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Der Kreis eins: Klarstellungen - Neue Zürcher Zeitung

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N3U|..<br />

Situe


74 Sainitag/Sonntig. 20./2I. November 1982 Nr. 271 WOCHENENDE Situe Äcljcr 3cif niiü<br />

Kirchgasse<br />

heit, Hygiene und ästhetisches Empfinden» beeinträchtigen.<br />

Sagt der Strasseninspektor.<br />

Ecke Oberdorfstrasse/Torgasse<br />

Geschäftstüren stehen offen. Es muss ja nicht der kleine Spezereiwarenladen<br />

gewesen sein, der zur Galerie ausgebaut worden<br />

ist; Regale müssen nicht durc h Stellwände, ausgetretener Linoleum<br />

nicht durch Kokosausleger ersetzt worden sein, Ladengrau<br />

nicht mit Galerieweiss übertüncht. Es muss ja nicht das speckglatte<br />

Hinterhofpflaster den zwei Rasenquadraten gewichen<br />

sein, der Schuppen nicht zum Galerieraum Nr. 2 und der Kohlenkeller<br />

nicht zu Nr. 3 und 4 umgestaltet worden sein. Es muss<br />

ja nicht unbedingt so gewesen sein.<br />

«An die Bewohner dieser Liegenschaft. Mille Juni hatten wir, durch<br />

falsch parkierte Fahrzeuge gezwungen (wer hat denn die parkieren Klarstellung:<br />

lassen?),<br />

Die Galeristin hat regen Kontakt mit den Geschäftsleuten<br />

rundum am Platz, man ist eine echte Gem<strong>eins</strong>chaft<br />

den Standort der zur Abholung bereiten Kehrichtsäcke verlegt.<br />

Leider gibt es einige Leute(Leute" vielleicht,<br />

tagsüber. Nach Ladenschluss trennen sich ihre Heimwege, sie<br />

die das scheinbar noch nicht realisiert haben (das ist die Realität). Im<br />

Interesse der Ordnung (die Ordnung ist selber jemand führen alle geworden, aus der Altstadt hinaus. Es gibt aber doch noch echte<br />

der<br />

Altstadtbewohner, einfache Leute im Hinterhaus, durchaus, die<br />

eigene Interessen haben kann) bitten wir die Betreffenden, ihre Kehrichtsacke<br />

(was gehört wem?) Jeweils Dienstag und Freitag alte Frau ist grad gestorben. Rundum aber kann man die Miete<br />

