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HWK Hamburg Jahresschlussrede Praesident 30.12.2013

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Jahresschlussversammlung<br />

30. Dezember 2013<br />

Ansprache des Präsidenten<br />

der Handwerkskammer <strong>Hamburg</strong><br />

Herrn Josef Katzer<br />

Es gilt das gesprochene Wort.


Seite 2<br />

Meine Damen und Herren,<br />

wem darf, wem kann man noch vertrauen?<br />

Eine Frage, die sich aufdrängt, wenn man auf dieses Jahr zurückblickt. Auf das Jahr mit der NSA-Abhör-<br />

Affäre, die durch die Reaktionen der Politik für den Bürger so unfassbar wird. Wem kann man noch vertrauen<br />

nach dieser erneuten Demonstration des anhaltenden Werteverfalls? Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein,<br />

Zuverlässigkeit, Partnerschaft – was bedeutet das eigentlich noch, welchen Stellenwert hat<br />

das noch in unserer Gesellschaft? Was bedeutet das in einer Zeit, in der technisch so unglaublich Vieles<br />

möglich ist, und es offenbar immer schwerer fällt, die Grenzen des Erlaubten zu beschreiben oder gar<br />

festzulegen. Doch was ist das oder wird das für eine Gesellschaft - ohne Vertrauen, ohne zuverlässiges<br />

Miteinander?<br />

Vertrauen, das ist die wichtigste Währung für unser Zusammenleben. Das gilt für die Wirtschaft und für<br />

unsere Gesellschaft. Das gilt für das Kleine, wie unser alltägliches Handeln, und genauso für das Große,<br />

wie die Stabilität des Euros. Deutschland gilt heute als der Stabilitätsanker in Europa. Überall gelobt und<br />

anerkannt. Damit ist in erster Linie die Wirtschaftsleistung gemeint, die Wirtschaftsmacht Deutschland.<br />

Doch was ist die Basis dieser Wirtschaftsleistung, dieser Stabilität? Nicht nur wir sagen: Es ist der<br />

Mittelstand und ganz besonders das Handwerk, das Herz des Mittelstands, die Wirtschaftsmacht von<br />

nebenan. Das Handwerk liefert diese Stabilität nicht nur durch seine Arbeit, sondern durch die Werte,<br />

die es lebt. Werte, die unsere Gesellschaft beisammen halten. Werte wie Verantwortung – und eben<br />

Vertrauen. Das sehen nicht nur wir selbst so. Die Gesellschaft für Konsumforschung GfK hat herausgefunden:<br />

87 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger vertrauen dem Handwerk „voll und<br />

ganz“. Das gilt für keinen anderen Wirtschaftsbereich. Das hat mit Qualität zu tun, aber auch mit<br />

Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Unternehmenskultur.<br />

Wir, also Unternehmerinnen, Unternehmer und Mitarbeiter, wir sind es, die Arbeit und Ausbildung schaffen.<br />

Wir sind es, die neue Märkte erschließen, für Wachstum und Wohlstand sorgen. Wir sind es, die<br />

Steuern und Abgaben erwirtschaften und auch hier in diesem Land abführen. Wir sind es, die dieses<br />

Land am Laufen halten. Und das mit einer Unternehmenskultur, die der Anfang des Jahres verstorbene<br />

Ehrenpräsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Paul Schnitker, so umschrieb:<br />

„Die Wirtschaft braucht das Handwerk und den Mittelstand, damit sie menschlich bleibt.“ Das beweisen<br />

wir in guten Zeiten genauso wie in Krisen. Das ist in Gesellschaft und Politik anerkannt, wird von vielen<br />

aber in den guten Zeiten auch wieder vergessen.<br />

Diese verantwortliche Unternehmenskultur gilt es zu wahren und zu verteidigen. Dafür brauchen wir aber<br />

mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen anstatt immer wieder neue Belastungen. Das erwarten wir<br />

von der Politik. Dafür kämpfen wir in Deutschland und Europa. Von der neuen Bundesregierung erwarten<br />

wir, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Handwerk und Mittelstand in ihrer Rolle als<br />

Stabilitätsanker in Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt werden. Allerdings lässt der Koalitionsvertrag in<br />

dieser Sicht durchaus zwiespältige Gefühle aufkommen. Hier ist noch reichlich Luft nach oben.<br />

Jenseits unserer Landesgrenzen weckt die stabilisierende Rolle des Mittelstands jedoch immer mehr Interesse:<br />

Was den Erfolg des „German Mittelstand“ ausmacht, das fragen sich nicht nur in der EU immer<br />

mehr Staaten – sondern auch in den USA und in Asien. So vermeldet beispielsweise das Bonner Institut<br />

für Mittelstandsforschung seit Anfang des Jahres zahlreiche Anfragen aus China, Südkorea, Taiwan und<br />

Japan. Wissenschaftler und Journalisten fragen nach den Erfolgsfaktoren und den besonderen Merk-


Seite 3<br />

malen des deutschen Mittelstands. Wir vom Handwerk können hier nur empfehlen, sich die nachhaltige<br />

Qualitätsstruktur genau anzusehen – beginnend mit der soliden Ausbildung im dualen System und am<br />

Ende die Meisterqualifikation. Die Meisterausbildung steht als Garant für beste Leistungen, gepaart mit<br />

hohem Verantwortungsbewusstsein, und wahrt auch in Krisenzeiten Stabilität. Es hat niemals einen erfolgreicheren<br />

Verbraucherschutz gegeben.<br />

Für China sieht der Internationale Währungsfonds IWF zwar keinen wirklichen Grund zur Sorge, wenn<br />

sich das Wirtschaftswachstum dort verlangsamt. Der IWF rät China aber dringend, die Strukturen umzustellen<br />

auf ein nachhaltiges Wachstum. China und die anderen BRIC-Staaten Brasilien, Russland und<br />

