Der Pynackerhof auf Nordstrand - Husum-Stadtgeschichte
Der Pynackerhof auf Nordstrand - Husum-Stadtgeschichte
Der Pynackerhof auf Nordstrand - Husum-Stadtgeschichte
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<strong>Der</strong> <strong>Pynackerhof</strong><br />
<strong>auf</strong> <strong>Nordstrand</strong><br />
Ingrid und Heinz-Peter Moseler<br />
Wir ziehen nach <strong>Nordstrand</strong><br />
Groß und mächtig liegt der <strong>Pynackerhof</strong><br />
<strong>auf</strong> einer hohen Warft im Trendermarschkoog<br />
<strong>auf</strong> <strong>Nordstrand</strong>. Wir hatten ihn schon oft gesehen,<br />
wenn wir den Trendermarschweg nach<br />
Süden ans Meer fuhren. Damals, 1987, waren<br />
wir zum ersten Mal <strong>auf</strong> der damaligen<br />
Kneesch-Warft, wie der Hof 1987 hieß.<br />
Er stand zum Verk<strong>auf</strong>, aber wir, die Familie<br />
Moseler mit den drei Kindern Christoph, Alexander<br />
und Martje, hatten weder den Mut,<br />
noch das Geld, den Hof zu erwerben. 1989<br />
war es aber soweit. Wir waren in der Lage, den<br />
Hof zu k<strong>auf</strong>en. <strong>Der</strong> K<strong>auf</strong>vertrag wurde im<br />
April 1989 geschlossen.<br />
<strong>Der</strong> Hof hatte damals nicht mehr viel von<br />
seiner Ursprünglichkeit. Er war mehrmals umgebaut<br />
worden und in einem dringend sanierungsbedürftigen<br />
Zustand. Wir nahmen alles,<br />
wie es kam. Wir waren nun für diesen geschichtsträchtigen<br />
Hof verantwortlich.<br />
Die Geschichte<br />
Die Geschichte beginnt 1634 nach der<br />
zweiten großen Sturmflut, die aus der reichen,<br />
fruchtbaren schönen Insel eine Stätte der Verwüstung<br />
und des Grauens machte. Trümmer<br />
und Ruinen, Tod, Not und Armut ließen die<br />
abziehenden Wasser damals zurück. Die Überlebenden<br />
und Zurückgebliebenen waren verarmt,<br />
ihre Arbeit an den Deichen blieb nur<br />
Stückwerk, und der Herzog von Gottorf ver-<br />
Abb.1 Ein Luftbild aus den 1950er Jahren zeigt den <strong>Pynackerhof</strong> <strong>auf</strong> der Warft mit dem 7000m 2 großen<br />
parkartigen Garten. Blick von Süden.<br />
DER MAUERANKER HEFT 3 · OKTOBER 2006 7
Abb. 2. Auch in den 1950er Jahren wurde das Foto von Osten <strong>auf</strong>genommen.<br />
Das Gehöft war in der Zeit noch fast unverändert und zeigt in<br />
etwa den Zustand der Bauzeit 1896.<br />
Familie Kneesch den Hof, von deren Nach<br />
kommen wir im Jahre 1989 den Hof übernahmen.<br />
sagte ihnen die erforderliche Hilfe. Stattdessen<br />
fasste er die Beteiligung niederländischer<br />
Unternehmer und Investoren für die Wiedergewinnung<br />
der dem Meereseinfluss ausgesetzten<br />
Landflächen durch große Eindeichungen<br />
im Bereich des heutigen <strong>Nordstrand</strong> ins Auge.<br />
Am 18. Juli 1652 – 18 Jahre nach dem verheerenden<br />
Ereignis – kam der Vertrag zwischen<br />
Herzog Friedrich III. von Schleswig-<br />
Gottorf und vier Niederländern zustande.<br />
Dieser Vertrag, Oktroi genannt, schuf die<br />
Grundlagen für die Wiedergewinnung des östlichen<br />
Teils vom alten, 1634 untergegangenen<br />
<strong>Nordstrand</strong> und den Aufbau des neuen <strong>Nordstrand</strong>.<br />
Aber erst 1663, 29 Jahre nach der Katastrophe,<br />
war die Eindeichung des heutigen<br />
T r endermarschkooges abgeschlossen.<br />
der Hof „Pynacker“ als Nr.<br />
6 in dieser Schreibweise<br />
eingezeichnet.<br />
1876 wurde der Hof erworben<br />
von Lorenz Lorenzen<br />
und Heline geb. Jensen,<br />
die auch das heute vorhandene<br />
Gebäude von 1896 errichteten.<br />
Diese Familie hat<br />
aller Wahrscheinlichkeit<br />
auch den südwestlich<br />