bis 13 Uhr<br />

an den oben bezeichneten Stellen zu deponieren<br />

. natürlich nicht mehr bezahlen. Und der Einmannlift führt<br />

Für Ihre<br />

in die<br />

Mithilfe danken<br />

wir Ihnen (wollen wir denn nicht alle miteinander dafür sorgen,<br />

oberen Stockwerke, mitten ins Appartement von Monsieur M.,<br />

dass unser liebes Züri sauber bleibt?). Abfuhrwesen der Stad t Zürich,<br />

Sammelbetrieb 2, Hagenholz (das ist in Oerlikon draussen).»<br />

«Damit die Altstadt ihre gepflegte und historische Oberfläche<br />

zurückerhalten wird», sagt die Stadtverwaltung zur Altstadtsanierung.<br />

Es entspricht alter Zürcher Tradition, Reichtum nicht<br />

zu zeigen. So ist es nicht leicht, hinter die verschönten Oberflächen<br />

einen Blick zu werfen, um den Reichtum baulicher Raffinements<br />

in gesundrenovierten Abbruchliegenschaften zu erfassen.<br />

Gegensprechanlagen mit Fernsehaugen und klinkenlose Türen<br />

lassen nur schwerlich Schlüsse auf parkettglänzendes Treppenhaus,<br />

Schmiedeisengeländer, Sichtgebälk, mittelalterliche<br />

Malerei auf freigelegtem Gemäuer und Dachgartenparadiese zu.<br />

Auch neue Altstadtbewohner haben sich insofern gut assimiliert,<br />

als sie diese zürcherische Zurückhaltung der Oeffentlichkeit gegenüber<br />

angenommen haben. Ihre Begründung kann heutzutage<br />

verständlich sein: Sicherheitsbedürfnis und Angst, Missgunst zu<br />

erregen; früher war es zwinglianische Bescheidenheit, eine Art<br />

Moral. Am Hechtplatz Kirchgasse<br />

Die Altstadt riecht nicht mehr. Nicht einmal mehr nach dem<br />

von Hund oder Mann Gelassenen, nicht mehr nach tiefen feuchten<br />

Kellern, Kohlenstaub, nach altem Laub und Katzensand in<br />

einer von der städtischen Reinigungsmaschinerie nicht erfassten<br />

Mauerecke. Abfall in Säcken hat keine Zeit zum Faulen. Ordnung<br />

muss sein:<br />

Stadelhoferstrasse<br />

Ecke Stadelhoferslrasse/Schanzengasse<br />

dem Galeriebesitzer, in das er absteigt, wenn er seine Filiale einmal<br />

besuchen kommt. Es muss ja nicht meine alte Stadt gewesen<br />

sein. i,<br />

Privat oder geschäftlich was von aussen immer sichtbar ist,<br />

sind die buntrenovierten Fassaden, gepflegt bis unters Dach.<br />

Zürcher Altstadt historisch wiederhergestellt. Aber was ist den n<br />

historisch, wie alt ist alt? Welchem unbekannten Meister sind<br />

die Einheitsfensterleibungen zuzuschreiben, welcher Vorstellung<br />

von Gotik entsprechen sie? In welchem Jahrhundert war der einzelne<br />

Bollenstein stilbildend, der aus dem weissen Verputz wie<br />

ein Pfulmen aus dem frischgemachten Bett baucht? Warum ist<br />

mit Siena- oder Tomatencremesuppenrot bestrichener Dämmverputz<br />

(über armiertem Beton) schöner als ein altersschwarzer<br />

Besenwurf? Auf den Fassaden der Froschau- und Predigergasse,<br />

des Rinder- und Neumarkts hat sich buntes Leben entwickelt.<br />

Wer baut, baut an der Zukunft. Patina wird die Buntheit überzie-<br />

<strong>Neue</strong> Zürcher <strong>Zeitung</strong> vom 20.11.1982


ülcitc Jiid|cv^ciiini,n<br />

WOCHENENDE<br />

271/75<br />

Samstag/Sonnlag, 2O./2I. November 1982 Nr. 271 75<br />

sein. Sie liegt nun den ganzen Tag in ihrer Mansarde, und die<br />

ganze Nacht. Jeden Tag.<br />

'


76 Samstag/Sonntag, 20./2I. November 1982 Nr. 271 WOCHENENDE JlcittÄrflcrJciliiiiii<br />

«Schober» und Fixer bei m Th6 citron in Limmatnähe, Amerikaner<br />

lösen Touristenbons im Zunfthaus ein. Den Ratsherrentopf<br />

gibt es so gut wie Saltimbocca an allen Orten, und Hamburger<br />

auch. Das einzig Währschafte am ganzen gastronomischen Betrieb<br />

in der Altstadt sind die Preise. Auch Essen und Trinken ein<br />

Geschäft, was sonst. Altstadt Geschäftsstadt.<br />

Zwingli-Stadt? Fürs leibliche Wohl ist gesorgt. Die Sexläden<br />

schieben sich in jeden eingegangenen Merceriewarenladen; erhöhter<br />

Besucherverkehr fördert Geschäftsgang und Expansion;<br />

der Regierungsrat erachtet weitere Massnuhmcn für unnötig.<br />

Das Spielbedürfnis steigt; was nicht Modeshop oder Dekorstudio<br />

geworden ist, wird vollelektronisiertes Spielparadies. Im<br />

«Chreiseis» klingelt's aus allen Türen. Da lob' ich mir den alten<br />

«Frosch», zumal die Disco-Boys jetzt auch im «Schlauch» um<br />

die Billardtische lümmeln.<br />

Fürs seelische Wohl ist gesorgt. Und Zwingli hält sich im<br />

Schatten der Wasserkirche versteckt, schaut, Schwert bei Fuss,<br />

limmataufwärts, ich nehme an, über die «Riviera» hinweg.<br />

Unlere Zäune<br />

kommen zum Frühstück zwischen Tram und Büro, zum Lunch,<br />

am Abend vor Konzert und Theater zum Treff. Im ersten Stock,<br />

dem Restaurant, lassen sich die Gäste mehr Zeit. Gäste: aus<br />

Banken und Geschäften, Touristen, Schüler und Studenten keine,<br />

Hotelgäste aus den umliegenden Etablissements, Stammkunden<br />

einige, Stadtzürcher, soviel bekannt, wenige. Vom Personal<br />

wohnt niemand in Zürich.<br />

Jutta Prager hat regen Kontakt mit den Geschäftsleuten<br />

rundum am Platz. Sie pflegt das Geschäftsgespräch über die<br />

Gasse, auch wenn am Ende jeder für sich selbst arbeitet und die<br />

Aktivität der City-Vereinigung, der sie angehört, mässig ist. <strong>Der</strong><br />