Indien haben dieses Jahr den einen oder anderen Wachstumsdämpfer hinnehmen müssen, dennoch<br />

bleiben sie aufstrebende Wirtschaftsmächte. Auch, weil sie zu umfassenden Reformen bereit sind, weil<br />

der Wille zur Modernisierung unverkennbar ist.<br />

Insgesamt stellen wir dieses Jahr fest, dass das weltwirtschaftliche Umfeld weiter fragil ist. Die Wachstumserwartungen<br />

für wichtige deutsche Absatzmärkte, vor allem in den Schwellenländern, sind verhalten,<br />

hellen sich aber auf. Was sich dagegen nicht wirklich aufhellt, ist die desaströse Haushaltspolitik in der<br />

immer noch größten Wirtschaftsmacht der Welt, den USA. Der Haushaltsstreit in Washington hat dieses<br />

Jahr bizarre Züge angenommen. Mit Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem amerikanischen Volk<br />

und der Welt hatte dies nichts mehr zu tun. Der endlich erzielte, lang ersehnte Kompromiss zwischen Republikanern<br />

und Demokraten bringt zwar erstmals seit 2009 wieder einen ordentlich verabschiedeten<br />

Haushalt, er löst das Problem aber nicht. In wenigen Wochen steht erneut die Anhebung der Schuldenobergrenze<br />

an, und die Sanierung der Staatsfinanzen steht weiterhin in den Sternen.<br />

Das schadet der Wirtschaft und dem Ansehen der USA immens. Und es schadet der Weltwirtschaft, vor<br />

allem durch eines: durch Unsicherheit. Unsicherheit jedoch ist Gift, nicht nur für die Konjunktur, sondern<br />

für die Entwicklung einer Gesellschaft insgesamt. Die USA sind in erschreckender Weise dabei, ihr<br />

Ansehen in der Welt zu verspielen, gerade auch als Vertreter der westlichen demokratischen Welt, die<br />

Grundrechte achtet - und eben Werte wie: Vertrauen unter Partnern. Der Abhör-Skandal durch den<br />

Geheimdienst NSA zerstört das Vertrauen in die USA nachhaltig. Die Reaktionen der Regierungen in<br />

Washington, London und nicht zuletzt auch in Berlin zeichnen ein erschreckendes Bild davon, was der<br />

Politik ein Wertekanon heute scheinbar noch wert ist: nämlich herzlich wenig. Das bringt Instabilität und<br />

einen großen Verlust an Glaubwürdigkeit.<br />

Wie überzeugend und glaubwürdig wirken demokratische Modelle angesichts solcher Umtriebigkeiten,<br />

wenn es gilt, in den Ländern des sogenannten Arabischen Frühlings den demokratischen Kräften den<br />

Rücken zu stärken? Ganz zu schweigen von dem menschlichen Drama in Syrien. Ein Land, eine Kultur<br />

zerstört sich im Bürgerkrieg. Und es ist für die Menschen dort kein wirkliches Ziel erkennbar, was nach all’<br />

dem Leid kommen soll. Die gesamte Region bleibt ein Brandherd, ein Hort der Instabilität. Die Folgen<br />

sind nicht abzusehen. Klar ist nur: Eine aufbrechende Nahost-Krise wäre nicht nur eine humanitäre<br />

Katastrophe. Auch die Auswirkungen für die Weltwirtschaft wären nicht auszudenken, wenn sich die Krise<br />

in dieser Region mit wichtigen Rohstoffen weiter zuspitzt.<br />

Auch die Krisen in anderen Teilen der Welt gehen uns mehr an, als wir auf den ersten Blick wahrhaben<br />

wollen. Die Lampedusa-Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern haben uns das drastisch gezeigt. Hier ist<br />

Europa gefordert, Verantwortung zu zeigen. Die Lösung darf jedenfalls nicht länger in erster Linie den<br />

südeuropäischen Ländern aufgebürdet werden. Die EU muss Wege finden, die ihren humanitären Werten<br />

entsprechen, für alle EU-Länder tragbar sind und den gesellschaftlichen Frieden wahren. <strong>Hamburg</strong> allein


Seite 4<br />

ist damit überfordert und muss natürlich auf Rechtstaatlichkeit und Gleichbehandlung gegenüber anderen<br />

achten.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

auch bei einer anderen existenziellen Krise müssen wir schnell in Europa eine gemeinsame Lösung finden:<br />

bei der Staatsschulden-Krise. Ziel muss sein, die Weichen so zu stellen, dass zukünftig Schieflagen<br />

zugunsten von Spekulanten und zulasten der Realwirtschaft und ganzer Volkswirtschaften vermieden<br />

werden. Deutschland fällt dabei eine besondere Rolle zu: Nicht zuletzt wir Deutsche haben von der EU<br />

und vom Euro stark profitiert. Und zu Europa gibt es keine erkennbare Alternative! Deutschland muss<br />

daher Verantwortung übernehmen und seiner faktischen Führungsrolle gerecht werden. In politischer<br />

Bescheidenheit, aber unter Einbringung seiner wirtschaftlichen Stärke. Die neue Bundesregierung hat<br />

hier ermutigende Zeichen gesetzt.<br />

Aber wenn ich sage „Deutschland“, dann meine ich nicht nur die Politik, sondern jeden einzelnen von uns.<br />

Dann meine ich auch das Handwerk, das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk. In <strong>Hamburg</strong> haben das viele Betriebsinhaber<br />

sofort verstanden. Ganz nach dem Motto des Handwerks: Füreinander einstehen und anpacken,<br />

wenn man gebraucht wird. Viele folgten dem Aufruf unserer Handwerkskammer sofort und boten einen<br />

Ausbildungsplatz für junge Menschen aus Südeuropa an. Trotz großer Anfangsschwierigkeiten konnten in<br />

diesem Ausbildungsjahr schließlich schon einmal sieben Lehrlinge aus Spanien und Portugal in <strong>Hamburg</strong><br />

beginnen, vom Elektrotechniker bis zur Friseurin. Wir wollen dieses Modell in den kommenden Jahren auf<br />

