsa Saxtwee<br />

Nx’apa Motswai<br />

Stab<br />

Regie: Jan Zabeil<br />

Idee: Jan Zabeil, Alexander Fehling<br />

Kamera: Jakub Bejnarowicz<br />

Schnitt: Florian Miosge<br />

Ton: Anton Feist, Magnus Pflüger<br />

Tongestaltung: Uwe Bossenz<br />

Tonmischung: Lars Ginzel<br />

Produzenten: Benny Drechsel, Karsten Stöter, Jan Zabeil<br />

Redaktion: Stefanie Groß<br />

Produktion<br />

Eine Rohfilm Produktion in Zusammenarbeit mit dem <strong>SWR</strong><br />

Gefördert durch die FFA<br />

Deutschland 2011<br />

Länge 78 Minuten<br />

Auszeichnungen: U. a. Best New Director Award be<strong>im</strong> Filmfestival<br />

in San Sebastian 2011, Produzentenpreis be<strong>im</strong> Förderpreis<br />

Deutscher Film 2011, Preis für die beste Tongestaltung<br />

be<strong>im</strong> Moskauer Filmfest 2011 und dem Festival des deutschen<br />

Films 2012.<br />

12


Der Fluss war einst ein Mensch<br />

Jan Zabeil über seinen Film<br />

Am Anfang stand die Faszination, eigene Grundvorstellungen<br />

von »richtig« und »falsch« und Leben und Tod über<br />

den Aufenthalt in der Fremde relativieren zu können. Mein<br />

Onkel lebte über 20 Jahre am Rande des Okavango-Deltas<br />

und so kam es, dass ich schon als Kind, aber auch später <strong>im</strong>mer<br />

wieder in Botswana und in anderen Ländern des südlichen<br />

Afrikas war. Ich spürte dort ein Verlangen danach,<br />

mich Natur und Einsamkeit auszusetzen und mich dadurch<br />

meinen Fähigkeiten und Ängsten zu stellen.<br />

In der Begegnung mit Natur und Mensch hatte ich das Gefühl,<br />

an die Grenzen meines Denkens und meiner Wahrnehmung<br />

zu gelangen. Diese Grenzerfahrung wollte ich aufspüren,<br />

in einem Film aufzeigen und in einer fiktionalen Handlung<br />

für andere erlebbar machen, ohne während der<br />

Realisation auf das zu verzichten, was diese Grenzerfahrung<br />

meiner Meinung nach ausmacht: Freiheit und Flexibilität<br />

durch den Verlust von Sicherheiten, das Einlassen auf die<br />

Kräfte von Zufall und Natur und das Durchleben von<br />

Fremdrealitäten, die mit der eigenen nur schwer in Einklang<br />

zu bringen sind.<br />

Als ich Alexander Fehling erstmals davon erzählte, dass ich<br />

inmitten des größten Inlanddeltas der Erde einen Film ohne<br />

Drehbuch machen wollte und was mich dazu veranlasste,<br />

sagte er: »Ich weiß zwar nicht, was du genau vorhast, aber<br />

ich bin auf jeden Fall dabei.« Und so blieb es. Bis zum fertigen<br />

Film sollten wir einen weiten, gemeinsamen Weg gehen und<br />

es dauerte lange, bis wir formulieren konnten, was wir<br />

wollten und was es brauchte, damit es andere nachvollziehen<br />

konnten. Sein großes Vertrauen, seine Spontaneität, seine<br />

Euphorie und seine inhaltliche Auseinandersetzung bilden<br />

ein wichtiges Fundament für diesen Film. Wir fanden ein<br />

Team von Mitstreitern, die für eine solche Unternehmung<br />

bereit waren, aber auch für eine Arbeitsweise, bei der nicht<br />

<strong>im</strong>mer klar war, was passieren würde. Und genau deshalb<br />

sind wir lediglich zu viert auf die Reise gegangen: Alexander<br />

Fehling (Schauspiel), Jakub Bejnarowicz (Kamera), Anton<br />

Feist beziehungsweise Magnus Pflüger (Ton) und ich. Ohne<br />

das Vertrauen, die Mitgestaltung und die Euphorie von Benny<br />

Drechsel (Produktion), Stefanie Groß (<strong>SWR</strong> – Debüt <strong>im</strong><br />

Dritten) und Florian Miosge (Montage) wäre es nicht möglich<br />

gewesen, den Film in dieser Weise zu machen, denn sie<br />

ließen sich auf ein <strong>Ab</strong>enteuer ohne branchenübliche Finanzierung<br />

und ohne Sicherheiten, aber dafür mit umso mehr<br />

Risiko ein.<br />

Im Vorfeld hatten Alexander und ich uns für eine Figur entschieden,<br />

deren wichtigste Aufgabe es ist, als Projektionsfläche<br />

für einen weißen Mann in der »Wildnis« zu dienen. Es<br />

war eine große Herausforderung, die Figur praktisch in jedem<br />

Bild zu zeigen, ohne ihren Charakter und ihre Motive<br />

zum wesentlichen Thema des Films zu machen. Vielmehr<br />

sollte sie Freiräume schaffen für die eigenen Gedanken, Nöte<br />

und Ängste des Zuschauers. Uns war auch bewusst, dass wir<br />

in einem solchen Kontext nicht frei sind von postkolonialen<br />

Vorurteilen und Erwartungen politischer Korrektheit. Um<br />

dennoch unsere Geschichte erzählen zu können, entschieden<br />

wir uns, den Film eindeutig aus der Wahrnehmung des<br />

Weißen, insbesondere über seine Angstzustände und tiefe<br />

Verunsicherung zu erzählen – denn dadurch wird sie zu einer<br />

zutiefst subjektiven Perspektive.<br />

Früh wusste ich, dass ich ohne Drehbuch nach Afrika reisen<br />

wollte, weil ich das Gefühl hatte, das, was ich eigentlich<br />

suchte, nicht aufschreiben zu können, obwohl ich monatelang<br />

an verschiedenen Exposé- und Konzeptfassungen gearbeitet<br />

hatte. Ich wusste, dass wir chronologisch drehen<br />

müssten, auch, dass der fortwährende körperliche Verfall<br />

unserer Hauptfigur in der Geschichte, seine Veränderung<br />

durch Natur und Sonne nicht künstlich durch eine Maske<br />

hinzugefügt werden durfte, sondern eben genau seinen natürlichen<br />

körperlichen Prozess darstellen musste. Es wurde<br />

Teil des Konzeptes verloren zu gehen, während wir die Geschichte<br />

von einem erzählen, der verlorengeht. Und wir<br />

wollten den lokalen Umgang der Menschen mit dem Tod auf<br />

dokumentarische Art erleben und <strong>im</strong> Film thematisieren.<br />

Dabei ging uns nicht darum, Besonderheiten eines fremden<br />

13


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Glaubens herauszustellen oder zu portraitieren. Es ist der<br />

Versuch, eine Andersartigkeit <strong>im</strong> Denken der Menschen über<br />

die Hauptfigur filmisch erlebbar zu machen. Der Film und<br />

der Prozess seiner Entstehung leben vom Aufeinandertreffen<br />

mit dieser Andersartigkeit.<br />

Für manch einen mag es in der Theorie keine Neuigkeit sein,<br />

für mich war es und bleibt es in der praktischen Erfahrung<br />

überwältigend: das, was man erlebt, existiert – auch wenn es<br />

der eigenen Überzeugung widerspricht. Scheinbar gibt es in<br />

der Wahrnehmung der Welt verschiedene Realitäten, die<br />

miteinander nicht in Einklang zu bringen sind. Es fordert<br />

eine unhe<strong>im</strong>liche Flexibilität des Geistes, diesen Umstand in<br />

vollem Umfang zu akzeptieren. Wir hatten die seltene Gelegenheit<br />

unser Denken und unser Selbstverständnis zu relativieren,<br />

zu hinterfragen und aus einer gewissen Entfernung<br />

neu zu betrachten. Das ist eine Erfahrung,<br />

die ich auch anderen zugänglich machen möchte –<br />

sich mit dem Held in einem sinnlichen Erlebnis zu<br />

verlieren, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und<br />

Dokumentarfilm, beziehungsweise zwischen Realität<br />

und Phantasie verschw<strong>im</strong>men.<br />

Jan Zabeil<br />

Jan Zabeil wurde 1981 in Berlin geboren. Er studierte von 2003 bis 2009 Kamera an der<br />

HFF »Konrad Wolf« und war u. a. bei den Filmen »Es gibt noch Berge draußen«, »Elf<br />

Onkel« oder »Magda« als Kameramann <strong>im</strong> Einsatz. Darüber hinaus begann er zu inszenieren,<br />

es entstanden die Kurzfilme »L.H.O.« (2009) und »Was weiß der Tropfen davon«<br />