Paradeplatz ist autofrei auf Zürcherart. Jutta Prager als Fussgängerin<br />

sähe die City gerne verkehrsfrei. Als Geschäftsfrau vermisst<br />

sie das Auto, d. h. die Parkplätze und -häuser in der City,<br />

die es aufnehmen würden. Nicht auf dem Paradeplatz, den findet<br />

sie hübsch gestaltet; Bäume und Blumen wünschte sie sich<br />

allerdings mehr.<br />

Leben herrscht am Paradeplatz nach Geschäftsschluss bis 20<br />

Uhr.<br />

Klarstellung: Judit Matrahazi und Tibor Hock, beide aus Budapest,<br />

beide Herrencoiffeure, führen einen eigenen Salon an<br />

der Niederdorfstrasse beim Central, der seit Jahrzehnten besteht.<br />

Sie sind seit neun Jahren in der Schweiz. Sie hätten weiter auswandern<br />

können, hätten Angebote gehabt, sie wollten bleiben,<br />

in der Schweiz und im Niederdorf. Sie sind allerdings froh um<br />

die Sanierung, Gesundung der Altstadt. Saubere Fassade bringt<br />

saubere Kundschaft. «Das Niederdorf ist vernünftiger geworden.»<br />

Sie leben, nicht nur geschäftlich, von und mit ihrer Kundschaft.<br />

«Diesen Beruf kann man nicht als Arbeit betrachten.»<br />

Neben den Passanten und Touristen haben sie eine grosse<br />

Stammkundschaft. Viele ehemalige Studenten, für die der Salon<br />

«Tibor» ein Treffpunkt geworden ist, genau wie für Väter und<br />

Söhne. Die Kundschaft ist interessant, gemischt, lebendig, man<br />

merkt, dass es Leute Männer sind, die ins Niederdorf kommen,<br />

um etwas zu erleben. Schwierigkeiten deswegen gibt's wenige,<br />

sie sind mit Höflichkeit und Bestimmtheit zu meistern. Niederdorfkunden<br />

sind unkompliziert, leger in der Anonymität.<br />

Und sie haben den Vorteil, dass sie nicht am selben Or t wie der<br />

Coiffeur wohnen.<br />

Als Ungarn hätten es die beiden in einem Aussenquartier<br />

weniger leicht mit einem eigenen Laden. Dort ist der <strong>Kreis</strong><br />

geschlossen, Vorbehalt Fremden gegenüber grösser und soziale<br />

Kontrolle schärfer. Zum Wohnen ist der Vorort angenehm. Sie<br />

sagen Rio de Leimbach, weil sie der Ansicht sind, sie führen<br />

jeden Abend in die Ferien nach Hause. Den Einkauf tätigen sie<br />

im Niederdorf, um den Kontakt mit der Nachbarschaft, die<br />

geschäftlich ist, auf Gegenseitigkeit<br />

zu pflegen. Die Bahnhofstrasse<br />

ist doch tot, die Langstrasse hat das schmutzige Geschäft<br />

abgezogen, es lebe das Niederdorf.<br />

Man möchte annehmen, die Altstadt sei fertig ausgebaut, nur<br />

noch hinter bestehenden Fassaden umzugestalten. Es sind aber<br />

Fürs leibliche Wohl wird in der Innenstadt gesorgt, zu verhungern<br />

braucht der Besucher nicht. Es ist schwierig, in der Altstadt<br />

eine Ecke zu finden, in der nicht ein glattes Beizli, ein nettes<br />

Lokal, eine Küferstube, Trattoria oder Spaghetteria steht, ein<br />

Cafe, eine Cave, Bierhalle, renommiertes Zunftlokal oder<br />

schnellschnelle Burgerstube. Und alle wirken enorm echt. <strong>Der</strong><br />

