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Mechanik 1 - TU Wien

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

Univ.Prof. Dr. Christian Bucher<br />

Sommersemester 2013<br />

Letzte Korrektur: 10. Juni 2013


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.1 Beschreibung physikalischer Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2 Idealisierungen der Technischen <strong>Mechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.3 Elementare Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

2 Kraftsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.1 Zentrales Kraftsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.2 Moment einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2.3 Resultierende allgemeiner Kraftsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

2.4 Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

3 Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.2 Spannungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.3 Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

3.4 Elastizitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

4 Statik einfacher Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

4.1 Tragwerksidealisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

4.2 Belastungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

4.3 Schnittprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

4.4 Statische Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

4.5 Lagerreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

4.6 Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

4.7 Spezielle Tragwerkstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

4.8 Räumliche Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

5.1 Kinematik des Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

5.2 Kinematik des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

5.3 Kinematische Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

5.4 Bestimmung von Lagerreaktionen und Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

6 Flächenmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

7 Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

7.1 Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

7.2 Auftrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

7.3 Flüssigkeitsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

8 Formänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

8.1 Dehnungs- und Spannungsverteilung bei reiner Balkenbiegung . . . . . . . . . . 68<br />

8.2 Biegelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

8.3 Formänderungsenergie und Arbeitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

© 2007 - 2013 Christian Bucher. All rights reserved. 1


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

2 © 2007 - 2013 Christian Bucher. All rights reserved.


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

Vorbemerkung<br />

Dieses Manuskript fasst die wesentlichen Inhalte der Vorlesung <strong>Mechanik</strong> 1 kompakt zusammen.<br />

Es ist kein Ersatz für die Vorlesung und gibt deren Inhalt und insbesondere die zusätzlichen<br />

Erläuterungen nicht vollständig wieder.<br />

Hinweis<br />

Dieses Manuskript ist aktuell in Bearbeitung und kann zahlreiche Tippfehler enthalten. Es<br />

empfiehlt sich der Besuch der Vorlesung - in der Regel sind die dort angeschriebenen Gleichungen<br />

weitgehend korrekt. Den Studierenden, die konkrete Hinweise zur Verbesserung<br />

gaben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.<br />

Alle Rechte an diesem Manuskript liegen beim Verfasser. Nachdruck und Wiedergabe, auch<br />

auszugsweise, bedarf der schriftlichen Genehmigung durch den Verfasser.<br />

Literatur<br />

Aus der zahlreich vorhandenen Literatur werden folgende Bücher zur ergänzenden Lektüre<br />

empfohlen:<br />

1. F. Ziegler, Technische <strong>Mechanik</strong> der festen und flüssigen Körper, 3. Aufl., Springer,<br />

<strong>Wien</strong>-New York, 1998.<br />

2. D. Gross, W. Hauger, J. Schröder, W. A. Wall, Technische <strong>Mechanik</strong> 1 - Statik, 9. Aufl.,<br />

Springer, Berlin-Heidelberg, 2006.<br />

3. D. Gross, W. Hauger, W. Schnell, P. Wriggers, Technische <strong>Mechanik</strong> 4 - Hydromechanik,<br />

Elemente der Höheren <strong>Mechanik</strong>, Numerische Methoden, Springer, Berlin-Heidelberg,<br />

1993.<br />

© 2007 - 2013 Christian Bucher. All rights reserved. 3


1 Einleitung <strong>Mechanik</strong> 1<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Beschreibung physikalischer Größen<br />

1.1.1 Grundgrößen und Maßeinheiten<br />

Die Grundgrößen der <strong>Mechanik</strong> sind Länge (gemessen in Meter (m)<br />

oder geeigneten Vielfachen davon (z.B. Millimeter oder Kilometer),<br />

Zeit (gemessen in Sekunden oder Vielfachen wie z.B. Millisekunden<br />

oder Stunden) und Masse (gemessen in Kilogramm oder Vielfachen<br />

wie Gramm oder Tonne). Standard-Vielfache sind durch die folgenden<br />

Zusätze charakterisiert:<br />

• m (Milli) = 10 −3<br />

• µ (Mikro) = 10 −6<br />

• n (Nano) = 10 −9<br />

• k (Kilo) = 10 3<br />

• M (Mega) = 10 6<br />

Größe Einheit<br />

Länge m<br />

Zeit s<br />

Masse kg<br />

Tabelle 1.1 Grundgrößen<br />

und -einheiten<br />

• G (Giga) = 10 9<br />

Alle anderen physikalischen Größen der Größe Einheit<br />

<strong>Mechanik</strong> können aus den Grundgrößen<br />

abgeleitet werden. abgeleitet werden.<br />

Physikalische Größen können skalar<br />

(z.B. Energie) oder vektoriell (z.B.<br />

Geschwindigkeit) sein. Vektoren können<br />

nur unter Angabe eines Koordinatensystems<br />

festgelegt werden.<br />

Geschwindigkeit<br />

m/s<br />

Beschleunigung m/s 2<br />

Kraft<br />

kg m/s 2 = N (Newton)<br />

Druck<br />

kg/m s 2 = N/m 2 (Pascal)<br />

Tabelle 1.2 Abgeleitete Größen und Einheiten<br />

1.1.2 Koordinatensysteme<br />

Kartesische Koordinaten in der Ebene<br />

y<br />

⃗e y<br />

⃗r p<br />

P<br />

⃗e x<br />

x p<br />

Abbildung 1.1<br />

y p<br />

Kartesische<br />

Koordinaten in der<br />

Ebene<br />

x<br />

Ein Punkt P in der Ebene ist festgelegt durch zwei Maßzahlen, die<br />

kartesischen Koordinaten x p und y p . Diese Maßzahlen beschreiben<br />

die Abstände des Punktes P vom Koordinatenursprung in zwei<br />

orthogonalen Richtungen x und y.<br />

Der Ortsvektor ⃗r p des Punktes P ist dann festgelegt durch<br />

⃗r p = x p ⃗e x + y p ⃗e y (1.1)<br />

Darin sind ⃗e x und ⃗e y Einheitsvektoren in Richtung der Koordinatenachsen.<br />

In Komponentenschreibweise:<br />

[ ]<br />

xp<br />

⃗r p =<br />

(1.2)<br />

y p<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

1 Einleitung<br />

Kartesische Koordinaten im Raum<br />

x<br />

z<br />

⃗r p<br />

P<br />

⃗e z<br />

⃗e y z<br />

⃗e p<br />

x<br />

yp<br />

Abbildung 1.2<br />

Kartesische Koordinaten<br />

im Raum<br />

x p<br />

y<br />

Ein Punkt P im Raum ist festgelegt durch drei Maßzahlen,<br />

die kartesischen Koordinaten x p , y p und z p . Diese Maßzahlen<br />

beschreiben die Abstände des Punktes P vom Koordinatenursprung<br />

in drei orthogonalen Richtungen x, y und z.<br />

Es gilt:<br />

bzw. in Komponentenschreibweise<br />

⎡<br />

⃗r p = x p ⃗e x + y p ⃗e y + z p ⃗e z (1.3)<br />

x p<br />

⃗r p = y p ⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

(1.4)<br />

⎦<br />

z p<br />

Dabei bilden die drei Koordinatenachsen ein Rechtssystem, d.h. ⃗e z = ⃗e x × ⃗e y .<br />

Polare Koordinaten in der Ebene<br />

y<br />

x p<br />

r p<br />

φ p<br />

Abbildung 1.3<br />

⃗e φ<br />

Polare Koordinaten<br />

in der Ebene<br />

P<br />

y p<br />

x<br />

⃗e r<br />

1.2 Idealisierungen der Technischen <strong>Mechanik</strong><br />

Ein Punkt P in der Ebene ist hier ebenfalls festgelegt durch zwei<br />

Maßzahlen, die polaren Koordinaten r p und ϕ p . Diese Maßzahlen<br />

beschreiben den Abstand des Punktes P vom Koordinatenursprung<br />

und den Winkel, den der Abstandsvektor mit der x-Achse<br />

einschliesst.<br />

Die Richtung der Einheitsvektoren ⃗e r und ⃗e ϕ hängt vom betrachteten<br />

Punkt P ab. Es gilt:<br />

⃗r p = r p ⃗e r (1.5)<br />

Die Umrechnung von kartesischen in polare Koordinaten und<br />

umgekehrt erfolgt nach:<br />

x p = r p cos ϕ p ; y p = r p sin ϕ p<br />

√<br />

r p = x 2 p + y2 p ; ϕ p = arctan y p<br />

(1.6)<br />

x p<br />

• Starrer Körper: Körper verformt sich unter Einwirkungen von Kräften nicht.<br />

• Elastischer Körper: Verformungen des Körpers sind proportional zur Größe einwirkender<br />

Kräfte<br />

• Massenpunkt: Die gesamte Masse eines Körpers wird in einem Punkt konzentriert<br />

gedacht.<br />

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1 Einleitung <strong>Mechanik</strong> 1<br />

1.3 Elementare Vektoroperationen<br />

hier dargestellt im R 3 .<br />

• Vektoren<br />

⎡<br />

a x<br />

⃗a = a y ⎢⎣<br />

⎤⎥ ⎦<br />

a z<br />

⃗ b =<br />

⎡⎢ ⎣<br />

b x<br />

b y<br />

b z<br />

⎤⎥ ⎦<br />

(1.7)<br />

• Euklidische Norm (Länge) eines Vektors<br />

||⃗a|| =<br />

√<br />

a 2 x + a2 y + a2 z = a (1.8)<br />

• Transponierter Vektor<br />

• Skalarprodukt (inneres Produkt)<br />

⃗a T = [ a x a y a z<br />

]<br />

(1.9)<br />

< ⃗a, ⃗ b >= ⃗a T ⃗ b = ax b x + a y b y + a z b z ; ⃗a T ⃗a = ||⃗a|| 2 (1.10)<br />

• Vektorprodukt (äußeres Produkt)<br />

⎡<br />

⃗a × ⃗ a y b z − a z b y<br />

b = −a x b z + a z b x<br />

⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

(1.11)<br />

⎦<br />

a x b y − a y b x<br />

• Dyadisches Produkt (Matrixprodukt)<br />

⎡<br />

⃗a · ⃗b<br />

a x b x a x b y a x b z<br />

T = a y b x a y b y a y b z<br />

⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

(1.12)<br />

⎦<br />

a z b x a z b y a z b z<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

2 Kraftsysteme<br />

2 Kraftsysteme<br />

2.1 Zentrales Kraftsystem<br />

Wirken an einem Punkt eines Körpers mehrere Kräfte ⃗F 1 , ⃗F 2 , . . .⃗F n , so ist die Wirkung äquivalent<br />

der Wirkung der Resultierenden ⃗R. Dabei gilt:<br />

⃗R = ⃗F 1 + ⃗F 2 + . . . + ⃗F n =<br />

n∑<br />

⃗F k (2.1)<br />

k=1<br />

x<br />

z ⃗ F1<br />

y<br />

⃗ F2<br />

⃗ F3<br />

⃗ R<br />

Abbildung 2.1<br />

Zentrales Kraftsystem<br />

In der Ebene lässt sich die Bildung der Resultierenden ⃗R durch Zeichnen des Kraftecks<br />

anschaulich zeigen.<br />

y<br />

Lageplan<br />

⃗ F1<br />

Kräfteplan<br />

x<br />

⃗ F2<br />

⃗ F1<br />

⃗ ⃗<br />

F2<br />

F3<br />

⃗ F3 R ⃗<br />

⃗R<br />

Abbildung 2.2<br />

Graphische Addition von Kräften in der Ebene<br />

Da Gl. (2.1) die Addition von Vektoren beschreibt, ist das Ergebnis des Kraftecks unabhängig<br />

von der Reihenfolge der Addition.<br />

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2 Kraftsysteme <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 2.1<br />

y<br />

Addition von Kräften in der Ebene<br />

60 ◦<br />

⃗ F2<br />

α<br />

⃗ R<br />

45 ◦ ⃗ F1<br />

x<br />

Gegeben seien drei Kräfte ⃗F 1 , ⃗F 2 und ⃗F 3 mit F 1 = 5 kN,<br />

F 2 = 4 kN, F 3 = 3 kN wie nebenstehend dargestellt. Die<br />

Resultierende ⃗R dieser drei Kräfte soll rechnerisch nach<br />

Größe R und Richtung α bestimmt werden. In Komponentenschreibweise<br />

sind die einzelnen Kräfte:<br />

⃗ F3<br />

⃗F 1 =<br />

[<br />

F1<br />

0<br />

]<br />

; ⃗F 2 =<br />

[<br />

F2 cos 60 ◦ ] [<br />

−F3 cos 45<br />

F 2 sin 60 ◦ ; ⃗F 3 =<br />

◦ ]<br />

−F 3 sin 45 ◦<br />

Komponentenweise Addition ergibt die Resultierende in kartesischen Koordinaten:<br />

[<br />

F1 + F ⃗R = 2 cos 60 ◦ − F 3 cos 45 ◦ ] [ ]<br />

4.879<br />

0 + F 2 sin 60 ◦ − F 3 sin 45 ◦ = kN<br />

1.343<br />

Daraus folgt in Polarkoordinaten:<br />

R =<br />

√<br />

R 2 x + R2 y = 5.060 kN; α<br />

= arctan R y<br />

R x<br />

= 15.25 ◦<br />

Beispiel A: nicht abgedruckt.<br />

Zerlegung einer Kraft<br />

Der Additionsprozess kann auch umgekehrt werden, eine Kraft kann in Komponenten mit<br />

unterschiedlichen Richtungen zerlegt werden. Eine Kraft ⃗R soll in zwei Kräfte ⃗F 1 und ⃗F 2 mit<br />

vorgegebenen Richtungen 1, 2 zerlegt werden. Dabei muss natürlich gelten:<br />

⃗R = ⃗F 1 + ⃗F 2 (2.2)<br />

Es ist ein Krafteck zu konstruieren, das die Bedingungen erfüllt: Eine eindeutige Zerlegung<br />

ist in der Ebene nur bei zwei Kräften unterschiedlicher Richtung möglich, im Raum bei drei<br />

Kräften.<br />

y<br />

Lageplan<br />

1<br />

Kräfteplan<br />

x<br />

⃗R<br />

1<br />

⃗ F2<br />

2<br />

⃗ F1<br />

⃗R<br />

2<br />

Abbildung 2.3<br />

Zerlegung einer Kraft in der Ebene<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

2 Kraftsysteme<br />

Beispiel 2.2<br />

y<br />

Zerlegung einer Kraft in der Ebene<br />

Gegeben<br />

1<br />

[ ]<br />

ist die Kraft<br />

7 ⃗R = kN<br />

3<br />

⃗R<br />

45 ◦<br />

30 ◦<br />

2<br />

x<br />

⃗F 1 =<br />

Sie soll in zwei Kräfte ⃗F 1 und ⃗F 2 mit Richtungen lt. der nebenstehenden<br />

Abbildung zerlegt werden. Die Resultierende ⃗R<br />

soll rechnerisch nach Größe R und Richtung α bestimmt werden.<br />

In Komponentenschreibweise sind die einzelnen Kräfte:<br />

[<br />

F1 cos 45 ◦ ]<br />

F 1 sin 45 ◦ ; ⃗F 2 =<br />

[<br />

F2 cos 30 ◦ ]<br />

−F 2 sin 30 ◦<br />

Komponentenweise Addition ergibt die Resultierende in kartesischen Koordinaten<br />

Subtraktion I-II ergibt:<br />

I : R x = F 1,x + F 2,x = F 1 cos 45 ◦ + F 2 cos 30 ◦ = 7<br />

II : R y = F 1,y + F 2,y = F 1 sin 45 ◦ − F 2 sin 30 ◦ = 3<br />

und Rückeinsetzen in I<br />

F 1 =<br />

→ F 2 =<br />

F 2 (cos 30 ◦ + sin 30 ◦ ) = 7 − 3 = 4<br />

4<br />

cos 30 ◦ = 2.928 kN<br />

+ sin 30◦ 1<br />

cos 45 ◦ (7 − F 2 cos 30 ◦ ) = 6.312 kN<br />

2.2 Moment einer Kraft<br />

Die Größe<br />

z<br />

⃗M p<br />

⃗ F<br />

⃗M p = (⃗r q −⃗r p ) × ⃗F = ⃗r pq × ⃗F (2.3)<br />

P<br />

⃗r p<br />

⃗r pq<br />

⃗r q<br />

Q<br />

(vgl. Abb. 2.4) heißt Moment der Kraft ⃗F bezogen auf den Punkt P.<br />

Der Momentenvektor ⃗M p steht normal auf den Abstandsvektor⃗r pq<br />

und den Kraftvektor ⃗F.<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 2.4<br />

einer Kraft im Raum<br />

Moment<br />

Sonderfall: ⃗r pq und ⃗F liegen in der x − y-Ebene. Der Momentenvektor ⃗M p besitzt dann nur<br />

die Komponente M p,z .<br />

Es gilt dann<br />

M p,z = F y x pq − F x y pq ; |M p,z | = ||⃗F|| · s pq (2.4)<br />

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2 Kraftsysteme <strong>Mechanik</strong> 1<br />

y<br />

F y<br />

⃗F<br />

Q<br />

α<br />

P x pq<br />

y pq<br />

F x<br />

s pq<br />

x<br />

Abbildung 2.5<br />

Moment<br />

einer Kraft in der Ebene<br />

Dabei ist s pq der Normalabstand des Bezugspunktes P von der Wirkungslinie von ⃗F.<br />

Es gilt lt. Abb. 2.5:<br />

Ebenso gilt<br />

und somit<br />

l pq = x pq sin α − y pq cos α; s pq = |l pq | (2.5)<br />

F x = F cos α; F y = F sin α (2.6)<br />

|M p,z | = |F y x pq − F x y pq | = |F sin αx pq − F cos αy pq | = ||⃗F|| · |l pq | = ||⃗F|| · s pq (2.7)<br />

Beispiel 2.3<br />

Moment einer Einzelkraft<br />

Eine einzelne Kraft ⃗F greift im Punkt Q an. Wie groß ist ihr Moment ⃗M 0 bezogen auf den<br />

Ursprung?<br />

Gegeben seien dabei:<br />

⎡ ⎤<br />

⎡ ⎤<br />

2<br />

0<br />

⃗F = 3<br />

⎢⎣ ⎥⎦ [kN]; ⃗r q = 1<br />

⎢⎣ ⎥⎦ [m]<br />

4<br />

−2<br />

Hier ist ⃗r p = ⃗0 und somit<br />

⎡ ⎤ ⎤<br />

⎤ ⎤<br />

0 2 1 · 4 + 2 · 3 10<br />

⃗M 0 = ⃗r q × ⃗F = 1<br />

⎢⎣ ⎥⎦<br />

⎡⎢ × 3 ⎣ ⎥⎦<br />

⎡⎢ = −0 · 4 − 2 · 2<br />

⎣ ⎥⎦<br />

⎡⎢ = −4 ⎣ ⎥⎦ [kNm]<br />

−2 4 0 · 3 − 1 · 2 −2<br />

2.3 Resultierende allgemeiner Kraftsysteme<br />

An einem starren Körper angreifende Kräfte können entlang ihrer Wirkungslinie (``Kraftrichtung’’)<br />

beliebig verschoben werden, ohne dass sich die Wirkung auf den Körper ändert.<br />

(Dies gilt i.a. nicht für deformierbare Körper!)<br />

10 © 2007 - 2013 Christian Bucher. All rights reserved.