(2007) sowie der Dokumentarfilm »Hör ich auf getreu zu sein« (2010). »Der Fluss war<br />

einst ein Mensch« ist sein erster abendfüllender Spielfilm.<br />

14


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

15


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Fliegende Fische müssen ins Meer<br />

16<br />

Buch und Regie: Güzin Kar<br />

Mittwoch, 23.10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

16


fliegende fische müssen ins meer<br />

»Roberta ist die peinlichste Figur <strong>im</strong> Universum und die unfähigste<br />

Mutter aller Zeiten« verkündet die 15-jährige Nana,<br />

die die Vorliebe ihrer Mutter für kurze Liebschaften verurteilt<br />

und deshalb deren Rolle <strong>im</strong> Haus selbst übernommen hat.<br />

Sie kümmert sich um die beiden jüngeren Geschwister und<br />

arbeitet als Schleusenwärterin in dem kleinen Ort am Rhein.<br />

Als das Jugendamt die Geduld verliert, schwört Roberta Besserung.<br />

Darauf will Nana sich aber nicht verlassen. Sie macht<br />

sich auf die Suche nach einem geeigneten Mann für Roberta<br />

und einem Vater für sich und ihre Geschwister. Doch dann<br />

verliebt sich Nana selbst in den Auserwählten ...<br />

Munteres, vergnügliches, farbenfrohes Kaleidoskop, das einen<br />

Blick wirft auf die 16-jährige Nana und ihre schillernde, temperamentvolle<br />

und leicht chaotische Mutter Roberta, die 3 Kinder<br />

von 3 verschiedenen Männern hat. Dabei kommen auch<br />

die Schweizer Provinz und ihre leicht grotesken Alltags-Individualisten<br />

nicht zu kurz. Güzin Kars Inszenierung setzt sich<br />

wohltuend vom deutschen Sozialdrama und von gewollt-platten<br />

Komödien ab, kommt ernsthaft und doch verspielt daher,<br />

nicht zuletzt dank der Kamera von Benjamin Dernbecher, die<br />

wechselnde Perspektiven einn<strong>im</strong>mt, dank der zahllosen visuellen<br />