Besucher erinnert sich an seinen Sommer im Süden und merkt<br />

nicht, wie amerikanisch schnell er mit Teig und Chianti abserviert<br />

wird, trotz Weinessig am gemischten Salat. Die Designer,<br />

die in der Altstadt ihre Ateliers haben, leben in den Cafes ihre<br />

wüstesten Vorstellungen von Wiener Fin de siede aus. Und<br />

wenn in einem Bierlokal sich ein runder alter massiver Holztisch<br />

hat erhalten können, dann macht das schon fast einen richtiggehenden<br />

Bierspunten aus.<br />

Die «happy people» sitzen vor der Americano-Bar, die<br />

«beautiful» im «Odeon», Graphiker im «Turm», Brave im<br />

Leben im <strong>Kreis</strong> <strong>eins</strong> ist eine Sache des Gesichtspunkts: Wie man auf vierzig Jahre Mansardendasein zurückschaut. Wie man es sich zeitgemäss einrichtet.<br />

Wie man sich an Bewährtes und dieses blankgeputzt hält<br />

Wie man es tüchtig an die Hand nimmt.<br />

Wie man sich unvoreingenommen dazu stellt und lacht.<br />

noch Grossüberbauungen möglich. Jenseit s der Rämistrasse,<br />

ausserhalb der historischen Stadtbefestigung, in der ehemaligen<br />

Landschaft am See draussen. Da ist äusserer <strong>Kreis</strong> <strong>eins</strong>, die<br />

neuere Altstadt. Einst grüner Vorort Stadelhofen. Da stehen der<br />

«Baumwollhof» und der «Sonnenhof», Zeugen jener Zeit. An<br />

ihrer neuesten Geschichte lässt sich des Zürchers merkwürdiges<br />

Wertverständnis buchstabengetreu ablesen, Menetekel.<br />

<strong>Der</strong> Souverän hat, widerwillig und knapp zwar, die beiden<br />

historischen Bauten 1976 für rund 13 Millionen Franken gekauft;<br />

aber nicht die Liegenschaft auf der sie standen. Den<br />

gepflasterten Ehrenhof nicht, die Remisen, Stallungen, Nebengebäude<br />

die Umgebung. Das wäre zu teuer gewesen, zuviel<br />

Geld für Kultur allein. Durchaus legal und systematisch ist die<br />

Umgebung nun von einem winkelreichen Gebäudekomplex verstellt<br />

worden. Die Planer haben bestehende Fassadenformen absichtsvoll<br />

in ihre Betonfronten aufgenommen, mit Backstein ver-<br />

<strong>Neue</strong> Zürcher <strong>Zeitung</strong> vom 20.11.1982


Sicut ,3im1|civ!ciliiti!i WOCHENENDE<br />

Samstag/Sonnlag,<br />

20./2I. November 1982 Nr. 271 77<br />

zuckert, haben dem Prachtsgittertor Raum ausgespart, lediglich<br />

aus Raumnot einen Prachtsbaum nächtens umgelegt, illegal.<br />

Nachdem also maximale Nutzung des Raumes gewährleistet,<br />

lässt sich die Stadt ihrerseits wieder nicht lumpen und spendiert<br />

8,5 Millionen für die Innenrenovation der historisch wertvollen<br />

Gebäude. Aber: man hat den Häusern den Lebensraum genommen;<br />

hätt e sie geradesogut auf den Ballenberg bringen können,<br />

dann wäre wenigstens Erinnerung getilgt.<br />

Das ist die «Zürcher Formel»: minimale Renommierkultur<br />

gegen maximale Rendite.<br />

<strong>Der</strong> Zürcher will es sich nicht leisten können, an einer su<br />