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

2 Kraftsysteme<br />

starr<br />

verformbar<br />

Abbildung 2.6<br />

Verschiebung einer Kraft an starrem bzw. verformbarem<br />

Körper<br />

Für Kräfte, deren Resultierende Null ist, verbleibt i.a. ein von Null verschiedenes resultierendes<br />

Moment.<br />

⃗R = ⃗F + (−⃗F) = ⃗0<br />

x<br />

z<br />

Abbildung 2.7<br />

der Ebene<br />

⃗M rs = ⃗r sp × ⃗F +⃗r sq × (−⃗F) = (⃗r sp −⃗r sq ) × ⃗F = ⃗r qp × ⃗F<br />

−⃗F<br />

⃗r qp<br />

Das resultierende Moment eines Kräftepaars ist<br />

P<br />

Q unabhängig vom Bezugspunkt S und wird daher<br />

y<br />

als freies Moment bezeichet.<br />

⃗r sq<br />

⃗r sp<br />

Die resultierende Wirkung eines allgemeinen<br />

S<br />

(nicht zentralen) Kraftsystems von n Kräften ⃗F k<br />

⃗F<br />

auf einen starren Körper wird beschrieben durch<br />

Moment eines Kräftepaars in die resultierende Kraft ⃗R und das resultierende<br />

Moment ⃗M p bezogen auf einen beliebigen Punkt<br />

P:<br />

n∑<br />

n∑<br />

⃗R = ⃗F k ; ⃗M p = ⃗r pk × ⃗F k (2.8)<br />

k=1<br />

Zwei Kraftsysteme heißen äquivalent, wenn ⃗R und ⃗M p übereinstimmen.<br />

Beispiel B: nicht abgedruckt.<br />

2.4 Gleichgewicht<br />

Ein Kraftsystem befindet sich im Gleichgewicht, wenn sowohl die Resultierende ⃗R als auch<br />

das resultierende Moment ⃗M p bezogen auf einen beliebigen Punkt P verschwindet. Im Raum<br />

sind dies 6 Bedingungsgleichungen:<br />

n∑<br />

n∑<br />

n∑<br />

F kx = 0; F ky = 0; F kz = 0<br />

k=1<br />

n∑<br />

M pkx = 0;<br />

k=1<br />

k=1<br />

k=1<br />

n∑<br />

M pky = 0;<br />

k=1<br />

k=1<br />

n∑<br />

M pkz = 0<br />

Für ein Kraftsystem in der x − y-Ebene verbleiben davon noch 3 Bedingungen:<br />

n∑<br />

n∑<br />

n∑<br />

F kx = 0; F ky = 0; M pkz = 0 (2.9)<br />

k=1<br />

k=1<br />

Eine Grundaufgabe der Statik ist es, zu einem bestehenden Kraftsystem solche Kräfte hinzuzufügen,<br />

dass Gleichgewicht eintritt.<br />

k=1<br />

k=1<br />

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2 Kraftsysteme <strong>Mechanik</strong> 1<br />

P<br />

⃗ Fk<br />

⃗r pk<br />

⃗r qp<br />

k<br />

Q<br />

⃗r qk<br />

Abbildung 2.8<br />

Veränderung<br />

des Bezugspunktes<br />

Wenn ein Kraftsystem sich im Gleichgewicht befindet, verschwindet das resultierende<br />

Moment um jeden beliebigen Punkt Q (siehe dazu auch Abb. 2.8):<br />

⃗M q =<br />

n∑<br />

⃗r qk × ⃗F k =<br />

k=1<br />

n∑<br />

(⃗r pk +⃗r pq ) × ⃗F k =<br />

k=1<br />

= ⃗o +⃗r qp × ⃗o = ⃗o q.e.d.<br />

n∑<br />

⃗r pk × ⃗F k +⃗r qp ×<br />

k=1<br />

n∑<br />

⃗F k<br />

k=1<br />

Beispiel 2.4<br />

a<br />

L<br />

⃗G<br />

⃗F 1<br />

⃗F 2<br />

Quadratischer Block<br />

b<br />

L<br />

Eine quadratische Scheibe (L × L) mit dem Gewicht ⃗G soll durch<br />

zwei Kräfte ⃗F 1 und ⃗F 2 gehalten werden (siehe Skizze). Wie groß<br />

müssen diese Kräfte sein? Dies ist ein ebenes Problem, es müssen<br />

daher 3 Gleichgewichtsbedingungen formuliert werden.<br />

∑<br />

I : F k,x = 0 ̌<br />

∑<br />

II : M bk,z = −F 1 · L + F 2 · 0 + G · L<br />

2 = 0<br />

∑<br />

II : M ak,z = F 1 · 0 + F 2 · L − G · L<br />

2 = 0<br />

aus II folgt F 1 = G 2 und aus III: F 2 = G 2 .<br />

Die resultierende Vertikalkraft muss ebenfalls Null werden. Dies kann als Kontrolle eingesetzt<br />

werden:<br />

∑<br />

F k,y = F 1 + F 2 − G = 0 ̌<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

3 Spannungen<br />

3 Spannungen<br />

3.1 Definitionen<br />

Werkstoffe sind mikroskopisch gesehen unregelmäßig aufgebaut. Bei Betrachtung aus größerer<br />

Distanz wirken sie hingegen gleichmäßig (homogen).<br />

Abbildung 3.1<br />

Homogenisierung<br />

eines realen Körpers<br />

Wir nehmen an, dass die Werkstoffeigenschaften über ein repräsentatives Volumen gemittelt<br />

werden können und sprechen dann von einem Kontinuum. Sind diese Eigenschaften im<br />

gesamten betrachteten Gebiet (Körper) konstant, so ist der Werkstoff homogen.<br />

Viele wichtige Werkstoffeigenschaften betreffen das Verformungsverhalten unter Beanspruchungen.<br />

Ist das Verhalten richtungsunabhängig, so wird der Werkstoff diesbezüglich als<br />

isotrop bezeichnet, im gegenteiligen Fall als anisotrop.<br />

Bei der Beschreibung der Verformung eines Körpers verfolgen wir die Bewegung einzelner<br />

Punkt P.<br />

z<br />

⃗r p<br />

P<br />

P ∗<br />

⃗r p<br />

∗<br />

x<br />

Abbildung 3.2<br />

einem Körper<br />

Bewegung eines Punktes in<br />

y<br />

Wir beschreiben die ’’neuen’’ Koordinaten x ∗ , y ∗ , z ∗ des Punktes P ∗ als Funktionen der ’’alten’’<br />

Koordinaten x, y, z des Punktes P (Lagrange’sche 1 Betrachungsweise)<br />

3.2 Spannungsbegriff<br />

x ∗ = x ∗ (x, y, z)<br />

y ∗ = y ∗ (x, y, z) (3.1)<br />

z ∗ = z ∗ (x, y, z)<br />

Wir betrachten einen im Gleichgewicht befindlichen Körper<br />

1 Joseph-Louis Lagrange, *1736 Torino, +1813 Paris.<br />

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3 Spannungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

⃗ F1<br />

⃗ Fk<br />

⃗ Fk<br />

⃗ F2<br />

⃗ F1<br />

A<br />

∆A<br />

∆⃗ F<br />

⃗t<br />

⃗n<br />

Abbildung 3.3<br />

Schnitt durch einen Körper<br />

∆⃗F<br />

⃗t = lim<br />

∆A→0 ∆A = d ⃗F<br />

dA<br />

(3.2)<br />

Dieser Vektor kann in eine Komponente ⃗σ normal zur Schnittebene (Normalspannung) und<br />

eine Komponente ⃗τ in der Schnittebene (Schubspannung) zerlegt werden.<br />

⃗τ<br />

⃗t<br />

⃗σ<br />

⃗n<br />

σ = ⃗t · ⃗n<br />

⃗σ = σ⃗n (3.3)<br />

⃗τ = ⃗t − ⃗σ<br />

Ein gedanklicher Schnitt durch den Körper setzt innere Kraftgrößen (die sogenannten<br />

Schnittgrößen) frei. Wir wollen nun wissen, wie die Beanspruchungen aus den Schnittgrößen<br />

innerhalb der Schnittfläche A verteilt sind. Auf ein Flächenelement ∆A entfällt ein Schnittkraftanteil<br />

∆⃗F. Der Spannungsvektor auf diesem Flächenelement entsteht durch den Grenzübergang<br />

Abbildung 3.4<br />

Dabei ist ⃗n der Normaleneinheitsvektor. Wird die Schnittebene gedreht, so<br />

Zerlegung des<br />

ändert sich i.a. der Spannungsvektor ⃗t und damit sowohl Normal- als auch<br />

Spannungsvektors<br />

Schubspannungen.<br />

Beispiel C: nicht abgedruckt.<br />

Der Spannungszustand in einem Punkt eines Körpers ist eindeutig festgelegt<br />

durch die Angabe der Spannungsvektoren in drei zueinander orthogonalen Schnittebenen.<br />

Dazu betrachten wir einen Quader mit infinitesimal kleinen Abmessungen dx dy dz.<br />

Auf allen Quaderflächen wirkt ein Spannungsvektor, den wir in Normal- und Schubspannungen<br />

zerlegen. Die Schubspannungen werden weiter in Komponenten nach den Koordinatenrichtungen<br />

zerlegt. (Bezeichnung: 1. Index - Flächennormale, 2. Index - Spannungsrichtung).<br />

Im Quadervolumen wirkt eine Volumenkraft ⃗ f (Fernwirkung, z. B. Gravitation) mit den Komponenten<br />

f x , f y , f z .<br />

Die Gleichgewichtsbedingung ∑ F y = 0 ergibt:<br />

(−σ yy + σ yy + dσ yy )dxdz + (−τ zy + τ zy + dτ zy )dxdy + (−τ xy + τ xy + dτ xy )dydz + f y dxdydz = 0<br />

Mit den Differentialen<br />

dσ yy = ∂σ yy<br />

∂y dy;<br />

dτ zy = ∂τ zy<br />

∂z dz;<br />

dτ xy = ∂τ xy<br />

∂x dx<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

3 Spannungen<br />

z<br />

σ yy<br />

z<br />

τ zy + dτ zy<br />

τ yz + dτ yz<br />

dz<br />

x<br />

dy<br />

dx<br />

y<br />

σ yy<br />

τ yz<br />

τ<br />

τ zy<br />

xy<br />

σ yy + dσ yy<br />

τ yx + dτ yx<br />

y<br />

y<br />

τ yx<br />

σ yy + dσ yy<br />

τ xy + dτ xy<br />

x<br />

Abbildung 3.5 Spannungen<br />

an einem infinitesimalen Quader<br />

folgt daraus<br />

∂σ yy<br />

∂y dV + ∂τ zy<br />

∂z dV + ∂τ xy<br />

∂x dV + f ydV = 0<br />

Analog folgt aus den Beziehungen ∑ F x = 0 und ∑ F z = 0:<br />

Die Momentenbedingung ∑ M x = 0 ergibt:<br />

∂σ xx<br />

∂x + ∂τ yx<br />

∂y + ∂τ zx<br />

∂z + f x = 0<br />

∂τ xy<br />

∂x + ∂σ yy<br />

∂y + ∂τ zy<br />

∂z + f y = 0 (3.4)<br />

∂τ xz<br />

∂x + ∂τ yz<br />

∂y + ∂σ zz<br />

∂z + f z = 0<br />

(τ yz + τ yz + dτ yz ) dy<br />

2 dxdz − (τ zy + τ zy + dτ zy ) dz<br />

2 dxdy = 0<br />

→ τ yz − τ zy = 0<br />

Aus den anderen Momentengleichungen folgt analog:<br />

τ xy = τ yx τ xz = τ zx τ yz = τ zy (3.5)<br />

Der Spannungsvektor ⃗t auf einer Fläche, deren Orientierung durch den Normaleneinheitsvektor<br />

⃗n gegeben ist, wird berechnet aus:<br />

⎡ ⎡<br />

⎡<br />

t x σ xx τ xy τ xz n x<br />

⃗t = t y ⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

= τ xy σ yy τ yz<br />

⎦ ⎢⎣<br />

⎤⎥ · n y ⎦ ⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

= [S] · ⃗n (3.6)<br />

⎦<br />

t z τ xz τ yz σ zz n z<br />

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3 Spannungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

z<br />

⃗n<br />

⃗t<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 3.6<br />

Spannungsvektor auf beliebig<br />

orientierter Fläche<br />

Die symmetrische 3 × 3-Matrix [S] heißt Spannungstensor. Die Einheit der Spannung ist ein<br />

Pascal 2 , 1 Pa = 1 N/m 2 .<br />

Ein spezieller Spannungszustand ist der ebene Spannungszustand mit τ xz = τ yz = σ zz = 0. In<br />

diesem Fall reduziert sich der Spannungstensor auf<br />

[ ]<br />

σxx τ<br />

[S] = xy<br />

τ xy σ yy<br />

Beispiel D: nicht abgedruckt.<br />

3.3 Verzerrungen<br />

Unter einer Belastung erfährt jeder Punkt im Kontinuum eine Lageänderung. Zueinander<br />

benachbarte Punkte P und Q bewegen sich in veränderte Positionen P ∗ und Q ∗ . Dabei ändert<br />

sich i.a. auch der Abstand der beiden Punkte zueinander.<br />

z<br />

⃗r<br />

Q<br />

d⃗r<br />

P<br />

⃗r ∗<br />

⃗u + d⃗u<br />

⃗u<br />

P ∗<br />

d⃗r ∗<br />

Q ∗<br />

x<br />

Abbildung 3.7<br />

Bewegung benachbarter Körperpunkte<br />

y<br />

Der Verschiebungsvektor des Punktes P ist ⃗u. Die Relativverschiebung der Punkte zueinander<br />

ist durch den Vektor d⃗u gegeben. Die Komponenten dieses Vektors werden aus den<br />

Verschiebungen berechnet (Taylor-Reihe, linearisiert)<br />

du = ∂u ∂u ∂u<br />

dx + dy +<br />

∂x ∂y ∂z dz<br />

dv = ∂v<br />

∂x<br />

dw = ∂w<br />

∂x<br />

dx +<br />

∂v<br />

∂y<br />

∂v<br />

dy + dz (3.7)<br />

∂z<br />

∂w ∂w<br />

dx + dy +<br />

∂y ∂z dz<br />

2 Blaise Pascal, *1623 Clermont, +1662 Paris<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

3 Spannungen<br />

Dies ist eine Matrix-Vektor-Multiplikation<br />

⎡<br />

d⃗u =<br />

⎢⎣<br />

∂u<br />

∂x<br />

∂v<br />

∂x<br />

∂w<br />

∂x<br />

∂u<br />

∂y<br />

∂v<br />

∂y<br />

∂w<br />

∂y<br />

∂u<br />

∂z<br />

∂v<br />

∂z<br />

∂w<br />

∂z<br />

⎤<br />

⎥⎦<br />

d⃗r = [A]d⃗r (3.8)<br />

Die Matrix [A] heißt Deformationsgradient. Ihr symmetrischer Anteil [V] wird als Verzerrungstensor<br />

bezeichnet.<br />

⎡<br />

1 1<br />

[V] = 1 ( ) ε xx 2<br />

γ xy 2<br />

γ xz<br />

[A] + [A]<br />

T 1<br />

=<br />

2<br />

2<br />

⎢⎣<br />

γ 1<br />

xy ε yy 2<br />

γ yz<br />

(3.9)<br />

⎤⎥<br />

1<br />

2 γ 1 ⎦<br />

xz 2 γ yz ε zz<br />

Die Größen ε ii heißen Dehnungen, die Größen γ ik heißen Gleitungen. Diese Größen können<br />

geometrisch als Längen- bzw. Winkeländerungen interpretiert werden.<br />

y<br />

y<br />

β<br />

dy<br />

P<br />

P ∗<br />

⃗u<br />

dx<br />

x<br />

dy<br />

P<br />

P ∗<br />

⃗u<br />

dx<br />

α<br />

x<br />

Abbildung 3.8<br />

Dehnungen<br />

und Gleitungen in einem Körper<br />

Für kleine Verformungen gilt offensichtlich, dass die gesamte Änderung des rechten Winkels<br />

bei P ∗ gegeben ist durch β + α, und dies wiederum durch ∂u<br />

∂y + ∂v<br />

∂x = γ xy (siehe Abb. 3.8).<br />

Die Längenänderung in Richtung der x-Achse ist gegeben durch ∂u<br />

∂x = ε xx, und die Längenänderung<br />

in Richtung der y-Achse ist ∂v<br />

∂y = ε yy. Analoge Aussagen gelten für die verbleibenden<br />

Terme des Verzerrungstensors.<br />

Der antimetrische Anteil des Deformationsgradienten<br />

[R] = 1 2<br />

(<br />

[A] − [A]<br />

T )<br />

beschreibt eine verzerrungsfreie Starrkörperdrehung des Körpers. Für die Beanspruchungen<br />

des Werkstoffs ist diese Art der Bewegung unerheblich.<br />

Ein spezieller Verzerrungszustand ohne Gleitungen ist ein Zustand reiner Volumenänderung<br />

ohne Gestaltsänderung beschrieben durch einen Verzerrungstensor (Kugeltensor)<br />

⎡<br />

ε 0 0 0<br />

[V] = 0 ε 0 0<br />

⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

(3.10)<br />

⎦<br />

0 0 ε 0<br />

Derartige Verzerrungen treten beispielsweise durch Temperaturänderungen ein:<br />

ε 0 = α T ∆T (3.11)<br />

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3 Spannungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Darin ist α T der Wärmeausdehnungskoeffizient und ∆T die Temperaturänderung.<br />

Ein weiterer spezieller Verzerrungszustand ist der ebene Verzerrungszustand. In diesem Fall<br />

sind alle Dehnungen und Gleitungen bezüglich einer Achse (z. B. z-Achse) Null. Es verbleibt<br />

dann der Verzerrungstensor<br />

⎡<br />

ε xx<br />

1<br />

2<br />

γ xy<br />

[V] = ⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

1 ⎦<br />

2 γ (3.12)<br />

xy ε yy<br />

Im allgemeinen können ein ebener Spannungszustand und ein ebener Verzerrungszustand<br />

nicht gleichzeitig eintreten.<br />

Beispiel E: nicht abgedruckt.<br />

3.4 Elastizitätsgesetz<br />

In einem linear-elastischen Werkstoff sind die Spannungen und Verzerrungen linear miteinander<br />

verknüpft. Dabei ist zu beachten, dass Dehnungen in eine Richtung oft mit negativen<br />

Dehnungen in Richtungen quer dazu verbunden sind (Querkontraktion).<br />

⃗ F<br />

⃗ F<br />

Abbildung 3.9<br />

einem Zugstab<br />

Längs- und Querdehnungen in<br />

Für einen homogenen, isotropen Werkstoff lautet das Elastizitätsgesetz (auch Hooke’sches 3<br />