Einfälle und dank der verspielten knallbunten Nebengeschichten<br />

– in der Montage liebevoll zusammengeführt. (S.G.)<br />

17


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Besetzung<br />

Roberta Meret Becker<br />

Nana Elisa Schlott<br />

Eduardo Barnaby Metschurat<br />

Karl Hauser Hanspeter Müller-Drossaart<br />

Doris Gilbert Mona Petri<br />

Frau Jedele Lilian Naef<br />

Herr Gilbert Andreas Matti<br />

Tatjana Alia Duncan<br />

Toto Joseph Sunkler<br />

Elvira Isabelle Schmid<br />

Stab<br />

Buch & Regie Güzin Kar<br />

Kamera Benjamin Dernbecher<br />

Schnitt Benjamin Fueter<br />

Musik Fabian Römer<br />

Szenenbild Gerald Damovsky<br />

Kostümbild Barbara Schwarz<br />

Producer Johanna Teichmann<br />

Produktion Ruth Waldburger, Dietmar Güntsche<br />

Redaktion Tamara Mattle/SRF, Stefanie Groß/<strong>SWR</strong>,<br />

Andreas Schreitmüller/ARTE<br />

Produktion<br />

Eine Produktion von Vega Film und Neue Bioskop Film in<br />

Koproduktion mit Schweizer Fernsehen Teleclub,<br />

Rainer Curdt Filmproduktion, <strong>SWR</strong>, ARTE und Dialog AG<br />

Gefördert durch: Bundesamt für Kultur Schweiz, FFA,<br />

MFG Baden-Württemberg, DFFF, Kulturfonds Suiss<strong>im</strong>age<br />

Schweiz/Deutschland 2011<br />

Länge 84 Minuten<br />

Auszeichnungen<br />

Drehbuchpreis der Schweizerischen Autorengesellschaft<br />

SSA 2005; Preis des saarländischen Ministerpräsidenten<br />

be<strong>im</strong> Festival Max Ophüls Preis 2011<br />

18


fliegende fische müssen ins meer<br />

Güzin Kar über ihren Film<br />

Die Geschichte um Roberta und ihre Kinder erzählt von einer<br />

Familie mit geänderten Vorzeichen. Was hat Sie daran<br />

besonders interessiert?<br />

Familiengeschichten werden ihren Reiz niemals verlieren, da<br />

sie universelle Themen in einem spezifischen Umfeld schildern.<br />

Im Zentrum von »Fliegende Fische müssen ins Meer«<br />

steht die Mutter-Tochter-Beziehung mit umgekehrter Rollenverteilung:<br />

Die Mutter, Roberta, ben<strong>im</strong>mt sich wie ein pubertierender<br />

Teenager, bekommt sich und ihr Leben nicht in den<br />

Griff und hat drei Kinder von drei Männern. Die älteste Tochter<br />

Nana sehnt sich nach einem bürgerlichen Familienleben.<br />

Sie sorgt für die Geschwister und verdient den Unterhalt der<br />

Familie mit. Doppelbelastung mit <strong>16.</strong> Beide, Mutter und<br />

Tochter, sind Antiheldinnen. Die in den Neunzigerjahren in<br />

Medien und Ratgeberbüchern überpräsenten Supermütter,<br />

die bei der Kindererziehung und in Job, Küche und Ehebett<br />

stets mit Höchstleistungen brillieren, gibt es nicht. Roberta<br />

und Nana sind beide auf ihre Art überfordert, jede ist auf<br />

ihre Art einsam <strong>im</strong> Mikrokosmos Familie. Der Film spiegelt<br />

ehrlich und schonungslos das Leben einer alleinerziehenden<br />

Mutter und ihrer Kinder.<br />

Bei aller Schonungslosigkeit ist der Film aber anrührend<br />

und sehr komisch zugleich. Wie ordnen Sie den Film ein?<br />

Ich bewege mich hier <strong>im</strong> Bereich der Tragikomödie oder der<br />

Dramödie, wie wir Drehbuchautoren auch gerne sagen. Es<br />

ist ein Genre, das mir sehr liegt, auch meine beiden früheren<br />

Schweizer Filme sind <strong>im</strong> selben Erzählstil gehalten:<br />

Ernste Themen werden auf leichtfüßige Art behandelt, Komik<br />

und Tragik liegen dicht beieinander. Wichtig ist mir in<br />

dieser Geschichte, dass trotz der komödiantischen Überhöhungen<br />

die Glaubwürdigkeit der Figuren und der Handlungen<br />

stets gewahrt wurde. Diesen Ort mit diesen Menschen<br />

könnte es real geben. Einzig in den Traumsequenzen wird<br />

die Realität bewusst untergraben, aber das ist das Privileg<br />

von Träumen. Filme dieser Erzählart sind etwas »Meerjungfrauen<br />

küsst man nicht« (»Mermaids«), »The Royal Tennenbaums«<br />

oder auch der ernstere Film »Gilbert Grape«. Es<br />

sind berührende Geschichten, die auf lustige Art erzählt<br />

werden. Oder ganz einfach gesagt: »Fliegende Fische müssen<br />

ins Meer« soll eine Mischung sein zwischen Bonbontüte<br />

und Pillenschachtel.<br />

Auffallend sind auch das Farbkonzept und die Bilddramaturgie.<br />

Wie wichtig sind Ihnen diese Akzente?<br />

Ich bin eine regelrechte Farbfetischistin und wollte mich bewusst<br />

von der zur Zeit angesagten Ästhetik der farbentsättigten<br />

Filme abgrenzen. Stattdessen wollte ich einen bunten,<br />

farbenfrohen Film machen, der Nanas Perspektive diente, die<br />

trotz aller Alltagssorgen eine kindlich-verspielte ist.<br />

Wie haben Sie zu Ihrem Schauplatz, dem Grenzgebiet zwischen<br />

Deutschland und der Schweiz gefunden?<br />

Da ich selber am Hochrhein aufgewachsen bin, fasziniert<br />

mich diese Gegend. Hier paart sich die tiefe Provinz mit<br />

zwangsläufiger Weltoffenheit, da man so oder so zwischen<br />

zwei Ländern hin- und herpendelt. Der Rhein als Landesgrenze<br />

mit dem Kraftwerk und der Schleuse steht hier als Metapher<br />

für die inneren Grenzen der Figuren. Wo werden ihre<br />

Möglichkeiten in die Schranken gewiesen? Welche Schleusen<br />

müssen sie öffnen, um in ungeahnte Weiten aufbrechen zu<br />

können? Oder ist Bleiben eine Option?<br />

Können Sie erzählen, wie Sie diese so passende Besetzung<br />

ausgewählt haben?<br />

In meiner Geschichte sind alle Figuren auf der Suche nach<br />

Liebe, jede auf ihre zuweilen tragikomische Art. Es haben alle<br />

einen Hau weg, und gerade deshalb sind sie so liebenswert.<br />

Mir war es aber wichtig, keine der Figuren zu pathologisieren.<br />

Meret Becker hat nicht nur Robertas Eigensinn und Verschrobenheit<br />

perfekt verkörpert, sondern auch ihre Brüchigkeit,<br />

ohne die sie eine Comicfigur geworden wäre. Elisa<br />

Schlott haben wir aus vielen Mädchen gecastet. Sie ist trotz<br />

ihres jugendlichen Alters kein Filmneuling und spielt mit<br />

Vorliebe Figuren, die nicht viel mit ihr selber gemein haben.<br />

19


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

In der Rolle der Nana musste sie die ganze Bandbreite vom<br />

einsamen Mädchen über die arbeitsame Schleusenwärterin<br />

bis hin zum Vamp abdecken, was ihr grossen Spass bereitet<br />

hat. Barnaby Metschurat und Hanspeter Müller-Drossaart<br />

verkörpern zwei absolut gegensätzliche Männer. Eduardo,<br />

gefangen in der Sehnsucht nach Bindung und der Flucht davor,<br />

bleibt auch in seinen emotionalsten Szenen distanziert<br />

und unerreichbar. Bei Barnabys präzisem Spiel reicht ein<br />

Blick, eine Körperhaltung, um diesen Zwiespalt zu erzeugen.<br />

Karl hingegen überschreitet in seiner verzweifelten Suche<br />

nach Liebe ständig die Grenzen, sowohl körperlich als auch<br />

geistig. Hanspeter Müller-Drossaart hat diesen an sich nervigen<br />

Charakterzug so liebeswürdig verkörpert, dass man<br />

versteht, weshalb Roberta sich mit ihm anfreundet.<br />

Güzin Kar<br />

Güzin Kar wurde 1971 in der Türkei geboren und wuchs in der Schweiz auf. Sie begann<br />

zunächst in Basel ein Germanistikstudium und studierte dann von 1994 bis<br />

1999 an der Filmakademie in Ludwigsburg mit Schwerpunkt Drehbuch. Seitdem<br />

schreibt sie Filmdrehbücher, darunter »Die wilden Hühner« nach Cornelia Funke,<br />

»Lieber Brad« oder »Ein verlockendes Angebot«. Sie ist bekannt als Kolumnistin, zunächst<br />

der Weltwoche, dann für TELE und den Tages-Anzeiger. 2006 erschien ihr Episodenroman<br />

»Ich dich auch«, 2008 folgte »Leben in Hormonie«. Nach einigen Kurzfilmen<br />

inszenierte Güzin Kar 2005 zum ersten Mal einen Langfilm, »Alles bleibt anders«. 2009 folgte der Kinoerfolg<br />

»Fliegende Fische müssen ins Meer«.<br />

20


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

21


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen<br />

22<br />

Regie: Lars-Gunnar Lotz · Buch: Anna Maria Praßler<br />

Mittwoch, 30.10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

22


Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen<br />

Ben bekommt <strong>im</strong> idyllisch gelegenen Waldhaus die einmalige<br />

Chance auf einen Neuanfang. Als einer von sieben jugendlichen<br />

Straftätern soll er in der familiären Gemeinschaft<br />

soziale Kompetenz erlernen und Geborgenheit erfahren.<br />

Ben beugt sich nur mühsam den Regeln, verharrt in<br />

Wut und <strong>Ab</strong>lehnung. Doch dann kehrt Hausmutter Eva zurück<br />

ins Waldhaus, und Ben ist geschockt: Sie ist eines seiner<br />

früheren Opfer. Sein brutaler Überfall auf sie wurde nie<br />

aufgeklärt. Nun versucht Ben alles, um in der Gruppe nicht<br />

aufzufallen. Doch in Eva wächst bald ein Verdacht. In der<br />

Konfrontation mit Eva empfindet Ben zum ersten Mal so etwas<br />

wie Schuld. Eva dagegen muss sich fragen, ob sie zu<br />

Vergebung tatsächlich fähig ist.<br />

Die Frage, wie man sich als Mensch der eigenen Schuld stellt<br />

und sich und anderen verzeihen kann, beschäftigte Anna Praßler<br />

(Drehbuch) und Lars Gunnar Lotz (Regie) schon in ihrem<br />

Kurzfilmen. In ihrem Langfilm-Debüt haben sie diese Frage<br />

aus zwei Richtungen beleuchtet: aus der des jugendlichen<br />

Straftäters, der mit seinem Opfer konfrontiert wird und sich<br />

mit seiner Tat und den Folgen auseinandersetzen muss, sowie<br />

aus der des Opfers, einer Frau, die durch den Überfall ihr ungeborenes<br />

Kind verloren hat. Diese Frau ist keineswegs bereit<br />

zu verzeihen, sondern nutzt die Macht, die ihr ihr Status gibt,<br />

um sich zu rächen. Hier schaut der Film genau hin und zeigt<br />

auch auf der Seite der »Guten« die Brüche und Ungere<strong>im</strong>theiten,<br />

die uns alle auszeichnen. (B.D.)<br />

23


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Besetzung<br />

Ben Edin Hasanovic<br />

Eva Julia Brendler<br />

Niklas Marc Ben Puch<br />

Tobias Pit Bukowski<br />

Mariana Natalia Rudziewicz<br />

Emre Aram Arami<br />

Samir Kais Setti<br />

Alex Oliver Konietzny<br />

Stab<br />

Buch Anna Maria Praßler<br />

Regie Lars-Gunnar Lotz<br />

Kamera Jan Prahl<br />

Schnitt Julia Böhm<br />

Musik Sea + Air<br />

Szenenbild Ina Küfner<br />

Kostümbild Tanja Gierich, Ulé Barcelos<br />

Producer Franziska Specht<br />

Produzenten Sebastian Sawetzki und<br />

Manuel Challal, Matthias Drescher und<br />

Philipp Knauss<br />

Redaktion Brigitte Dithard/<strong>SWR</strong>,<br />

Nadja Dumouchel/ARTE<br />

Produktion<br />

Eine Koproduktion der FFL Film- und Fernseh-Labor Produktion<br />

mit <strong>SWR</strong> und ARTE in Kooperation mit der Filmakademie<br />

Baden-Württemberg. Gefördert durch die MFG Filmförderung<br />

Baden-Württemberg<br />

Deutschland 2012<br />

Länge 93 Min.<br />

Auszeichnungen<br />

Studio Hamburg Nachwuchspreis 2012 für die beste Regie;<br />

NDR Filmpreis für den Nachwuchs be<strong>im</strong> Filmfest Emden-<br />

Norderney 2012 für Lars-Gunnar Lotz; Günther-Strack-Nachwuchspreis<br />

<strong>2013</strong> für Edin Hasanovic; Bernhard Wicki Preis<br />

und DGB Filmpreis 2012 sowie Publikumspreis be<strong>im</strong> Festival<br />

des deutschen Films 2012; Nominierung für den Deutschen<br />

Filmpreis <strong>2013</strong> für Anna Maria Praßler und Edin Hasanovic<br />

24


Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen<br />

Lars-Gunnar Lotz und<br />

Anna Maria Praßler über ihren Film<br />

Herr Lotz, was ist das Thema des Films, wie sind Sie darauf<br />

gekommen?<br />

wird sie gezwungen, sich mit ihren eigenen <strong>Ab</strong>gründen auseinander<br />

zu setzen.<br />

Lars-Gunnar Lotz: Ganz am Anfang war da einfach nur die<br />

Idee, etwas über Sozialarbeiter zu machen. Das klingt zuerst<br />

einmal etwas langweilig. <strong>Ab</strong>er in meinem Freundeskreis arbeiten<br />

viele <strong>im</strong> sozialen Bereich und die Geschichten von ihnen<br />

hörten sich <strong>im</strong>mer sehr spannend an. Ich denke, deren<br />

Arbeit findet in Filmen wenig Beachtung. Außerdem habe<br />

ich selbst viele Jahre ehrenamtlich mit Jugendlichen gearbeitet.<br />

Anna Maria Praßler und ich suchten also nach einem besonderen<br />

und spannenden Ansatz. Durch Zufall sind wir<br />

dann auf das Seehaus Leonberg gestoßen, eine Einrichtung<br />

des freien Vollzugs, die es in dieser Art kein zweites Mal gibt.<br />

Hier erleben jugendliche Straftäter häufig das erste Mal, was<br />

Familie ist, indem sie mit den Sozialarbeitern und deren Familien<br />

zusammenwohnen. Im Verlauf der Recherchen bekam<br />

ich einen <strong>im</strong>mer größeren Respekt vor den Jungs, die hier ein<br />