50 Ausbildungsplätze ausweiten. Das bedeutet: 50 Perspektiven für junge Menschen, unabhängig davon,<br />

ob sie dann hier bei uns bleiben oder als kompetente Fachkräfte und Botschafter für das duale<br />

Ausbildungssystem in ihre Heimatländer zurückkehren.<br />

Ein Ausdruck der Solidarität ist es meiner Meinung nach auch, darauf zu bestehen, dass die Krisenländer<br />

Europas notwendige Reformen für eine ökonomische und finanzielle Solidität angehen. Im Laufe dieses<br />

Jahres wurde erkennbar, dass die strenge Reform- und Sparpolitik, die maßgeblich die Bundesregierung<br />

in Brüssel vorantreibt, erste Erfolge zeigt: Die Krisenstaaten in Europa beginnen, sich zu stabilisieren.<br />

Doch das allein wird nicht reichen. Wir brauchen darüber hinaus eine gezielte Förderung für ein nachhaltiges<br />

Wachstum in diesen Ländern, quasi einen EU-Marshallplan, der die Wachstumskräfte von Griechenland<br />

bis zur iberischen Halbinsel mobilisiert.<br />

Davon würde auch die deutsche Wirtschaft profitieren, die sich erfreulicherweise auf einem soliden<br />

Wachstumskurs befindet. Für 2014 rechnet der IWF für Deutschland mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt<br />

von 1,4 Prozent und die Bundesregierung sogar mit 1,7 Prozent. Wichtige Wachstumsimpulse<br />

kommen auch aus der Binnendynamik. Die Stimmung in den deutschen Unternehmen ist überwiegend<br />

gut, die Investitionen als wichtiger Konjunkturmotor gewinnen an Fahrt, Beschäftigung und Einkommen<br />

steigen weiter und stärken den privaten Konsum. Das alles bei einem weiterhin ruhigen Preisniveau.<br />

Die Entwicklung im <strong>Hamburg</strong>er Handwerk weist in dieselbe Richtung. Das Jahr 2013 begann frostig.<br />

Wegen des extrem langen Winters verzögerten sich viele Aufträge. Dann kamen die Regenfluten im Mai<br />

– kurzum: Die Handwerkskonjunktur insgesamt nahm erst im zweiten Halbjahr so richtig Fahrt auf, dann<br />

aber umso mehr. „Stabil auf hohem Niveau“ – so ließ sich schon im Herbst die Einschätzung der Betriebe<br />

zusammenfassen. 87 Prozent stuften die Geschäftslage als gut oder zufriedenstellend ein. Für die Zukunft<br />

überwiegt der Optimismus: 91 Prozent der Unternehmen erwarten bis zum Frühjahr eine gleichblei-


Seite 5<br />

bende oder bessere Geschäftslage. Ebenso viele planen, die Beschäftigtenzahl zu steigern oder mindestens<br />

zu halten. Das entspricht dem Bundestrend im Handwerk.<br />

Damit dieser Optimismus gerechtfertigt ist, brauchen wir von der neuen Bundesregierung eine Politik, die<br />

den Mittelstand fördert. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag sind daran allerdings Zweifel angebracht.<br />

Worte und Maßnahmen passen hier nicht immer zusammen. Insgesamt wünsche ich mir von der<br />

Regierung mehr Mut, die jetzige historische Chance zu nutzen. Mit einer 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag<br />

und ihrer Mehrheit im Bundesrat sind CDU und SPD geradezu in der Pflicht, sich der Verantwortung<br />

zu stellen und die großen Herausforderungen in unserem Land anzugehen.<br />

Ein fairer Ausgleich mit den Interessen der Länder ist dabei allerdings eine zwingende Voraussetzung,<br />

um das zeitaufwendige Gefeilsche bzw. die Blockaden aus der letzten Legislatur zu vermeiden.<br />

Neben dem Mammut-Projekt Europa sehe ich hier vor allem fünf Handlungsfelder:<br />

1. Da ist zunächst die Aufgabe, unseren Föderalismus zukunftsfähig zu gestalten. Die Kompetenzen und<br />

Finanzen müssen zwischen Bund und Ländern so geregelt werden, dass der Dauerkonflikt um die Finanzierung<br />

beseitigt und die Zukunftsaufgaben angepackt werden können. Das gilt für die Hochschulfinanzierung<br />

genauso wie für das Einhalten der Schuldenbremse. Kaum zu hoffen wage ich allerdings auf eine<br />

von den Eltern und Schülern unseres Landes so dringend gewünschte Vereinheitlichung des Schulsystems<br />

oder auf eine effiziente Neuordnung der Länder.<br />

2. Zum Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit gehört auch eine leistungsfähige Infrastruktur. Hier muss der<br />

sich ausweitende Investitionsstau abgebaut und eine systematische Modernisierung auf den Weg gebracht<br />

werden.<br />

3. Ferner brauchen wir dringend eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die den Mittelstand entlastet und die<br />

Kaufkraft der Verbraucher stärkt. Das klingt nach bekannter Leier. Aber es kann nicht angehen, dass<br />

Handwerk und Mittelstand die größte Last an Steuern und Sozialabgaben tragen und Konzerne mit<br />

Milliardenumsätzen auf Ihre Gewinne nur 1 oder 5 Prozent Steuern abführen. Die internationale oder gar<br />

die rein europäische Steuerflucht belastet nicht nur die Staaten, sondern durch die notwendige Kompensation<br />

vor allem den Mittelstand und die Mitarbeiter. Es passt auch nicht richtig zusammen, Arbeit in billigere<br />

Länder zu exportieren, Umsatz und Gewinn in Deutschland zu realisieren und dann diesen Gewinn<br />

in Niedrigsteuerländern unterzubringen. Das können unsere Sozialsysteme und unser Mittelstand auf<br />