Gesetz genannt).<br />

ε xx = 1 [<br />

σxx − ν(σ yy + σ zz ) ] + α T ∆T<br />

E<br />

ε yy = 1 [<br />

σyy − ν(σ xx + σ zz ) ] + α T ∆T (3.13)<br />

E<br />

ε zz = 1 E<br />

[<br />

σzz − ν(σ xx + σ yy ) ] + α T ∆T<br />

γ xy = 1 G τ xy γ xz = 1 G τ xz γ yz = 1 G τ yz<br />

In dieser Gleichung ist E der Elastizitätsmodul, ν die Querkontraktionszahl (Poisson’sche 4 Zahl)<br />

und G der Schubmodul. Dieser kann aus E und ν berechnet werden:<br />

G =<br />

E<br />

2(1 + ν)<br />

(3.14)<br />

3 Robert Hooke, *1635 Freshwater, +1703 London<br />

4 Siméon Denis Poisson, *1781 Pithiviers, +1840 Sceaux<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

3 Spannungen<br />

Für den speziellen Fall eines ebenen Spannungszustandes mit σ zz = τ xz = τ yz = 0 und ohne<br />

Temperatureinfluss reduzieren sich diese Beziehungen auf<br />

ε xx = 1 E (σ xx − νσ yy );<br />

ε yy = 1 E (σ yy − νσ xx ); (3.15)<br />

ε zz = − ν E (σ xx + σ yy );<br />

γ xy = 1 G τ xy<br />

Es entsteht also für ν ≠ 0 kein ebener Verzerrungszustand.<br />

Beispiel 3.1<br />

Ebener Verzerrungszustand<br />

Gegeben sei ein elastischer Werkstoff mit dem E-Modul E = 210 GPa und der Querkontraktionszahl<br />

ν = 0.3. Es sei ein ebener Verzerrungszustand mit konstanten Dehnungen<br />

ε xx =0.001, ε yy = 0.002, γ xy = 0 vorgegeben. Bestimmen Sie den Spannungszustand.<br />

Lösung: Aus der 3. Gl.(3.13) folgt<br />

σ zz = ν(σ xx + σ yy )<br />

und damit durch Umformen aus den ersten beiden Gl.(3.13):<br />

Schließlich ergibt sich daraus<br />

σ xx =<br />

σ yy =<br />

ε xx = 1 − ν2<br />

E σ xx −<br />

ε yy = 1 − ν2<br />

E σ yy −<br />

ν(1 + ν)<br />

σ yy<br />

E<br />

ν(1 + ν)<br />

σ xx<br />

E<br />

E [ ]<br />

(1 − ν)εxx + νε yy<br />

(1 + ν)(1 − 2ν)<br />

E [ ]<br />

(1 − ν)εyy + νε xx<br />

(1 + ν)(1 − 2ν)<br />

mit den Zahlenwerten σ xx = 525 MPa, σ yy = 685.5 MPa und σ zz =363.5 MPa.<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

4.1 Tragwerksidealisierungen<br />

Ausgehend von der Vorstellung des starren Körpers werden weitere Vereinfachungen vorgenommen.<br />

B<br />

H<br />

L<br />

Abbildung 4.1<br />

Stabförmige Tragwerksteile<br />

Wenn an einem Bauteil (Tragwerksteil) eine Längenabmessung deutlich dominiert (L >><br />

B, H), so kann dieser Teil als Stab idealisiert werden. In der Systemskizze wird ein Stab durch<br />

seine Längsachse (das ist i.a. die Verbindungslinie der Querschnittsmittelpunkte) dargestellt.<br />

Stäbe, die quer zu ihrer Achse belastet werden, heißen Balken. Gekrümmte Balken werden als<br />

Bogen bezeichnet. Stellen, an denen ein Tragwerk unterstützt wird und Kräfte an die Umgebung<br />

überträgt, heißen Lager (bzw. Auflager).<br />

Abbildung 4.2<br />

Systemskizze eines Stabes<br />

In einer Systemskizze wird der oben dargestellte Stab symbolisiert sie in Abb. 4.2 dargestellt.<br />

Lager werden eingeteilt nach der Art und der Anzahl der aufgenommenen Kräfte und<br />

Momente.<br />

Bewegliches Lager (Gleitlager):<br />

überträgt nur eine vertikale Kraft.<br />

Abbildung 4.3<br />

Horizontal bewegliches Lager<br />

Festes Lager:<br />

überträgt horizontale und vertikale Kraft.<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Abbildung 4.4<br />

Festes Lager<br />

Einspannung:<br />

überträgt horizontale und vertikale Kraft sowie Moment.<br />

Abbildung 4.5<br />

Einspannung<br />

Lager können auch durch Einzelstäbe realisiert werden (vgl. Abb. 4.6).<br />

Abbildung 4.6<br />

Stützstäbe<br />

Die in den Lagern übertragenen Kräfte und Momente heißen Lagerreaktionen oder Stützkräfte.<br />

Stellen, an denen Stäbe gegeneinander drehbar verbunden sind, heißen Gelenke. Nicht drehbare<br />

Verbindungen heißen biegesteif. Diese Verbindungen werden oft gesondert gekennzeichnet,<br />

um sie von Gelenken zu unterscheiden.<br />

4.2 Belastungsarten<br />

Entsprechend den Tragwerksidealisierungen können auch Belastungsgrößen (Einwirkungen)<br />

idealisiert werden. Grundsätzlich existieren Volumenlasten und Flächenlasten.<br />

Ein Beispiel für Volumenlasten ist das Eigengewicht: Jedes Masseteilchen im Volumen trägt<br />

zum Eigengewicht bei. Ein Beispiel für Flächenlasten ist Wasserdruck: Jedes Flächenteilchen<br />

der Oberfläche ist belastet.<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

biegesteif<br />

Gelenk<br />

Abbildung 4.7<br />

Gelenkträger<br />

Durch Idealisierung entsteht daraus eine Linienlast (Abb. 4.8) oder eine Punktlast (Einzellast,<br />

Abb. 4.9).<br />

Abbildung 4.8<br />

(eigentlich Volumenlast)<br />

Eigengewicht eines Balkens<br />

Abbildung 4.9<br />

Radlast eines LKW (eigentlich<br />

Flächenlast)<br />

4.3 Schnittprinzip<br />

Denkt man sich aus einem Tragwerk Teile herausgeschnitten, so kann Gleichgewicht dieser<br />

Teile dadurch erreicht werden, dass an der Schnittstelle Kräfte und Momente angesetzt<br />

werden (vgl. Abb. 4.10).<br />

⃗F 1<br />

⃗F 2<br />

Schnitt<br />

⃗F 1<br />

⃗F 2<br />

M<br />

M<br />

Q<br />

Q<br />

N N<br />

Abbildung 4.10<br />

Schnittprinzip<br />

Die Schnittkraft in Richtung der Stabachse heißt Normalkraft (bzw. Längskraft) N, die Schnittkraft<br />

quer zur Stabachse heißt Querkraft Q und das Schnittmoment heißt Biegemoment M. Die<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

an gegenüberliegenden Schnittufern wirkenden Schnittgrößen M, Q und N sind im Gleichgewicht.<br />

Die Schnittgrößen sind ein Maß für die Beanspruchung des Werkstoffs.<br />

4.4 Statische Bestimmtheit<br />

Ein Tragwerk heißt statisch bestimmt gelagert, wenn die Lagerreaktionen eindeutig aus den<br />

Gleichgewichtsbedingungen bestimmbar sind. Für einen einfachen Balken bedeutet dies,<br />

dass die Anzahl r der Lagerreaktionen gleich der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen<br />

sein muss, d.h. r = 3. Allgemein heißt ein Tragwerk m-fach statisch unbestimmt, wenn die<br />

Anzahl der unbekannten Lagerreaktionen um m größer ist als die Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen.<br />

Bei mehrteiligen (zusammengesetzten) Systemen bestehend aus n Teilkörpern<br />

(Teilstäben) ist die notwendige Bedingung für statische Bestimmtheit:<br />

r + v − 3n = 0 (4.1)<br />

Darin ist r die Anzahl der Lagerreaktionen und v die Anzahl der Bindungskräfte zwischen<br />

den Teilen. Die Bedingung 4.1 ist nicht hinreichend, d.h. es gibt Systeme, die die Bedingung<br />

(4.1) zwar erfüllen, aber nicht statisch bestimmt sind.<br />

Beispiel 4.1<br />

Dreigelenkbogen<br />

Das dargestellte System besteht aus 2 miteinander<br />

gelenkig verbundenen Teilsystemen. In diesem<br />

Gelenk werden 2 unabhängige Verbindungskräfte<br />

übertragen, das Moment aufgrund der Drehbarkeit<br />

kann nicht übertragen werden. Die Lager sind fest<br />

und können zwei unabhängige Kraftgrößen aufnehmen.<br />

Daher ist hier n = 2, r = 4, v = 2 und somit m = r + v − 3n = 4 + 2 − 3 · 2 = 0 ̌<br />

Beispiel 4.2<br />

Ausnahmefall<br />

Hier ist n = 1, r = 3, v = 0 und somit m = r + v − 3n =<br />

3 + 0 − 3 · 1 = 0. Dennoch ist das Tragwerkssystem nicht<br />

statisch bestimmt (es ist horizontal beweglich).<br />

Beispiel 4.3<br />

Gelenkträger<br />

einfach statisch unbestimmt.<br />

Hier ist n = 2, r = 5, v = 2 und somit m = r + v −<br />

3n = 5 + 2 − 3 · 2 = 1. Das Tragwerkssystem ist<br />

Beispiel F: nicht abgedruckt.<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

4.5 Lagerreaktionen<br />

4.5.1 Einzelstäbe<br />

y<br />

⃗ F1<br />

⃗ F2<br />

⃗ Fn<br />

b<br />

y b<br />

A a<br />

H x<br />

B V<br />

x b<br />

A V<br />

Abbildung 4.11<br />

Lagerreaktionen des Einzelstabs<br />

Ein allgemeiner Träger auf zwei Stützen ist in Abb. 4.11 dargestellt. Mögliche Lagerreaktionen:<br />

A H , A V , B V (r = 3). Die verfügbaren Gleichgewichtsbedingungen können beispielsweise<br />

folgendermaßen formuliert werden:<br />

∑<br />

F x = 0 : A H +<br />

∑<br />

F y = 0 : A V + B V +<br />

∑<br />

M a = 0 : A V 0 + B V x b +<br />

n∑<br />

F kx = 0<br />

k=1<br />

n∑<br />

F ky = 0 (4.2)<br />

k=1<br />

n∑<br />

(F ky x k − F kx y k ) = 0<br />

Dies sind drei lineare Gleichungen für die unbekannten Lagerreaktionen A H , A V , B V .<br />

Beispiel 4.4<br />

Abgewinkelter Einzelstab<br />

Gegeben sind F = 2 kN und p = 0.5 kN/m sowie die Systemgeometrie lt. der dargestellten<br />

Skizze. Gesucht sind die Lagerreaktionen in den Punkten a und b.<br />

F<br />

y<br />

p<br />

b<br />

k=1<br />

F<br />

p<br />

a<br />

x<br />

3.0<br />

A H<br />

A V<br />

B V<br />

3.0 6.0<br />

[m]<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

∑<br />

√ √<br />

2<br />

2<br />

F x = 0 = A H + F<br />

2 → A H = −<br />

2 F = −1.414kN<br />

∑<br />

M a = 0 = B V ·9.0−p·6.0·6.0−F·3.0·√2<br />

→ B V = 1 ( √ )<br />

p · 6.0 · 6.0 + F · 3.0 · 2 = 2.943kN<br />

9.0<br />

∑<br />

M b = 0 = −A V · 9.0 + A H · 3.0 + F · 3.0 · √2<br />

+ p · 6.0 · 3.0<br />

→ A V = 1 (<br />

AH · 3.0 + F · 3.0 · √2<br />

+ p · 6.0 · 3.0 ) = 1.471kN<br />

9.0<br />

Kontrolle:<br />

∑<br />

√ √<br />

2<br />

2<br />

F y = A V + B V − F<br />

2 − p · 6.0 = 1.471 + 2.943 − 2 2 − 3.0 = −2.1 · 10−4 ̌<br />

4.5.2 Zusammengesetzte Tragwerke<br />

Hier sind zunächst die Einzelteile freizuschneiden und die Verbindungskräfte (Gelenkskräfte)<br />

mit als Unbekannte anzusetzen. Für jedes Teilsystem und für das Gesamtsystem sind<br />

die Gleichgewichtsbedingungen zu erfüllen.<br />

Beispiel 4.5<br />

Dreigelenksystem<br />

F<br />

y<br />

p<br />

b<br />

3.0<br />

Gegeben sind F = 10 kN und p = 2 kN/m sowie die<br />

Systemgeometrie lt. Skizze. Gesucht sind die Lagerreaktionen<br />

in den Punkten a und b.<br />

a<br />

x<br />

g<br />

3.0<br />

3.0<br />

F<br />

3.0<br />

3.0<br />

[m]<br />

B H<br />

A V<br />

B V<br />

A H<br />

p<br />

Unbekannte Kraftgrößen am Gesamtsystem:<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

F<br />

B H<br />

A V G<br />

II<br />

H<br />

B V<br />

G H<br />

I<br />

A H<br />

G V<br />

G V<br />

p<br />

Unbekannte Kraftgrößen<br />

an den Teilsystemen:<br />

Zunächst werden die Lagerreaktionen B V und B H durch Auswahl geeigneter Gleichgewichtsbedingungen<br />

berechnet. Am Gesamtsystem:<br />

∑<br />

M a = 0 = B v · 9.0 + B H · 6.0 − F · 3.0 · √2<br />

− p · 3.0 · 7.5<br />

Am Teilsystem II:<br />

∑<br />

M II<br />

g = 0 = B V · 3.0 + B H · 3.0 − p · 3.0 · 1.5<br />

Dies sind zwei lineare Gleichungen für B H und B V :<br />

9B V + 6B H = 87.4254<br />

3B V + 3B H = 9.0000<br />

→ B V = 23.1421 kN, B H = −20.1421 kN<br />

Im nächsten Schritt werden in analoger Weise die Lagerreaktionen A V und A H bestimmt.<br />

Am Gesamtsystem:<br />

∑<br />

M b = 0 = A H · 6.0 − A V · 9.0 + F · 4.5 · √2<br />

+ p · 3.0 · 1.5<br />

Am Teilsystem I:<br />

∑<br />

M I g = 0 = A H · 3.0 − A V · 6.0 + F · 1.5 · √2<br />

Dies ist wiederum ein lineares Gleichungssystem:<br />

6A H − 9A V = −72.6396<br />

3A H − 6A V = −21.2132| · (−2)<br />

A H = 2A V − 21.2132<br />

3<br />

3A V = −30.2132<br />

A V = −10.0711 kN<br />

= −27.2132 kN<br />

Als Kontrolle werden schließlich die Kräfte am Gesamtsystem überprüft:<br />

∑<br />

√ √<br />

2<br />

2<br />

F x = A H + F<br />

2 − B H = −27.2132 + 10<br />

2 + 20.1421 = −3.2 · 10−5 ̌<br />

∑<br />

√ √<br />

2<br />

2<br />

F y = A V − F<br />

2 − p · 3.0 + B V = −10.0711 − 10<br />

2 − 6.0 + 23.1421 = −6.8 · 10−5 ̌<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Beispiel 4.6<br />

Komplexes System<br />

Gegeben ist ein komplex aufgebautes System lt. Skizze. Gesucht ist eine Zerlegung in Teilsysteme<br />

und die Entwicklung eines geeigneten Berechnungsablaufs.<br />

III<br />

I<br />

II<br />

IV<br />

V<br />

6,7<br />

III<br />

12,13<br />

I<br />

2,3<br />

II<br />

8,9<br />

IV<br />

V<br />

1<br />

4,5<br />

10,11<br />

14,15<br />

Durch das Zerlegen des Systems an den Gelenken erkennt man, dass es insgesamt 15 unbekannte<br />

Lagerreaktionen und Verbindungskräfte besitzt. Das Gesamtsystem besteht aus 5<br />

Teilsystemen. Wegen m = r + v − 3n = 15 − 3 · 5 = 0 ist das System statisch bestimmt. Eine<br />

sinnvolle Vorgehensweise der Berechnung ergibt sich aus folgenden Fragestellungen:<br />

• Gibt es Teilsysteme, deren Lagerreaktionen und Verbindungskräfte einzeln berechenbar<br />

sind? → Teilsystem I<br />

• Gibt es Teilsysteme, deren Lagerreaktionen und Verbindungskräfte paarweise berechenbar<br />

sind? → Teilsysteme IV und V<br />

• danach → Teilsysteme II und III<br />

Es zeigt sich, dass der Berechnungsablauf genau umgekehrt verläuft wie der Aufbau der<br />

Konstruktion.<br />

4.6 Schnittgrößen<br />

4.6.1 Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgrößen an geraden Balken<br />

Wir betrachten ein kleines Element der Länge ∆x, das aus dem Balken an einer beliebigen<br />

Stelle x herausgeschnitten wird.<br />

[ ]<br />

px (x)<br />

⃗p(x) =<br />

(4.3)<br />

p z (x)<br />

In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Kennfaser von Bedeutung. Ein Moment M wird<br />

dann als positiv bezeichnet, wenn die Seite, an der sich die Kennfaser befindet, gezogen wird.<br />

Taylorreihe:<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

⃗p(x)<br />

x<br />

z<br />

Kennfaser<br />

⃗p(x)<br />

N<br />

M<br />

Q<br />

∆x<br />

M + ∆M<br />

Q + ∆Q<br />

N + ∆N<br />

Abbildung 4.12<br />

Schnittgrößen am geraden Stab<br />

Linearisiert für kleine Änderung von x:<br />

N(x + ∆x) = N(x) + dN<br />

dx ∆x + 1 d 2 N<br />

2 dx 2 ∆x2 + . . . (4.4)<br />

dN = dN<br />

dx ∆x;<br />

dQ<br />

dQ =<br />

dx ∆x;<br />

dM<br />

dM = ∆x (4.5)<br />

dx<br />

Gleichgewicht am infinitesimal kleinen Element (∆x → 0):<br />

∑<br />

F x = 0 : −N + N + ∆N + p x (x)∆x = 0 (4.6)<br />

dN<br />

dx = −p x(x) (4.7)<br />

∑<br />

F z = 0 : −Q + Q + ∆Q + p z (x)∆x = 0 (4.8)<br />

∑<br />

M y = 0(rechts) :<br />

dQ<br />

dx = −p z(x) (4.9)<br />

− M + M + dM − Q∆x + p z (x)∆x ∆x<br />

2 = 0 (4.10)<br />

linearisiert : dM − Qdx = 0 (4.11)<br />

Aus (4.9) und (4.12) folgt<br />

dM<br />

dx<br />

= Q(x) (4.12)<br />

d 2 M<br />

dx 2 = −p z(x) (4.13)<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Beispiel 4.7<br />

Träger unter Gleichlast<br />

x<br />

L<br />

p<br />

Wir betrachten einen Träger mit der Länge<br />

L unter einer gleichförmigen Linienlast p<br />

wie in der Skizze gezeigt gezeigt. Gesucht<br />

sind die Schnittgrößenfunktionen N(x),<br />

Q(x) und M(x).<br />

Aus Gl. 4.7 folgt:<br />

N ′ = 0 → N = C 1<br />

Mit der Randbedingung N(L) = 0 folgt C 1 = 0 und daher N(x) ≡ 0. Aus Gl. 4.9 ergibt sich<br />