unterhalb der Warft gelegenen<br />
7000 m 2 großen Inselgarten<br />
mit dem heutigen<br />
alten Baumbestand, der<br />
Sitzgrotte und vielen schönen<br />
Details angelegt.<br />
Nach dem Eigentümer<br />
Peter Edding (1903-1911)<br />
erwarb dann schließlich die<br />
Das Anwesen <strong>auf</strong> der hohen Warft<br />
Die Hofanlage befindet sich <strong>auf</strong> einer<br />
3,50 m hohen Warft und bestand beim Er-<br />
werb aus dem Haupthaus, einem 40 m langen<br />
und 15 m breiten Geesthardenhaus, einer Remise,<br />
einem großen Schuppen und einem Silo.<br />
Das Wirtschaftsgebäude war mit Eternit gedeckt<br />
und beherbergte 19 Gästebetten und<br />
eine vermietete Wohnung.<br />
<strong>Der</strong> Namensgeber:<br />
Willibrord Pynacker<br />
Willibrord Pynacker, selbst Niederländer,<br />
aus der Nähe von Den Haag stammend,<br />
pachtete 1675 den später nach ihm benannten<br />
<strong>Pynackerhof</strong> und bewirtschaftete ihn mit<br />
seine Schwester Adriana bis zu seinem Tod<br />
1697. Nach dem Tod der Schwester im Jahre<br />
1713 gibt es eine Reihe weiterer Besitzer, zuerst<br />
Niederländer, dann aber wieder Nordfriesen<br />
(s. Kasten). Auf einer Karte von 1670 ist<br />
Abb. 3 <strong>Der</strong> <strong>Pynackerhof</strong> <strong>auf</strong> einer Karte von 1847;<br />
schraffiert: der große Garten.<br />
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Abb. 10 Auf dieser Karte von ca. 1667, 21 Jahre nach der Wiederbedeichung<br />
der Trendermarsch, ist der Hof unter der Nummer 6 mit dem Namen<br />
‚het Pynaker hof aen de heeren van de Clergie’ <strong>auf</strong>geführt.<br />
cherte und obendrein eine<br />
zehnjährige Steuerund<br />
Abgabenfreiheit in<br />
den eingedeichten Kögen<br />
gewährte.<br />
Nach dem <strong>Nordstrand</strong>er<br />
Deichrecht<br />
mussten Landeigner, die<br />
ihre Deichstrecke nicht<br />
mehr unterhalten konnten,<br />
ihr Land abgeben.<br />
Sie wurden enteignet.<br />
Das Land fiel an diejenigen,<br />
welche die Deichund<br />
Abgabenpflichten<br />
übernahmen.<br />
So erging es fast allen<br />
<strong>Nordstrand</strong>ern, die<br />
noch <strong>auf</strong> der Insel ausharrten<br />
und nun zusehen<br />
mussten, wie die<br />
neuen Herren ihr Land<br />
Die Wiederbedeichung der Insel <strong>Nordstrand</strong><br />
war eine langwierige und für die<br />
Überlebenden der Sturmflut von 1634, die<br />
<strong>auf</strong> den Resten der Insel überhaupt noch<br />
wohnen konnten, eine Zeit großer Entbehrungen<br />
und Enttäuschungen. Während <strong>auf</strong><br />
dem heutigen Pellworm schon 1637 mit<br />
der Neubedeichung begonnen werden<br />
konnte, ging die Zerstörung im übrigen<br />
Teil weiter. Die Reste der Insel waren bis<br />
zum Beginn der Neueindeichungen im Osten<br />
mit dem Deichschluss des Friedrichskooges<br />
(heute: Alter Koog) im Jahre 1654 –<br />
20 Jahre nach der Flut – immer weiter zerstört<br />
worden. <strong>Der</strong> Heverstrom hatte nahezu<br />
alle Landflächen zwischen Pellworm und<br />
dem heutigen <strong>Nordstrand</strong> fortgespült.<br />
<strong>Der</strong> Gottorfer Herzog Friedrich III. holte<br />
nach langen Verhandlungen niederländische<br />
Geldgeber und Fachleute ins Land.<br />
1652 schloss er mit dem Brabanter Deichgrafen<br />
Quirinus Indervelden und dreien<br />
seiner Landsleute als „Haupt-Contrahenten<br />
und Participanten“ einen Vertrag (Oktroi),<br />
der ihnen fast unbeschränkte Rechte zusiohne<br />
alle Entschädigung in Besitz nahmen.<br />
„Nicht ohne Zähren“ (Tränen) hörten sie<br />
die herzoglichen Verfügungen an, die ihnen<br />
ihr Pastor Anton Heimreich verlesen musste.<br />