Dauer nicht aushalten.<br />

4. Eine hohe Priorität hat natürlich die überfällige, zügige und konsequente Umsetzung der Energiewende.<br />

5. Und die fünfte und aus meiner Sicht wichtigste Herausforderung ist die Stärkung der Bildung, und zwar<br />

von der Schulbildung über berufliche Bildung und Studium bis hin zu Fort- und Weiterbildung.<br />

Bleiben wir zunächst bei diesem Punkt: Die Bildungspolitik von heute ist die Fachkräftesicherung von<br />

morgen. Für die Betriebe gehört die Sicherung des Fachkräftebedarfs zu den größten Herausforderungen<br />

der Gegenwart und Zukunft. Unser System der dualen Ausbildung und der Meisterbrief als Voraussetzung<br />

für Selbständigkeit im Handwerk sind das Fundament für die Qualität, um die uns andere Länder beneiden.<br />

Sie sind der Motor für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit und unsere Versicherung ge-


Seite 6<br />

gen Jugendarbeitslosigkeit. Sie sind der beste Schutz gegen jede Form von Arbeitslosigkeit, weil ein breit<br />

und gut ausgebildeter Geselle auch jederzeit in einer anderen Firma seine Arbeit aufnehmen kann.<br />

Dieses Bildungssystem gilt es, national und in Europa zu stärken. Innerhalb der EU bündeln sich zurzeit<br />

wieder Kräfte, die Meisterpflicht in den A-Gewerken aufzuheben, mit den bekannten Argumenten der<br />

Deregulierung. Statt unser Berufsbildungssystem wie in den vergangenen Jahren nur zu verteidigen, sollten<br />

wir alle Anstrengungen unternehmen, um es in die EU zu exportieren. Das wäre eine echte Zukunftschance<br />

für andere EU Staaten.<br />

Das Handwerk hat der EU-Kommission und der Bundesregierung immer wieder vor Augen geführt, dass<br />

eine Schwächung unseres bewährten Qualifizierungssystems nichts anderes wäre als ein Angriff auf die<br />

Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft Deutschlands. Auf den Erfolg des „German Mittelstand“!<br />

Die neue Bundesregierung hat dies erkannt und will sich in Brüssel für den Erhalt des Meisterbriefs<br />

einsetzen. Das reicht aber nicht.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

je qualifizierter der Unternehmer, desto größer ist die Aussicht auf nachhaltigen Erfolg des Betriebes, den<br />

er gründet. Meisterbetriebe sind besonders bestandsfest, das stellen die Handwerkskammern in ganz<br />

Deutschland fest, wenn sie Existenzgründungen mit und ohne Meisterbrief vergleichen. Außerdem werden<br />

hierbei auch mehr Arbeitsplätze geschaffen. Um die Wirtschaft Europas langfristig zu stärken und zu<br />

stabilisieren, brauchen wir eigentlich nur Unternehmensgründungen, die am Markt nachhaltig erfolgreich<br />

sind.<br />

Noch aus einem anderen Grund braucht der Mittelstand Unterstützung für das Duale System: wegen des<br />

ungebrochenen Trends zur Akademisierung. Dieser Trend zum Studium geht an der Realität der Wirtschaft<br />

und des Arbeitsmarktes vorbei. Und das nicht nur zu Lasten der Betriebe, sondern auch zu Lasten<br />

vieler junger Menschen, die in einem praktischen Beruf viel besser aufgehoben wären als in einem<br />

akademischen. Wir haben seit langem den Trend weg von Haupt- und Realschulabschluss hin zu Abitur<br />

und Studium. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien oder<br />

Griechenland auch auf eine Überakademisierung zurückzuführen ist. Denn es gibt nicht genügend<br />

Arbeitsplätze für sie.<br />

Dieser Widerspruch gehört aufgelöst. Junge Menschen müssen in Deutschland frühzeitig erfahren und<br />

erleben können, was für vielfältige berufliche Perspektiven sich ihnen bieten. Ich bin überzeugt, dass jeder<br />

Mensch Talente hat. Die müssen nicht immer in der hohen Mathematik gefunden werden. Geben wir<br />

allen eine Chance. Dafür müssen Bund und Länder die berufliche Bildung stärken. Auch der Austausch<br />

zu den Hochschulen muss erleichtert werden – mit klaren Kriterien für Studienabbrecher, welche Leistungen<br />

auf eine Ausbildung angerechnet werden. Umgekehrt müssen ein Meister und eine Meisterin wissen,<br />

was ihnen bei einem Studium anerkannt wird. Wie das in <strong>Hamburg</strong> umgesetzt werden kann, darüber<br />

beraten wir im Rahmen der Mittelstandsvereinbarung und im <strong>Hamburg</strong>er Fachkräftenetzwerk schon<br />

nächstes Jahr konkret.<br />

In <strong>Hamburg</strong> scheinen die Abiturientinnen und Abiturienten ihre Karrierechancen im Handwerk zunehmend<br />

besser zu erkennen. Denn in der Hansestadt wächst Jahr für Jahr der Anteil der Abiturienten an den<br />

neuen Auszubildenden. Dieses Jahr betrug er 16,2 Prozent, damit liegen wir bundesweit an der Spitze.


