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Der »gräßliche Fatalismus der Geschichte« und die Funktion des ...

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126 A lessandro C ostazza<br />

<strong>der</strong> Künstler jedoch nur durch ein pantheistisches Einswerden (im Sinne<br />

Höl<strong>der</strong>lins) mit allem, was lebt, erreichen. Und genau <strong>die</strong>se pantheistische<br />

Bedeutung haben, auf <strong>die</strong> Menschen angewandt, auch Büchners Liebe für<br />

<strong>die</strong> »Geringsten« <strong>und</strong> seine »mitleidige[n] Blicke« auf <strong>die</strong> Menschheit (SW 2,<br />

S. 380). Das Mitleid, als pantheistische <strong>und</strong> sympathetische Teilhabe an <strong>der</strong><br />

ganzen Natur <strong>und</strong> somit auch am Schicksal <strong>der</strong> Mitmenschen verstanden,<br />

stellt mit an<strong>der</strong>en Worten <strong>die</strong> produktionsästhetische Gr<strong>und</strong>lage von Büchners<br />

Realismus dar.55<br />

Die Darstellung <strong>des</strong> notwendigen Lei<strong>des</strong> <strong>des</strong> Individuums in seiner körperlichen<br />

Fragilität <strong>und</strong> existentiellen Ausgesetztheit bedeutet also bei Büchner<br />

we<strong>der</strong> eine zynische Bejahung im Zusammenhang einer teleologischen<br />

Versöhnung im Sinne Hegels noch eine Auffor<strong>der</strong>ung zur Resignation, wie<br />

etwa Schopenhauer sie formuliert: Sie ist vielmehr Ausdruck einer mitleidenden,<br />

das heißt sympathetischen Teilnahme am Schmerz <strong>der</strong> Welt, <strong>die</strong> das<br />

Skandalon <strong>des</strong> Leidens <strong>des</strong> Einzelnen, den »Fels[en] <strong>des</strong> Atheismus« also,<br />

nicht verdecken will, son<strong>der</strong>n ihn vielmehr offen <strong>und</strong> anklagend zur Schau<br />

stellt.56 Obwohl Büchner an keiner Stelle von Tragö<strong>die</strong> redet, kann jedoch<br />

kein Zweifel darüber bestehen, dass ausgerechnet <strong>die</strong>se Gattung <strong>die</strong> von ihm<br />

an <strong>die</strong> Kunst im Allgemeinen gestellte For<strong>der</strong>ung am besten erfüllen kann,<br />

sodass er ohne Bedenken zu den Begrün<strong>der</strong>n einer neuen Auffassung <strong>der</strong><br />

Tragö<strong>die</strong> beziehungsweise <strong>der</strong> >Tragö<strong>die</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne< gezählt werden kann.<br />

55 Ü ber das M itleid als »Präm isse <strong>des</strong> künstlerischen Realism us« vgl. Peter-Andre Alt: Tragö<strong>die</strong><br />

<strong>der</strong> Aufklärung (Anm. 1), S. 304f. Vgl. auch H ans-Jürgen Schings: D er mitleidigste<br />

M ensch (Anm. 52), S. 73.<br />

56 Vgl. ähnlich ebenda, S. 81-84.

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