Q ′ = −p → Q = −px + C 2<br />

Eine geeignete Randbedingung für Q ist nicht unmittelbar verfügbar. Aus Gl. 4.12 folgt<br />

weiter:<br />

M ′ = Q = −px + C 2 → M = −p x2<br />

2 + C 2x + C 3<br />

Für M sind zwei Randbedingungen verfügbar, und zwar<br />

M(0) = 0 = −p 02<br />

2 + C 2 · 0 + C 3 → C 3 = 0<br />

M(L) = 0 = −p L2<br />

2 + C 2L → C 2 = pL 2<br />

Q<br />

pL<br />

2<br />

+<br />

−<br />

− pL 2<br />

Damit sind die Schnittgrößenfunktionen<br />

(vgl. Skizze)<br />

Q(x) = −px + pL 2<br />

M<br />

+<br />

pL 2<br />

8<br />

M(x) = −p x2<br />

2 + pL 2 x = px (L − x)<br />

2<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 4.8<br />

Kragbalken unter Gleichlast<br />

x<br />

p<br />

Wir betrachten einen links eingespannten mit der Länge<br />

L unter einer gleichförmigen Linienlast p. Gesucht sind<br />

die Schnittgrößenfunktionen Q(x) und M(x).<br />

Aus Gl. (4.9) ergibt sich wieder<br />

L<br />

Q ′ = −p → Q = −px + C 2<br />

Eine Randbedingung für Q ist<br />

Aus Gl. 4.12 folgt weiter:<br />

Q(L) = 0 = −pL + C 2 → C 2 = pL<br />

M ′ = Q = −px + pL → M = −p x2<br />

2 + pLx + C 3<br />

Die Randbedingung für M am freien Ende ist<br />

M(L) = 0 = −p L2<br />

2 + pL2 → C 2 = − pL2<br />

2<br />

Q<br />

pL<br />

+<br />

Damit ergeben sich die Schnittgrößenfunktionen<br />

zu (vgl. Skizze)<br />

M<br />

− pL2<br />

2<br />

−<br />

pL 2<br />

8<br />

Q(x) = −px + pL = p(L − x)<br />

M(x) = −p x2<br />

2<br />

+ pLx −<br />

pL2<br />

2<br />

= −p(L − x)2<br />

Beispiel G: nicht abgedruckt.<br />

4.6.2 Schnittgrößenverlauf am geraden Balken<br />

Aus den Gleichungen (4.7) - (4.13) folgt:<br />

• in unbelasteten Bereichen eines Balkens sind N und Q konstant.<br />

• in unbelasteten Bereichen eines Balkens hat M einen linearen Verlauf<br />

• an der Stelle von Einzellasten besitzen die Verläufe von N und Q einen Sprung.<br />

• an der Stelle von Einzellasten besitzt der Verlauf von M einen Knick.<br />

• In Bereichen von Gleichlasten sind die Verläufe von N und Q linear, der Verlauf von M<br />

ist eine quadratische Parabel.<br />

Mit diesem Wissen kann häufig die Berechnung von M, Q, und N auf wenige Punkte reduziert<br />

werden.<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Beispiel 4.9<br />

Zusammenhang Belastung - Querkraft - Biegemoment<br />

Gegeben ist für einen Träger auf zwei Stützen (siehe Skizze) der Verlauf der Querkraft<br />

Q. Daraus sollen die Querbelastung und der Momentenverlauf qualitativ rekonstruiert<br />

werden.<br />

p z<br />

Q<br />

M<br />

Knick<br />

Maximum<br />

Beispiel H: nicht abgedruckt.<br />

Beispiel 4.10<br />

Träger mit Einzellast und Gleichlast<br />

F<br />

60 ◦<br />

a<br />

b<br />

B H<br />

c d<br />

A<br />

3.0 3.0 6.0<br />

V B V<br />

p<br />

Gegeben ist ein Träger auf zwei Stützen lt. Skizze mit der Belastung F = 20 kN und p = 4<br />

kN/m. Gesucht sind die Auflagerreaktionen in den Punkten a und b sowie die Schnittgrößenverläufe<br />

N, Q und M.<br />

a) Lagerreaktionen<br />

∑<br />

M a = 0 = B V ·12.0−p·6.0·9.0−F·sin 60 ◦ ·3.0 → B V = 1<br />

12<br />

(<br />

√ )<br />

3<br />

4 · 6 · 9 + 20 · 3 = 22.33 kN<br />

2<br />

∑<br />

M b = 0 = −A V ·12.0+F·sin 60 ◦·9.0+p·6.0·3.0 → A V = 1<br />

( √ )<br />

3<br />

20 · 9<br />

12 2 + 4 · 6 · 3 = 18.99 kN<br />

∑<br />

H = 0 = F · cos 60 ◦ − B H → B H = 20 1 2<br />

= 10.00 kN<br />

Kontrolle:<br />

∑<br />

√<br />

3<br />

V = A V + B V − F sin 60 ◦ − p · 6.0 = 18.99 + 22.33 − 20<br />

2 − 4 · 6 = 0.5 · 10−4 ̌<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

b) Schnittgrößen<br />

Im Folgenden werden die Schnittgrößen in ausgewählten Punkten durch Schnitte berechnet.<br />

Die Verläufe werden unter Ausnutzung der allgemeinen Zusammenhänge zwischen<br />

der Belastung und den Schnittgrößen konstruiert.<br />

• Punkt a (unmittelbar rechts davon)<br />

M a<br />

a<br />

A V − Q a = 0 → Q a = A V = 18.99 kN<br />

N a<br />

Q a<br />

A N a = 0<br />

V<br />

• Punkt c (unmittelbar links davon)<br />

M a = 0<br />

a<br />

M l c<br />

N l c<br />

A V − Q l c = 0<br />

→ Ql c = A V = 18.99 kN<br />

A V<br />

3.0<br />

Q l c<br />

N l c = 0<br />

• Punkt c (unmittelbar rechts davon)<br />

−A V·3.0+M l c = 0<br />

→ Ml c = A V·3.0 = 56.97 kNm<br />

F<br />

M r c<br />

A V −F·sin 60 ◦ −Q r c = 0<br />

→ Qr c = A V−F·sin 60 ◦ = 1.67 kN<br />

a<br />

N r c<br />

F cos 60 ◦ +N r c = 0<br />

→ Nr c = −F cos 60◦ = −10 kN<br />

A V<br />

3.0<br />

Q r c<br />

−A V·3.0+M r c = 0<br />

→ Mr c = A V·3.0 = 56.97 kNm<br />

• Punkt d<br />

F<br />

a<br />

A V 3.0 3.0<br />

M d<br />

Q d<br />

N d<br />

A V − F · sin 60 ◦ − Q d = 0<br />

→ Q d = A V − F · sin 60 ◦ = 1.67 kN<br />

F cos 60 ◦ +N d = 0 → N d = −F cos 60 ◦ = −10 kN<br />

− A V · 6.0 + F · sin 60 ◦ · 3.0 + M d = 0<br />

→ M d = A V · 6.0 − F · sin 60 ◦ · 3.0 = 61.98 kNm<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

• Punkt b (unmittelbar links davon)<br />

Q b<br />

B H<br />

Q b + B V = 0 → Q b = −B V = −22.33 kN<br />

N b<br />

Mb<br />

−N b − B H = 0 → N b = −B H = −10 kN<br />

B V<br />

M b = 0<br />

c) Skizzen<br />

N<br />

−<br />

[kN]<br />

18.99<br />

-10.00<br />

Q<br />

+<br />

1.67<br />

−<br />

-22.33<br />

[kN]<br />

x m<br />

M<br />

+<br />

[kNm]<br />

56.97<br />

61.98 62.33<br />

x m =<br />

22.33<br />

22.33 + 1.67 ·6.0 = 5.58 m; M max = B V·x m −p· x2 m<br />

2<br />

= 22.33·5.58−4· 5.582<br />

2<br />

= 62.33 kNm<br />

Beispiel I: nicht abgedruckt.<br />

4.7 Spezielle Tragwerkstypen<br />

4.7.1 Fachwerke<br />

Obergurtstab<br />

Diagonalstab<br />

Vertikalstab<br />

Knoten<br />

Untergurtstab<br />

Abbildung 4.13<br />

Fachwerk<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Als Fachwerke werden Systeme bezeichnet, die nur aus miteinander gelenkig verbundenen<br />

geraden Stäben bestehen. Alle Lasten und Lagerreaktionen werden an den Verbindungsstellen<br />

(Knoten) eingeleitet. Unter diesen Voraussetzungen entstehen in den Stäben lediglich<br />

Normalkräfte (Zug oder Druck) und keine Querkräfte bzw. Biegemomente (vgl. Gl.(4.13)<br />

und das Beispiel danach).<br />

Schneidet man aus einem Fachwerk einen Knoten frei, so bilden die Schnittkräfte ein zentrales<br />

Kraftsystem. Es stehen somit an jedem Knoten zwei Gleichgewichtsbedingungen zur<br />

Verfügung. Damit ist die notwendige Bedingung dafür, dass ein Fachwerk mit k Knoten statisch<br />

bestimmt ist:<br />

s + r − 2k = 0 (4.14)<br />

r ist darin die Anzahl der Lagerreaktionen, und s ist die Anzahl der Stäbe.<br />

Beispiel 4.11<br />

Fachwerk<br />

Wir betrachten das in der Skizze gezeigte<br />

Fachwerk. Es gilt<br />

r = 3, s = 13, k = 8 → m = 13+3−2·0 = 0 ̌<br />

Beispiel 4.12<br />

Unbestimmtes Fachwerk<br />

Wir betrachten das in der Skizze gezeigte<br />

Fachwerk.<br />

r = 3, s = 8, k = 5 → m = 8 + 3 − 2 · 5 = 1<br />

Die rechnerische Ermittlung der Stabkräfte erfolgt durch Rundschnitt (Freischneiden eines<br />

Knotens) oder Ritterschnitt 5 (Schnitt durch 3 Stäbe, deren Verlängerungen sich nicht in einem<br />

Punkt schneiden).<br />

5 Georg Dietrich August Ritter, *1826 Lüneburg, +1908 ebd.<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Beispiel 4.13<br />

Rundschnitt<br />

Wir betrachten das in der Skizze gezeigte Fachwerk. Die Belastung F und die Länge L sind<br />

gegeben.<br />

F F F<br />

d O 1 e O 2 f<br />

V 2<br />

V 1 D 1<br />

V<br />

D 3 2<br />

a<br />

U 1<br />

c<br />

U 2<br />

b<br />

L<br />

A H<br />

A V B V<br />

L<br />

L<br />

Die Lagerreaktionen sind einfach zu bestimmen und ergeben sich zu<br />

A V = B V = 3F 2 ; A H = 0<br />

Knoten a<br />

V 1<br />

A V<br />

U 1<br />

∑<br />

H = 0 = U 1 → U 1 = 0<br />

∑<br />

V = 0 = A V +V 1 → V 1 = −A V = − 3F 2<br />

Knoten d<br />

F<br />

∑<br />

√<br />

2<br />

V = 0 = −F−V 1 −D 1<br />

O 1<br />

2<br />

V 1<br />

D 1<br />

Knoten e<br />

→ D 1 = √ 2(−F−V 1 ) =<br />

∑<br />

H = 0 = D 1<br />

√<br />

2<br />

2 +O 1 → O 1 = −D 1<br />

√<br />

2<br />

2 = −F 2<br />

√<br />

2F<br />

2<br />

F<br />

∑<br />

V = 0 = −F − V 2<br />

→ V 2 = −F<br />

O 1<br />

V 2<br />

O 2<br />

∑<br />

H = 0 = O 2 − O 1 → O 2 = O 1 = − F 2<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 4.14<br />

Ritterschnitt<br />

Wir betrachten wieder das im vorangehenden Beispiel gezeigte Fachwerk.<br />

F<br />

d<br />

A V<br />

a<br />

O 1<br />

D 1<br />

c<br />

U 1<br />

∑<br />

M d = U 1 · L → U 1 = 0<br />

∑<br />

M c = 0 = F·L−A V·L−O 1·L → O 1 = F−A V = − F 2<br />

Beispiel K2: nicht abgedruckt.<br />

∑<br />

V = 0 = A V −F−D 1<br />

√<br />

2<br />

2<br />

→ D 1 = √ 2(A V −F) =<br />

√<br />

2<br />

2 F<br />

4.7.2 Dreigelenksysteme<br />

Systeme bestehend aus zwei miteinander gelenkig verbundenen Körpern auf zwei festen<br />

Lagern heißen Dreigelenksysteme. Dabei werden die Lager als Gelenke gezählt. Die drei<br />

Gelenke dürfen nicht auf einer Geraden liegen (Beweglichkeit).<br />

Dreigelenkrahmen<br />

Dreigelenkbogen<br />

Abbildung 4.14<br />

Dreigelenksysteme<br />

Die Bestimmung der Lagerreaktionen erfolgt bei Dreigelenksystemen durch Aufstellen<br />

und Lösen von Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem und an Teilsystemen (vgl.<br />

Abschnitt 4.5.2).<br />

Beispiel K: nicht abgedruckt.<br />

Für die Verläufe der Schnittgrößen M, Q und N sind Besonderheiten an den Rahmenecken<br />

zu beachten. Dies soll an einem Beispiel gezeigt werden.<br />

Rahmenecke mit beliebigem Winkel α<br />

Die Gleichgewichtsbedingungen eines infinitesimal kleinen Rahmenstücks um den Knoten<br />

k sind:<br />

∑<br />

M k = 0 : M r − M l = 0 → M r = M l<br />

∑<br />

F x<br />

′ = 0 : −N l + N r cos α − Q r sin α = 0 → N l = N r cos α − Q r sin α<br />

∑<br />

F z<br />

′ = 0 : −Q l + Q r cos α + N r sin α = 0 → Q l = N r sin α + Q r cos α<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

N l<br />

Q l<br />

M l<br />

k<br />

M r<br />

x ′<br />

α<br />

z ′<br />

Q r<br />

N r<br />

Abbildung 4.15<br />

Rahmenecke<br />

Dies lässt sich in Matrix-Vektor-Form anschreiben<br />

[ ] [ ] [ ]<br />

Nl cos α − sin α Nr<br />

=<br />

· = [ T ][ ]<br />

N r<br />

;<br />

Q l sin α cos α Q r Q r<br />

[<br />

T<br />

]<br />

. . .Drehmatrix (4.15)<br />

bzw. als inverse Beziehung<br />

[ ]<br />

Nr<br />

= [ T ] [ ] [<br />

−1 Nl cos α<br />

=<br />

Q r Q l − sin α<br />

]<br />

sin α<br />

·<br />

cos α<br />

[ ]<br />

Nl<br />

Q l<br />

(4.16)<br />

Diese Gleichungen gelten in dieser Form nur, wenn auf den Knoten k keine konzentrierten<br />

Lasten (Einzellasten) wirken.<br />

Beispiel 4.15<br />

Dreigelenkrahmen<br />

Wir untersuchen die Lagerreaktionen und Schnittgrößenverteilungen für das in der Skizze<br />

dargestellte System. Die Zahlenwerte für die Belastungsgrößen sind F = 20 kN, p = 1 kN/m.<br />

F<br />

c<br />

g<br />

d<br />

p 4.0<br />

b<br />

A H<br />

B H<br />

4.0<br />

a<br />

B V<br />

4.0 4.0<br />

[m]<br />

A V<br />

a) Lagerreaktionen<br />

∑<br />

M b = 0 = A H · 4.0 − A V · 8.0 + p · 8.0 · 0 + F · 4.0<br />

I : A H − 2A V = −F = −20<br />

∑<br />

M (l)<br />

g = 0 = A H · 8.0 − A V · 4.0 + p · 8.0 · 4.0<br />

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N a<br />

M a = 0<br />

4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

II :<br />

I − 2 · II :<br />

II :<br />

2A H − A V = −p · 8.0 = −8<br />

− 3A H = −20 + 16 = 4 → A H = 4 3 = 1.33kN<br />

A V = 2A H + 8 = 10.67kN<br />

b) Schnittgrößen<br />

Punkt a<br />

A H<br />

a<br />

Q a<br />

Q a = −A H = −1.33kN<br />

N a = −A V = −10.67kN<br />

A V<br />

Punkt c (l)<br />

p<br />

M (l)<br />

c<br />

N (l)<br />

c<br />

Q (l)<br />

c<br />

M (l)<br />

c<br />

= −A H · 8.0 − p · 8.0 · 4.0 = −42.64kNm<br />

Q (l)<br />

c<br />

= −A H − p · 8.0 = −9.33kN<br />

N (l)<br />

c<br />

= −A V = −10.67kN<br />

a<br />

A H<br />

A V<br />

Punkt c (r)<br />

p<br />

c<br />

M (r)<br />

c<br />

Q (r)<br />

c<br />

N (r)<br />

c<br />

M (r)<br />

c<br />

Q (r)<br />

c<br />

= M (l)<br />

c<br />

N (r)<br />

c<br />

= −N (l)<br />

c<br />

= Q (l)<br />

c<br />

= −42.64kNm<br />

= 10.67kN<br />

= −9.33kN<br />

a<br />

A H<br />

A V<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Punkt d (l)<br />

F<br />

p<br />

c<br />

g<br />

M d<br />

Q (l)<br />

d<br />

N (l)<br />

d<br />

M d = A V · 8.0 − A H · 8.0 − p · 8.0 · 4.0 − F · 4.0 =<br />

Q (l)<br />

d<br />

− 37.28kNm<br />

= A V − F = −9.33kN<br />

N (l)<br />

d<br />

= −A H − p · 8.0 = −9.33kN<br />

a<br />

A H<br />

A V<br />

Punkt d (r)<br />

N (l)<br />

d<br />

Q (l)<br />

d<br />

Q (r)<br />

d<br />

Q (r)<br />

d<br />

N (r)<br />

d<br />

= −N(l) d<br />

= Q (l)<br />

d<br />

= 9.33kN<br />

= −9.33kN<br />

N (r)<br />

d<br />

c) Skizzen<br />

-9.33<br />

10.67<br />

-10.67<br />

-9.33<br />

-9.33<br />

Q<br />

kN<br />

9.33<br />

N<br />

kN<br />

-9.33<br />

-1.33<br />

-42.64<br />

-37.32<br />

M<br />

kNm<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 4.16<br />

Parabelbogen unter Gleichlast<br />

z<br />

g<br />

p<br />

H<br />

Ein Dreigelenkbogen (siehe Skizze) in der<br />

Form einer quadratischen Parabel<br />

( )<br />

z(x) = H 1 − x2<br />

L 2<br />

unter einer vertikalen Gleichlast p wird<br />

untersucht.<br />

a<br />

b<br />

x<br />

L<br />

L<br />

a) Lagerreaktionen<br />

A H<br />

p<br />

g<br />

a<br />

b B H<br />

A V B V<br />

∑<br />

M b = 0 = p · 2L · L − A V · 2L<br />

A V = pL<br />

∑<br />

M (l)<br />

g = 0 = p · L · L<br />

2 + A H · H − A V · L<br />

A H = 1 (<br />

)<br />

A V · L − p · L2<br />

= pL2<br />

H<br />

2 2H<br />

Aus Symmetriegründen gilt B V = A V und B H = A H .<br />

b) Schnittgrößen<br />

∑<br />

M<br />

p<br />

s = 0 = M + A H · z − A V · (L + x) +<br />

+ p · (L + x) L + x<br />

g<br />

M<br />

2<br />

( )<br />

s<br />

M = −A H H − H x2<br />

α<br />

L 2 + A V (L + x) −<br />

Q<br />

z<br />

A H a<br />

− p N<br />

2 (L2 + 2Lx + x 2 ) =<br />

A V<br />

L<br />

x<br />

= − pL2<br />

2 + pL2<br />

2H H x2<br />

L 2 + pL2 + pLx −<br />

− pL2<br />

2<br />

− pLx −<br />

px2<br />

2 = 0<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Zur Berechnung von Normalkraft und Querkraft ist es vorteilhaft, zunächst Hilfsgrößen<br />