straffes Programm ableisten, um ihre Chance zu nutzen, ein<br />

neues Leben zu beginnen. Die Mitarbeiter haben mir ebenso<br />

<strong>im</strong>poniert, denn deren Engagement geht häufig weit über<br />

das rein Berufliche hinaus. Ausgehend davon haben wir<br />

dann die Geschichte des Straftäters Ben entwickelt, der eben<br />

in solch einer Einrichtung überraschend auf eines seiner Opfer<br />

in Gestalt der Sozialarbeiterin Eva trifft. Ben findet gegen<br />

seinen Willen das erste Mal in seinem Leben zu sich selbst<br />

und somit auch zu etwas, was wir Gewissen nennen.<br />

Mir war es ein großes Anliegen, nicht von hoffnungslosen<br />

Fällen und gewalttätigen »Tieren« zu erzählen, als die man<br />

die Jungs häufig abstempelt. Vielmehr wollte ich zeigen,<br />

was es bedeutet, wenn man sich für sie einsetzt und dabei<br />

intensiv mit ihren Taten konfrontiert. Ich wollte eine Geschichte<br />

erzählen, die solche Jungs nicht aufgibt, sondern an<br />

sie glaubt. Außerdem fand ich es interessant, von einer Figur<br />

wie Eva zu erzählen, die auf einmal selbst zum Opfer derer<br />

wird, für die sie sich bisher eingesetzt hat, und die dadurch<br />

anfängt, an ihren Idealen zu zweifeln. Durch diese Situation<br />

Funktioniert das Waldhaus <strong>im</strong> Film genauso wie die Einrichtung<br />

in der Realität?<br />

Lars-Gunnar Lotz: Zu einem Großteil schon. Es gibt <strong>im</strong> Seehaus<br />

Leonberg natürlich noch weitaus mehr Regeln und wöchentliche<br />

Ereignisse. Alles ist komplexer. <strong>Ab</strong>er wir mussten<br />

uns natürlich fokussieren auf wenige bedeutende Rituale<br />

wie die Hilfreiche Hinweise Runde oder den Heißen Stuhl.<br />

Frau Praßler, wie wurde aus dem Plan eines Films über Sozialarbeiter<br />

und junge Straffällige eine Geschichte um<br />

Schuld und Vergebung?<br />

Anna Maria Praßler: Die Geschichte entstand beinahe intuitiv<br />

nach meinem ersten Besuch <strong>im</strong> Seehaus Leonberg. Zuvor waren<br />

zwischen Lars-Gunnar Lotz und mir viele Ansätze, Ideen<br />

und Figuren hin- und hergeschwirrt, aber unsere bisherige Recherche<br />

<strong>im</strong> Bereich der sozialen Arbeit und mein Bedürfnis, etwas<br />

über Menschen mit sehr hohen Idealen zu erzählen, die<br />

daran auch zu scheitern drohen, bekamen erst durch die Eindrücke<br />

vor Ort eine ganz klare Richtung. Der Kern der Geschichte,<br />

die Opfer-Täter-Konfrontation – was für beide Seiten eine<br />

Konfrontation mit nie gekannten Gefühlen und Widersprüchen<br />

bedeutet – war plötzlich einfach da. Natürlich spielt es<br />

auch eine große Rolle, dass mich das Thema Schuld und Vergebung<br />

schon lange beschäftigt, weil es dabei <strong>im</strong>mer ums Existenzielle<br />

geht. Schuld war auch Thema in meiner ersten Zusammenarbeit<br />

mit Lars, dem mittellangen Film »Für Miriam«.<br />

Sie beide arbeiten seit dem Studium an der Filmakademie<br />

zusammen. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit, wie<br />

befruchten Sie einander?<br />

Anna Maria Praßler: Ich schreibe, Lars kommentiert. Um eine<br />

Figur richtig kennenzulernen und aus ihren Konflikten ei<br />

25


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

nen Plot zu entwickeln, muss ich in mich »hineinhören«,<br />

weshalb ich <strong>im</strong> Schreibprozess allein sein möchte und<br />

muss. Mit Lars bin ich aber <strong>im</strong> Austausch und <strong>im</strong> Dialog, da<br />

regt ein Gedanke den anderen an, ein Impuls inspiriert den<br />

nächsten. Ich habe das Glück, in ihm einen Regisseur gefunden<br />

zu haben, der zu mir passt, mich schätzt und keine<br />

Dienstleisterin in mir sieht.<br />

Sie mussten für diesen Film eine Sprache finden für die jugendlichen<br />

Straftäter und für die Sozialarbeiter. Bei beiden<br />

Gruppen lauert ja das sprachliche Klischee. Wie sind Sie da<br />

rangegangen, war das für Sie überhaupt ein Problem?<br />

Anna Maria Praßler: Be<strong>im</strong> Schreiben von »Schuld sind <strong>im</strong>mer<br />

die anderen« hat es mir am meisten Spaß gemacht, die ureigene<br />

Sprache meiner Figuren zu finden. Bei den jungen Männern,<br />

die ich in der Recherche getroffen habe bzw. denen ich<br />

in der U-Bahn oder auf der Straße »gelauscht« habe, ist mir<br />

aufgefallen, dass es einerseits die derbe »Peergroup«-Sprache<br />

gibt, die (gleichen) Jungs sich aber andererseits <strong>im</strong> Gespräch<br />

mit Älteren ganz »normal« ausdrücken können, also<br />

weitgehend ohne Slang und auch grammatikalisch korrekt.<br />

Sie setzen Sprache sehr bewusst ein, um eine Gemeinschaft<br />

zu stiften, sich abzugrenzen oder auch um zu provozieren.<br />

Dieser bewusste und kreative Umgang mit der Sprache hat<br />

mich für Ben sehr inspiriert. Von Publikationen zur vermeintlich<br />

gerade aktuellen Jugendsprache habe ich mich ferngehalten,<br />

stattdessen habe ich bei Youtube, in Berlin auf der<br />

Straße und in meinem Bekanntenkreis den »Sound« der jungen<br />

Leute aufgeschnappt. Bei den Sozialarbeitern habe ich<br />

weniger den Berufsstand gesehen als vielmehr die Menschen,<br />

so haben sich die Dialoge ergeben.<br />

Lars-Gunnar Lotz<br />

Lars-Gunnar Lotz wurde 1982 in Österreich geboren und wuchs <strong>im</strong> Rheinland auf. Er<br />

studierte zunächst Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel und wechselte<br />

dann zum Regiestudium an die Filmakademie Baden-Württemberg, wo er mit<br />

»Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen« abschloss. Während des Studiums nahm Lars-Gunnar<br />

Lotz 2007 an einem Austauschprogramm der Fémis in Paris teil, später erhielt er ein<br />

Stipendium für die Hollywood Masterclass an der UCLA. Im Sommer <strong>2013</strong> hat er drei<br />

Folgen für die Soko Köln inszeniert.<br />

Anna Maria Praßler<br />

Anna Maria Praßler wurde 1983 in Lauingen geboren und studierte zunächst Filmwissenschaft,<br />

Theaterwissenschaft sowie Psychologie in Berlin, Los Angeles und Bologna.<br />

Nach dem <strong>Ab</strong>schluss folgte ein zweijähriger Aufbaustudiengang <strong>im</strong> Fach Drehbuch an<br />

der Filmakademie Baden-Württemberg. Anna Maria Praßler schrieb u. a. das Drehbuch<br />

zu dem mittellangen Film »Für Miriam«, zu ihren Prosawerken gehört die Kurzgeschichte<br />

»Das Andere«, mit der sie be<strong>im</strong> Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt debütierte. »Schuld<br />

sind <strong>im</strong>mer die anderen« ist ihr erstes Langfilmdrehbuch.<br />

26


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

27


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Bastard<br />

28<br />

Buch und Regie: Carsten Unger<br />

Mittwoch, 11.12.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

28


astard<br />

Der neunjährige Nikolas verschwindet. Die Polizei befürchtet<br />

ein Sexualverbrechen. Psychologin Claudia Meinert stößt <strong>im</strong><br />