Seite 7<br />

Doch der Wettbewerb um die besten Köpfe wird härter. Wenn auch der Anteil der Abiturienten an den<br />

Azubis steigt, so wird es doch insgesamt immer schwerer, Lehrlinge zu finden. Dieses Jahr mussten wir<br />

zum ersten Mal seit Jahren erleben, dass wir im <strong>Hamburg</strong>er Handwerk nicht gegen den Trend wachsen<br />

können, sondern im Bundestrend liegen. Nach wie vor bildet das Handwerk bundesweit wie auch in <strong>Hamburg</strong><br />

weitaus mehr junge Menschen aus, als es am Ende selbst beschäftigen kann. Doch, obwohl wir<br />

diese überproportionale Ausbildungsleistung noch halten können, mussten wir auch feststellen: Die<br />

<strong>Hamburg</strong>er Handwerksmeister haben deutlich mehr Lehrstellen angeboten, als besetzt werden konnten;<br />

ca. 400 blieben unbesetzt.<br />

Anders betrachtet ist heute für junge Menschen, die ihren Platz im Berufsleben suchen, die Lage so gut,<br />

wie man es sich lange Zeit nicht hätte vorstellen können. Sie haben gute Chancen, genau den Beruf zu<br />

finden, der zu ihnen passt. Und allen Schwierigkeiten zum Trotz: Wir merken langsam eine Veränderung.<br />

Junge Leute entdecken zunehmend das Handwerk neu für sich, erleben es als moderne Berufswelt -<br />

auch dank der Image-Kampagne, die übrigens gerade noch einmal um fünf Jahre verlängert wurde. Sie<br />

macht neugierig und zeigt, was das Handwerk attraktiv macht. Wer einmal ins Handwerk gefunden hat,<br />

der ist mit Ausbildung, Beruf und Karriere sehr zufrieden.<br />

Doch für die Fachkräftesicherung reicht die Nachwuchsgewinnung nicht aus, wir setzen auf vielen Feldern<br />

an. In diesem Kontext hat das Handwerk die Senats-Initiative zu einer Fachkräftestrategie der Stadt<br />

sehr begrüßt. Unser Lob gebührt dabei dem soliden Ergebnis und dem Beteiligungsverfahren, mit dem<br />

die federführende Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration die Wirtschaft von Anfang an eingebunden<br />

hat. Die Qualifizierungsansätze aus den gemeinsamen Strategiekonzepten von Wirtschaft und<br />

Senat wurden berücksichtigt, beispielsweise aus dem Masterplan Handwerk 2020.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

Fachkräftesicherung, das ist Nachwuchs gewinnen, Fachkräfte binden und Mitarbeiter in deren Qualifikation<br />

fördern. Für die Fachkräftesicherung im <strong>Hamburg</strong>er Handwerk engagieren sich seit Jahren Behörden,<br />

Institutionen, Schulen, Betriebe, Innungen und die Handwerkskammer gemeinsam. Ich danke an dieser<br />

Stelle allen Partnern für ihr konstruktives Engagement! Wir entwickeln gemeinsam das wichtige Instrument<br />

einer frühzeitigen Berufsorientierung weiter und ermöglichen die passgenaue Vermittlung von Bewerbern<br />

in Betriebe.<br />

Wir sprechen auch weitere Zielgruppen an. Wir möchten mehr Frauen für das Handwerk gewinnen. Wir<br />

möchten das Potenzial von Menschen mit Migrationshintergrund heben. Wir kümmern uns nicht zuletzt<br />

um diejenigen, die die Schule ohne Abschluss beendet haben. In jedem Menschen steckt ein Potenzial,<br />

man muss es nur entdecken und die persönlichen Fähigkeiten und Neigungen mit dem passenden Beruf<br />

und dem passenden Betrieb zusammenbringen. Für dieses Ziel geht 2014 ein neues Projekt zur „Integrierten<br />

Nachwuchsgewinnung im Handwerk“ an den Start. Mein Dank gilt hier dem <strong>Hamburg</strong>er Senat.<br />

Denn dieses Projekt vereinbarten Handwerkskammer und Senat im Rahmen der diesjährigen Fortschreibung<br />

unseres Masterplans Handwerk 2020.<br />

Fachkräftesicherung, das ist nicht nur Erstausbildung, sondern auch Weiterbildung, um jeweils auf dem<br />

aktuellen Stand zu bleiben. Gerade für die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe ist das eine besondere<br />

Herausforderung: Sie kümmern sich zuallererst um ihre Kunden und stellen im Tagesgeschäft Personalentwicklung<br />

und Weiterbildung zunächst zurück. Deshalb bauen Handwerkskammer und Senat seit<br />

Anfang des Jahres den Betrieben eine Brücke: mit dem Landesprogramm „Qualifizierung im Handwerk“.


Seite 8<br />

Wir begrüßen es, dass das Programm, nachdem es gut angenommen wurde, im kommenden Jahr fortgeführt<br />

wird.<br />

Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung ist unser neues Projekt Lüüd – ein bundesweit einzigartiger<br />

Verbund zur vorausschauenden Personalberatung von Handwerk und Mittelstand mit den vier<br />

Säulen: Personal planen, Personal finden, Personal entwickeln und Personal binden.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

Sie sehen, die Fachkräftesicherung als die Herausforderung der Zukunft gehen wir auf vielen Ebenen tatkräftig<br />

an. Damit der Mittelstand aber auch künftig das tragende Element des Stabilitätsankers Deutschland<br />

sein kann, brauchen wir den Rückhalt der Politik. Auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.<br />

Was der Mittelstand, was Deutschland nicht gebrauchen kann, sind Steuererhöhungen und eine überbordende<br />

Bürokratie. Sie sind Gift für die Konjunktur.<br />

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Mittelstand und das Handwerk, wir brauchen keine besonderen<br />

Schutzräume! Aber wir brauchen Rahmenbedingungen, die Wachstum und Dynamik zulassen. In <strong>Hamburg</strong><br />

haben wir hier mit dem Masterplan Handwerk 2020 eine gute Grundlage – und das neue Bündnis für<br />

den Mittelstand, das die Wirtschaft dieses Jahr mit dem Senat unterzeichnete, weist in dieselbe Richtung.<br />

Aber auch der Bund muss seinen Teil dazu beitragen.<br />

Neue Bremsklötze für das Wachstum können wir nicht gebrauchen, sondern im Gegenteil: Wir brauchen<br />

eine steuerliche Entlastung des Mittelstands, eine Stärkung der Liquidität und damit die Erleichterung von<br />