H s und V s zu definieren, die in die Richtung der Koordinatenachsen zeigen, und dann das<br />

Koordinatensystem um den Winkel α zu drehen.<br />

p<br />

g<br />

s<br />

α<br />

H s<br />

N<br />

Q<br />

H s<br />

A H<br />

a<br />

α<br />

V s<br />

A V<br />

L<br />

x<br />

V s<br />

∑<br />

V = 0 = A V − V s − p(L + x)<br />

V s = A V − p(L + x) = pL − pL − px = −px<br />

∑<br />

H = 0 = A H + H s<br />

H s = −A H = − pL2<br />

2H<br />

Der Neigungswinkel α an der Stelle s ist bestimmt durch tan α = − dz<br />

dx = 2Hx . Die gesuchten<br />

L 2<br />

Schnittgrößen N und Q sind durch Anwendung einer Drehung leicht bestimmbar (vgl.<br />

Gl. 4.15):<br />

[ ] [ ][ ] [ ] [<br />

][ ]<br />

Hs cos α − sin α N N cos α sin α Hs<br />

=<br />

→ =<br />

V s sin α cos α Q Q − sin α cos α V s<br />

und somit<br />

N = − pL2 cos α − px sin α<br />

2H<br />

Q =<br />

pL2 sin α − px cos α<br />

2H<br />

Aus den bekannten Beziehungen für trigonometrische Funktionen erhalten wir<br />

und<br />

sin 2 α =<br />

Damit ergeben sich N und Q als<br />

cos 2 α =<br />

1<br />

1 + tan 2 α = 1<br />

1 + 4H2 x 2<br />

L 4<br />

tan2 α<br />

1 + tan 2 α = 4H 2 x 2 ( ) 2Hx 2<br />

L ( ) = cos 2<br />

4 1 + 4H2 x 2 L 2 α<br />

L 4<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

N = −<br />

( pl<br />

2<br />

)<br />

2H + 2px2 H<br />

L 2<br />

1<br />

√ ; Q = 0<br />

1 + 4H2 x 2<br />

L 4<br />

Der Parabelbogen unter Gleichlast hat somit weder Querkräfte noch Biegemomente, lediglich<br />

Normalkräfte (Druck).<br />

4.8 Räumliche Schnittgrößen<br />

4.8.1 Lager und Gelenke<br />

An einer räumlichen Einspannung (Abb. 4.16) werden 3 Momente und 3 Kräfte aufgenommen,<br />

an einem räumlichen Geitlager (Abb. 4.17) wird eine Kraft aufgenommen<br />

y<br />

z<br />

M ax<br />

M ay<br />

x<br />

A x<br />

A y<br />

a<br />

A z<br />

x<br />

y<br />

z<br />

Abbildung 4.17<br />

a<br />

A z<br />

Räumliches Gleitlager<br />

M az<br />

Abbildung 4.16<br />

Räumliche Einspannung<br />

Gelenkige Verbindungen können unterschiedlich ausgebildet sein, und entsprechend verschieden<br />

viele Kraftgrößen übertragen.<br />

Abbildung 4.18<br />

Räumliche Gelenke (links:<br />

Scharniergelenk, recht: Kugelgelenk)<br />

Scharniergelenk (Abb. 4.18, links): Es werden 2 Momente und 3 Kräfte übertragen.<br />

Kugelgelenk (Abb. 4.18, rechts): Es werden 3 Kräfte (und keine Momente) übertragen.<br />

Statische Bestimmtheit:<br />

Bei zusammengesetzten Systemen bestehend aus n Teilkörpern gibt es 6 · n unabhängige<br />

Gleichgewichtsbedingungen. Die notwendige Bedingung für statische Bestimmtheit ist<br />

daher:<br />

m = r + v − 6 · n = 0 (4.17)<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Beispiel 4.17<br />

Räumlicher Gelenkträger<br />

r = 6 + 1 = 7<br />

v = 5<br />

n = 2<br />

m = 7 + 5 − 6 · 2 = 0<br />

Beispiel 4.18<br />

Räumlicher Träger auf zwei Stützen<br />

r = 3 + 1 = 4<br />

v = 0<br />

n = 1<br />

m = 4 + 0 − 6 · 1 = −2<br />

Das System ist beweglich! Resultate ebener Statik können nicht immer unmittelbar ins<br />

Räumliche übertragen werden.<br />

4.8.1 Schnittgrößen<br />

Räumliche Schnittgrößen werden sinnvollerweise auf ein lokales Koordinatensystem in den<br />

betrachteten Stäben bezogen. Dabei wird die in Abb. 4.19 dargestellte Vorzeichenkonvention<br />

zugrunde gelegt.<br />

y<br />

z<br />

x<br />

N<br />

Q y<br />

Q z<br />

M x<br />

M y<br />

M z<br />

Abbildung 4.19<br />

Räumliche Schnittgrößendefinitionen<br />

Die Schnittgrößen Q y und Q z sind Querkräfte, die Größen M y und M z sind Biegemomente<br />

und M x heißt Torsionsmoment.<br />

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4 Statik einfacher Tragwerke <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 4.19<br />

Räumlicher Kragträger<br />

Ein räumlicher Kragträger wie in der Skizze dargestellt wird durch eine horizontale Last<br />

H in x-Richtung und eine vertikale Last V in z-Richtung belastet.<br />

V<br />

y<br />

z<br />

x<br />

a<br />

c<br />

H<br />

B<br />

L<br />

b<br />

Die Belastung und die Längenabmessungen L, B sind gegeben. Gesucht sind die Schnittgrößen<br />

im Träger.<br />

a) Lagerreaktionen<br />

− A z + V = 0 A z = V<br />

V<br />

M ax<br />

A x + H = 0 A x = −H<br />

A x<br />

a<br />

H<br />

A y = 0<br />

M<br />

A ax − V · B = 0 M ax = V · B<br />

y<br />

A<br />

M z<br />

ay<br />

M ay + V · L = 0 M ay = −V · L<br />

M az<br />

M az − H · B = 0<br />

M az = H · B<br />

b) Schnittgrößen<br />

M ax<br />

A x<br />

a<br />

A y<br />

A<br />

M z<br />

ay<br />

Q y<br />

M az<br />

Q z<br />

M z − M az + A y · x = 0 M z = H · B<br />

N + A x = 0 N = −A x = H<br />

− Q y + A y = 0 Q y = A y = 0<br />

Q z − A z = 0 Q z = A z = V<br />

M x + M ax = 0 M x = −M ax = −V · B<br />

N<br />

M y − M ay − A z · x = 0 M y = V(x − L)<br />

x<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

4 Statik einfacher Tragwerke<br />

Abschnitt b − c mit verändertem Koordinatensystem:<br />

z<br />

x<br />

y<br />

M y<br />

M x<br />

Q y<br />

M z<br />

Q z<br />

N<br />

x<br />

V<br />

B − x<br />

H<br />

N = 0<br />

− Q y + H = 0 Q y = H<br />

− Q z + V = 0 Q z = V<br />

M x = 0<br />

− M y − V(B − x) = 0 M y = V(x − B)<br />

− M z + H(B − x) = 0 M z = H(B − x)<br />

c) Skizzen<br />

N<br />

M x<br />

H<br />

H<br />

−V · B<br />

Q y<br />

V<br />

M y<br />

−V · L<br />

Q z<br />

M z<br />

H · B<br />

−V · B<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

5.1 Kinematik des Massenpunktes<br />

Der Begriff Massenpunkt beschreibt idealisierend einen Körper mit Masse m, dessen räumliche<br />

Ausdehnung als vernachlässigbar gering angenommen wird. Die Lage eines Massenpunktes<br />

P im Raum ist eindeutig durch die Angabe von drei kartesischen Koordinaten x,<br />

y und z festgelegt. Dabei können diese Positionen Funktionen der Zeit t sein. Eine darüber<br />

hinausgehende Festlegung (z.B. von Winkeln) ist aufgrund der vernachlässigten räumlichen<br />

Ausdehnung nicht möglich.<br />

z<br />

P(t)<br />

P(t + ∆t)<br />

s<br />

⃗r<br />

⃗r + ∆⃗r<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 5.1<br />

Räumliche<br />

Bewegung eines Massenpunktes<br />

Der Positionsvektor (Ortsvektor) ⃗r ist von der Zeit abhängig. Durch ⃗r(t) wird eine Kurve im<br />

Raum beschrieben, deren Bogenlänge durch die Größe s bezeichnet wird. Die Kinematik<br />

eines Massenpunktes wird beschrieben durch die zeitlichen Ableitungen des Positionsvektors<br />

⎡ ⎤<br />

x<br />

⃗r = y<br />

(5.1)<br />

⎢⎣ ⎥⎦<br />

z<br />

Die erste Ableitung<br />

⎤<br />

⃗v = ˙⃗r = d⃗r ẋ<br />

dt<br />

⎡⎢ = ẏ ⎣ ⎥⎦<br />

ż<br />

(5.2)<br />

ist die (vektorielle) Geschwindigkeit, Die Richtung des Geschwindigkeitsvektors fällt mit der<br />

Richtung der Tangente an die Bahnkurve zusammen. Die Ableitung des zurückgelegten<br />

Weges s nach der Zeit heißt Bahngeschwindigkeit. Es gilt<br />

Die zweite Ableitung<br />

v = ||⃗v|| = | || | ds<br />

dt<br />

| (5.3)<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

⎤<br />

⃗a = ¨⃗r<br />

ẍ<br />

= d2 ⃗r<br />

dt<br />

⎡⎢ 2 = ÿ<br />

(5.4)<br />

⎣ ⎥⎦<br />

¨z<br />

ist die Beschleunigung des Massenpunktes. Ihre Richtung ist i. A. nicht mit der Richtung der<br />

Tangente an die Bahnkurve identisch.<br />

Beispiel L: nicht abgedruckt.<br />

Wird ein Massenpunkt, auf den eine Kraft ⃗F einwirkt, entlang eines Weges verschoben, so<br />

wird dabei mechanische Arbeit verrichtet.<br />

z<br />

⃗F<br />

s<br />

⃗dr<br />

⃗r 1<br />

⃗r 2<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 5.2<br />

einen Massenpunkt<br />

Einwirkung einer Kraft auf<br />

Entlang eines infinitesimalen Wegstückes d⃗r ist die verrichtete infinitesimale Arbeit<br />

Definition:<br />

Die Größe<br />

dA = ⃗F T ⃗ dr (5.5)<br />

A 1,2 =<br />

∫ ⃗r 2<br />

⃗r 1<br />

⃗F T d⃗r (5.6)<br />

heißt Arbeit der Kraft ⃗F entlang des Weges von P 1 nach P 2 . Dabei kann ⃗F von ⃗r abhängig<br />

sein. Wenn in (5.6) das Ergebnis der Integration vom gewählten Weg zwischen P 1 und P 2<br />

unabhängig ist, so heißt die Kraft ⃗F konservativ. Zur Bewegung entlang einer geschlossenen<br />

Kurve (⃗r 1 = ⃗r 2 ) ist in konservativen Kraftfeldern keine Arbeit erforderlich. (A = 0).<br />

5.2 Kinematik des starren Körpers<br />

5.2.1 Allgemeines<br />

Wir betrachten einen starren Körper zu zwei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten t und t + ∆t:<br />

Die Bewegung ist beschreibbar durch unendlich viele Bahnkurven. Diese sind aber durch<br />

die Bedingung der starren Körperform miteinander verknüpft.<br />

Die Position und Lage des Körpers zum Zeitpunkt t + ∆t kann eindeutig festgelegt werden<br />

durch die Verschiebung (Translation) eines beliebigen Punktes P 0 und die Drehung (Rotation)<br />

um eine Achse durch diesen Punkt.<br />

Für den Geschwindigkeitsvektor ⃗v(r, t) eines beliebigen Körperpunktes P mit dem Ortsvektor<br />

r gilt dann allgemein<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

z<br />

P(t)<br />

P(t + ∆t)<br />

P 0 (t)<br />

P 0 (t + ∆t)<br />

⃗r 0 ⃗r 0 + ∆⃗r 0<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 5.3<br />

Räumliche<br />

Bewegung eines starren Körpers<br />

⃗v(⃗r, t) = ⃗v 0 (t) + ⃗ω(t) × [ ⃗r(t) −⃗r 0 (t) ] (5.7)<br />

Darin ist ⃗v 0 (t) der Geschwindigkeitsvektor des Punktes P 0 und ⃗ω(t) der Winkelgeschwindigkeitsvektor.<br />

Bedeutung von ⃗ω:<br />

Die Richtung von ⃗ω definiert die Drehachse, die Länge (Norm) ω = ||⃗ω|| definiert die Winkelgeschwindigkeit<br />

der Rotation.<br />

Sonderfälle<br />

• Reine Translation: ω = 0<br />

• Rotation um eine feste Achse durch P 0 :<br />

5.2.1 Momentanpol<br />

→ ⃗v(⃗r, t) = ⃗v 0 (t)<br />

→ ⃗v(⃗r, t) = ⃗ω(t) × [ ⃗r −⃗r 0<br />

]<br />

Für den Sonderfall der ebenen Bewegung (alle Geschwindigkeitsvektoren sind parallel zu<br />

einer Ebene) kann jeder Bewegungszustand als reine Rotation um eine Achse normal zu dieser<br />

Ebene beschrieben werden:<br />

→ ⃗v(r, t) = ⃗ω × [ ⃗r −⃗r m<br />

]<br />

(5.8)<br />

Dabei ist ⃗r m der Ortsvektor eines noch zu bestimmenden Punktes M aus dieser Ebene. Er<br />

muss so gewählt werden, dass<br />

⃗v = ⃗v 0 + ⃗ω × [ ⃗r −⃗r 0<br />

] != ⃗ω ×<br />

[ ⃗r −⃗rm<br />

]<br />

Wendet man Gl. (5.8) auf den Punkt P 0 an, so folgt<br />

(5.9)<br />

⃗v 0 = ⃗ω × (⃗r 0 −⃗r m ) (5.10)<br />

48 © 2007 - 2013 Christian Bucher. All rights reserved.


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

und daraus<br />

⃗ω × ⃗v 0 = ⃗ω × [ ⃗ω × (⃗r 0 −⃗r m ) ] = ⃗ω ⃗ω T (⃗r 0 −⃗r m ) −(⃗r<br />

} {{ } 0 −⃗r m )}{{}<br />

⃗ω T ⃗ω<br />

(5.11)<br />

=ω 2<br />

Der erste Term ist Null, wenn wir M in der Ebene normal auf ⃗ω durch P 0 wählen.<br />

Dann ergibt sich<br />

=0<br />

⃗r M = ⃗r 0 + 1 ω 2 (⃗ω × ⃗v 0) (5.12)<br />

Der Punkt M wird als Momentanpol bezeichnet. Seine Lage ist i.a. zeitabhängig und nicht an<br />

den Körper gebunden.<br />

Aus der Darstellung Gl. (5.9) folgt, dass der Vektor vom Momentanpol zu einem beliebigen<br />

Punkt P mit dem Geschwindigkeitsvektor dieses Punktes einen rechten Winkel einschließt.<br />

Rotation in der Ebene<br />

P 1<br />

P 2<br />

⃗v 1<br />

⃗v 2<br />

ω<br />

M<br />

ω<br />

Abbildung 5.4<br />

Ebene Rotation<br />

Die Geschwindigkeiten ⃗v 1 und ⃗v 2 können nicht beliebig vorgegeben werden!<br />

Beispiel M: nicht abgedruckt.<br />

5.3 Kinematische Ketten<br />

Eine Anordnung von beweglich miteinander verbundenen starren Körpern wird als kinematische<br />

Kette bezeichnet.<br />

II<br />

III<br />

I<br />

Abbildung 5.5<br />

Kinematische<br />

Kette mit einem Freiheitsgrad<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Durch die Verbindung der Körper in den Gelenken ergeben sich kinematische Kopplungen,<br />

also ein Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeiten der einzelnen Körper. Dieser<br />

Zusammenhang wird ersichtlich, wenn die Momentanpole der Körper bekannt sind.<br />

Beispiel 5.1<br />

Viergelenk<br />

a<br />

M<br />

ω 2 ω 2<br />

c<br />

v d<br />

II d<br />

v c<br />

I<br />

III<br />

ω 3<br />

ω 1<br />

b<br />

Wir betrachten ein System aus 4 miteinander<br />

gelenkig verbundenen geraden<br />

starren Stäben. Wir geben die Winkelgeschwindigkeit<br />

des Stabes I als ω 1 vor. Da<br />

der Stab I im Auflager a gehalten wird,<br />

liegt sein Momentanpol in diesem Punkt.<br />

Ebenso liegt der Momentanpol des Stabes<br />

III im Lagerpunkt b. Der Gelenkpunkt<br />

muss sich bei einer Drehung des Stabes I<br />

auf einer Bahn normal auf die Richtung<br />

zu a bewegen, der Gelenkpunkt d kann<br />

sich nur normal auf die Richtung zu b<br />

bewegen.<br />

Sowohl c als auch d liegen aber auch auf dem Stab II. Da ihre Bewegungsrichtungen normal<br />

auf die Richtung zum Momentanpol m sein müssen, folgt daraus, dass M im Schnittpunkt<br />

der Normalen auf die Richtungen der Geschwindigkeiten liegen muss (im weiteren Bewegungsablauf<br />

verändert sich dessen Lage). Die Größe der Winkelgeschwindigkeit ω 2 folgt<br />

unmittelbar aus v c und ω 1 , analog ω 3 .<br />

In einer kinematischen Kette heißen Punkte, um die sich ein Körper relativ zum ruhenden<br />

Bezugssystem dreht Hauptpole und Punkte, um die sich zwei Körper relativ zueinander drehen<br />

Nebenpole. Feste Lager sind stets Hauptpole, Verbindungsgelenke sind Nebenpole.<br />

Satz<br />

Die Hauptpole und der Nebenpol zweier zueinander beweglicher Körper liegen stets auf<br />

einer Geraden.<br />

Satz<br />

Die Nebenpole dreier zueinander beweglicher Körper liegen stets auf einer Geraden.<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