Gespräch mit den Eltern von Nikolas auf Widersprüche. Die<br />

Mutter scheint etwas zu verbergen. Es geht ein Video ein, das<br />

Nikolas gefesselt in einem Keller zeigt. Die Spur führt in eine<br />

Schule. Der 13-jährige Leon verhält sich auffällig, er scheint<br />

mehr über den Verbleib von Nikolas zu wissen. Leons Verhältnis<br />

zu seinen Eltern ist erkennbar belastet. Die 13-jähige Mathilda,<br />

die sich für Leon interessiert, steigt in sein gefährliches<br />

Spiel ein. Leon erpresst Nikolas’ Eltern. Er hat den<br />

Jungen entführt und droht ihn umzubringen, wenn Nikolas’<br />

Eltern nicht ein »Vater-Mutter-Kind-Spiel« mit ihm spielen<br />

Claudia Meinert versucht Vertrauen zu Leon aufzubauen,<br />

um Nikolas zu retten ...<br />

Das Debüt von Carsten Unger versammelt nicht umsonst einen<br />

geradezu sensationellen Cast, von Martina Gedeck bis<br />

Hanns Zischler und Thomas Thieme. »Bastard« ist das Porträt<br />

einer verlorenen Jugend und ein dichter Psychothriller zugleich.<br />

Der Film sucht das Besondere in einer spannenden<br />

Form. Ein Glücksfall. Den jeder nachempfinden wird, der sich<br />

auf dieses bewegende Generationendrama einlässt. (U.H.)<br />

29


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Besetzung<br />

Claudia Meinert Martina Gedeck<br />

Leon Markus Krojer<br />

Mathilda Antonia Lingemann<br />

Decker Thomas Thieme<br />

Anja Heine Beate Maes<br />

Raphael Heine Stephan Schad<br />

Nikolas Finn Kirschner<br />

Cora Schweizer Sibylle Canonica<br />

Samuel Schweizer Hanns Zischler<br />

Stefan Matthias Koeberlin<br />

Stab<br />

Buch und Regie Carsten Unger<br />

Kamera Lars Petersen<br />

Schnitt Dora Vajda<br />

Musik Stevie B-Zet, Ralf Hildenbeutel<br />

Szenenbild Christian Strang<br />

Kostümbild Isabelle Baumgartner<br />

Produzenten Reza Bahar, Nicole Ringhut<br />

Redaktion Ulrich Herrmann<br />

Produktion<br />

Eine Produktion der Gifted Films mit Maranto Films in<br />

Koproduktion mit dem <strong>SWR</strong> in Zusammenarbeit mit<br />

CinepostProduction und BasisBerlin<br />

Gefördert von der Film- und Medienstiftung NRW,<br />

der MFG Baden-Württemberg und dem BKM<br />

Deutschland 2011<br />

Länge 118 Min.<br />

Auszeichnungen<br />

Drehbuchpreis be<strong>im</strong> Festival international du film policier<br />

in Liège; baden-württembergischer Filmpreis 2011 bei der<br />

Filmschau Baden-Württemberg.<br />

30


astard<br />

Carsten Unger über seinem Film<br />

Gab es für diese Geschichte einen Auslöser, einen realen<br />

Aufhänger?<br />

Ich stand in Köln an der U-Bahn. Es war offenbar Schulschluss,<br />

denn der Bahnsteig war voll mit Kindern und ihren St<strong>im</strong>men,<br />

zwischen 10 und 12 Jahren alt. Ein Mädchen stand abseits,<br />

allein, sie sah anders aus als die anderen, etwas zu kurzer<br />

Rock, hohe Schuhe, stark geschminkt, aber sehr trendy. Sie<br />

sah befremdlich aus, ihr Körper war noch ein Kind, aber ihr<br />

Style schon total sexy. Irgendwie hat sie gemerkt, dass ich sie<br />

beobachte und ich hatte den Eindruck, dass es ihr gefällt. Sie<br />

kam auf mich zu und sprach mich an. Ich war ehrlich gesagt<br />

etwas verlegen, sie war ziemlich direkt. Dann hat sie mich<br />

gefragt, ob ich ihr eine Zigarette geben kann. Ich habe »Nein«<br />

gesagt, doch sie hat nicht locker gelassen und ihre St<strong>im</strong>me<br />

war dabei <strong>im</strong>mer etwas zu leise, sodass ich Mühe hatte sie zu<br />

verstehen und sie einen Vorwand hatte näher zu kommen.<br />

Dann kam ihre Bahn und sie wurde von den anderen Kids<br />

verschluckt. Die Bahn fuhr ab und mir wurde bewusst, dass<br />

ich gerade voll krass angeflirtet wurde, von einem 11-jährigen<br />

Kind. Ich fand die Begegnung irritierend und habe angefangen<br />

mir <strong>im</strong>mer mehr Fragen über diese Mädchen zu<br />

stellen und daraus ist dann Mathilda entstanden.<br />

Dieser Moment, wenn Kinder noch nicht wissen, was sie tun,<br />

aber es schon können, das hat auf mich einen faszinierende<br />

und irritierende Wirkung: Ein Kind, dass völlig unbekümmert<br />

einer Spinne die Beine ausreißt. Das Kind hat zwar die<br />

Kraft und die Macht dazu, aber es hat noch kein Bewusstsein<br />

für sein Opfer und die Konsequenzen seiner Tat. In diesem<br />

Spannungsverhältnis zwischen »Können« und »Noch<br />

nicht wissen« steckt eine irritierende Wucht. Was passiert,<br />

wenn diese Wucht außer Kontrolle gerät? Wenn diese Kinder<br />

nicht mehr zu stoppen sind? Eine Mischung aus »Lord of<br />

the Flies« und »Clockwork Orange«. Wenn sich unsere Kinder<br />

gegen die Erwachsenenwelt wenden und sich für all die<br />

Vernachlässigungen und gebrochenen Versprechen ihrer<br />

Eltern rächen?<br />

Was hat Sie für Ihren ersten langen Film zu so einem heftigen<br />

Thema motiviert?<br />

Ein Debütfilm in Deutschland ist ein Privileg, denn er ermöglicht<br />

enorme inhaltliche und formale Freiheiten. Wir wollten<br />

dieser Freiheit ein anspruchsvolles und unbequemes Thema<br />

entgegensetzen. Gegen die begrenzten Mittel haben wir unseren<br />

Anspruch gestellt, dennoch hochwertiges Kino zu<br />

schaffen. Kreativität braucht Widerstand.<br />

Gibt es filmische Vorbilder für »Bastard«, ästhetisch oder inhaltlich?<br />

Sergio Leones Western. Diese pure Präzision in der Erzählung,<br />

glasklare Einstellungen, in denen Blicke, Schnitt und<br />

Dialog in einem Rhythmus sind. Dieses Blicke-Tennis“, das<br />

hat uns inspiriert. Szenen wie die »Hinrichtung« oder das<br />

»Wer bin ich? - Spiel« wollten wir erzählen wie einen Western-Showdown,<br />

flirrende Spannung bis es knallt. Im Genre<br />

sitzt »Bastard« bewusst zwischen den Stühlen, ein bisschen,<br />

wie ein pubertierender Jugendlicher, der sich störrisch gegen<br />

jede Kategorie der Erwachsenenwelt sträubt. Wir wollten<br />

eine Ästhetik, die der Welt der Kids entspricht, von denen wir<br />

erzählen: ihrem Geschmack, ihrem Lebensgefühl, ihren Farben<br />

und ihrer Musik. »Bastard« ist unser »Trojanisches<br />

Pferd«, mit dem wir auch die Kids erreichen wollen, die sich<br />

mit unserem Thema sonst nicht auseinander setzen würden.<br />

Als Debütanten hatten wir die Freiheit, uns über Genrekonventionen<br />

oder Ansprüche eines Sendeplatzes hinwegzusetzen.<br />

Wir haben geahnt, das wird der letzte Film sein, indem<br />

wir uns so naiv und frei ausprobieren können, denn nach<br />

»Bastard« werden wir erwachsen sein.<br />

Glauben Sie, dass Kinder heutzutage eher Gefahr laufen, ihre<br />

emotionale Balance zu verlieren als in früheren Generationen?<br />

Erwachsen zu werden ist <strong>im</strong>mer gefährlich, jede Generation<br />

hat ihre Risiken. Ich scheue mich davor, gesamtgesellschaftliche<br />

Trends zu beurteilen, dazu empfinde ich »unsere« Gesellschaft<br />

als zu komplex und heterogen. »Bastard« erzählt<br />

die Geschichte von zwei Kindern, die etwas Existentielles vermissen,<br />

nennen wir es Liebe oder Anerkennung. Sie spüren,<br />

dass sie ohne diese Anerkennung nicht leben können und<br />

31


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

beschließen, sich diese mit Gewalt zu holen. Die Suchen nach<br />

Anerkennung und Identität ist für mich eine der Hauptursachen<br />

von Gewalt. In diesem Sinne ist »Bastard« nicht nur eine<br />

Geschichte über zwei Kinder auf der Suche nach Liebe und Anerkennung,<br />

sondern auch eine »kleine Geschichte über Gewalt«.<br />

Wie bekommt man Kinder dazu, sich als Schauspieler in<br />

eine dunkle Welt zu bewegen, ohne dass sie dabei Schaden<br />

nehmen?<br />

Spielfreude. Kinder spielen, niemand kann das so gut wie<br />

sie. Zumal Markus Krojer (Leon) schon reichlich Filmerfahrung<br />

hatte (»Wer früher stirbt ist länger tot«). Wir haben<br />

versucht unseren Schauspielern, den Kindern und den Erwachsen,<br />

eine Spielwiese zu bieten, auf der sie sich sicher<br />

fühlen. Der Filmprozess setzt die Grenzen und best<strong>im</strong>mt<br />

die Bühne, wir sprechen die Spielregeln ab und dann spielen<br />

wir los. Filmemachen ist zuweilen anstrengend, aber<br />

macht auch höllischen Spaß. Solange klar ist, wo Phantasie<br />

beginnt und Realität aufhört, fällt es Kindern wahrscheinlich<br />

leichter zwischen den Welten zu wandern als uns Erwachsenen.<br />

Während der gesamten Dreharbeiten wurden<br />

»unsere Kinder« von zwei Pädagoginnen begleitet und intensiv<br />

betreut. Auch über die eigentlichen Dreharbeiten hinaus<br />

standen sie den Kindern und ihren Familien als Ansprechpartner<br />

zur Verfügung und hatten ein Auge darauf,<br />

dass die Kinder einen guten Weg zurück vom zuweilen irrwitzigen<br />

Filmzirkus in ihr normales Leben finden. Der Gang<br />

zischen diesen beiden Welten, ist meist die eigentliche Herausforderung,<br />

wie jeder Filmschaffende weiß.<br />

Carsten Unger<br />

Carsten Unger wurde 1977 in Gütersloh geboren. Er absolvierte eine Volontariat und<br />

arbeitete danach bei verschiedenen Filmproduktionen. 2001 bis 2007 studierte er Regie<br />

szenischer Film an der Filmakademie Baden-Württemberg. Im Sommer 2004 absolvierte<br />

er die Masterclass »The Hollywood Perspective« an der UCLA in Los Angeles. Nach mehreren<br />