günstigen Verkehrs- und Geschäftslage so viele Quadratmeter<br />

ungenutzt liegenzulassen. Zürich ist eine Stadt des regen Handels,<br />

Finanzplatz zum ökonomischen Wohle seiner Bürger. Sich<br />

regen bringt Leben; die alte Zeit ist vorbei, es lebe die neue.<br />

«Ab Frühjahr 1983 wird die neu erstellte Stadelhofer Passage die kürzeste<br />

und attraktivste Fussgängerverbindung zwischen dem Bahnhof<br />

Stadelhofen (künftiger S-Bahn-Knotenpunkt!) und dem Bellevue/Limmatquai<br />

sein. Die Ladenlokale in der Passage eignen sich insbesondere<br />

für Comestibles, Confiserie, Brotladen, Milchprodukte, Schuhe,<br />

Boutique, Blumen, Hi-Fi/Radio/TV, Photo,<br />

Parfumerie usw. In<br />

anderen Trakte n der Ueberbauung vermieten wir Ih- bis 4'A-Zimmer-<br />

Wohnungen, Büro- und Praxisräume sowie attraktive Räumlichkeiten<br />

für Galerien und Ateliers.»<br />

Frage eines Besuchers: Wer wird denn da ab 1983<br />

mit Ausrufezeichen leben?<br />

Zukunft<br />

Klarstellung: Die Olgastrasse zwischen Stadelhofen und Hoher<br />

Promenade ist eine Reihe von fünf Häusern aus der Jahrhundertwende.<br />

Beste Wohnlage, zentral und sonnig, viel Grün<br />

rundum. Rund 20 grosszügige Wohnungen, insgesamt etwa 100<br />

Zimmer. Aus 13 Wohnungen sind «im Laufe der Zeit»<br />

Büros und Ateliers geworden. In einer von den verbliebenen 7<br />

wohnt seit 1948 Kurt Pfändler mit seiner Frau Olga; die Kinder<br />

sind erwachsen, in aller Welt an die Olgastrasse kehren sie<br />

Zwingliplatz<br />

PELZE<br />

^Huguenin)<br />

fcq.brihoteto.39<br />

Bahnhofstrasse<br />

Paradeplatz<br />

heim. Kurt Pfändler arbeitet als Werbemann auch in seiner<br />

Wohnung. In der Altstadt sind die Kinder zur Schule gegangen,<br />

in der Kirchenpfleg<br />

e Grossmünster wirkt seine Frau die Verbindung<br />

zur inneren Altstadt ist gewährleistet. Die Olgastrasse<br />

ist trotzdem für Kurt Pfändler ein eigenes Kleinquartier innerhalb<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>eins</strong>, «eine Oase; der <strong>Kreis</strong> acht, der in Sichtweite<br />

beginnt, ist Ausland, da ist nur die chemische Reinigung».<br />

Das Quartierleben hängt von der Unternehmungslust des<br />

Einzelnen ab. Pfändler pflegt nicht nur zu den knapp zwölf Mitbewohnern,<br />

sondern auch zu den vielen Büroangestellten, die an<br />

der Olgastrasse nur beschäftigt sind, ein nachbarschaftliches<br />

Verhältnis; der Ton an der Olgastrasse ist herzlich. Pfändler<br />

kümmert sich drum. Bis in die Nacht hinein, wenn er die Strasse<br />

in Vertretung der Reinigungsequipe, ausgestattet mit städtischem<br />

Reisbesen wischt. Er regelt den Parkierverkehr mit den<br />

Dauer- und den Abendparkierern, sucht das Gespräch statt den<br />

Streit. Nur schade, dass es keine Kinder mehr gibt. <strong>Der</strong> neue<br />

Stadelhofen- Komplex vor der Haustüre ist für Kurt Pfändler<br />

wie alles in der Altstadt eine Sache der Einstellung. Positiv<br />

ist, dass die Ueberbauung das Quartier beleben wird.<br />

Die Stadelhofen-Passage ist Inbegriff zürcherischer Altstadtpolitik.<br />

Zürich ist auf die Passage, auf den Durchgang, eingerichtet<br />

worden. Zwar passiert viel in Zürich, es ist eine lebhafte,<br />

unternehmenslustige Stadt, es kommt und geht vieles vor; Verkehr<br />

und Fluss (englisch: flow) bestimmen die Gestaltung des<br />

Raums, in dem sich geschäftiges Zürcher Leben abspielt. Dem<br />

Bestandenen, wenn es messbar grossen Wert hat, wird musealer<br />

Raum ausgespart.<br />

Was bleibt?<br />

Ich bin mit meinen Gefühlen nie aus dem <strong>Kreis</strong> <strong>eins</strong> herausgekommen.<br />

«Wir danken Ihnen für Ihren Besuch.»<br />

Münsterbrücke und Limmatquai<br />

<strong>Neue</strong> Zürcher <strong>Zeitung</strong> vom 20.11.1982

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