Beispiel 5.2<br />

Viergelenk<br />

I<br />

(1, 2) (2, 3)<br />

II<br />

III<br />

(0, 1) (0, 3)<br />

(0, 2) (0, 1). . .Hauptpol von I<br />

(1, 2). . .Nebenpol von I und II<br />

→ (0, 2) muss auf einer Geraden durch<br />

(0, 1) und (0, 2) liegen.<br />

Analog: (0, 2) muss auf einer Geraden<br />

durch (0, 2) und (2, 3) liegen.<br />

Beispiel 5.3<br />

Dreigelenk<br />

I<br />

(1,2) Haupt- und Nebenpole liegen nicht auf<br />

einer Geraden → System ist nicht beweglich.<br />

II<br />

(0,1) (0,2)<br />

Beispiel 5.4<br />

Bewegliches Lager<br />

(1,2)<br />

(0,2)<br />

Wegen der horizontalen Verschieblichkeit<br />

des Gleitlagers liegt der Hauptpol von<br />

II auf einer vertikalen Linie durch den<br />

Lagerpunkt.<br />

I<br />

II<br />

(0,1)<br />

Beispiel 5.5<br />

Fachwerk<br />

I<br />

(2, 4)<br />

IV<br />

II<br />

V<br />

(2, 5)<br />

III<br />

(2, 4), (2, 5) und (4, 5) liegen nicht auf<br />

einer Geraden → II, IV und V sind nicht<br />

relativ zueinander beweglich (wohl aber<br />

gemeinsam!).<br />

(4, 5)<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel N: nicht abgedruckt.<br />

5.4 Bestimmung von Lagerreaktionen und Schnittgrößen<br />

Definition<br />

Eine virtuelle Verschiebung δ⃗r eines Körperpunktes ist eine gedachte, bei festgehaltener Zeit<br />

ausgeführte, mit den kinematischen Bindungen verträgliche und infinitesimal kleine Verschiebung,<br />

bei sich die auf den Körper einwirkenden Kräfte nicht ändern.<br />

Bei starren Körpern lassen sich virtuelle Verschiebungen immer auf eine virtuelle Translation<br />

δ⃗r 0 und eine virtuelle Rotation δ⃗ϕ zurückführen (vgl. Gl. 5.7):<br />

δ⃗r = δ⃗r 0 + δ⃗ϕ × (⃗r −⃗r 0 ) (5.13)<br />

Die virtuelle Arbeit δW i einer am Körperpunkt ⃗r i angreifenden Kraft ⃗F i ist definiert durch<br />

Die virtuelle Arbeit δW k eines Moments ⃗M k ist definiert durch<br />

δW i = ⃗F T i δ⃗r i (5.14)<br />

δW k = ⃗M T k δ⃗ϕ k (5.15)<br />

⃗M k<br />

δ⃗φ k<br />

δ⃗r i<br />

z⃗r k<br />

⃗r i<br />

⃗F i<br />

x<br />

y<br />

Abbildung 5.6<br />

virtuelle Drehung<br />

Virtuelle Verschiebung und<br />

Satz<br />

(Prinzip der virtuellen Arbeit in der Form virtueller Verschiebungen): Bilden die an einem<br />

starren Körper angreifenden Kräfte ⃗F i ; i = 1. . .n und Momente ⃗M k ; k = 1. . .m eine Gleichgewichtsgruppe,<br />

so verschwindet die virtuelle Arbeit dieses Kräftesystems für jede beliebig<br />

gewählte virtuelle Verschiebung:<br />

n∑<br />

m∑<br />

δW = ⃗F T i δ⃗r i + ⃗M T k δ⃗ϕ k = 0 (5.16)<br />

i=1<br />

Verschwindet die virtuelle Arbeit eines an einem starren Körper angreifenden Kräftesystems<br />

für jede beliebige virtuelle Verschiebung, so befindet sich dieses Kräftesystem im Gleichgewicht.<br />

Satz<br />

Wenn zur Einleitung virtueller Verschiebungen kinematische Bindungen gelöst werden<br />

(’’Schnitt’’), so sind die virtuellen Arbeiten der an diesen Stellen wirkenden Schnittgrößen<br />

zu berücksichtigen.<br />

Beispiel P: nicht abgedruckt.<br />

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k=1


<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

Beispiel 5.6<br />

Biegemoment eines Trägers auf zwei Stützen<br />

p<br />

Geg: p, L<br />

Ges.: M(x)<br />

x<br />

L<br />

δφ 1 δφ 2 aus<br />

Um das System beweglich zu machen,<br />

p<br />

muss eine kinematische Bindung gelöst<br />

M M<br />

werden. Um das Biegemoment an einer<br />

beliebigen Stelle x bestimmen zu können,<br />

x<br />

L −x<br />

muss dieses Biegemoment virtuelle<br />

Arbeit leisten. Es wird daher an der Stelle<br />

px<br />

p(L −x)<br />

x ein Gelenk eingeführt und die dabei<br />

M M<br />

freigesetzten Schnittgrößen als Kraftwirkung<br />

mit angesetzt.<br />

Die Relation zwischen δϕ 1 und δϕ 2 folgt<br />

x<br />

L −x<br />

x · δϕ 1 = (L − x)δϕ 2 → δϕ 2 =<br />

x<br />

L − x δϕ 1<br />

Damit wird die gesamte virtuelle Arbeit<br />

zu:<br />

δW = px x 2 δϕ 1 + p(L − x) L − x<br />

2 δϕ 2 − Mδϕ 1 − Mδϕ 2 =<br />

[<br />

= px x − x x<br />

+ p(L − x)L<br />

2 2 L − x − M − M x ]<br />

δϕ 1 = 0<br />

L − x<br />

→ M(x) = p x(L − x)<br />

2<br />

Beispiel 5.7<br />

Querkraft eines Trägers auf zwei Stützen<br />

px<br />

δφ<br />

x<br />

Q<br />

Q<br />

L −x<br />

p(L −x)<br />

δφ<br />

δW = px x − x<br />

δϕ − p(L − x)L<br />

2 2 δϕ +<br />

+ Qxδϕ + Q(L − x)δϕ =<br />

]<br />

=<br />

[− pL2<br />

2 + pLx + QL δϕ = 0<br />

→ Q(x) = p (L − 2x)<br />

2<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 5.8<br />

Stabkräfte in einem Fachwerk<br />

F F F<br />

D3 V 3<br />

c<br />

L L L L<br />

F F F<br />

(1,4)<br />

IV<br />

I<br />

V 3<br />

(0,1) (0,3)<br />

(1,2) II III (0,4)<br />

(0,2)<br />

V 3<br />

L<br />

Für das dargestellte Fachwerk mit 13 Stäben<br />

sollen die Stabkräfte V 3 und D 3 mit<br />

Hilfe des Prinzips der virtuellen Verschiebungen<br />

berechnet werden.<br />

Um die Stabkräfte berechnen zu können,<br />

müssen Schnitte eingeführt werden,<br />

die eine Längsverschieblichkeit der Stäbe<br />

ermöglichen. Da ein einem Fachwerk keine<br />

Querkräfte und Biegemomente vorhanden<br />

sind, können die Stäbe auch einfach<br />

entfernt werden, wenn die Stabkräfte auf<br />

die jeweiligen Knoten angesetzt werden.<br />

a) V 3 Die Pole (0, 1), (0, 4) und (1, 4) liegen<br />

nicht auf einer Geraden. Daher sind I<br />

und IV nicht beweglich. Der Pol (0, 2) liegt<br />

daher im Pol (1, 2).<br />

Von allen Kräften leistet nur V 3 virtuelle<br />

Arbeit:<br />

δW = V 3 Lδϕ = 0 → V 3 = 0<br />

(0,1)<br />

δφ<br />

I<br />

(1,3)<br />

0,2<br />

(1,2)<br />

D 3<br />

II<br />

D 3<br />

(0,3)<br />

III<br />

(0,2)<br />

2,3 2,3<br />

0,3<br />

D 3<br />

3δφ<br />

(2,4)<br />

IV<br />

(3,4)<br />

0,2<br />

δφ<br />

(0,4)<br />

0,3<br />

V 3 ist also ein Nullstab.<br />

b) D 3 Aus (0, 1) und (1, 2) folgt eine<br />

Richtung zu (0, 2), ebenso aus (0, 4) und<br />

(2, 4). Damit liegt der Hauptpol (0, 2) fest.<br />

Für den Hautpol (0, 3) ist zunächst nicht<br />

genügend Information verfügbar. Dazu<br />

wird der Nebenpol (2, 3) benötigt. Aus<br />

(1, 2) und (1, 3) ergibt sich eine Richtung<br />

zu (2, 3), ebenso aus (2, 4) und (3, 4). Beide<br />

Richtungen sind parallel, der Nebenpol<br />

(2, 3) liegt also im Unendlichen. Verbindet<br />

man (0, 2) mit (2, 3) so ergibt sich<br />

eine Richtung zu (0, 3), ebenso aus (0, 1 =<br />

und (1, 3). Damit liegt auch der Hauptpol<br />

(0, 3 = fest.<br />

Die virtuelle Arbeit aller Kräfte ist:<br />

δW = −F · Lδϕ − F · 2Lδϕ + F · Lδϕ +<br />

+ D 3 · L √ 2δϕ + D 3 · L √ 2δϕ = 0<br />

Daraus ergibt sich<br />

D 3 = F √<br />

2<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

Beispiel 5.9<br />

Dreigelenkrahmen<br />

Wir untersuchen ausgewählte Lagerreaktionen und Schnittgrößen für das dargestellte System.<br />

Die Zahlenwerte für die Belastungsgrößen sind F = 20 kN, p = 1 kN/m.<br />

F<br />

c<br />

g<br />

d<br />

p 4.0<br />

b<br />

A H<br />

B H<br />

4.0<br />

a<br />

B V<br />

4.0 4.0<br />

[m]<br />

A V<br />

a) A V<br />

(1,2)<br />

c<br />

F<br />

d<br />

(0,1)<br />

F<br />

p<br />

b) A H<br />

A H<br />

A V<br />

( ) F · 8 − p · 32 = 10.667kN<br />

A H = 1 ( ) F · 4 − p · 64 = 1.333kN<br />

12<br />

(1,2)<br />

(0,2)<br />

p<br />

(0,2)<br />

(0,1)<br />

δW = A V · 12 · δϕ − F · 8 · δϕ + p · 8 · 4 · δϕ = 0<br />

A V = 1<br />

12<br />

δW = A H · 12 · δϕ − F · 4 · δϕ + p · 8 · 8 · δϕ = 0<br />

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5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers <strong>Mechanik</strong> 1<br />

c) M c<br />

(1,2)<br />

p<br />

d) Q l c<br />

(0,3)<br />

F<br />

M c<br />

(2,3)<br />

M c<br />

p<br />

(0,2)<br />

(0,1)<br />

− p · 8 · 4 · δϕ = 0<br />

( ) −F · 8 + p · 32 = −42.667kNm<br />

δW = M c δϕ + M c · 2δϕ + F · 4 · 2δϕ<br />

M c = 1 3<br />

(0,3)<br />

F<br />

Q c<br />

Q c<br />

(0,2)<br />

(0,1)<br />

δW = Q c · 8 · δϕ + Q c · 4 · δϕ + F · 4 · δϕ<br />

+ p · 8 · 4 · δϕ = 0<br />

Q c = 1 ( ) −F · 4 − p · 32 = −9.333kN<br />

12<br />

Beispiel 5.10 Zugbrücke<br />

Eine Zugbrücke (homogener Balken mit Masse m) wird im Schwerefeld (g) über ein masseloses<br />

Seil (umgelenkt über eine sehr kleine Rolle) durch eine Masse m 2<br />

im Gleichgewicht<br />

gehalten. Welcher Winkel ϕ stellt sich ein?<br />

Wir wählen als virtuelle Verrückung eine infinitesimal<br />

kleine Verdrehung δϕ der Brücke. Dabei senkt sich der<br />

m<br />

2<br />

φ<br />

m<br />

Brückenschwerpunkt um<br />

δr 1 = L δϕ sin ϕ<br />

2<br />

ab. Das Gegengewicht hebt sich um den Betrag δr 2 . Dies<br />

entspricht der Verlängerung δs des Seils zwischen Brücke<br />

und Rolle. Die Seillänge s abhängig vom Winkel ϕ ist<br />

s<br />

gegeben durch<br />

L<br />

L<br />

s = 2L sin ϕ 2<br />

φ<br />

2<br />

δφ<br />

Daraus erhält man durch Taylorentwicklung<br />

δs = ds<br />

dϕ δϕ = L cos ϕ 2 δϕ<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

5 Kinematik des Punktes und des starren Körpers<br />

Somit ist die virtuelle Arbeit<br />

Daraus folgt<br />

δW = mgδr 1 − mg<br />

2 δr 2 =<br />

(<br />

mg L mg<br />

sin ϕ −<br />

2 2 L cos ϕ )<br />

δϕ = 0<br />

2<br />

sin ϕ − cos ϕ 2 = 0 → ϕ = 60◦<br />

Beispiel 5.11<br />

Fachwerk<br />

F<br />

L<br />

S 2<br />

S 1<br />

L<br />

L<br />

L<br />

L<br />

Gegeben sind F und L, gesucht sind die Stabkräfte S 1 und<br />

S 2 mittels Ritterschnitt und virtueller Arbeit.<br />

Der Stab S 1 wird durch einen Dreistäbeschnitt leicht<br />

berechnet:<br />

∑<br />

M c = 0 = S 1 · L √ 2 − FL → S 1 = F √<br />

2<br />

c<br />

Für den Stab S 2 läßt sich kein Ritterschnitt finden.<br />

Mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeit berechnet<br />

man die Stabkraft S 1 nach:<br />

S 1<br />

S 1<br />

δW = FLδϕ − S 1 · 2Lδϕ<br />

√<br />

2<br />

2 = 0 → S 1 = F √<br />

2<br />

F<br />

und die Stabkraft S 2 folgt aus<br />

δφ<br />

δW = F · Lδϕ − S 2 L √ 2δϕ = 0 → S 2 = F √<br />

2<br />

S 2<br />

F<br />

S 2<br />

δφ<br />

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6 Flächenmomente <strong>Mechanik</strong> 1<br />

6 Flächenmomente<br />

Für die nachfolgenden Abschnitte benötigen wir einige Integrale, die als Flächenmomente<br />

bezeichnet werden.<br />

y<br />

η<br />

dA<br />

z −z p<br />

Abbildung 6.1<br />

r p<br />

y −y p<br />

z p P<br />

y p<br />

ζ<br />

z<br />

A<br />

Fläche in der y −<br />

z-Ebene (z.B. Querschnittsfläche eines<br />

Stabes)<br />

Als Integral lässt sich der Flächeninhalt A eines Querschnittes<br />

das Flächenmoment 0. Ordnung) berechnen<br />

nach<br />

∫ ∫ ∫ ∫<br />

A = dA = dydz (6.1)<br />

A<br />

Die statischen Momente bezogen auf Achsen η und ζ parallel<br />

zu y und z durch den Punkt P (Flächenmomente 1.<br />

Ordnung) sind:<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

S ζ = S p,z = η dydz = (y − y p ) dydz;<br />

A<br />

∫ ∫<br />

S η = S p,y =<br />

A<br />

A<br />

A<br />

∫ ∫<br />

ζ dydz =<br />

A<br />

(z − z p ) dydz<br />

Der Flächenschwerpunkt S ist dadurch gekennzeichet, dass die statischen Momente verschwinden,<br />

d.h. S s,y = S s,z = 0. Die Flächenträgheitsmomente (Flächenmomente 2. Ordnung)<br />

sind:<br />

∫ ∫<br />

I p,zz = (y − y p ) 2 dydz;<br />

A<br />

∫ ∫<br />

I p,yz = I p,zy = −<br />

(y − y p )(z − z p ) dydz; (6.2)<br />

∫ ∫<br />

I p,yy =<br />

A<br />

(z − z p ) 2 dydz<br />

A<br />

Das sogenannte polare Flächenträgheitsmoment I p,p ist<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

I p,p = I p,zz + I p,yy = (y − y p ) 2 dydz + (z − z p ) 2 dydz =<br />

r 2 p dydz (6.3)<br />

A<br />

A<br />

A<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

6 Flächenmomente<br />

Beispiel 6.1<br />

Flächenmomente eines Kreises<br />

Die Integration erfolgt in diesem Fall einfacher durch<br />

Polarkoordinaten.<br />

y<br />

φ<br />

r<br />

dA<br />

M<br />

R<br />

A =<br />

∫ 2π ∫ R<br />

0<br />

0<br />

rdrdϕ =<br />

∫ 2π<br />

0<br />

∫ R<br />

dϕ<br />

0<br />

rdr = 2π R2<br />

2 = R2 π<br />

Das statische Moment S m,z bezogen auf den Kreismittelpunkt<br />

M ist gegeben durch<br />

dA<br />

rdφ<br />

dr<br />

z<br />

∫ 2π ∫ R ∫ 2π ∫ R<br />

S m,z = yr drdϕ =<br />

0 0<br />

0 0<br />

∫ 2π ∫ R<br />

= cos ϕ dϕ r 2 dr = 0<br />

r 2 cos ϕ drdϕ<br />

Analog gilt S m,y = 0. Das Flächenträgheitsmoment I m,zz ist:<br />

I m,zz =<br />

∫ 2π ∫ R<br />

0<br />

0<br />

y 2 r drdϕ =<br />

∫ 2π ∫ R<br />

0<br />

0<br />

0<br />

r 3 cos 2 ϕ drdϕ =<br />

0<br />

∫ 2π<br />

0<br />

∫ R<br />

cos 2 ϕ dϕ<br />

0<br />

r 3 dr = π R4<br />

4<br />

Es gilt I m,yy = I m,zz und I m,yz = 0.<br />

Einfacher läßt sich das Flächenträgheitsmoment I m,zz aus dem polaren Flächenträgheitsmoment<br />

I m,p berechnen. Wegen der Symmetrie des Kreises gilt ja I m,yy = I m,zz und daher<br />

I m,yy = 1 2 I m,p = 1 2<br />

∫ 2π ∫ R<br />

0 0<br />

r 2 r drdϕ = 1 2 2πR4 4 = πR4 4<br />

Sind die Flächenträgheitsmomente bezüglich des Schwerpunktes S bekannt, so können die<br />

Flächenträgheitsmomente bezüglich eines beliebigen anderen Punktes P nach folgenden Formeln<br />

berechnet werden (Steiner’scher 6 Satz):<br />

Beweis:<br />

Nach Gl. (6.2) gilt<br />

I p,zz = I s,zz + (y p − y s ) 2 · A<br />

I p,yz = I s,yz − (y p − y s )(z p − z s ) · A<br />

I p,yy = I s,yy + (z p − z s ) 2 · A<br />

6 Jakob Steiner, *1796 Utzenstorf, +1863 Bern<br />

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6 Flächenmomente <strong>Mechanik</strong> 1<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