„Andrerseits eröffnete der Vertrag die<br />
Aussicht“ <strong>auf</strong> die Wiedergewinnung der<br />
notwendigen Sicherheit. Die Vorherrschaft<br />
der Partizipanten dauerte rund 200 Jahre.<br />
<strong>Der</strong> Trendermarschkoog war in zwölf<br />
Teile, so genannte Kabel, <strong>auf</strong>geteilt, die vier<br />
Partizipanten gehörten. Von einem dieser<br />
Eigentümer pachtete der Niederländer Willibrord<br />
Pynacker den Hof <strong>auf</strong> der Warft,<br />
die in einer Karte von 1670 als „Pynacker<br />
Hof“ bezeichnet wird. Er bewirtschaftete<br />
ihn zusammen mit seiner Schwester Adriana,<br />
die ihn weiterführte bis zu ihrem Tod<br />
1713.<br />
Ein Nachfahre des Stallers Quirinus Indervelden,<br />
Johann Walter Indervelden,<br />
übernahm den Hof bis 1768. Danach wurden<br />
Nordfriesen Eigentümer.<br />
Quelle: Kuschert, Rolf: Die frühe Neuzeit.<br />
In: Geschichte Nordfrieslands, Heide 1995.<br />
DER MAUERANKER HEFT 3 · OKTOBER 2006 9
Abb. 4 Grundriss 1989;<br />
Abb. 5 Ansichten SO, NW, NO, Bestands<strong>auf</strong>nahmen Abb. 4 und 5: Ingrid Moseler<br />
Wo sollten wir beginnen?<br />
Was war das Wichtigste? Die Substanz des<br />
Hauses galt es zu erhalten und in den ursprünglichen<br />
Zustand zurückzuversetzen. <strong>Der</strong><br />
Dachstuhl musste repariert und verstärkt, die<br />
Mauern rundum repariert und teilweise erneuert<br />
werden. So z. B. der 15 m breite und 12 m<br />
hohe Stallgiebel am Südostende mit seinem<br />
42 cm dicken Mauerwerk, der so b<strong>auf</strong>ällig war,<br />
dass er total abgerissen werden musste. Wir<br />
kippten ihn um und putzten monatelang<br />
15 000 alte Steine, um den Giebel mit diesen<br />
Steinen neu zu erstellen.<br />
Im Dachstuhl wurden Kopfbänder, Pfetten<br />
DER MAUERANKER HEFT 3 · OKTOBER 2006
Abb. 6 Veränderte Fenster im Wohnteil; die alten Fensteröffnungen waren<br />
im Mauerwerk ablesbar...<br />
wir endlich mit der Reetdachdeckung begin-<br />
nen. Über 1 000 m 2 Dachfläche mit Reet ein-<br />
zudecken braucht Zeit, aber nach einigen Mo-<br />
naten Arbeit war am 31. August 1996 alles so<br />
weit fertig, dass wir den 100. Geburtstag des<br />
Hauses mit Freunden und Gästen feiern konnten.<br />
Noch heute arbeiten wir an unserem Haus.<br />
Vor allen Dingen ist der weitere Innenausbau<br />
noch nicht abgeschlossen. <strong>Der</strong> ursprüngliche<br />
Grundriss konnte nach der Freilegung der<br />
und Stützen eingezogen, um die Standfestigkeit<br />
wieder zu gewährleisten. Die 110 l<strong>auf</strong>enden<br />
Meter gemauerter schwacher Fundamente<br />
wurden freigelegt und standfest saniert.<br />
Außenanlagen und Gebäude wurden von jeglichem<br />
Unrat befreit. Schuppen und Gärfutter-<br />
Silo wurden abgerissen. Wir räumten das<br />
Grundstück <strong>auf</strong>, pflanzten über 1 000 neue<br />
Bäume und bauten und bauten. Uns kam zustatten,<br />
dass fast alle vom Fach sind. Auch Ingrid<br />
Moseler hat das Maurerhandwerk erlernt.<br />
Wir hatten Arbeit satt. Aber das Haus wuchs<br />
und gedieh, und auch die Außenanlagen wurden<br />
immer schöner. Die Ferienwohnung in<br />
der Remise am Fuße der Warft ist heute ein<br />
Ferienplatz für viele Stammgäste.<br />
Wir brauchten gut zehn Jahre für die Gebäude.<br />
Wir haben viel Literatur und ähnliche<br />
Gebäude in der Landschaft studiert und Kontakt<br />
zur Interessengemeinschaft Baupflege<br />
Nordfriesland gesucht, um alles in den ursprünglichen<br />
Zustand versetzen zu können.<br />
ster des Wohnhauses mussten<br />
nicht nur ersetzt, auch<br />
die Fensteröffnungen mussten<br />
<strong>auf</strong> die Ursprungsform<br />