Kurzfilmen schloss er 2008 das Studium mit dem Diplomfilm »Der blaue Affe« ab<br />

und arbeitet seitdem als freier Autor und Regisseur. 2009 entstand die Folge »Die St<strong>im</strong>me<br />

der Straße« für die Soko Stuttgart, 2011 realisierte er sein Langfilmdebüt »Bastard«.<br />

32


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

33


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Der Preis<br />

34<br />

Regie: Elke Hauck · Buch: Peggy Lehmann, Elke Hauck<br />

Mittwoch, 18.12.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

34


Der preis<br />

Architekt Alexander hat einen Preis gewonnen. Nach seinem<br />

Plan sollen Plattenbauten in Thüringen modernisiert<br />

werden. Er reist von Frankfurt am Main in die ostdeutsche<br />

Provinz – und gleichzeitig zurück in seine Vergangenheit,<br />

denn die Kleinstadt in Thüringen ist seine He<strong>im</strong>atstadt,<br />

und die Wohnblocks, an die er jetzt Hand anlegt, sind genau<br />

jene, in denen er aufgewachsen ist und wo ihn einige<br />

Bewohner noch als Alex kennen, Alex von der FDJ.<br />

Alex wird mit Zeiten seines Lebens konfrontiert, die er lange<br />

verdrängt hatte. Er wird an seine erste große Liebe erinnert<br />

und das Ende einer Freundschaft. Während der Baubeginn<br />

sich verzögert, nähert er sich erneut seiner Vergangenheit<br />

und versucht <strong>im</strong> Wiedersehen mit Nicole zu begreifen, was<br />

damals, 1988, mit ihm und seinem Freund Michael geschah.<br />

In <strong>im</strong>mer länger werdenden Rückblenden erzählt Elke Hauck<br />

von der unbewältigten Vergangenheit des Protagonisten Alexander<br />

und seiner Jugendfreunde in der DDR der 80-er Jahre.<br />

Schicht für Schicht entblättert sie in ihrem unaufgeregten, ruhigen<br />

Erzählstil eine Geschichte von Schuld und Verantwortung<br />

<strong>im</strong> Kleinen. In konzentrierten Bildern zeigt sie die triste<br />

Gegenwart einer Kleinstadt in Thüringen, und es gelingt ihr,<br />

ohne große Gesten zwei Zeitebenen zusammenzuführen. (S.G.)<br />

35


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

Besetzung<br />

Alexander Beck Florian Panzner<br />

Alexander jung Sven Gielnik<br />

Michael Vincent Krüger<br />

Nicole Anne Kanis<br />

Nicole jung Vanessa Krüger<br />

Manfred Lange Guntbert Warns<br />

Jeanette Wiebke Bachmann<br />

Udo Christian Näthe<br />

Stab<br />

Buch Peggy Lehmann, Elke Hauck<br />

Regie Elke Hauck<br />

Kamera Michael Kotschi<br />

Schnitt Stefan Stabenow<br />

Szenenbild Angelica Böhm<br />

Kostümbild Sonja Hesse<br />

Producer Meike Götz<br />

Produzenten Martin Lehwald,<br />

Marcos Kantis, Michal Pokorny<br />

Redaktion Stefanie Groß<br />

Produktion<br />

Eine Produktion von Schiwago Film in Koproduktion mit<br />

dem <strong>SWR</strong><br />

Gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg,<br />

Mitteldeutscher Medienförderung, BKM, DFFF und FFA<br />

Deutschland 2011<br />

Länge: 81 Min.<br />

Auszeichnungen:<br />

Preis der deutsch-polnischen Jugendjury be<strong>im</strong> Filmfestival<br />

Lubuskie Lato Filmowe Lagów 2011<br />

36


der preis<br />

Elke Hauck und Peggy Lehmann<br />

über ihren Film<br />

Frau Hauck, wie kamen Sie zu dem Stoff »Der Preis«?<br />

Elke Hauck: Was mich besonders gereizt hat, war die Hauptfigur,<br />

in der ich mich selbst ein wenig wiederfinde. Denn so<br />

wie ich in meine He<strong>im</strong>atstadt gegangen bin, um dort einen<br />

Film zu drehen (»Karger«) und dabei noch einmal zu sehen,<br />

woher ich komme, geht Alex, der Architekt, mit einem Umbauprojekt<br />

an den Ort seiner Herkunft. Mir ging es um diese,<br />

meine Generation, die nach der Wende erst einmal nicht zurück<br />

geschaut hat, weil das Neue viel spannender war, und<br />

jetzt, zwanzig Jahre später, spürt, dass es an der Zeit ist, sich<br />

zu seinen Wurzeln zu bekennen, um einfach fester auf den<br />

eigenen Füßen zu stehen.<br />

Elke Hauck: Dramaturgisch hat mich vor allem der Umgang<br />

mit den zwei Zeitebenen beschäftigt. Es war mir wichtig,<br />

dass die Gegenwart, in der Alex in der Stadt auftaucht und<br />

versucht, mit seiner Arbeit zu beginnen, dass diese Ebene Boden<br />

unter den Füßen gewinnt, um als eigenständiger Erzählstrang<br />

zu funktionieren und nicht nur eine Plattform für die<br />

Vergangenheit zu bilden. Zugleich brauchte ich einen Raum<br />

für die Erinnerungen. Also habe ich nach Pausen gesucht,<br />

nach Bildern, die diesen Raum hergeben. Wobei für mich<br />

manchmal auch zwei sprechende Personen ein Bild ergeben<br />

und nicht nur einen Dialog. Der Protagonist ist Architekt,<br />

aber sein Leben scheint nicht nach Plan verlaufen zu sein<br />

bzw. auch weiterhin nicht nach Plan zu laufen.<br />

Klassische Filmmusik sucht man in »Der Preis« vergebens.<br />

Wie kam das Musikkonzept zustande?<br />

Frau Lehmann, was war Ihr Anliegen be<strong>im</strong> Schreiben von<br />

»Der Preis»?<br />

Elke Hauck: Eine Ebene des Filmes spielt ja 1988/89 in der<br />

DDR und da ist die Musik ein wichtiges Mittel, um ein Zeitgefühl<br />

wachzurufen, aber auch um die Personen, die die Musik<br />

hören, zu charakterisieren. Deshalb ist die Musik <strong>im</strong>mer an<br />

konkrete Quellen gebunden wie Autoradio oder Kassettenrecorder.<br />

Nur an manchen Stellen schwingt sie sich kurz zur<br />

Filmmusik auf. Ich fand es wichtig, dass dieser Film nicht bewertend,<br />

anklagend, aber auch nicht sent<strong>im</strong>ental-nostalgisch<br />

wird. Deswegen erschien es mir gut, nicht auf Musik zu<br />

setzen, die den Zuschauer emotional an die Hand n<strong>im</strong>mt<br />

und die Emotionalität von Szenen nicht durch die Klangfarbe<br />

einer Musik vorzubest<strong>im</strong>men. Ich habe stattdessen versucht,<br />

ein wenig zurückzutreten und die Atmosphäre eher durch<br />

Geräusche lebendig und erlebbar werden zu lassen. Musik<br />

funktioniert dann an vielen Stellen selbst wie ein Geräusch,<br />

wie ein Detail unter anderen. Handelnde Personen und Environment<br />

verschmelzen dramaturgisch. Wortlose Passagen<br />

erzählen ebenso viel wie Dialoge.<br />

Welches dramaturgische Konzept steckt dahinter?<br />

Peggy Lehmann: Der Antrieb für das Drehbuch war die Tatsache,<br />

dass viele, die in der Vergangenheit das DDR-System in<br />

all seinen Facetten befürworteten, sich in der Gegenwart einer<br />

Auseinandersetzung nicht stellen wollen. Deshalb wollte<br />

ich von meinen Erfahrungen, dem Heranwachsen in einer<br />

Diktatur erzählen, davon, wie schwierig es war seine Identität<br />

zu finden, weil wir mit dem Verbot der freien Meinungsäußerung,<br />

dem Verbot des Konsums westlicher Medien und<br />

anderen Verboten konfrontiert waren.<br />

Unsere Einstellung zur Gesellschaftsform wurde <strong>im</strong> wesentlichen<br />