Investitionen in Innovationen für den Standort Deutschland und seine Infrastruktur. Der Regulierungswahn<br />

der EU-Kommission muss gebremst werden. Sie sollte sich mehr um eine gemeinsame Außenpolitik<br />

kümmern, statt um die Kartoffel Linda oder um unser Handwerk.<br />

Berlin muss auch die Kaufkraft der Verbraucher stärken. Überfällig ist hier das Abschaffen der kalten Progression!<br />

Also jener Effekt, wodurch Lohnerhöhungen mit dem Ziel des Inflationsausgleichs das Netto<br />

vom Brutto senken, wenn infolge der Steuerprogression dann höhere Steuern erhoben werden. Es ist<br />

unverständlich und unakzeptabel, dass die neue Bundesregierung diese schreiende Steuer-Ungerechtigkeit<br />

nicht antastet und damit eine permanente „schleichende Steuererhöhung“ fortschreibt. Hier dürfen<br />

und werden wir nicht locker lassen! Genauso wenig wie bei unserer Forderung: Vier Jahre keine zusätzlichen<br />

Belastungen für den Mittelstand!<br />

Für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns hat die große Koalition einen Kompromiss gefunden.<br />

Wichtig ist dabei, dass die zukünftige Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Tarifparteien in<br />

einer unabhängigen Kommission erfolgt. Die Tarifpartner sind es, die in diesem Land über Löhne verhandeln<br />

müssen. Das muss auch hier gelten. Für das Handwerk ist die Sozial- und Tarifpartnerschaft ein hohes<br />

Gut. Flächentarifverträge sind ein bewährtes Instrument, um zu maßgeschneiderten Lösungen für<br />

Betriebe und ihre Beschäftigten zu kommen.<br />

In <strong>Hamburg</strong> haben wir noch eine besondere Komponente, den vergaberechtlichen Mindestlohn. Den hat<br />

die Handwerkskammer unterstützt. Wir halten es aber für falsch, dass der neue Grundsatz „Equal Pay“<br />

so radikal eingeführt wurde. Leiharbeitnehmer erhalten danach vom ersten Tag an das gleiche Entgelt<br />

wie Stammarbeitskräfte im Unternehmen. Das ist wirklichkeitsfern. Bei der nächsten Reform des Hambur-


Seite 9<br />

gischen Vergabegesetzes sollte hier nachgebessert werden. Und zwar so, dass diese Formel nach<br />

frühestens zwei Monaten gilt.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

bei der Frage der notwendigen Rahmenbedingungen darf eines nicht fehlen: Handwerksbetriebe<br />

brauchen ausreichend bezahlbare Gewerbeflächen. Das ist ein Dauerbrenner in den Gesprächen der<br />

Handwerkskammer mit der Stadt. Wohnen und Arbeiten, das muss im Einklang möglich sein, auch in<br />

einer wachsenden Stadt. In diesem Jahr sind wir hier in Zusammenarbeit mit dem Senat ein gutes Stück<br />

vorangekommen. Ich denke dabei insbesondere an die Gewerbeflächenkonzepte in den Bezirken und an<br />

die überarbeiteten Kriterien für die Wirtschaftsförderung.<br />

Unser besonderer Dank gilt aber vor allem Ihnen, Herr Bürgermeister. Ihr Wort, dass für jeden Handwerksbetrieb<br />

eine Lösung gefunden wird, ist uns ebenso wichtig wie die Entscheidung, nun den von uns<br />

angemahnten Handwerks- und Gewerbehof nach Münchner Vorbild zu bauen. Das Münchner Modell ist<br />

eine Erfolgsstory. Stadt und Kammer haben sich auf einen Standort in Eimsbüttel verständigt – also<br />

zwischen Altona und <strong>Hamburg</strong>-Nord. In allen drei Bezirken sind für unsere Betriebe Gewerbeflächen<br />

Mangelware. Der erste Gewerbehof nach diesem Konzept in <strong>Hamburg</strong> ist ein Format der Zukunft, um das<br />

Handwerk in der Stadt zu halten!<br />

Der Gewerbehof kommt unter der Voraussetzung, dass das Handwerk eine entsprechende Nachfrage<br />

zeigt. Wir müssen eine 80-prozentige Vorvermietung nachweisen. Jetzt kommt es darauf an, dass unsere<br />

Handwerks-Unternehmerinnen und -Unternehmer dieses Angebot in Eimsbüttel annehmen – anstatt die<br />

Alternative jenseits der Stadtgrenze vorzuziehen! Wir sind hier sehr zuversichtlich!<br />

Beim Stichwort Pilotvorhaben komme ich auf das zentrale Zukunftsprojekt für unsere Volkswirtschaft:<br />

die Energiewende. Derzeit ist sie neben der Euro-Krise ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Wirtschaft und<br />

Gesellschaft. Seit langem fordern wir, dass Berlin die Hängepartien beendet. Sie produzieren Stillstand!<br />

Berlin muss dringend einen Masterplan mit berechenbaren Rahmenstrukturen erarbeiten. Hier ist der<br />

neuen Bundesregierung wahrlich kein großer Wurf gelungen. Der Koalitionsvertrag ist sicher der Versuch,<br />

die Energiewende endlich in geordnete Bahnen zu lenken. Mit dem verbindlichen Ausbaukorridor soll die<br />

Machbarkeit der Umsetzung gesichert werden. Mit dem Abbau der Überförderung will man den Strompreis<br />

in den Griff bekommen. Die EEG-Reform ist für das erste Halbjahr 2014 zugesagt. Ob die Kosten<br />

damit wirklich so gebremst werden können, dass Strom für Privathaushalte wie für kleine und mittlere Betriebe<br />

bezahlbar ist, bleibt abzuwarten.<br />

Aus meiner Sicht muss zukünftig vor allem die Energieeffizienz in den Mittelpunkt rücken. Es ist doch eine<br />

Schande, dass wir vor allem über Kosten und die Erzeugung von Energie sprechen anstatt darüber, wie<br />

man mit weniger Energie auskommen kann! 40 Prozent der Energie entfallen auf den Gebäudebereich.<br />

Um Hauseigentümern einen Anreiz zu Klimaschutz-Investitionen zu geben, verlangen wir die steuerliche<br />

Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Die Umwelt würde gewinnen, der Bürger würde gewinnen<br />

und der Staat auch: Erfahrungswerte zeigen, dass jeder Euro Förderung das acht- bis neunfache an<br />

Investitionen anstößt. Die wiederum bringen höhere Einnahmen bei Steuern und Abgaben: Es ist quasi<br />

eine sich selbst finanzierende Maßnahme. Es ist daher unverständlich, dass die steuerliche Abschreibung<br />

bei der energetischen Gebäudesanierung dem Streichkonzert in der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen<br />

zum Opfer gefallen ist. Die Stärkung der KfW-Förderung kann und wird dies nicht kompensieren.