zurückgeführt werden. Und<br />
das betraf immerhin 22<br />
Holzverbund-Fenster, 13<br />
Stallfenster, vier große Tore<br />
und zwei Haustüren. 1994<br />
waren wir soweit, dass der<br />
Hof <strong>auf</strong> unseren Antrag hin<br />
als Kulturdenkmal anerkannt<br />
und in das Denkmalbuch<br />
eingetragen werden<br />
konnte.<br />
1996 bauten wir die beiden<br />
ehemaligen Backengiebel<br />
an der Westseite wieder<br />
<strong>auf</strong>. Und danach konnten<br />
Spurensuche<br />
Wie sahen die Fenster aus? Welche Tore und<br />
Türen waren vorhanden? Da gab es einige alte<br />
Fotos, die weiterhalfen. Und die Mauern verrieten<br />
manches über die ursprünglichen, aber später<br />
veränderten Fensteröffnungen und -formen.<br />
Das gleiche gilt für Türen und Tore. Alle Fen-<br />
Abb. 7 ...und wurden wieder zurückgeführt<br />
DER MAUERANKER HEFT 3 · OKTOBER 2006 11
Abb. 8 Das 1996 neu eingedeckte 40m lange und 15m breite Langhaus<br />
hat sein altes Gesicht zurückbekommen und wurde in das Denkmalbuch<br />
als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung eingetragen. Das Foto entstand<br />
1998.<br />
Wände und Fußböden wieder entdeckt und<br />
hergestellt werden.<br />
Manchen Aufschluss über früher vorhandene<br />
Kachelöfen, Wandfliesen, Herde und das<br />
im Haus gebrauchte Steingutgeschirr ergeben<br />
Funde beim Pflegen der Warft oder bei gelegentlichem<br />
Ausräumen der Graft, die Hof und<br />
Garten umschließt.<br />
Heute haben wir zwei Kachelöfen, einen uralten,<br />
gebrauchsfähigen Herd, Fußböden mit<br />
Öländer Kalksteinplatten, niederländischen<br />
Ziegelplatten plavuizen, 4 cm dicke Dielenfußböden<br />
mit Breiten bis zu 30 cm und eine wunderbar<br />
getäfelte Decke.<br />
Auch die Einrichtung haben<br />
wir versucht, möglichst stilgerecht<br />
zu gestalten. Nun<br />
soll auch der Garten wieder<br />
in den alten Zustand versetzt<br />
werden. Die Außenanlagen<br />
am Haus mit Rasen,<br />
Rosen, Rabatten, Terrassen<br />
und Bäumen wurden gestaltet.<br />
Aber auch der <strong>auf</strong> einer<br />
etwas niedrigeren Warft gelegene<br />
7000 m 2 große Obstgarten<br />
soll in alter Pracht erstrahlen,<br />
denn auch dieser<br />
von Graften umgebene Garten<br />
ist ein Kulturdenkmal<br />
und muss wie das Haus wie-<br />
der seine ursprüngliche Gestalt<br />
erhalten.<br />
Über Arbeit können wir<br />
uns nicht beklagen, aber<br />
von der Freude, die wir an<br />
unserem Anwesen haben,<br />
können wir auch viel erzählen.<br />
Seit dem K<strong>auf</strong> sind<br />
über 17 Jahre vergangen.<br />
Die Bäume sind enorm gewachsen.<br />
Alles Geplante<br />
hat Gestalt angenommen.<br />
Es war eine gute Entscheidung<br />
damals, diese wunderbare<br />
geschichtsträchtige<br />
Hofanlage zu erwerben.<br />
Denn wie heißt es in der<br />
Urkunde zum Denkmal<br />
schutz?<br />
„Das Bauernhaus und der dazugehörige<br />
Obstgarten sind in das Denkmalbuch für die<br />
Kulturdenkmale aus geschichtlicher Zeit ein-<br />
getragen worden.“<br />
Repro 1-6; Fotos 7, 8, 9: GK<br />
Quellen:<br />
Karff, Fritz: <strong>Nordstrand</strong>, Geschichte einer nordfriesischen<br />
Insel, 2.Aufl., Flensburg 1972.<br />
Kuenz, Karl: <strong>Nordstrand</strong> nach 1634. Die wiedereingedeichte<br />
nordfriesische Insel, Eigenverlag 1978.<br />
Müller, Friedrich: Das Wasserwesen an der Schlesw.-<br />
Holst. Westküste II. Teil Die Insel <strong>Nordstrand</strong>, Berlin<br />
1915.<br />
Abb. 9 Acht Jahre später ist der neu gepflanzte Baumbestand zum<br />
Schutzschirm gegen den Wind herangewachsen.<br />
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