von der Haltung unserer Eltern geprägt: Sie führten<br />

uns vor, wie wir mit den Verhältnissen umzugehen hatten,<br />

entweder man war für oder gegen das System. Sie schrieben<br />

uns gewissermaßen den Weg in unsere Zukunft vor. Eine<br />

Wahl, den Lebenslauf wirklich selbst zu best<strong>im</strong>men, gestaltete<br />

sich schwierig.<br />

Der namenlose Spielort in Ostdeutschland lenkt die Konzentration<br />

auf die Spuren, die eine frühere Gesellschaftsform<br />

37


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

nicht nur in den Menschen, sondern auch äußerlich <strong>im</strong> Sujet<br />

hinterlassen hat. Die Architektur ist dabei ein Motiv, das die<br />

gesellschaftlichen Wertmaßstäbe einer Epoche widerspiegeln<br />

kann. Das Vergangene offenbart sich in dem derzeitigen<br />

System: In der DDR hätte unsere Hauptfigur aus Kosten- und<br />

staatlichen Gründen nicht kreativ sein können, da es aus der<br />

Not heraus effizient war, Betonklötze zu bauen. Heute kann<br />

Alexander seine Kreativität aus kommerziellen Gründen<br />

nicht entfalten, da es be<strong>im</strong> Bauen um Profit geht.<br />

Ich wollte letztendlich erzählen, wie jede Zeit uns <strong>im</strong>mer wieder<br />

aufs Neue mit der Forderung nach Balance und Authentizität<br />

konfrontiert.<br />

Elke Hauck<br />

Elke Hauck wurde 1967 in Riesa geboren und absolvierte eine Buchbinderlehre und ein<br />

<strong>Ab</strong>endstudium an der Hochschule der Bildenden Künste Dresden, bevor sie in Leipzig<br />

und Versailles Germanistik und Kunstpädagogik studierte. 1994 bis 2002 studierte sie<br />

an der dffb in Berlin und schloss das Studium mit dem Dokumentarfilm »Flügge« ab.<br />

2007 erschien ihr Spielfilmdebüt »Karger«, das be<strong>im</strong> Festival Max Ophüls Preis 2007<br />

den Preis des saarländischen Ministerpräsidenten erhielt.<br />

Peggy Lehmann<br />

Peggy Lehmann wurde 1970 in Berlin-Friedrichshain geboren. Sie absolvierte ein<br />

Fachhochschulstudium, das sie 1989 als examinierte Krankenschwester abschloss.<br />

Ein zweites Studium nahm sie an der HFF in Potsdam in Angriff, 2005 machte sie<br />

dort das Diplom als Drehbuchautorin und Dramaturgin. Erste fiktionale und dokumentarische<br />

Filme entstanden während des Studiums, darunter »Schwestern« und<br />

»Weiber Wodka Wlad<strong>im</strong>ir« von 2006. 2010 schrieb sie »Der Preis«. In Entwicklung<br />

ist der Spielfilm »H<strong>im</strong>melhund«.<br />

38


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

39


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

kurzfilme<br />

Der Diener<br />

40<br />

Buch und Regie: Gerd Schneider<br />

Mittwoch, 4.12. 22.45 Uhr<br />

Der katholische Priester Rainer Gotthardt hat eine schwere<br />

Aufgabe zu erfüllen: Er soll Sarah Urban und ihren Sohn Thomas<br />

dazu bewegen, von einer Anzeige gegen einen Mitbruder<br />

abzusehen. Dieser hat Thomas missbraucht. Gotthardt<br />

bietet der Mutter <strong>im</strong> Namen der Kirche für ihr Schweigen<br />

10.000 €. Die überforderte Frau geht schließlich darauf ein<br />

und unterschreibt die Vereinbarung. Ihr Sohn ist zutiefst von<br />

ihr enttäuscht. Ihm wird keine Gerechtigkeit widerfahren. Er<br />

wird den Makel der Lüge weiter mit sich herumtragen.<br />

Gotthardt plagen Zweifel, ob er dieser Familie nicht zu viel<br />

zugemutet hat, und er vernichtet das Dokument. Das erweist<br />

sich jedoch als fataler Fehler.<br />

Wir haben uns mittlerweile an den Gedanken gewöhnt, dass<br />

es in Einrichtungen der katholischen Kirche sexuellen Missbrauch<br />

an Schutzbefohlenen gibt. Dass dadurch auch Menschen<br />

in Konflikte geraten, die erst einmal nichts damit zu tun<br />

haben, macht man sich nicht so klar. Die Frage nach Loyalität<br />

seinem Arbeitgeber gegenüber oder nach dem eigenen Gewissen<br />

stellt sich hier für einen Priester. Im Blick von innen heraus<br />

findet der Autor und Regisseur, Gerd Schneider, hier einen<br />

neuen authentischen Ansatz. (B.D.)<br />

Besetzung<br />

Rainer Gotthardt André Szymanski<br />

Sarah Urban Jeanette Hain<br />

Thomas Urban Jonas Maier<br />

Kardinal Schöller Reinhold Ohngemach<br />

Stab<br />

Buch und Regie Gerd Schneider<br />

Kamera Dominik Berg<br />

Schnitt Aletta von Vietinghoff<br />

Szenenbild Ina Küfner<br />

Kostümbild Ule Barcelos, Tanja Gierich<br />

Produzent Felix Eisele, Julia Kleinheinz, Katja Siegel,<br />

Bernhard Stegmann<br />

Redaktion Brigitte Dithard/<strong>SWR</strong>, Sabine Brantus/ARTE,<br />

Claudia Gladziejewski/BR<br />

Produktion<br />

Eine Produktion der Penrose av medien<br />

in Koproduktion mit <strong>SWR</strong>, BR und ARTE<br />

Länge 14 Min.<br />

40


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

kurzfilme<br />

Geister, die ich rief<br />

Buch und Regie: Lena Knauss<br />

Mittwoch, 4.12. 23.00 Uhr<br />

Als ihr Vater stirbt, kehrt Johanna mit ihrem deutschen<br />

Mann August und ihrer Tochter Alva in ihr He<strong>im</strong>atdorf nach<br />

Schweden zurück. Dort taucht unerwartet ihre ehemalige<br />

Liebe Elis auf, mit dem sie eine leidenschaftliche Beziehung<br />

hatte, die aber für sie unglücklich endete. Elis bedrängt Johanna,<br />

sich erneut auf ihn einzulassen. Doch Johanna will<br />

ihre glückliche Familienidylle bewahren.<br />

Dennoch lässt Elis nicht locker und schafft es, Johannas Leidenschaft<br />

wieder aufke<strong>im</strong>en zu lassen und Zweifel an ihrem<br />

jetzigen Leben mit Mann und Tochter zu wecken. Ihr Widerstand<br />

gegen Elis wird <strong>im</strong>mer geringer, und sie stellt ihre Loyalität,<br />

ihre Verantwortung als Mutter und ihr ganzes Lebensmodell<br />

in Frage, bis sie schließlich trotz aller Selbstverachtung<br />

bereit ist, alles über Bord zu werfen.<br />

Frau zwischen zwei Männern – eine klassische Konstellation,<br />

die hier von der Autorin und Regisseurin Lena Knauss eine<br />

neue, starke Interpretation erfährt. Sie zeigt eindrücklich, wie<br />

ein Mensch Opfer seiner Leidenschaft werden kann, trotz allem<br />

guten Willen und der Einsicht in die Verantwortung gegenüber<br />

der Familie. (B.D.)<br />

Besetzung<br />

Johanna Lisa Carlehed<br />

Elis Ola Rapace<br />

August Stephan Szász<br />

Alva Claudia Onn<br />

Stab<br />

Buch und Regie Lena Knauss<br />

Kamera Eva Katharina Bühler<br />

Schnitt Anna-Kristin Nekarda<br />

Musik Moritz Schmittat<br />

Szenenbild Jan L. Hartmann<br />

Produzent Igor Dvogal<br />

Redaktion Brigitte Dithard/<strong>SWR</strong>, Sabine Brantus/ARTE,<br />

Claudia Gladziejewski/BR<br />

Produktion<br />

Eine Produktion der Essence Film in Kooperation mit der<br />

Filmakademie Baden- Württemberg, in Koproduktion mit<br />

<strong>SWR</strong>, BR und ARTE<br />

Länge 36 Minuten<br />

Auszeichnungen<br />

Studio Hamburg Nachwuchspreis <strong>2013</strong> für Regie<br />

41


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

kurzfilme<br />

Der Passagier<br />

42<br />

Regie: Marcus Richardt · Buch: Thomas Grabowsky und Marcus Richardt<br />

Mittwoch, 4.12. 23.35 Uhr<br />

Alles beginnt mit einem markerschütternden Schrei: Auf<br />

einem Langstreckenflug löst ein randalierender Passagier Panik<br />

aus, als er damit droht, alle an Bord umzubringen. Obwohl<br />

schnell überwältigt und gefesselt, wird der wehrlose<br />

Mann am Ende Opfer eines Mobs verängstigter und aufgebrachter<br />

Passagiere.<br />

Im Wechsel von Spielszenen und Interviews rekonstruiert<br />

»Der Passagier« die <strong>Ab</strong>folge der Ereignisse an Bord. Jeder der<br />