Seite 10<br />

Wir sind überzeugt: Die energetische Sanierung ist von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Energiewende.<br />

Eine Neuausrichtung der Energiepolitik, die dies außer Acht lässt, begeht aus Sicht des Handwerks<br />

einen großen Fehler. Die Energiewende muss ein Erfolg werden. Sie bietet ungeheure Chancen für<br />

den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland, nicht zuletzt auch für das Handwerk. Sie erfolgreich<br />

zu gestalten, ist jetzt die zentrale Herausforderung für Minister Gabriel und die neue Bundesregierung.<br />

Alle in Europa schauen genau hin, ob uns die Energiewende gelingt.<br />

Das Handwerk steht längst bereit mit seinen speziell für diese Aufgaben qualifizierten Fachkräften.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

wenn ich hier von Milliarden-Investitionen im Kontext Energie spreche, dann ist es nicht weit zum Netzrückkauf<br />

in <strong>Hamburg</strong>, zu dem die Stadt nach dem Volksentscheid am 22. September aufgefordert ist.<br />

Die Handwerkskammer hat sich früh und in allen ihren Gremien mit diesem Thema befasst und auch über<br />

eine Fernsehdiskussion mit den Medienpartnern <strong>Hamburg</strong> 1 und dem <strong>Hamburg</strong>er Abendblatt dazu beigetragen,<br />

die Diskussion zu versachlichen. Gemeinsam mit 15 Partnern aus Wirtschaft, Arbeitnehmervertretern,<br />

Steuerzahlerbund und anderen Organisationen engagierten wir uns schließlich im Bündnis<br />

„Nein zum Netzkauf“.<br />

Wir waren gegen den Netzkauf, weil er nichts von dem bringt, was der Volksentscheid nahe legte: Der<br />

Strom wird dadurch nicht grüner, nicht billiger und die Versorgung nicht sicherer. Das einzige, was nun<br />

eingetreten ist: eine große Unsicherheit. Und die dient der Versorgungssicherheit sicherlich nicht! Es ist<br />

noch nicht klar, wie die großen Versorger sich entscheiden werden und wie lang sich Rechtsstreitigkeiten<br />

hinziehen werden. Und ob am Ende die neue städtische Netzgesellschaft den Zuschlag bekommt bei der<br />

Ausschreibung für die Konzession, das ist ebenfalls noch völlig offen. Wir bedauern die Entwicklung, doch<br />

als Demokraten akzeptieren wir natürlich das Votum. Nun gilt es, den Blick nach vorn zu richten und den<br />

Schaden für die Stadt und ihre Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Gemeinsam mit unseren Partnern<br />

begleiten wir den Prozess konstruktiv, nun unter dem Motto „Augen auf beim Netzrückkauf!“.<br />

Was uns der Volksentscheid aber auch gezeigt hat: Wir müssen noch lernen, mit diesem Instrument der<br />

direkten Demokratie umzugehen. So ist zum Beispiel zu überlegen, ob die Fragen und Informationen auf<br />

den Wahlzetteln eindeutiger formuliert werden müssen. Damit für die Wählerinnen und Wähler wirklich<br />

deutlich wird, worüber genau sie abstimmen. Der Volksentscheid darf nicht zu einem Dauerstörfeuer<br />

verkommen und demjenigen die Mehrheiten geben, der das bessere Marketing hat. Es sollte sich auf<br />

wirklich wenige wichtige Sachfragen konzentrieren. Die Selbstverwaltungen der Wirtschaft, also die<br />

Kammern, haben die gesetzliche Aufgabe, die Politik fachlich zu beraten. Mit den Volksentscheiden ist<br />

eine neue politische Entscheidungsmacht entstanden, unabhängig von der jeweils vom Volk gewählten<br />

Regierung. Die Kammern müssen sich hier neu positionieren, auch um ihrem gesetzlichen Auftrag in<br />

Zukunft gerecht zu werden.<br />

Das Thema Energie und Ökologie hat aber auch Bereiche, die in diesem Jahr aus unserer Sicht weitaus<br />

erfreulicher verlaufen sind und die viel Zukunftspotenzial haben. Ich meine die Elektromobilität.<br />

Deutschland will Leitmarkt für Elektromobilität werden, das Handwerk wird die entscheidende Schnittstelle<br />

zum Kunden sein. Nun gut, die 1 Million E-Fahrzeuge, die die Kanzlerin bis 2020 auf Deutschlands Straßen<br />

sehen will, sind ein sehr ehrgeiziges Ziel – angesichts der rund 5.000, die wir derzeit haben. Aber allen<br />

Unkenrufen zum Trotz: Der Markt wächst, zumal jetzt die Autoindustrie stärker einsteigt.