I p,zz = (y − y p ) 2 dydz = (y − y s + y s − y p ) 2 dydz<br />

A<br />

∫ ∫<br />

=<br />

A<br />

[(y − y s ) 2 + 2(y − y s )(y s − y p ) + (y s − y p ) 2 ] dydz<br />

A<br />

∫ ∫<br />

=<br />

∫ ∫<br />

(y − y s ) 2 dydz + 2(y s − y p )<br />

(y − y s ) dydz + (y s − y p ) 2 ∫ ∫<br />

dydz<br />

A<br />

= I s,zz + 2(y s − y p )S s,z + (y s − y p ) 2 · A. q.e.d.<br />

A<br />

A<br />

Die Beweise für I p,yz und I p,yy verlaufen analog.<br />

Die Flächenträgheitsmomente lassen sich in einer symmetrischen Matrix der Größe 2 × 2<br />

anordnen:<br />

[ ]<br />

Ip,yy I<br />

[I p ] =<br />

p,yz<br />

(6.4)<br />

I p,yz I p,zz<br />

Dieser Trägheitstensor besitzt analog zum Spannungstensor des ebenen Spannungszustandes<br />

zwei Eigenwerte (Hauptträgheitsmomente) I p,1 und I p,2 die aus<br />

⎡<br />

⎤<br />

I p,yy − λ I p,yz<br />

det ⎢⎣<br />

⎥⎦<br />

I p,zz − λ<br />

= (I p,yy − λ)(I p,zz − λ) − Ip,yz 2 =<br />

I p,yz<br />

= λ 2 − (I p,yy + I p,zz )λ + I p,yy I p,zz − I 2 p,yz = 0<br />

Die Lösungen dieser quadratischen Gleichung sind<br />

I p,1,2 = I √<br />

p,yy + I p,zz (Ip,yy − I p,zz ) 2<br />

±<br />

+ Ip,yz 2 (6.5)<br />

2<br />

4<br />

Die zugehörigen Hauptträgheitsachsen definiert die Winkel ϕ 1 und ϕ 2 ergeben sich aus den<br />

Gleichungen<br />

[ ][ ] [ ]<br />

Ip,yy − λ I p,yz cos ϕ 0<br />

=<br />

(6.6)<br />

I p,zz − λ sin ϕ 0<br />

I p,yz<br />

Da diese Gleichungen linear abhängig sind, kann beispielsweise die erste Gleichung verwendet<br />

werden:<br />

Durch Einsetzen der beiden Eigenwerte ergibt sich daraus:<br />

(I p,yy − λ) cos ϕ + I p,yz sin ϕ = 0 (6.7)<br />

tan ϕ 1,2 = I p,1,2 − I p,yy<br />

I p,yz<br />

(6.8)<br />

Alternativ können diese Winkel auch ohne Kenntnis der Hauptträgheitsmomente aus<br />

berechnet werden.<br />

tan 2ϕ 1,2 =<br />

2I p,yz<br />

I p,yy − I p,zz<br />

(6.9)<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

6 Flächenmomente<br />

Beispiel 6.2<br />

Zusammengesetzter Querschnitt<br />

Der Querschnitt besteht aus zwei Rechtecken. Es sollen die Flächenmomente 2. Ordnung<br />

bezogen auf den gemeinsamen Schwerpunkt S und die Haupträgheitsachsen berechnet<br />

werden.<br />

y<br />

A<br />

2 1 Die Berechnung erfolgt getrennt für die beiden Rechtecke.<br />

Der Schwerpunkt der Fläche A liegt bei (1.5, 0.5),<br />

[m]<br />

S A<br />

z p 1 der Schwerpunkt der Fläche B bei (0.5, 2.0). Der Gesamtschwerpunkt<br />

S hat die Koordinaten<br />

S y p<br />

2<br />

S B<br />

1.5A + 0.5B<br />

y s = = 1.10m<br />

A + B<br />

B<br />

z<br />

z s =<br />

0.5A + 2B<br />

A + B<br />

= 1.10m<br />

Die Flächenträgheitsmomente der Fläche A bezogen auf Achsen durch ihren eigenen<br />

Schwerpunkt sind<br />

I yy,A = 1<br />

12 13 · 3 = 0.25m 4 , I zz,A = 1<br />

12 1 · 33 = 2.25m 4 , I yz,A = 0<br />

die der Fläche B bezogen auf Achsen durch ihren eigenen Schwerpunkt sind<br />

I yy,B = 1<br />

12 23 · 1 = 0.67m 4 , I zz,B = 1<br />

12 2 · 13 = 0.17m 4 , I yz,B = 0<br />

Mit Anwendung des Steiner’schen Satzes Gl. (??) ergibt sich:<br />

I s,yy = I yy,A + A · (1.10 − 0.50) 2 + I yy,B + B · (1.10 − 2.00) 2 = 3.62m 4<br />

I s,yz = I yz,A − A · (1.10 − 0.50)(1.10 − 1.50) + I yz,B − B · (1.10 − 2.00)(1.10 − 0.50) = 1.80m 4<br />

I s,zz = I zz,A + A · (1.10 − 1.50) 2 + I zz,B + B · (1.10 − 0.50) 2 = 3.62m 4<br />

Damit ergeben sich die Haupträgheitsmomente zu<br />

{ 5.42<br />

I p,1,2 = 3.62 ± 1.80 =<br />

1.82<br />

Die zugehörigen Richtungen sind nach Gl. (6.8) gegeben durch<br />

m 4<br />

tan ϕ 1 =<br />

5.42 − 3.62<br />

1.80<br />

bzw. nach der alternativen Formel (6.9)<br />

tan 2ϕ 1,2 =<br />

= 1; tan ϕ 2 =<br />

1.82 − 3.62<br />

1.80<br />

{<br />

2 · 1.80<br />

π43π4<br />

3.62 − 3.62 = ∞ → ϕ 1,2 =<br />

= −1<br />

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7 Hydrostatik <strong>Mechanik</strong> 1<br />

7 Hydrostatik<br />

7.1 Spannungszustand<br />

Eine wesentliche Eigenschaft von Flüssigkeiten ist, dass sie im Ruhezustand keine<br />

Schubspannungen aufnehmen können. Der Spannungstensor ist somit nur auf der Hauptdiagonalen<br />

belegt:<br />

⎡<br />

σ xx 0 0<br />

[S] = 0 σ yy 0<br />

⎢⎣<br />

⎤⎥<br />

(7.1)<br />

⎦<br />

0 0 σ zz<br />

Da aber die Schubspannungen bezogen auf jedes beliebige Paar von orthogonalen Achsen<br />

verschwinden muss, ist Spannungsvektor⃗t auf einer beliebigen Ebene mit Normaleneinheitsvektor<br />

⃗n (vgl. Gl. 3.6) parallel zum Normalenvektor (sonst hätte er ja Schubspannungsanteile)<br />

und es gilt somit:<br />

⎡<br />

σ xx 0 0<br />

⃗t = 0 σ yy 0<br />

⎢⎣<br />

⎤⎥ · ⎦<br />

0 0 σ zz<br />

Offensichtlich ist dies nur möglich, wenn<br />

⎡<br />

⎢⎣<br />

cn x<br />

n y<br />

n z<br />

⎤⎥ ⎦<br />

=<br />

⎡<br />

σ xx n x n x<br />

!<br />

σ yy n y ⎢⎣<br />

⎤⎥ = a · ⎦<br />

⎡⎢<br />

n y ⎣<br />

⎤⎥<br />

; a ≠ 0 (7.2)<br />

⎦<br />

σ zz n z n z<br />

σ xx = σ yy = σ zz = −p (7.3)<br />

also alle Normalspannungen identisch sind. Hier ist p der Druck. Aus den Gleichgewichtsbedingungen<br />

(3.4) ergibt sich nunmehr<br />

Im Schwerefeld gilt<br />

und somit aus Gl. (7.4) unmittelbar<br />

⃗ f − ∇p = ⃗0 (7.4)<br />

f x = 0; f y = 0; f z = −ρg (7.5)<br />

p(x, y, z) = −ρgz + C (7.6)<br />

Der Druck in einer ruhenden Flüssigkeit im Schwerefeld ist nur von der Höhe z abhängig.<br />

Die Konstante C ergibt sich durch Vorgabe des Drucks p 0 in einer Referenzhöhe z 0 . Oft wird<br />

p 0 als Luftdruck gewählt.<br />

7.2 Auftrieb<br />

Wir betrachten einen allseitig von Flüssigkeit umgebenen Körper (vgl. Abb. 7.1)<br />

Auf die Oberfläche dieses Körpers wirkt ein von der Höhe z abhängiger Druck p(z). Die resultierende<br />

Kraftwirkung der Flüssigkeit auf den Körper kann mit Hilfe einer einfachen Überlegung<br />

bestimmt werden. Der eingetauchte Körper verdrängt insgesamt soviel Flüssigkeit wie<br />

in seinem Volumen V D enthalten wäre. Die resultierende Kraft auf dieses Flüssigkeitsvolumen<br />

wäre gleich der Gewichtskraft G K der Flüssigkeit in diesem Volumen, da die Flüssigkeit<br />

sich ja im Gleichgewicht befindet. Somit übt die Flüssigkeit insgesamt eine resultierende<br />

Kraft von<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

7 Hydrostatik<br />

F S<br />

z<br />

S D<br />

S K<br />

V D<br />

G K<br />

Abbildung 7.1<br />

Von Flüssigkeit umgebener Körper<br />

F S = G K = ρgV D (7.7)<br />

auf den Körper aus. Diese Kraft wird als Auftriebskraft bezeichnet. Im Gleichgewicht befindet<br />

sich der Körper, wenn sein Gewicht G K gerade gleich dem Auftrieb ist. Die Lage, die<br />

ein getaucht schwebender Körper einnimmt, wird durch die Lage des Körperschwerpunktes<br />

S K und die Lage des Schwerpunktes S D des verdrängten Flüssigkeitsvolumens bestimmt. Es<br />

stellt sich eine Lage ein, dass die beiden Schwerpunkte auf einer vertikalen Linie liegen, und<br />

dabei S K tiefer als S D liegt.<br />

Bei schwimmenden Körpern stellt sich die Eintauchtiefe so ein, dass die Auftriebskraft F S<br />

wiederum gleich dem Gewicht G K des Körpers ist (Auftrieb in Luft ist hier vernachlässigt).<br />

F S<br />

z<br />

S D<br />

SK<br />

V D<br />

G K<br />

Abbildung 7.2<br />

In Flüssigkeit<br />

schwimmender Körper<br />

Anders als beim schwebenden Körper kann auch eine Lage, bei der S K oberhalb von S D liegt,<br />

stabil sein. Dies wird am Beispiel eines Quaders gezeigt.<br />

Für einen homogenen Körper mit Dichte ρ k in einer Flüssigkeit mit Dichte ρ ist eine Gleichgewichtslage<br />

durch t = ρ K<br />

ρ H gegeben. Selbstverständlich ist hier ρ > ρ K vorausgesetzt.<br />

Zur Feststellung der Stabilität der gezeichneten Lage untersuchen wir eine um den kleinen<br />

Winkel ϕ verdrehte Lage (siehe Abb. 7.3, rechtes Bild). Da auch in der gedrehten Lage die<br />

Summe der Kräfte verschwinden muss, bleibt die Größe von F S dabei unverändert. Allerdings<br />

verschiebt sich der Angriffspunkt der Auftriebskraft hin zu S ′ . Dadurch entsteht eine<br />

D<br />

Momentendifferenz<br />

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7 Hydrostatik <strong>Mechanik</strong> 1<br />

M<br />

M<br />

z<br />

t<br />

G K<br />

S K<br />

G K F S<br />

S D<br />

F S<br />

e<br />

H<br />

S K<br />

S D<br />

S ′ D<br />

φ<br />

S D<br />

S K<br />

h M<br />

e<br />

L<br />

∆y<br />

∆y<br />

y<br />

Abbildung 7.3<br />

In Flüssigkeit schwimmender quaderförmiger Körper<br />

∆M = F S · ∆y (7.8)<br />

∆y ist die horizontale Verschiebung des Angriffspunkts der Auftriebskraft. Das Moment ∆M<br />

kommt durch die Hinzunahme bzw. Wegnahme von Flüssigkeitskraftwirkungen im Bereich<br />

des Flüssigkeitsspiegels zustande:<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

∆M = yρgy ϕ dA = ρgϕ y 2 dA = ρgϕI xx (7.9)<br />

A<br />

Darin ist A die Schwimmfläche und I xx das Flächenträgheitsmoment der Schwimmfläche<br />

bezogen auf die Drehachse (hier: x-Achse). Der Schnittpunkt M der Wirkungslinie des Auftriebs<br />

F S mit der Verbindungslinie von S D und S K wird als Metazentrum bezeichnet. Seine<br />

Lage wird durch die metazentrische Höhe h M beschrieben (siehe Abb. 7.3, rechts). Es gilt nach<br />

Abb. 7.3 für kleine Drehwinkel ϕ:<br />

und weiter aus Gl. (7.9)<br />

A<br />

∆y = (h M + e)ϕ (7.10)<br />

(h M + e)ϕ = ∆M<br />

F S<br />

= ρgI xx<br />

ρgtA ϕ = I xx<br />

V D<br />

ϕ → h M = I xx<br />

V D<br />

− e (7.11)<br />

Das Vorzeichen von h M bestimmt das Vorzeichen des resultierenden Moments M des Kräftepaars<br />

G K und F S . Wenn h M positiv ist, so entsteht bei Neigung des Körpers ein rückdrehendes<br />

Moment, der Körper dreht sich wieder in die Ausgangslage zurück. Somit ist die Ausgangslage<br />

stabil. Ist hingegen h M negativ, so ist die Ausgangslage instabil.<br />

Konkret gilt für den Quader<br />

und weiter:<br />

e = 1 2 (H − t) = 1 ρ − ρ K<br />

H; I xx = AL2<br />

2 ρ<br />

12 ; V D = At = ρ K<br />

HA (7.12)<br />

ρ<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

h M<br />

H = 1 L 2 ρ<br />

12 H 2 − 1 (<br />

1 − ρ )<br />

K<br />

ρ K 2 ρ<br />

7 Hydrostatik<br />

(7.13)<br />

Für den Sonderfall ρ k = 0.5ρ ergibt sich die Stabilitätsgrenze<br />

h M<br />

H = 1 6<br />

L 2<br />

H 2 − 1 √<br />

3<br />

4 > 0 → L > H = 1.225H (7.14)<br />

2<br />

Ein Würfel (H = L) schwimmt in der angegebenen Lage stabil, wenn s = ρ K<br />

ρ<br />

erfüllt. Dies ist äquivalent zu<br />

die Bedingung<br />

1<br />

12s − 1 2 (1 − s) > 0 → 6s2 − 6s + 1 > 0 (7.15)<br />

(s − s 1 ) · (s − s 2 ) > 0 mit s 1,2 = 1 2 ± √<br />

3<br />

6 = { 0.7887<br />

0.2113<br />

Dies bedeutet dass entweder s > 0.7887 oder s < 0.2113 sein muss.<br />

7.3 Flüssigkeitsdruck<br />

7.3.1 Ebene Flächen<br />

Wir betrachten eine beliebig berandete ebene Fläche A, die sich vollständig unterhalb des<br />

Flüssigkeitsspiegels befindet (siehe Abb. 7.4).<br />

z<br />

F D<br />

α<br />

p<br />

S<br />

dA<br />

D<br />

A<br />

y<br />

z s<br />

z d<br />

A<br />

y yd s<br />

S<br />

D<br />

y<br />

dA<br />

x<br />

Abbildung 7.4<br />

Flüssigkeitsdruck auf eine ebene Fläche<br />

Der Druck auf ein Flächenelement dA ist durch die Flüssigkeitshöhe z bestimmt. Wegen z =<br />

y sin α gilt für die resultierende Kraft F D des Wasserdrucks auf die Fläche A:<br />

∫ ∫ ∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

F D = pdA = ρgzdA = ρg sin α y dA (7.16)<br />

A<br />

A<br />

Das letzte Integral ist das statische Moment S x der Fläche A um die x-Achse. Es gilt dabei,<br />

dass S x = A · y s . Somit folgt<br />

F D = ρg sin αy s A = ρgz s A = p s A (7.17)<br />

Die resultierende Druckkraft F D ergibt sich daher als Produkt des Drucks p s im Flächenschwerpunkt<br />

S und der Größe der Fläche A. Die Lage der Wirkungslinie von F D ergibt sich<br />

aus einer Momentenbedingung. Das Moment M x des Wasserdrucks auf A bezüglich der<br />

x-Achse ist<br />

A<br />

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7 Hydrostatik <strong>Mechanik</strong> 1<br />

∫ ∫<br />

M x =<br />

A<br />

∫ ∫<br />

pydA = ρg sin α<br />

A<br />

y 2 dA (7.18)<br />

Das Integral in dieser Gleichung ist das Flächenträgheitsmoment I xx bezogen auf die x-Achse.<br />

Die Lage y d des Angriffspunkts D der resultierenden Druckkraft ist somit gegeben durch<br />

y d = M x<br />

F D<br />

= I xx<br />

S x<br />

(7.19)<br />

Analog kann die Position x d bezüglich der y-Achse bestimmt werden.<br />

Anmerkung:<br />

Der Luftdruck p 0 wurde in diesen Überlegungen nicht berücksichtigt. Da für die meisten<br />

Anwendungen der Luftdruck auf beiden Seiten der betrachteten Flächen wirkt, ergibt sich<br />

daraus keine resultierende Kraftwirkung.<br />

Beispiel 7.1<br />

Druck auf eine kreisförmige Klappe<br />

Eine Klappe mit Radius R befindet sich mit ihrem Schwerpunkt in der Höhe H in einer<br />

Flüssigkeit. Es soll die Größe der resultierenden Wasserdruckkraft F D und die Lage y D<br />

ihres Angriffspunktes bestimmt werden.<br />

Nach Gl. 7.17 gilt<br />

H<br />

F D = ρgHR 2 π<br />

2R<br />

und aus Gl. 7.19 ergibt sich<br />

7.3.1 Gekrümmte Flächen<br />

( )<br />

S x = HR 2 π; I xx = R4 π<br />

R<br />

4 + H2 R 2 2<br />

π =<br />

4 + H2 R 2 π → y D = R2<br />

4H + H<br />

Wir betrachten eine beliebig berandete gekrümmte Fläche A, die sich vollständig unterhalb<br />

des Flüssigkeitsspiegels befindet (siehe Abb. 7.5).<br />

dV<br />

z<br />

dF<br />

α<br />

A<br />

dA<br />

dA ∗ A ∗ dA<br />

α<br />

dA cos α<br />

dA sin α<br />

Abbildung 7.5<br />

Flüssigkeitsdruck auf eine gekrümmte Fläche<br />

Auf ein Flächenelement dA in der Tiefe z wirkt die Kraft dF = p dA. Die Zerlegung dieser<br />

Kraft in eine vertikale und eine horizontale Komponente ergibt<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

7 Hydrostatik<br />

dF V = p dA cos α = ρgz dA cos α = ρg dV<br />

dF H = p dA sin α = p dA ∗<br />

Integration ergibt<br />

∫ ∫ ∫<br />

F V =<br />

ρg dV = ρgV<br />

V<br />

∫ ∫<br />

F H =<br />

∫ ∫<br />

p dA ∗ = ρg<br />

z dA ∗ = p s A ∗<br />

A ∗<br />

Die resultierende Vertikalkraft ist also gleich dem Gewicht der Flüssigkeit über der Fläche A<br />

und die resultierende Horizontalkraft ist gleich dem Produkt aus der in die Vertikale projizierten<br />