Beteiligten schildert aus seiner Sicht, wie die Situation so eskalieren<br />

konnte, dass Passagiere versuchten, die Kontrolle <strong>im</strong><br />

Flugzeug an sich zu reißen, und eine Frau unter Applaus brutal<br />

auf den gefesselten, wehrlosen Mann einschlug.<br />

Wie dünn ist die Schicht der Zivilisation in unserem Verhalten,<br />

wenn wir Angst haben? Panik macht uns ungerecht, gefährlich<br />

und brutal. Die Bedrohung des Lebens, ob real oder eingebildet,<br />

verwandelt uns in Wesen, von denen eine ebensolche Bedrohung<br />

ausgeht. Die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung, der<br />

sich nur wenige entziehen können, wird sowohl in den Spielszenen<br />

deutlich als auch in den - ebenfalls fiktiven - Interview-Szenen.<br />

Ein gruseliger, aber wahrhaftiger Blick in unsere Psyche,<br />

den uns Autoren und Regisseur hier bieten. (B.D.)<br />

Besetzung<br />

Peter Michalke Henning Peker<br />

Stefanie Peters Helene Grass<br />

Werner Schröder Bernd Stegemann<br />

Flugbegleiterin Alissa Jung<br />

Flugbegleiter Axel Schreiber<br />

Orkan Münir Oktay Özdemir<br />

Stab<br />

Buch Thomas Grabowsky, Marcus Richardt<br />

Regie Marcus Richardt<br />

Kamera Moritz Schultheiß<br />

Schnitt Anne Beutel<br />

Szenenbild Lars Brockmann, Adrianna Hejducka<br />

Kostümbild Rike Russig<br />

Produzentin Rike Steyer<br />

Redaktion Brigitte Dithard/<strong>SWR</strong>, Sabine Brantus/ARTE<br />

Produktion<br />

Eine Koproduktion der Skalar Film mit <strong>SWR</strong> und ARTE<br />

Gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein<br />

und dem Kuratorium junger deutscher Film<br />

Länge 15 Min.<br />

42


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

kurzfilme<br />

Die Welt danach<br />

Regie: Jens Wischnewski · Buch: Julia C. Kaiser<br />

Mittwoch, 4.12. 23.50 Uhr<br />

Die engagierte Strahlenschützerin Lisa ist verantwortlich für<br />

die Bergung der Atommüllfässer <strong>im</strong> Zwischenlager Asse II. Seit<br />

Jahren dringt dort Grundwasser ein, das die Fässer rosten lässt<br />

und so die Radioaktivität nach außen zu transportieren droht.<br />

Die Arbeit hat sie an ihre körperlichen und seelischen Grenzen<br />

gebracht. Vor allem ihre beiden Kinder und ihr Ehemann Markus<br />

bekommen das zu spüren. Darum will Lisa ihre Stelle kündigen<br />

und mit ihrer Familie zurück nach Berlin ziehen.<br />

Doch dann sieht sie bei den ersten entscheidenden Bohrungen<br />

das katastrophale Ausmaß des schon entstandenen<br />

Schadens und ist erschüttert. Ihre Kollegen können sie jetzt<br />

nicht entbehren, wenn es darum geht, noch Schl<strong>im</strong>meres zu<br />

verhindern. Lisa muss sich zwischen ihrer Verantwortung für<br />

die Sicherheit der Asse und ihrer Verantwortung als Mutter<br />

entscheiden. Dabei kann sie nur verlieren.<br />

Nach dem Kurzfilm »Livestream«, ebenfalls von Julia C.Kaiser und<br />

Jens Wischnewski, gezeigt in der Debüt-Staffel 2011, beschäftigt<br />

sich auch dieser Film mit dem Zustand der Welt. Die ist, in der Interpretation<br />

der Filmemacher, offensichtlich gewaltig aus den<br />

Fugen geraten. Was sie den Menschen, die sich damit auseinandersetzen,<br />

abverlangt, wird hier exemplarisch gezeigt. Dabei führen<br />

sie erneut eine Figur in ein unauflösliches Dilemma. (B.D.)<br />

Besetzung<br />

Lisa Anne Ratte-Polle<br />

Markus Michael Rotschopf<br />

Fabrizio Enno Hesse<br />

Karlsson Jürgen Tonkel<br />

Stab<br />

Buch Julia C. Kaiser<br />

Regie Jens Wischnewski<br />

Kamera Dominik Berg<br />

Schnitt Falk Peplinski<br />

Musik Peter Gromer<br />

Szenenbild Karolin Leshel<br />

Kostümbild Teresa Grosser<br />

Producer Anja Goll, Christoph Arni<br />

Redaktion Brigitte Dithard/<strong>SWR</strong>, Sabine Brantus/ARTE,<br />

Claudia Gladziejewski/BR<br />

Produktion<br />

Eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg<br />

in Koproduktion mit <strong>SWR</strong>, Arte, BR<br />

Länge 26 Min.<br />

43


Debüt <strong>im</strong> Dritten<br />

44Sendetermine <strong>im</strong> <strong>SWR</strong> Fernsehen<br />

Mittwoch, <strong>16.</strong>10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

Der Fluss war einst ein Mensch<br />

Regie: Jan Zabeil<br />

Mittwoch, 23.10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

Fliegende Fische müssen ins Meer<br />

Buch und Regie: Güzin Kar<br />

Mittwoch, 30.10.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen<br />

Regie: Lars-Gunnar Lotz<br />

Buch: Anna Maria Praßler<br />

44


sendetermine<br />

Mittwoch, 4.12.<strong>2013</strong>, ab 22.45 Uhr<br />

Kurzfilme<br />

22.45 Uhr Der Diener<br />

23.00 Uhr Geister, die ich rief<br />

23.35 Uhr Der Passagier<br />

23.50 Uhr Die Welt danach<br />

Mittwoch, 11.12.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

Bastard<br />

Buch und Regie: Carsten Unger<br />

Mittwoch, 18.12.<strong>2013</strong>, 22.00 Uhr<br />

Der Preis<br />

Regie: Elke Hauck<br />

Buch: Peggy Lehmann, Elke Hauck<br />

45


Pressekontakt<br />

Pressestelle<br />

Leitung Programmpresse: Anja Görzel<br />

Telefon: +49 711 929 1 10 46 | anja.goerzel@swr.de<br />

Programmpresse Fernsehfilm: Annette Gilcher<br />

Telefon: +49 7221 929 2 40 16 | annette.gilcher@swr.de<br />

<strong>SWR</strong>-Fotoredaktion<br />

Gabriele Genißer-Baudisch<br />

Telefon: +49 7221 929 2 22 87 | gabriele.genisser@swr.de<br />

Redaktion »Debüt <strong>im</strong> Dritten«<br />

Stefanie Groß<br />

Telefon: +49 7221 929 2 44 83 | stefanie.groß@swr.de<br />

Fotos<br />

ard-foto.de<br />

Redaktion Presseheft<br />

Annette Gilcher<br />

Gestaltung<br />

<strong>SWR</strong> Design: Jutta Haderer<br />

Fotos<br />

Jakub Bejnarowicz Der Fluss war einst ein Mensch<br />

Philippe Antonelle Fliegende Fische müssen ins Meer<br />

Laura Schleicher Schuld sind <strong>im</strong>mer die anderen<br />

Kerstin Stelter, Lars Petersen Bastard<br />

Melanie Dressel Der Preis<br />

46


HERAUSGEBER: Südwestrundfunk · <strong>SWR</strong> Pressestelle · Anja Görzel · Leitung Programmpresse · Hans-Bredow-Straße · 76530 Baden-Baden<br />

www.<strong>SWR</strong>.de/presse · Redaktion: Annette Gilcher · © <strong>SWR</strong> <strong>2013</strong> · Pressemappe des <strong>SWR</strong>. Nutzung nur zu Pressezwecken. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Insbesondere ist eine Veräußerung <strong>im</strong> freien Verkauf nicht gestattet.<br />

<strong>SWR</strong>.de<br />

48

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!