Seite 11<br />

Es gibt erste Staaten, die bei den Verkaufszahlen die 10-Prozent-Marke knacken. In Norwegen haben<br />

schon 12 Prozent aller Neuwagen einen Stromanschluss. Dort werden derzeit mehr elektrisch betriebene<br />

Sportwagen der kalifornischen Marke Tesla zugelassen als herkömmlich betriebene VW Golf. Und in<br />

Kalifornien verbucht Tesla mit den E-Luxusfahrzeugen bereits höhere Verkaufszahlen als Mercedes,<br />

BMW oder andere Hersteller von Luxuswagen mit dem herkömmlichen Antrieb. Mit einer neu konzipierten<br />

Batterie, auf die es zehn Jahre Garantie gibt. Ich bin überzeugt: Die E-Mobilität wird in unserer mobilen<br />

Zukunft eine feste Rolle spielen und wird ein Megatrend, der nicht mehr aufzuhalten ist.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

das Jahr 2014 bringt auch für die Handwerkskammer und das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk eine wesentliche<br />

Veränderung:<br />

Hauptgeschäftsführer Frank Glücklich verlässt unser Haus zum Jahresende, also morgen! Zehn Jahre hat<br />

er sich mit aller Kraft und Begeisterung für das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk eingesetzt. Die Vollversammlung<br />

wählte seinen Stellvertreter Henning Albers einstimmig zum Nachfolger. Das betrachten wir mit einem<br />

lachenden und einem weinenden Auge: Dass Sie, lieber Herr Glücklich, die Kammer nun verlassen, das<br />

ist ein Verlust, den wir sehr bedauern. Dass Sie, lieber Herr Albers, ihm als sein langjähriger Stellvertreter<br />

nachfolgen, ist für uns ein Gewinn.<br />

Herr Glücklich, Sie haben seit 2004 die Entwicklung der Kammer zu einer modernen, zeitgemäßen<br />

Institution entschieden vorangetrieben. Bildung, Fachkräftesicherung, Innovation, Modernisierung und<br />

Umwelt gehörten zu Ihren Schwerpunkten. Sie brachten den ELBCAMPUS, das Kompetenzzentrum der<br />

Handwerkskammer, 2008 an den Start und zuletzt das Modellprojekt Lüüd. Strategische Konzepte wie<br />

der bundesweit einmalige „Masterplan Handwerk 2020“ wären ohne Sie nicht denkbar und auch nicht<br />

erreichbar gewesen.<br />

Wir in der Handwerkskammer und den Innungen wie auch die Partner außerhalb des Handwerks haben<br />

Sie dabei als ausgewiesenen Strategen erlebt, höchst sachkundig, immer konstruktiv und sehr zielgerichtet.<br />

Wir werden Sie vermissen. Gleichzeitig wünschen wir Ihnen nun alles Gute für Ihren „Unruhestand“, in<br />

dem Sie endlich einmal Zeit für all’ die Dinge haben, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind.<br />

Herr Glücklich, ganz persönlich danke ich Ihnen für die gemeinsame Zeit. Aus sachlich professioneller<br />

Zusammenarbeit ist eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung geworden. Für mich war es ein<br />

Glücksfall und für das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk ein deutlicher Gewinn. Herr Glücklich, vielen Dank, ich habe<br />

unsere Zusammenarbeit sehr genossen und auch ganz persönlich davon profitiert.<br />

Dem studierten Ingenieur der Elektrotechnik und der Wirtschaftswissenschaften folgt nun der studierte<br />

Verwaltungsbetriebswirt als Hauptgeschäftsführer. Herr Albers, Sie sind seit 2006 als Herrn Glücklichs<br />

Stellvertreter und als Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaftsförderung in der Handwerkskammer tätig.<br />

Sie kennen das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk sehr gut und die Strukturen unserer Stadt ebenso. Sie werden den<br />

Kurs der Modernisierung und Kundenorientierung fortsetzen. Ihnen sind die Handlungsfelder von der<br />

Fachkräftesicherung über den Flächenbedarf bis zu Qualität und Innovation bestens vertraut. Ich freue<br />

mich auf eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Oder ich muss sagen: Ich freue mich darauf, die<br />

gute Zusammenarbeit fortzusetzen.


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Sie beide haben dieses Jahr die Übergabe der Geschäfte hervorragend vorbereitet. Ein Glücksfall für die<br />

Kammer und für das <strong>Hamburg</strong>er Handwerk! Herr Glücklich vielen Dank, Herr Albers viel Erfolg!<br />

Meine Damen und Herren,<br />

Menschen und nicht Prozesse müssen im Mittelpunkt stehen. Die inhabergeführten Familienbetriebe des<br />

Handwerks sind auch in dieser Hinsicht ein Wirtschaftszweig mit Zukunft. Das wichtigste Kapital eines<br />

Betriebes ist das Vertrauen seiner Kunden und Mitarbeiter. Handwerk ist regional verankert. Man kennt<br />

sich. Das schafft Vertrauen. Betriebsinhaber arbeiten auf eigenes Risiko, tragen unternehmerische und<br />

soziale Verantwortung, übernehmen gesellschaftliche Verantwortung – im Betrieb und in der Nachbarschaft,<br />

im Bezirk, in der Stadt.<br />

Das Handwerk hat feste Werte. Nachhaltigkeit statt kurzfristiger Verbrauch finanzieller und natürlicher<br />

Ressourcen kennzeichnet die Unternehmenskultur, ebenso wie Eigenverantwortung als Voraussetzung<br />

und nicht etwa als Gegenentwurf zu Solidarität. Der Generationengerechtigkeit messen wir im demographischen<br />

Wandel einen hohen Stellenwert bei. Wir wollen Mut machen zur stetigen Veränderung. Denn<br />

nur so können wir bewahren, was wir erhalten wollen: soziale Sicherheit, Wohlstand und gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

die Zukunft unserer schönen Stadt liegt uns allen am Herzen. Wir alle gestalten diese Zukunft mit. Ganz<br />

im Sinne einer Kultur der Verantwortung. Typisch Handwerk also! Wir wünschen uns dafür Verlässlichkeit<br />

bei unseren Partnern und eine auch künftig vertrauensvolle Zusammenarbeit.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen, Ihren Familien, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

einen guten Start ins neue Jahr. Möge 2014 für Sie ein friedvolles Jahr mit viel Erfolg und vor allem<br />

Gesundheit werden.<br />

Gott schütze das ehrbare Handwerk!

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