Fläche a ∗ und dem Druck im Schwerpunkt dieser Fläche.<br />

A ∗<br />

Beispiel 7.2<br />

Gekrümmte Staumauer<br />

M<br />

R<br />

C<br />

A ∗<br />

Das Volumen der über der Fläche A liegenden<br />

Flüssigkeit ist ein Viertelzylinder<br />

mit Radius R und Länge L. Daher ist die<br />

resultierende Vertikalkraft<br />

A<br />

F V = ρg R2 π<br />

4 L<br />

B<br />

L<br />

Die Projektion des Zylindermantels in die Vertikale ergibt als Fläche A ∗ ein Rechteck mit<br />

der Breite R und der Länge L. Der Flächenschwerpunkt S ∗ liegt in einer Tiefe von R 2 . Damit<br />

ist die resultierende Horizontalkraft<br />

F H = ρg R 2 RL<br />

Als Folge der Kreisgeometrie bilden alle Kraftwirkungen des Wasserdrucks in der Ebene<br />

ein zentrales Kraftsystem dessen Resultierende durch den Kreismittelpunkt M geht.<br />

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8 Formänderungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

8 Formänderungen<br />

8.1 Dehnungs- und Spannungsverteilung bei reiner Balkenbiegung<br />

Es wird angenommen, dass im Querschnitt nur die Schnittgrößen<br />

M y und M z vorhanden sind (reine Biegung, keine Normal- bzw.<br />

verformt<br />

unverformt<br />

Querkräfte, keine Torsion). Für die Formänderungen infolge Biegung<br />

wird angenommen, dass die Querschnitte des Balkens auch<br />

nach der Deformation infolge der Biegemomente eben bleiben (Bernoulli’sche<br />

Abbildung 8.1 Bernoulli-<br />

7 Hypothese).<br />

Hypothese<br />

Aus dieser Hypothese folgt, dass die Dehnungen ε xx linear über den<br />

Querschnitt verteilt sind. Nimmt man ferner einen linear-elastischen<br />

Werkstoff an, so sind auch die Normalspannungen σ xx linear über den Querschnitt verteilt<br />

σ xx = C 1 + C 2 y + C 3 z (8.1)<br />

S<br />

A<br />

y<br />

x<br />

z<br />

σ xx<br />

Abbildung 8.2<br />

Lineare Verteilung der Normalspannung<br />

σ xx<br />

Die Resultierenden der Spannungsverteilung müssen den vorgegebenen Schnittgrößen entsprechen:<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

∫ ∫<br />

N = σ xx dydz = 0, M y = zσ xx dydz, M z = − yσ xx dydz (8.2)<br />

A<br />

A<br />

Mit Berücksichtigung der angenommenen Spannungsverteilung (8.1) wird daraus ein Gleichungssystem<br />

für die drei Koeffizienten C 1 , C 2 und C 3 :<br />

∫ ∫<br />

(C 1 + C 2 y + C 3 z)dydz = C 1 A + C 2 S s,z + C 3 S s,y = N = 0<br />

A<br />

∫ ∫<br />

A<br />

∫ ∫<br />

A<br />

mit den Lösungen<br />

z(C 1 + C 2 y + C 3 z)dydz = C 1 S s,y − C 2 I s,yz + C 3 I s,yy = M y<br />

y(C 1 + C 2 y + C 3 z)dydz = C 1 S s,z + C 2 I s,zz − C 3 I s,yz = −M z<br />

A<br />

7 Jacob Bernoulli, *1654 Basel, +1705 Basel<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

8 Formänderungen<br />

C 1 = 0;<br />

C 2 = M yI s,yz − M z I s,yy<br />

I s,yy I s,zz − Is,yz<br />

2 ; C 3 = M yI s,zz − M z I s,yz<br />

I s,yy I s,zz − Is,yz<br />

2<br />

(8.3)<br />

Rückeinsetzen in Gl. (8.1) und Umordnen ergibt die Swain’sche Formel<br />

σ xx (y, z) =<br />

1<br />

I s,yy I s,zz − I 2 s,yz<br />

[<br />

My (y I s,yz + z I s,zz ) − M z (y I s,yy + z I s,yz ) ] (8.4)<br />

Die Gerade, auf der die Spannung σ xx zu Null wird, heißt Nullinie.<br />

Sind die y- und z-Achsen Hauptträgheitsachsen, so vereinfacht sich diese Formel zu<br />

σ xx (y, z) = M y<br />

I s,yy<br />

z − M z<br />

I s,zz<br />

y (8.5)<br />

Für gerade (achsrechte) Biegung um die y-Achse verbleibt dann noch<br />

σ xx (z) = M y<br />

I s,yy<br />

z (8.6)<br />

In diesem Fall ist die Nullinie eine Gerade parallel zur y-Achse durch den Flächenschwerpunkt.<br />

Die maximalen Spannungen im Querschnitt treten an den Punkten auf, die den größten Normalabstand<br />

von der Nullinie besitzen. Im Falle der Biegung um die y-Achse sind dies die<br />

Punkte mit dem betragsgrößten Abstand von der y-Achse.<br />

y<br />

z o<br />

σ o<br />

−<br />

z<br />

z u<br />

+<br />

σ u<br />

Abbildung 8.3<br />

Verteilung der Normalspannung<br />

σ xx bei achtechter Biegung<br />

Die Größen<br />

W o = | I s,yy<br />

z o<br />

|;<br />

W u = | I s,yy<br />

z u<br />

| (8.7)<br />

werden als Widerstandmomente bezeichnet. Damit ergeben sich die maximalen Biegespannungen<br />

in einem Querschnitt einfach zu<br />

|σ o,u | = M<br />

W o,u<br />

(8.8)<br />

Das Vorzeichen ist in dieser Formel anhand des Vorzeichens des Biegemoments zu wählen.<br />

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8 Formänderungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 8.1<br />

Dimensionierung auf Biegespannungen<br />

200 -σ [N/mm 2 ]<br />

L<br />

2<br />

150<br />

0<br />

-150<br />

F<br />

L<br />

2<br />

H<br />

t<br />

-300<br />

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5<br />

H [m]<br />

B<br />

t<br />

t<br />

Die Höhe des Querschnitts eines Trägers<br />

auf zwei Stützen unter einer Einzellast<br />

soll so dimensioniert werden, dass der<br />

Betrag der maximalen Biegespannung den<br />

Wert σ max = 200 N/mm 2 nicht überschreitet.<br />

Gegeben sind: F = 5 kN, L = 20.0 m, B =<br />

100 mm, t = 5 mm.<br />

Lösung: Die maximale Biegespannung<br />

tritt in der Trägermitte auf. Dort ist das<br />

Biegemoment M = FL<br />

4<br />

. Das Flächenträgkeitsmoment<br />

I s,yy berechnet sich nach:<br />

I s,yy = 2 Bt3<br />

12<br />

+ 2Bt(H<br />

− t)2<br />

4<br />

+<br />

t(H − 2t)3<br />

12<br />

und das Widerstandsmoment W = 2I s,yy<br />

H<br />

. Die Größe σ−σ max =<br />

4W FL −σ max ist in obenstehender<br />

Skizze als Funktion der Querschnitthöhe H dargestellt. Die Nullstelle liegt bei H = 0.2 m.<br />

Ein Querschnitt mit der Höhe H > 200 mm erfüllt also die Spannungsrestriktion.<br />

8.2 Biegelinie<br />

Ausgehend von der Bernoulli-Hypothese ergibt sich bei gerader Biegung um die y-Achse<br />

eine relative Verdrehung benachbarter Querschnitte (Abstand dx) um den Winkel dϕ. Daraus<br />

folgt eine Änderung der Neigung der Balkenachse um denselben Winkel. Der Zusammenhang<br />

zwischen dϕ und dx wird durch den Krümmungsradius R hergestellt:<br />

dx = R dϕ (8.9)<br />

Andererseits kann die Neigungsänderung auch aus der Dehnungsdifferenz zwischen dem<br />

unteren und oberen Querschnittrand bestimmt werden:<br />

dϕ = ε u − ε o<br />

z u − z o<br />

dx (8.10)<br />

R<br />

dφ<br />

x<br />

z, w<br />

Abbildung 8.4<br />

dx<br />

Neigungszuwachs dϕ<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

8 Formänderungen<br />

Nimmt man ferner einen einachsigen Spannungszustand und lineares Werkstoffverhalten<br />

an, so folgt<br />

1<br />

R = dϕ<br />

dx =<br />

σ (<br />

u − σ o M<br />

E(z u − z o ) = zu<br />

− M z )<br />

o<br />

I s,yy I s,yy<br />

1<br />

E(z u − z o ) =<br />

Die hier auftretende Größe EI s,yy heißt Biegesteifigkeit des Querschnitts.<br />

M<br />

EI s,yy<br />

(8.11)<br />

w<br />

x<br />

z, w<br />

Abbildung 8.5<br />

Verformung der Stabachse<br />

Es gilt ferner tan ϕ = − dw<br />

dx<br />

aus Gl.(8.11):<br />

und daher für kleine Verformungen ϕ = −<br />

dw<br />

dx<br />

sowie daraus und<br />

d 2 w<br />

dx 2 = − M<br />

(8.12)<br />

EI s,yy<br />

Berücksichtigt man ferner die aus der Statik bekannten Beziehungen<br />

Q = dM<br />

dx ; p z = − dQ<br />

dx<br />

so ergibt sich als Differentialgleichung der Biegelinie<br />

(<br />

p z = d2 d 2 )<br />

w<br />

dx 2 EI s,yy<br />

dx 2<br />

(8.13)<br />

Für Stäbe mit konstanter Biegesteifigkeit vereinfacht sich dies zu<br />

w IV =<br />

p z<br />

EI s,yy<br />

(8.14)<br />

Rechnerisch ergeben sich für positive Biegemomente negative Krümmungen und umgekehrt<br />

(siehe Abb. 8.6).<br />

M<br />

M<br />

x<br />

M<br />

M<br />

x<br />

z, w z, w<br />

Abbildung 8.6<br />

Biegemoment<br />

Krümmung des Stabes bei positivem und negativem<br />

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8 Formänderungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Beispiel 8.2<br />

Durchbiegung eines Kragträgers<br />

Ein Kragbalken aus Stahl mit der Spannweite<br />

L = 5 m, mit einem quadratischen Querschnitt<br />

50×50 mm wird durch sein Eigengewicht<br />

belastet. Bestimmen Sie die Durchbiegung<br />

w am rechten Trägerende.<br />

L<br />

p<br />

Lösung: Die Biegesteifigkeit ist EI = 2.1 · 1011 0.054<br />

12<br />

= 109375 Nm 2 . Die Querbelastung ist<br />

p = 7800 · 0.05 2 · 9.81 = 191.3 N/m. Die Differentialgleichung der Biegelinie wird durch<br />

Integration gelöst. Es gelten am linken Lager die Randbedingungen w(0) = 0 und w ′ (0) = 0.<br />

Am rechten Trägerende gelten die Randbedingungen M(L) = 0 und Q(L) = 0. Aus w IV = p EI<br />

folgt<br />

w ′′′ = p EI x + C 1;<br />

w ′′ = p EI<br />

w = p EI<br />

x 2<br />

2 + C 1x + C 2 ; w ′ = p x 3<br />

EI 6 + C x 2<br />

1<br />

2 + C 2x + C 3 ;<br />

x 4<br />

24 + C x 3<br />

1<br />

6 + C x 2<br />

2<br />

2 + C 3x + C 4 ;<br />

Aus der RB w(0) = 0 folgt C 4 = 0 und aus der RB w ′ (0) = 0 folgt dann C 3 = 0. Die Randbedingung<br />

M(L) = 0 is äquivalent zu w ′′ (L) = 0 (siehe Gl. 8.14) und Q(L) = 0 ist äquivalent<br />

zu w ′′′ (L) = 0. Damit ergeben sich<br />

C 1 = − p EI L;<br />

C 2 = − p EI<br />

Die Durchbiegung am rechten Trägerende ist somit<br />

w(L) = p EI<br />

Der Zahlenwert ist w(L) = 191.3·54<br />

8·109375<br />

L 2<br />

2 − C 1L = p L 2<br />

EI 2<br />

L 4<br />

24 − p EI LL3 6 + p L 2 L 2<br />

EI 2 2 = pL4<br />

8EI<br />

= 0.137 m.<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

8 Formänderungen<br />

Beispiel 8.3<br />

Durchbiegung eines beidseitig eingespannten Balkens<br />

Der dargestellte beidseitig eingespannte Balken<br />

unter Gleichlast p wird untersucht. Die<br />

Integration der Biegelinie ergibt wie oben eine<br />

Parabel 4. Ordnung.<br />

L<br />

p<br />

Die Randbedingungen w(0) = w ′ (0) = 0 ergeben C 3 = 0 und C 4 = 0. Am rechten Ende<br />

gelten die Randbedingungen w(L) = w ′ (L) = 0. Daraus folgt<br />

C 1 = − pL<br />

2EI ;<br />

C 2 = pL2<br />

12EI<br />

Durch Einsetzen in die zweite Ableitung w ′′ (0) ergibt sich damit das Einspannmoment<br />

M(0) = − pL2<br />

12 .<br />

8.3 Formänderungsenergie und Arbeitssatz<br />

Als einfachsten Beanspruchungszustand betrachten wir den einachsigen Spannungszustand<br />

wie er bei einer reinen Normalkraftbeanspruchung eines Zugstabes auftritt.<br />

L<br />

F<br />

F<br />

N<br />

EA<br />

¯F<br />

dx<br />

du = du dx = εdx<br />

dx<br />

u<br />

ū<br />

u<br />

u<br />

N<br />

dū<br />

Abbildung 8.7<br />

Beanspruchung eines Zugstabes<br />

An diesem Stab wirkt eine Kraft ¯F, die langsam aufgebracht, d.h. vom Wert 0 auf den Wert F<br />

vergrößert wird. Entsprechend verlängert sich der Stab und der Lastangriffspunkt verschiebt<br />

sich um den Weg ū nach unten. Die äußere Kraft leistet also eine Arbeit<br />

W =<br />

∫ u<br />

¯Fdū (8.15)<br />

0<br />

Bei Annahme linear-elastischen Verhaltens ist der Zusammenhang zwischen Kraft und Verschiebung<br />

linear (vgl. Abb. 8.7), also<br />

¯F = F uū (8.16)<br />

Damit ergibt sich die Arbeit W der Last F zu<br />

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8 Formänderungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

W =<br />

∫ u<br />

0<br />

¯Fdū = W =<br />

∫ u<br />

0<br />

F<br />

uūdū = F ∫ u<br />

u<br />

0<br />

ūdū = F u 2<br />

u 2 = Fu<br />

2<br />

(8.17)<br />

Die Arbeit der inneren Kräfte (Spannungen) kann wie folgt ermittelt werden: Die Normalkraft<br />

N (vgl. Abb. 8.7, rechts) in einem differentiellen Stück des Stabes mit Länge dx leistet<br />

die Arbeit<br />

Mit Anwendung des Elastizitätsgesetzes<br />

dU = 1 2 Ndu = 1 Nεdx (8.18)<br />

2<br />

ε = σ E = N EA<br />

(8.19)<br />

folgt durch Integration über die Stablänge L<br />

U = 1 2<br />

∫ L<br />

0<br />

N 2<br />

dx (8.20)<br />

EA<br />

Für Stäbe mit konstante Normalkraft N = F und konstanter Dehnsteifigkeit ergibt dies<br />

N 2 ∫ L<br />

U = 1 2 EA<br />

0<br />

dx = 1 N 2 L<br />

2 EA<br />

Aus Gl. 8.19 ergibt sich die Verschiebung des Kraftangriffspunktes zu<br />

Im Vergleich mit Gl. (8.17) erkennt man<br />

u = Lε = NL<br />

EA<br />

(8.21)<br />

(8.22)<br />

U = Nu<br />

2 = Fu<br />

2 = W (8.23)<br />

Diese grundlegende Aussage (Arbeitssatz) gilt in allen elastischen Systemen.<br />

Für Kräfte berechnet sich die äußere Arbeit W aus dem Produkt von Kraft und Verschiebung<br />

des Kraftangriffspunktes, für Momente berechnet sich die äußere Arbeit aus dem Produkt<br />

von Moment und Drehwinkel am Momentenangriffspunkt.<br />

M dφ<br />

M<br />

x<br />

dx<br />

Abbildung 8.8 Verformung eines Balkens<br />

infolge Biegung<br />

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<strong>Mechanik</strong> 1<br />

8 Formänderungen<br />

Die innere Arbeit U ist je nach Beanspruchungsart unterschiedlich zu berechnen. Für Biegung<br />

erfolgt die Berechnung am differentiellen Element aus der gegenseitigen Verdrehung<br />

benachbarter Querschnitte<br />

dU = 1 2 Mdϕ = 1 2 Mϕ′ dx<br />

Anwendung der Elastizitätsgesetzes M = EIϕ ′ (siehe Gl. 8.11) und Integration über die Stablänge<br />

L ergibt<br />

U = 1 2<br />

∫ L<br />

0<br />

M 2<br />

dx (8.24)<br />

EI<br />

Beispiel 8.4<br />

Kragbalken mit Einzellast<br />

Die Durchsenkung w e am Lastangriffspunkt<br />

soll mittels des Arbeitssatzes berechnet werden.<br />

Verformungsanteile aus Querkraftwirkung<br />

werden vernachlässigt. Es gilt<br />

x<br />

L<br />

EI<br />

F<br />

w e<br />

W = 1 2 F · w e; U = 1 2<br />

∫ L<br />

0<br />

M 2 (x)<br />

dx<br />

EI<br />

Darin ist die Momentenfunktion gegeben durch M(x) = −F(L − x). Somit<br />

U = 1 ∫ L<br />

2EI<br />

0<br />

F 2 (L 2 − 2Lx − x 2 )dx = F2 L 3<br />

6EI<br />

Aus U = W folgt somit<br />

w e = FL3<br />

3EI<br />

Beispiel 8.5<br />

Gekoppelte Federn<br />

Elastische Elemente lassen sich vereinfacht durch Federn mit einer Federsteifigkeit k repräsentieren.<br />

Dabei hängt der numerische Wert von k wesentlich von der Art der Beanspruchung<br />

des elastischen Elements ab (z.B Normalkraft oder Biegung). Die Beziehung zwischen<br />

Kraft F, Formänderungsarbeit U und Verformung w ist dann gegeben durch<br />

F = k · w;<br />

U = F2<br />

2k = kw2<br />

2<br />

Gekoppelte elastische Elemente lassen sich wiederum auf einfache Ersatzfedern zurückführen,<br />

deren Federsteifigkeit die Beziehung zwischen Kraft und Verformung beschreibt.<br />

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8 Formänderungen <strong>Mechanik</strong> 1<br />

Serienschaltung<br />

Die Kräfte sind in beiden Federn gleich. Daher<br />

gilt U = F2<br />

2k 1<br />

+ F2<br />

2k 2<br />

und mit W = 1 2 Fw e folgt daraus<br />

k 1<br />

( 1<br />

w e = F + 1 )<br />

k 2<br />

k 1 k 2<br />

bzw.<br />

1<br />

F<br />

F =<br />

1<br />

k 1<br />

+ 1 w e = k ersatz w e<br />

k 2<br />

w e<br />

Parallelschaltung<br />

Hier sind beide Federverformungen gleich,<br />

also U = k 1w 2 e<br />

2<br />

+ k 2w 2 e<br />

2<br />

. Es folgt unmittelbar<br />

F = (k 1 + k 2 ) w e = k ersatz w e<br />

k 1 k 2<br />

F<br />

w e<br />

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